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Haushunde ( Canis familiaris)

» Durch den Verstand des Hundes besteht die Welt.« So steht im Vendidad, dem ältesten und echtesten Theile des Zend-Avesta, eines der ältesten Bücher der Menschheit.

Für die erste Bildungsstufe des Menschengeschlechts waren und sind noch heute diese Worte eine goldene Wahrheit. Der wilde, rohe, ungesittete Mensch ist undenkbar ohne den Hund, der gebildete, gesittete Bewohner des angebautesten Theiles der Erde kaum minder. Mensch und Hund ergänzen sich hundert- und tausendfach; Mensch und der Hund sind die treuesten aller Genossen. Kein einziges Thier der ganzen Erde ist der vollsten und ungeteiltesten Achtung, der Freundschaft und Liebe des Menschen würdiger als der Hund. Er ist ein Theil des Menschen selbst, zu dessen Gedeihen, zu dessen Wohlfahrt unentbehrlich.

»Der Hund«, sagt Friedrich Cuvier, »ist die merkwürdigste, vollendetste und nützlichste Eroberung, welche der Mensch jemals gemacht hat. Die ganze Art ist unser Eigenthum geworden; jedes Einzelwesen derselben gehört dem Menschen, seinem Herrn, gänzlich an, richtet sich nach seinen Gebräuchen, kennt und vertheidigt dessen Eigenthum und bleibt ihm ergeben bis zum Tode. Und alles dieses entspringt weder aus Noth noch aus Furcht, sondern aus reiner Liebe und Anhänglichkeit. Die Schnelligkeit, die Stärke des Geruchs haben für den Menschen aus ihm einen mächtigen Gehülfen gemacht, und vielleicht ist er sogar nothwendig zum Bestande der Gesellschaft des Menschenvereins. Der Hund ist das einzige Thier, welches dem Menschen über den ganzen Erdboden gefolgt ist.«

Der Hund ist wohl würdig, daß ich ihn ausführlich behandle, und trotz seiner scheinbaren Allbekanntschaft hier sehr mit Lust und Liebe seiner gedenke. Jedermann glaubt ihn zu kennen, gründlich und hinlänglich zu kennen, und nur der Naturforscher gesteht zu, daß er, trotz aller Nachforschungen und Vergleichungen, eigentlich noch äußerst wenig und kaum irgend etwas sicheres über den Hund weiß.

Der Hund hat sich mit dem Menschen über die ganze Erde verbreitet. Soweit sich das Menschengeschlecht ausgedehnt hat, findet man auch ihn, und selbst die armseligsten, ungesittetsten und ungebildetsten Völker haben ihn zu ihrem Genossen, Freunde und Vertheidiger. Aber in keinem Lande der Erde wird er noch wild, überall vielmehr nur gezähmt, in Gesellschaft des Menschen, höchstens verwildert gefunden. Weder die dunkelste Sage noch die sorgfältigste Forschung hat uns bisher über seine Vorfahren genügenden Aufschluß gegeben: über die Abstammung des wichtigsten aller Hausthiere liegt ein scheinbar undurchdringliches Dunkel. Es gibt kein anderes Thier weiter, über welches so viele Muthmaßungen, so viele Annahmen herrschen wie über den Hund. Nach der Ansicht der einen gehören alle Hunde der ganzen Erde nur zu einer einzigen Art, die anderen nehmen mehrere Stammeltern an; die ersteren betrachten alle Hunde als Abkömmlinge vom Wolf, vom Schakal, vom Dingo, vom Dole und Buansu: die anderen glauben, daß er ein Erzeugnis mehrfacher Kreuzungen zwischen diesen oder jenen der genannten, ein Blendling verschiedener wilder Hunde sei.

»Will man den Haushund«, sagt Blasius, »als Art von den übrigen Wölfen trennen, so gibt es noch jetzt keine besseren Merkmale, als der links gekrümmte Schwanz, wie es Linné angibt.

»Das naturgeschichtliche Schicksal des Hundes gleicht dem des Menschen. Daß der Hund sich dem Herrn der Erde ganz unterworfen und angeeignet hat, ist von Folgen gewesen, wie wir ihresgleichen in der Thierwelt nicht finden. Das Vorhandensein des Hundes ist mit dem des Menschen so eng verschmolzen; der Hund hat sich, wie der Mensch, den mannigfaltigsten und gegensätzlichsten Natureinflüssen in einem solchen Maße unterwerfen müssen, um den ganzen Erdkreis erobern und beherrschen zu helfen, daß von seinem ursprünglichen Naturzustande wie von dem des Menschen nur willkürliche Vermuthungen uns Kunde geben können. Doch gilt dies bloß von seinen leiblichen Eigenthümlichkeiten. Ueber sein geistiges Wesen können die Stimmen nicht getheilt sein.

