Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Schakalfüchse ( Lycalopex)

Die letzte Gruppe, mit welcher wir uns vor einem näheren Eingehen auf die Haushunde befassen müssen, hat Burmeister mit dem Namen Schakalfüchse ( Lycalopex ) bezeichnet. »Zu dieser Gruppe«, sagt genannter Forscher, »gehören wahrscheinlich alle übrigen südamerikanischen Wildhunde; wenigstens darf man diejenigen, deren Schädel bekannt ist, hierher ziehen, insofern als die Augenhöhlendecken des Stirnbeins stets stark gewölbt und mit der Spitze herabgebogen sind: ein Charakter, welcher den echten Füchsen abgeht.« Ein erhabener Scheitelkamm ist nicht vorhanden. Im Gebisse hat man ebenfalls einige wenig belangreiche Absonderlichkeiten aufgefunden: am vierten unteren Lückzahn fehlt der hintere Zacken; der obere Fleischzahn ist kürzer als die beiden Höckerzähne zusammen. Der Augenstern ist rund oder eirund. Der Schwanz hängt bis zum Boden herab.

Burmeister zählt zwar auch den Maikong dieser Gruppe zu, begründet sie aber auf den Aguarachay der Guaraner, Atoj oder »brasilianischen Fuchs« ( Canis Azarae , C. melanostomus und melampus, Vulpes, Pseudalopex und Lycalopex Azarae), ein wirkliches Mittelglied zwischen Schakal und Fuchs. Seine Gesammtlänge beträgt 90 bis 100 Centim., wovon 35 Centim. auf den ziemlich langen Schwanz kommen. Die Färbung ändert vielfach ab. Gewöhnlich sind Nacken und Rücken schwarz, Scheitel und Kopfseiten grau, die Seiten dunkelgrau, weil aus schwarzen und weißen Haaren gemischt, Brust und Bauch schmutzigisabellgelb, die Läufe vorn braun, hinten schwarz, die Pfoten braun. Eine weiße Bläße im Gesicht, ein hellgelber Augenring, ein ockergelber Ohrfleck und die gleichgefärbte Gurgel stechen von jener Färbung ab. Die langen Borsten im Gesicht, eine Augenbinde und alle nackten Theile sind schwarz. Der Pelz besteht aus weichem Wollhaar und etwas gekräuselten, ziemlich rauhen Grannen, welche abweichend geringelt sind und an den verschiedenen Körpertheilen die betreffende Färbung durch ihre helleren oder dunkleren Spitzen Hervorbringen. Mannigfaltige Abänderungen in der Färbung und Zeichnung erschweren es, diese Art immer zu erkennen; auch sind die Forscher noch verschiedener Ansicht: die einen vereinigen, die anderen trennen die Abarten.

Das Vaterland des Aguarachay (sprich Agaratschai) ist ganz Südamerika, vom Stillen bis zum Atlantischen Weltmeere, vom Gleicher bis zur Südspitze Patagoniens. Er findet sich in der Höhe wie in der Tiefe, scheint aber gemäßigte Landstriche den heißen Gegenden vorzuziehen. In den Andes steigt er bis zu fünftausend Meter über die Meeresfläche empor; in Paragay bewohnt er das offene Gestrüpp und meidet ebensowohl die großen Waldungen wie die offenen Stellen, obgleich er beide auf seinen Jagdzügen besucht. Er ist überall häufig, hält sich in einem bestimmten Gebiete auf, lebt im Sommer und Herbste allein, im Winter und Frühling paarweise, verschläft den Tag und zieht abends aus, um Agutis, Pakas, Kaninchen, junge Rehkälber, wildes und zahmes Geflügel zu berücken, soll auch dem Jaguar als Bettler und Schmarotzer folgen, verschmäht selbst Frösche und Eidechsen nicht, fängt Krebse und Krabben und wird seiner Häufigkeit, Raubgier und Dieberei wegen zur Landplage.