»Der Hund ist nach seinem Gerippe, nach Schädel und nach Gebiß ein Wolf; doch ist es nach Schädel noch nach Gebiß weder möglich, ihn mit irgend einer wild vorkommenden Wolfsart zu vereinigen, noch von den bekannten Wolfsarten scharf zu trennen. Unsere europäischen Hunde schwanken in ihren Schädeleigenthümlichkeiten zwischen denen des Wolfes und des Schakals, doch so, daß sich die Eigenthümlichkeiten mannigfaltigst kreuzen, verbinden und abändern. Doch wenn auch der Schädel Ähnlichkeit mit dem des Wolfes und Schakals hat, sogar entfernt an den des Fuchses erinnert, hält er doch immer etwas eigenthümliches fest. Die Stirn tritt in der Regel etwas stärker über dem Scheitel und dem Nasenrücken hervor als beim Wolf und Schakal; doch darin zeigen sich erst recht gegensätzliche Abweichungen bei den verschiedenen Hunderassen. Es versteht sich, daß in diesen Eigenthümlichkeiten nur Schädel von ungefähr gleichem Alter mit einander erfolgreich verglichen werden können.

»Die Amerikaner haben Hunde gehabt, ehe durch die Spanier der europäische Hund nach Amerika gebracht wurde. In Mejiko fanden die Spanier stumme Hunde vor. Humboldt führt an, daß von den Indianern von Jauja und Huanca, ehe sie der Inka Pachacutec zum Sonnendienste bekehrte, die Hunde göttlich verehrt wurden. Ihre Priester bliesen auf skelettirten Hundeköpfen, und Hundeschädel und Hundemumien fanden sich in den peruanischen Grabmälern der ältesten Zeit. Tschudi hat diese Schädel untersucht, hält sie für verschieden von denen der europäischen Hunde und glaubt, daß sie von einer eigenen Art herrühren, die er Canis Ingae nennt; auch werden die einheimischen Hunde im Peruanischen mit dem Namen Runa-allco bezeichnet, um sie von den europäischen, die verwildert in Südamerika Vorkommen, zu unterscheiden. Diese Hunde sollen besonders gegen Europäer feindlich gesinnt sein.

»Merkwürdig ist es, daß da, wo keine Vertreter der Wölfe wild vorkommen, auch der Haushund gefehlt zu haben scheint, obwohl, soweit die Geschichte des Menschen in der Vorzeit und seine Verbreitung über den Erdkreis reicht, der Hund dem Menschen durchgängig als Gesellschafter treu gefolgt ist. Ritter macht darauf aufmerksam, daß, wie Grawford bezeugt, in allen Gleicherländern ostwärts von Bengalen, in Hinterindien und seinen umliegenden Inseln nicht einmal irgend eine Art der ganzen Hundefamilie aufgefunden worden ist. Es scheint demnach, daß, ungeachtet der Einwirkung des Menschen, die Verbreitung der Hunde mit den wilden Wolfsarten in einem genaueren Zusammenhange steht.

»Wenn es schon auffallend erscheint, daß die eingeborenen Hundearten sich in dem Schädelbau den wilden Wolfsarten nähern, so ist es noch auffallender, daß sie auch im Aeußeren wieder den wilden Formen nahe rücken, wenn sie in den Zustand der Verwilderung übergegangen sind. Das gilt nicht allein von der Färbung, sondern auch von der Form des Thieres, den aufrechtstehenden, spitzen Ohren, der Behaarung und dergleichen. Schon Olivier bemerkte, daß die Hunde in der Umgebung von Konstantinopel schakalähnlich sind. Im südlichen und östlichen Rußland gibt es zahllose, halbverwilderte, in ganzen Gesellschaften umherlaufende Hunde, welche dem Schakal in Farbe und Gestalt des Körpers und der Ohren häufig täuschend ähnlich sind. Die Beobachtung von Pallas, daß die Hunde mit dem Schakal in entschiedener Freundschaft leben, ist bei diesen äußeren Aehnlichkeiten leicht zu begreifen.

»Es ist bekannt, daß vom Hund und Wolf Bastarde in jeder Art der Kreuzung nachgewiesen sind. Bastarde zwischen Hund und Schakal sind nach Naturbeobachtungen keine Seltenheit. Pallas erwähnt sogar, daß unter den Russen Bastarde von Hund und Fuchs als eine bekannte Sache angenommen werden; doch gründet er diese Behauptung offenbar nicht auf eigene Beobachtungen.