Wir verdanken Azara, Rengger und Tschudi treffliche Lebensbeschreibungen des Thieres; die beste hat Rengger gegeben: »Ich habe«, sagt er, »zuweilen auf meinen Reisen, wenn ich die Nacht im Freien zubrachte, auf Augenblicke diesen Wildhund im Mondscheine beobachten können. War ich bei einer Hütte gelagert, wo Bisamenten gehalten wurden, so sah ich ihn sich mit der größten Vorsicht nähern, immer unter dem Winde, damit er Menschen und Hunde schon von weitem wittern konnte. Mit leisen, gänzlich unvernehmbaren Tritten schlich er längs der Umzäunung oder durch das Gras, machte oft große Umwege, bis er in die Nähe der Enten kam, sprang dann plötzlich auf eine derselben los, ergriff sie mit den Zähnen beim Halse, so daß sie kaum einen Laut von sich geben konnte und entfernte sich schnell mit seinem Raube, ihn hoch empor haltend, um im Laufe nicht gehindert zu werden. Erst in einiger Entfernung, wenn er sich gesichert glaubte, verzehrte er die Beute, wie man an den zurückgelassenen Federn und Knochen wahrnehmen konnte. Wurde er durch Geräusch gestört, so zog er sich sogleich in das dichteste Gebüsch zurück, kam aber später von einer anderen Seite wieder und versuchte von neuem. Manchmal erschien er vier- bis fünfmal in der Nähe einer Hütte, bis er den günstigsten Augenblick wahrgenommen hatte. Gelingt ihm der Fang nicht in einer Nacht, so macht er in der folgenden neue Versuche. Ich hatte einem, welcher mir eine Ente geraubt hatte, mehrere Nächte hinter einander auflauern lassen. Er zeigte sich aber nicht, obschon wir jeden Morgen die frische Fährte in der Nähe fanden. Die erste Nacht hingegen, wo er Niemanden auf der Lauer bemerkte, besuchte er den Hühnerhof.

Aguarachay (Canis Azarae).

»Im Walde und auf offenem Felde ist der Aguarachay in der Verfolgung der Beute minder behutsam, weil er hier weniger Feinde zu befürchten hat und die kleinen Säugethiere, welche er nicht unversehens überfallen kann, bald einholt. Bei der Verfolgung hält er, wie die Jagdhunde, die Nase nahe am Boden, spürt auf der Fährte hin und windet dann mit emporgehaltener Nase von Zeit zu Zeit. Sind die Zuckerrohre ihrer Reife nahe, so besucht er die Pflanzung, und zwar nicht allein der vielen dort lebenden Mäuse, sondern auch des Zuckerrohres selbst wegen. Er frißt nur einen kleinen Theil der Pflanzen, denjenigen nämlich, der sich gleich über der Wurzel findet und den meisten Zucker enthält, beißt aber jedesmal zehn und mehr Pflanzen an oder ab und richtet bedeutenden Schaden an.«

In weniger bewohnten Gegenden wird der Aguarachay oder die Zorra der spanischen Südamerikaner oft außerordentlich frech. Göring erzählte mir, daß er unseren Wildhund auch bei Tage in der Nähe der Gehöfte gesehen habe. Das Thier besitzt ein ganz vortreffliches Gedächtnis und merkt es sich genau, wo es einmal Beute gemacht hat. Auf dem Hühnerhofe, welchem es einen Besuch abstattete, mag man die Hühner gut hüten: sonst kommt die Zorra sicherlich so lange, wie noch ein Huhn zu finden ist, wieder.

Wo sich der Schakalfuchs ungestört weiß, treibt er sich überhaupt ebensoviel bei Tage, wie bei Nacht umher. In den Sümpfen weiß er mit großer Geschicklichkeit Wege zu finden. Dort stellt er eifrig dem Wasser- und Sumpfgeflügel, namentlich den Enten, Rallen, Wasserhühnchen und Wehrvögeln ( Palamedea) nach und weiß immer eins oder das andere der tölpischen Jungen, ja selbst die Alten zu berücken. Die Gauchos, welche ihn vortrefflich kennen, erzählten Göring, daß er sich gerade dann nach den Sümpfen verfüge, wenn Jäger dort wären, weil er so klug sei, zu wissen, daß die Jäger doch einen oder den anderen Vogel für ihn erlegen würden.

Einzelnen Reitern gegenüber zeigt er sich oft sehr neugierig: er kommt, wenn er den Tritt eines Pferdes vernimmt, aus dem Gebüsche hervor, stellt sich offen mitten auf die Straße und schaut Reiter und Pferd unverwandt an, läßt auch beide manchmal bis auf fünfzig Schritte und noch näher an sich herankommen, bevor er sich zurückzieht. Ein solcher Rückzug geschieht keineswegs mit großer Eile, sondern langsam, Schritt für Schritt. Der Schakalfuchs trollt in aller Gemüthlichkeit davon und schaut sich noch viele Male nach der ihn fesselnden Erscheinung um, fast als wolle er Roß und Reiter verhöhnen. Merkt er dagegen, daß man Miene macht, ihn zu verfolgen, so sucht er so eilig wie möglich sein Heil in der Flucht und ist dann in kürzester Frist im dichten Gestrüpp verschwunden.

»Im Winter, zur Zeit der Begattung«, fährt Rengger fort, »suchen sich beide Geschlechter auf und lassen dann häufig abends und bei Nacht den Laut A-gua-a vernehmen, welchen man sonst nur hört, wenn eine Wetterveränderung bevorsteht. Männchen und Weibchen bauen sich nun ein gemeinschaftliches Lager im Gebüsche, unter losen Baumwurzeln, in den verlassenen Höhlen des Tatu ect. Einen eigenen Bau graben sie nicht. Im Frühjahre, d. h. im Weinmonat, wirft das Weibchen hier drei bis fünf Junge, welche es in den ersten Wochen nur selten verläßt. Das Männchen trägt ihnen Raub zu. Sobald die Jungen fressen können, gehen beide Alten aus die Jagd aus und versorgen ihre Brut gemeinschaftlich. Gegen Ende des Christmonds trifft man schon junge Aguarachays an, welche der Mutter auf ihren Streifereien folgen. Um diese Zeit trennt sich der Hund von der Familie, und später verläßt auch das Weibchen die Jungen.

»Der Aguarachay wird in Paragay sehr häufig als Säugling eingefangen und gezähmt. Geschieht das letztere mit Sorgfalt, so kann er zum Hausthier gemacht werden. Ich sah ihrer zwei, welche fast so zahm waren wie Haushunde, obgleich nicht so folgsam. Beide waren ganz jung einer säugenden Hündin angelegt und mit deren Gewölfe aufgezogen worden. Ihren Herrn lernten sie bald kennen, kamen auf seinen Ruf zu ihm, suchten ihn zuweilen von selbst auf, spielten mit ihm und beleckten seine Hände. Gegen unbekannte Personen waren sie gleichgültig. Mit ihren Stiefgeschwistern hatten sie sich gut vertragen; beim Anblick fremder Hunde sträubten sie ihr Haar und fingen an zu kläffen. Sie liefen frei umher, ohne daß sie zu entfliehen suchten, obgleich sie oft ganze Nächte hindurch vom Hause abwesend waren. Durch Schläge konnten sie von einer Handlung abgehalten, aber weder durch Güte noch durch Gewalt zu etwas gezwungen werden. Die Gefangenschaft hatte ihre angestammte Lebensweise nur wenig verändert. Sie schliefen den größten Theil des Tages hindurch, wachten gegen Abend auf, liefen dann einige Zeit im Hause herum und suchten sich ihre Nahrung auf oder spielten mit ihrem Herrn. Mit einbrechender Nacht verließen sie das Haus und jagten wie die wilden in Wald und Feld oder stahlen von den benachbarten Hütten Hühner und Enten weg; gegen Morgen kehrten sie nach Hause zurück. Allein auch da war das zahme Geflügel nichts weniger als sicher vor ihnen, falls sie dasselbe unbemerkt rauben konnten; sowie sie sich aber beobachtet glaubten, warfen sie keinen Blick auf die Hühner.