»Fragt man sich nun nach diesen Andeutungen, ob der Hund eine Art, eine selbständige und getrennte Art ist, wie der Wolf, Schakal und Fuchs, so hält es schwer, die Frage zu bejahen. Kein einziges wildes Thier zeigt solche Abweichungen im Schädel, im ganzen Körperbau, in den Verhältnissen der absoluten Größe. Aber auch die Hausthiere, bei denen wir annehmen müssen, daß die Art an und für sich noch unverfälscht erhalten, nur durch Zähmung und Kultur verändert ist, wie Pferd, Esel, Rind, Ziege, Schwein, haben solche Gegensätze nicht aufzuweisen, und noch weniger läßt sich sagen, daß mehrere Arten unter dieser großen Mannigfaltigkeit von Formen enthalten wären. Ebenso willkürlich, wie die Aufstellung verschiedener Menschenarten, würde es bleiben, mehrere Hundearten unterscheiden zu wollen. Es liegt offenbar hier eine Thatsache vor, welche mit den sonst in der Natur und Kultur beobachteten nicht gleichlaufend ist.

»Daß in dem Sinne, wie beim Pferde und bei der Ziege, von einer Stammart des Hundes nicht die Rede sein kann, wird aus allem wohl klar. Nach folgerichtigem Schlusse ist kein Thier im wilden Zustande wahrscheinlich, welches gezähmt eine solche Mannigfaltigkeit der Formen hervorbringen könnte. Aber auch von allem unwesentlichen, der Kultur unterworfenen abgesehen, gibt es in der Natur kein Thier, welches ganz mit dem Hunde übereinstimmte. Und doch ist es nicht wahrscheinlich, daß der Stamm eines solchen Thieres über die ganze Erdoberfläche hätte aussterben können. Es wird jetzt nicht einmal möglich sein, die in verschiedenen Gegenden der Erdoberfläche verwildert vorkommenden Hunde, es würde in früheren Zeiten noch viel schwerer geworden sein, die ursprünglich wilden Stämme an allen Orten auszurotten. Es ist ebenso nicht wahrscheinlich, daß eine solche Stammart bis jetzt unbeachtet und unentdeckt geblieben wäre.

»Und so bleibt darin, so lange man diese Fragpunkte auf dem Gebiete der Naturforschung erhalten will, kaum ein anderer Ausweg, als sich zu der Ansicht zu bekennen, welcher Pallas huldigt: daß in der Zähmung und Vermischung der in verschiedenen Ländern ursprünglichen Wolfsarten der Ursprung des Haushundes zu suchen sei. Diese Ansicht ist natürlich wie jede andere über diesen Punkt nur eine Annahme, aber es wird, wenn sie in der Natur begründet ist, möglich sein, sie durch unmittelbare Vergleichung der Hunde- und Wolfsschädel bis zur vollen Ueberzeugung zu erheben. Man hat keine Veranlassung mehr, in solcher Auffassung durch die Lehren und Annahmen von Buffon sich beirren zu lassen. Daß sich gleichzeitig die unbeschränkte Kreuzung der Hundearten unter sich und des Hundes mit Wolf und Schakal am besten mit dieser Ansicht verträgt, liegt auf der Hand. Daß auch die große Mannigfaltigkeit der Hunde in Gestalt und Größe allein dadurch eine Analogie erhielt, z. B. in den verschiedenartigen, zwitterhaften Pflanzen, sogar im Thierreiche unter den Hühnern, ist auch nicht ohne Gewicht. Ebenso ist die große Verwandtschaft der verwilderten Hunde in Gestalt und Farbe mit dem Schakal und der Annäherung und Freundschaft beider von großer Bedeutung. Auch die verwilderten Pferde nähern sich ursprünglich den wilden wieder. Ziegen, die sich von Geschlecht zu Geschlecht den größten Theil des Jahres frei im Gebirge umhertreiben, wie in Dalmatien und manchen Gegenden Italiens geschieht, gleichen sehr der wilden Bezoarziege; bunte Kaninchen, welche im Freien ausgesetzt werden, haben im Verlaufe von einigen Jahren Junge, die von wilden nicht zu unterscheiden und vollkommen wild sind.

»Daß im ganzen der Schakal in dieser Angelegenheit am meisten betheiligt sein muß, scheint mir aus der Bildung des Hundeschädels hervorzugehen, und es mag schließlich wohl nicht von bloß zufälliger Bedeutung sein, daß die alten Bildungsländer der Menschheit von Indien bis zum Mittelländischen Meere mit der Heimat des Schakals fast gänzlich übereinstimmen.«