»Da beide Thiere ihren Stiefgeschwistern sehr zugethan waren, begleiteten sie dieselben gewöhnlich, wenn ihr Herr mit ihnen auf die Jagd ritt, und halfen das Wild aufsuchen und verfolgen. Ich selbst habe mit diesen Schakalfüchsen mehrere Male gejagt und war erstaunt über ihren äußerst feinen Geruch, indem sie im Aufsuchen und Verfolgen einer Fährte die besten Hunde übertrafen. War ein Wild aufgestoßen, so verloren sie nie die Spur, dieselbe mochte auch noch so oft durch andere gekreuzt sein. Am liebsten jagten sie Rebhühner, Agutis, Tatus und junge Feldhirsche, alles Thiere, welchen sie auf ihren nächtlichen Streifereien nachzustellen gewöhnt waren. Auch große Hirsche, Pekaris und selbst den Jaguar halfen sie jagen. Währte aber die Jagd mehrere Stunden fort, so ermüdeten sie viel früher als die Hunde und kehrten dann nach Hause zurück, ohne auf das Zurufen ihres Herrn zu achten.

»Bei dieser Gelegenheit beobachtete ich eine sonderbare Gewohnheit des Aguarachay, von welcher mir schon mehrere Jäger gesprochen hatten. Wenn er nämlich ein Stück Leder oder einen Lappen Tuch oder sonst einen ihm unbekannten Gegenstand auf seinem Wege antrifft, ergreift er denselben mit den Zähnen, trägt ihn eine Strecke weit und versteckt ihn dann in einem Gebüsche oder im hohen Grase, worauf er seinen Lauf fortsetzt, ohne später zu der Stelle zurückzukehren. Dieser Sitte wegen müssen die Reisenden, welche die Nächte unter freiem Himmel zubringen, ihre Zäume, Sättel und Gurte gut verwahren, sonst werden sie ihnen leicht von dem Aguarachay weggetragen, nicht aber, wie Azara behauptet, gefressen. Mir wurde auf meiner Reise ein Zaum, einem meiner Reisegefährten ein Schnupftuch entwendet: beides fanden wir am anderen Morgen in einiger Entfernung von unserem Lager unversehrt im dichten Gestrüppe wieder.« Tschudi fand in einer Höhle des Thieres ein Stück Steigbügel, einen Sporen und ein Messer, welche ebenfalls von dem Aguarachay herbeigeschleppt worden waren.

Der Balg des Aguarachay wird nur selten, das Fleisch aber, seines widrigen Geruches und Geschmackes wegen, niemals von den Eingeborenen Paragay's benutzt. Dennoch stellt man ihm des Schadens wegen, den er anrichtet, mit Eifer nach, fängt ihn in Fallen oder schießt ihn abends auf der Lauer oder hetzt ihn mit Hunden zu Tode. Zu diesem Ende sucht man ihn aus dem Gebüsche, in welchem er sich versteckt hat, ins Freie zu treiben, damit ihn die berittenen Jäger zugleich mit den Hunden verfolgen können. Anfangs läuft er sehr schnell, so daß ihn die Reiter beinahe aus den Augen verlieren. Nach einer Viertelstunde aber fängt er an, müde zu werden, und wird nun bald eingeholt. Gegen die Hunde sucht er sich zu vertheidigen, wird aber sogleich von ihnen in Stücke zerrissen. Es hält übrigens schwer genug, einen Aguarachay aus seinem Schlupfwinkel hinaus ins Freie zu treiben, indem ihm die Hunde in der Gewandtheit durch das verschlungene Gebüsch und die stachlichen Bromelien durchzuschlüpfen weit nachstehen. In Peru zahlt der Gutsbesitzer für jeden Schakalfuchs, welcher ihm abgeliefert wird, ein Schaf. Die Indianer stellen deshalb dem Aguarachay, welcher dort Atoj heißt, eifrig nach, und die Herdenbesitzer ihrerseits suchen eine Ehre darin, ihre Gebäude mit möglichst vielen ausgestopften Fuchsbälgen zu verzieren. Außer dem Menschen mag der Aguarachay keinem anderen Feinde unterliegen. Sein scharfes Gehör und seine äußerst feine Nase sichern ihn vor jedem unversehenen Ueberfall, und der Verfolgung entgeht er dann leicht durch seine Schnelligkeit.

*


 << zurück weiter >>