Darwin gelangt zu derselben Annahme wie Blasius. »Einige Thierkundige«, sagt er, »glauben, daß alle gezähmten Spielarten des Hundes vom Wolfe oder dem Schakal oder einer unbekannten und ausgestorbenen Art abstammen; andere wiederum meinen, daß sie ebensowohl von mehreren ausgestorbenen wie jetzt lebenden Arten, welche sich mehr oder weniger mit einander vermischt haben, herrühren. Wahrscheinlich werden wir niemals im Stande sein, ihren Ursprung mit Sicherheit zu bestimmen. Die Vorweltskunde wirft nicht viel Licht auf diese Frage. Einerseits hängt dies von der großen Ähnlichkeit der Schädel der ausgestorbenen und lebenden Wölfe und Schakale, andererseits von der großen Unähnlichkeit der Schädel der verschiedenen Rassen gezähmter Hunde ab. Man scheint auch in den neuen Tertiärlagern Ueberreste gefunden zu haben, welche mehr einem großen Hunde als einem Wolfe angehört haben dürften. Dies unterstützt die Ansicht Blainville's, daß unsere Hunde die Nachkommen einer einzigen ausgestorbenen Art sind. Einige gehen soweit, zu behaupten, daß jede Hauptrasse ihren wilden Stammvater gehabt haben müsse, diese letztere Ansicht ist jedoch außerordentlich unwahrscheinlich; denn sie läßt der Abänderung keinen Spielraum, das fast misgebildete Gepräge einiger Zuchten unberücksichtigt und nimmt beinahe mit Nothwendigkeit an, daß eine große Anzahl von Arten seit der Zeit, in welcher der Mensch den Hund zähmte, ausgestorben sind: lebte doch noch im Jahre 1710 der Wolf auf einer so kleinen Insel wie Irland ist.

»Die Gründe, welche verschiedene Schriftsteller zu der Annahme geführt haben, daß unsere Hunde von mehr als einer wilden Art abstammen, sind erstens die großen Verschiedenheiten zwischen den Rassen und zweitens die Thatsache, daß in den ältesten bekannten geschichtlichen Zeiten mehrere Hunderassen lebten, welche einander sehr unähnlich, jetzt lebenden aber sehr ähnlich sind oder mit diesen zusammenfallen. Zwischen dem vierzehnten Jahrhundert und der römischen Zeit sind die Urkunden auffallend mangelhaft. Im frühesten Zeitabschnitt gab es verschiedene Rassen; doch ist es unmöglich, die Mehrzahl derselben mit irgend einer Sicherheit wieder zu erkennen. Youatt gibt eine Zeichnung von der Villa des Antonius, auf welcher zwei junge Windspiele dargestellt sind. Auf einem assyrischen Denkmal, ungefähr 640 v. Chr., ist eine ungeheuere Dogge dargestellt, wie solche, laut Rawlinson, noch jetzt dort eingeführt werden. Auf den egyptischen Denkmälern der vierten bis zwölften Dynastie, das ist von ungefähr 3400 bis 2100 v. Chr., werden, wie ich aus den Prachtwerken von Lepsius und Rosellini ersehe, verschiedene Hunderassen dargestellt, von denen die meisten den Windspielen verwandt sind. Später tritt ein dem Parforcehund ähnlicher Hund mit hängenden Ohren, aber mit längerem Rücken und spitzigerem Kopfe dazu, und ebenso findet sich ein der jetzt lebenden Spielart sehr ähnlicher Dachshund mit kurzen krummen Beinen. Diese Art Misbildung ist bei verschiedenen Thieren aber so häufig, daß es Vorurtheil sein würde, den Hund der egyptischen Denkmäler als den Stammvater aller unserer Dachshunde zu betrachten, umsomehr als Sykes einen indischen Pariahund beschrieben hat, welcher denselben Charakter zeigt. Der älteste auf den egyptischen Denkmälern abgebildete Hund, einer der sonderbarsten von allen, gleicht einem Windspiele, hat aber lange, spitze Ohren und einen kurzen, gekrümmten Schwanz. Eine nahe verwandte Spielart lebt noch jetzt in Nordafrika, der arabische Eberhund, von welchem Harcourt angibt, daß er ein ausgezeichnet hieroglyphisches Thier sei, ein solches, mit dem einst Cheops jagte und einigermaßen dem zottigen schottischen Hirschhunde gleiche. Mit dieser ältesten Spielart lebte gleichzeitig ein dem Pariahunde ähnliches Thier. Wir sehen hieraus, daß vor vier- bis fünf[tausend] Jahren verschiedene Rassen von Hunden lebten und zwar Pariahunde, Windspiele, gewöhnliche Parforcehunde, Doggen, Haus-, Schoß- und Dachshunde, welche mehr oder weniger unseren jetzigen Rassen glichen. Doch haben wir keinen hinreichenden Beweis, anzunehmen, daß irgend einer dieser alten Hunde mit den unserigen vollkommen gleichartig sei. Solange man annahm, daß der Mensch nur etwa sechstausend Jahre auf der Erde lebte, war diese Thatsache von der großen Verschiedenheit der Rassen in einer so frühen Zeit ein wichtiger Beweis dafür, daß dieselben von verschiedenen wilden Stammeltern herrührten; seitdem wir aber wissen, daß der Mensch eine unvergleichlich längere Zeit gelebt hat, und indem wir im Auge behalten, daß selbst die ungesittetsten Völkerschaften Haushunde besitzen, verliert dieser Beweis viel an Gewicht.

»In Europa wurde der Hund lange vor der Zeit irgend welcher geschichtlichen Urkunde gefangen gehalten. In den Knochen eines hundeartigen Thieres, welche in den dänischen Küchenabfällen der neueren Steinzeit gefunden wurden, gehörten, nach Steenstrup, wahrscheinlich einem Haushunde an. Diesem alten Hunde folgten während der Bronzezeit eine größere, etwas verschiedene und letzterem wiederum während der Eisenzeit eine noch größere Art oder Rasse. Ein in der Schweiz während der neuen Steinzeit lebender, mittelgroßer gezähmter Hund stand, wie Rütimeyer angibt, nach seinem Schädel zu schließen, ziemlich gleichweit von dem Wolfe und Schakal entfernt und zeigte gewisse Kennzeichen unserer Jagd- und Wachtelhunde. Während der Bronzezeit erschien ein großer Hund, welcher, nach seinen Kinnladen zu urtheilen, einem Hunde von demselben Alter in Dänemark glich. Schmerling fand Ueberbleibsel von zwei merklich verschiedenen Hunderassen in einer Höhle, kann aber das Alter derselben nicht bestimmen.

»Man nimmt an, daß die Aufeinanderfolge verschiedener Hunderassen in der Schweiz und in Dänemark von der Einwanderung erobernder Stämme herrühre, welche ihre Hunde mitbrachten, und diese Ansicht stimmt auch mit der Meinung überein, daß verschiedene wilde, hundeartige Thiere in verschiedenen Gegenden gezähmt worden seien. Unabhängig von der Einwanderung neuer Stämme sehen wir aus dem weitverbreiteten Vorkommen von Bronze, daß viel Verkehr in Europa bestanden haben muß, und dürfen schließen, daß wahrscheinlich auch Hunde mit vertauscht worden sind. In der Jetztzeit gelten die Taruma-Indianer unter den wilden Stämmen des Innern von Guiana für die besten Hundezüchter. Sie besitzen eine große Rasse, welche sie zu hohen Preisen anderen Stämmen vertauschen.

»Der wichtigste Beweisgrund zu Gunsten der Ansicht, daß die verschiedenen Rassen des Hundes von bestimmten wilden Stämmen herrühren, ist die Ähnlichkeit, welche dieselben in verschiedenen Gegenden mit den hier noch wild lebenden Arten besitzen. Zwar muß man zugeben, daß die Vergleichung zwischen den wilden und gezähmten Hunden nur in wenigen Fällen mit hinreichender Genauigkeit gemacht worden ist; doch hat man auch von vornherein keine Schwierigkeit anzunehmen, verschiedene Hundearten seien gezähmt worden. Glieder der Hundefamilie bewohnen fast die ganze Erde, und mehrere Arten stimmen in Bau und Lebensart mit unseren verschiedenen gezähmten Hunden ziemlich überein. Wilde halten und zähmen Thiere aller Art, gesellig lebende Thiere wie die Hunde selbstverständlich am leichtesten. In einer früheren Zeit, in welcher der Mensch zuerst das Land betrat, hatten die dort lebenden Thiere keine angeborene oder ererbte Furcht vor ihm und ließen sich folglich wahrscheinlich bei weitem leichter als jetzt zähmen. Als die Falklandinseln zuerst von Menschen besucht wurden, kam der große Falklandswolf (Canis antarcticus) ohne Furcht zu Byrons Matrosen, welche die Neugier für Wildheit hielten und flohen. Selbst in der Neuzeit kann ein Mensch, welcher in der einen Hand ein Stück Fleisch, in der anderen ein Messer hält, gedachte Wölfe noch zuweilen erstechen. Auf den Schildkröteninseln stieß ich mit der Spitze meiner Flinte Falken von einem Zweige herunter und hielt einen Eimer Wasser anderen Vögeln hin, welche sich darauf setzten und tranken. Von großer Bedeutung ist ferner, daß verschiedene Arten von Hunden keinen Widerwillen haben oder Schwierigkeiten darbieten, in Gefangenschaft sich fortzupflanzen. Gerade die Unfähigkeit aber, in der Gefangenschaft sich fortzupflanzen, ist eines der bedeutsamsten Hindernisse für die Zähmung. Die Wilden legen Hunden außerordentlichen Werth bei, und selbst halbgezähmte Thiere sind ihnen von großem Nutzen. Indianer Nordamerikas kreuzen ihre halbwilden Hunde mit Wölfen, um sie zwar noch wilder als vorher, aber auch kühner zu machen. Die Wilden von Guiana fangen die Jungen von zwei wilden Hundearten, um sie einigermaßen zu zähmen und zu benutzen, wie es die Eingeborenen Australiens mit denen des verwilderten Dingo thun. King theilte mir mit, daß er einmal einen jungen wilden Dingo abrichtete, Rindvieh zu hüten und das Thier sehr nützlich fand. Aus diesen verschiedenen Angaben geht hervor, daß man dreist annehmen darf, der Mensch habe in verschiedenen Ländern verschiedene Arten von Hunden gezähmt. Es würde sogar eine eigenthümliche Erscheinung sein, wenn auf der ganzen Erde nur eine einzige Art gezähmt worden wäre.

»Gehen wir nun auf Einzelheiten ein. Der genau beobachtende und scharfsinnige Richardson bemerkt, daß die Ähnlichkeit zwischen den Wechsel- oder Falbwölfen und den Haushunden der Indianer ungemein groß sei, und nur die Größe und Stärke des Wolfes der einzige Unterschied zu sein scheine. »Mehr als einmal«, sagt er, »habe ich ein Rudel Wölfe für die Hunde eines Trupps Indianer gehalten; denn auch das Geheul der Thiere beider Arten wird so genau mit denselben Lauten hervorgebracht, daß selbst das geübte Ohr der Indianer zuweilen sich täuschen läßt.« Richardson fügt hinzu, daß die nördlicheren Eskimohunde nicht bloß dem grauen Wolfe des Polarkreises in Form und Farbe außerordentlich ähneln, sondern ihnen auch in der Größe beinahe gleichen. Kane hat in dem Gespann seiner Schlittenhunde öfter das schräge Auge, ein Merkmal, auf welches einige Thierkundige viel Gewicht legen, den herabhängenden Schwanz und den scheuen Blick des Wolfes gesehen. Nach Hayes weichen die Eskimohunde wenig von den Wölfen ab, sind keiner Anhänglichkeit an den Menschen fähig und so wild, daß sie bei argem Hunger selbst ihren Herrn anfallen. Sie verwildern leicht, und ihre Verwandtschaft mit den Wölfen ist eine so innige, daß sie oft mit ihnen sich kreuzen; auch nehmen die Indianer junge Wölfe, um die Zucht ihrer Hunde zu verbessern. Solche Falbwölfe können zuweilen, wenn auch selten, gezähmt werden. Vor dem zweiten oder dritten Geschlecht geschieht dies nie. Hayes meint von diesen Hunden, daß sie ohne Zweifel verbesserte Wölfe seien. Jedenfalls bekunden die angeführten Thatsachen, daß Eskimohunde und Wölfe sich fruchtbar kreuzen müssen; denn sonst würde man letztere nicht brauchen können, um die Zucht zu verbessern. Der Hund der Hasenindianer, welcher in vieler Beziehung vom Eskimohunde abweicht, steht nach Richardson in derselben Beziehung zum Heul- oder Prairiewolfe wie der Eskimohund zum Falbwolfe, sodaß gedachter Forscher keine ausgesprochene Verschiedenheit zwischen ihnen auffinden konnte. Die von beiden genannten Stämmen herrührenden Hunde kreuzen sich untereinander ebensowohl wie mit den wilden Wölfen oder mit europäischen Hunden; der schwarze Wolfshund der Indianer in Florida weicht, laut Bertram, von den Wölfen dieses Landes nur dadurch ab, daß er bellt. Im südlichen Theile des neuen Festlandes fand Columbus zwei Hundearten in Westindien, und Fernandez beschreibt ihrer drei in Mejiko. Einige dieser eingeborenen Hunde waren stumm, d. h. bellten nicht. Seit der Zeit Buffons weiß man, daß die Eingeborenen von Guiana ihre Hunde mit einer wilden Art, wie es scheint dem Maikong oder Karasissi, kreuzen. Schomburgk, welcher diese Länder sorgfältig durchforscht hat, schreibt mir darüber: »Arawaak-Indianer, welche in der Nähe der Küste wohnen, haben mir wiederholt erzählt, daß sie ihre Hunde zur Verbesserung der Zucht mit einem der wilden Arten kreuzen, und einzelne Hunde sind mir gezeigt worden, welche sicher dem Maikong viel mehr glichen als der gewöhnlichen Rasse. Selten aber halten die Indianer letztere für häusliche Zwecke.

»Auch der Ai, eine andere Art Wildhund, wahrscheinlich Canis silvestris, wird von den Arekuas jetzt nicht viel zum Jagen benutzt. Die Hunde der Taruma-Indianer sind ganz verschieden und gleichen Buffons Windspielen von St. Domingo. Es scheint also, daß die Eingeborenen von Guiana zwei wilde Hunde zum Theil gezähmt haben und ihre Haushunde noch mit ihnen kreuzen. Beide Arten gehören einer von den nordamerikanischen und europäischen Wölfen verschiedenen Gruppe an. Rengger begründet die Ansicht, daß man nur haarlose Hunde zähmte, als Amerika zuerst von Europäern besucht wurde, und einige dieser Hunde, von denen Tschudi sagt, daß sie in den Cordilleren von der Kälte leiden, sind noch stumm. Gleichwohl ist dieser nackte Hund gänzlich von dem verschieden, welchen Tschudi unter dem Namen Inkahund beschreibt, und von dem er anführt, daß er ebensowohl Kälte ertrage als auch belle. Man weiß nicht, ob diese zwei verschiedenen Hunderassen Abkömmlinge eingeborener Arten sind und könnte annehmen, daß der ursprünglich einwandernde Mensch vom asiatischen Festlande Hunde mitbrachte, welche nicht bellen konnten; diese Ansicht scheint jedoch aus dem Grunde unwahrscheinlich, als die Eingeborenen auf dem Wege ihrer Einwanderung vom Norden her wenigstens zwei nordamerikanische Wildhunde zähmten.

»Wenden wir uns zur alten Welt zurück, so finden wir, daß mehrere europäische Hunde sehr dem Wolfe ähneln, so der Schäferhund der ungarischen Ebene in so hohem Grade, daß ein Ungar nach Pagets Erzählung einen Wolf für einen seiner eigenen Hunde halten konnte. Die Schäferhunde in Italien müssen früher den Wölfen sehr ähnlich gewesen sein, denn Columella gibt den Rath, weiße Hunde zu halten und fügt hinzu: » Pastor album probat, ne pro lupe canem feriat.«. Daß sich Hunde und Wölfe von selbst kreuzen, wird von den Alten oft erzählt, von Plinius sogar behauptet, die Gallier hätten ihre Hündinnen in den Wäldern angebunden, damit sie sich mit Wölfen kreuzen.«

Ich will an dieser Stelle eine von Darwin wie es scheint übersehene Bemerkung Radde's einschalten, welche mit vorstehenden Angaben übereinstimmt. »Bei sehr vielen Hunden«, sagt der treffliche Erforscher Sibiriens, »namentlich der gebirgigeren Gegenden des Ostens läßt sich das Wolf- und Fuchsgepräge durchaus nicht verkennen, und nicht selten findet man besonders solche Thiere, welche bis auf die Größe vollkommen den Wölfen ähneln. Ich selbst besaß einen solchen Jagdhund, welcher, dem Schingangebirge entstammend, mit zum mittleren Amur gekommen und hier bald bei Eingeborenen und späteren Ansiedlern durch seine ausgezeichneten Begabungen bekannt wurde. Solche, den Wölfen sehr ähnliche Hunde, welche möglicherweise eine Kreuzungsform sind, haben einen mehr gedrungenen Körper und kürzere Schnauze als der Wolf; die Färbung aber sowohl als auch die eigenthümliche Straffheit des Haares und seine Dichtigkeit, namentlich auf dem Schwanze, sind ganz wie beim Wolfe. Gewöhnlich tragen sie den Schwanz nicht aufrecht, sondern schleifen ihn gesenkt nach. Nur beim Stellen des Wildes, beim Anschlagen oder Wedeln heben sie ihn im Bogen nach oben. Mit solchen Hunden, welche niemals eine Abrichtung erhalten, werden alle die großen, oft gefährlichen und sehr viel Ausdauer erfordernden Jagden betrieben. Ganz verschieden von solchen Hunden sind die der nomadisirenden Mongolenstämme der hohen Gobi, welche auch hier und da bei den Burjäten Transbaikaliens angetroffen werden und ebensowohl als Spürhunde wie auch zum Bewachen der Jurten dienen. Sie haben wohl die Länge, aber nicht die Höhe eines Wolfes. Ihr ganzer Körper ist mit glänzend schwarzen, langen und wenig über dem Rücken zu den Seiten hinab gekräuselten Haaren bedeckt. Auch die Innenseite der Vorderfüße sowie die Knie der Hinterfüße sind sammt dem Kopfe ebenfalls lang und schwarz behaart, und die kurzen Stumpfschwänze nur bleiben mit dem Nasenrücken kurzhaarig schwarz. Die Oberlippe hängt lefzenartig abwärts, auf dem Auge ist ein kreisrunder, hellrother oder brauner Flecken immer zu bemerken. Die Kopfform ist mehr breit als lang, das Ohr halb hängend, der Schwanz buschig, aber nicht spindelförmig in seiner Gesammtform, sondern durch Bezottung, die seitwärts hängt, entstellt. Diese Hunde, welche stiller, aber sehr böse sind, werden in den mongolischen Jurten in großer Anzahl als Wächter gehalten. Grenzkosaken tauschen sie gern ein, und so findet man sie auch noch im mittleren Amurlaufe. Hier, wo sich ihnen die Wolfs- und Fuchstypen, sowie die gewöhnlichen stämmigen Hofhunde zugesellen, erhält sich ihre Nachkommenschaft in den charakteristischen Abzeichen und der Form des Körpers nicht, und werden sie immer durch neue bei den Mongolen eingetauschte Thiere ersetzt.«

»Der europäische Wolf«, fährt Darwin fort, »weicht in geringem Grade von dem nordamerikanischen ab und wird von vielen Thierkundigen für eine verschiedene Art gehalten, ebenso der Wolf Indiens, und hier finden wir wieder eine ausgesprochene Ähnlichkeit zwischen den Pariahunden gewisser Gegenden von Indien und diesem indischen Wolfe. In Bezug auf die Schakale sagt Isidore Geoffroy St. Hilaire, daß man nicht einen beständigen Unterschied zwischen ihrem Bau und dem der kleineren Hunderassen aufweisen könnte. Diese wie jene stimmen auch in ihrer Lebensweise innig überein. Ehrenberg führt an, daß die Haushunde Unteregyptens und gewisse einbalsamirte Hunde im Schakalwolfe ihr Vorbild hätten, wie andererseits Haushunde Nubiens und andere als Mumien vorhandene Rassen mit dem Schakal eng verwandt sind. Pallas behauptet, daß Schakal und Haushund im Morgenlande zuweilen sich kreuzen. Ein hierauf bezüglicher Fall ist auch aus Algerien bekannt geworden. Die Haushunde an der Küste von Guinea sind fuchsartige Thiere und stumm. An der Ostküste von Afrika, zwischen dem 4. und 6. Grade nördlicher Breite, und ungefähr zehn Tagereisen nach dem Inneren, wird, wie Erhardt mittheilt, ein halbgezähmter Hund gehalten, welcher nach Behauptung der Eingeborenen von einem ähnlichen wilden Thiere abstammt. Lichtenstein sagt, daß die Hunde der Buschmänner eine auffallende Aehnlichkeit selbst in der Färbung mit dem Schabrakenschakal darbieten; Layard dagegen theilt mir mit, daß er einen Kaffernhund gesehen habe, welcher einem Eskimohunde sehr ähnlich war. In Australien findet sich der Dingo ebensowohl gezähmt als wild, und wenn er auch ursprünglich von Menschen eingeführt worden sein mag, darf er doch als eine einheimische Form angesehen werden; denn seine Ueberbleibsel sind mit denen eines ausgestorbenen Thieres in einem ähnlichen Zustande von Erhaltung gefunden worden, sodaß seine Einführung sehr alt sein muß. Diese Aehnlichkeit der halbgezähmten Hunde verschiedener Länder mit denen in ihnen noch lebenden wilden Arten, nach der Leichtigkeit, mit welcher beide oft noch gekreuzt werden können, der Werth, welchen Wilde selbst halbgezähmten Thieren beilegen und andere bereits erwähnte Umstände, welche ihre Zähmung begünstigen, machen es sehr wahrscheinlich, daß die gezähmten Hunde der Erde von zwei Wolfsarten, dem Wolfe und dem Heulwolfe, zwei oder drei anderen zweifelhaften Arten von Wölfen, dem europäischen, indischen und nordamerikanischen Wolfe nämlich, ferner von wenigstens einer oder zwei südamerikanischen Hundearten, dann von mehreren Schakalarten und vielleicht von einer oder mehreren ausgestorbenen Arten abstammen. Diejenigen Schriftsteller, welche der Einwirkung des Klima's großen Einfluß zuschreiben, können hiernach die Aehnlichkeit gezähmter mit eingeborenen Thieren derselben Länder erklären. Ich kenne aber keine Thatsachen, welche den Glauben an eine so mächtige Einwirkung des Klima's unterstützen.

»Gegen die Ansicht, daß mehrere Hundearten in alter Zeit gezähmt wurden, kann man nicht einwenden, daß sie schwierig zu zähmen sind. Junge, von Hodgson gezähmte Buansus wurden für Liebkosungen ebenso empfänglich und zeigten so viel Verstand wie irgend ein Hund desselben Alters. Wie bereits erwähnt, besteht zwischen der Lebensweise der Haushunde der nordamerikanischen Indianer und der Wölfe dieses Landes oder zwischen dem morgenländischen Pariahunde und dem Schakal oder zwischen den in verschiedenen Gegenden verwilderten Hunden und den natürlichen Arten dieser Familie kein großer Unterschied. Die Gewohnheit zu bellen jedoch, welche bei gezähmten Hunden fast allgemein ist, scheint eine Ausnahme zu bilden; diese Gewohnheit aber geht leicht verloren und wird leicht wieder erlangt. Es ist schon oft angeführt worden, daß die verwilderten Hunde auf der Insel Juan Fernandez stumm geworden sind, und man hat Grund zur Annahme, daß die Stummheit in dem Verlaufe von dreiunddreißig Jahren eintrat. Andererseits erlangten Hunde, welche Ulloa von dieser Insel mitnahm, nach und nach die Gewohnheit zu bellen wieder. Dem Heulwolfe ähnliche Hunde des Mackenzieflusses, welche nach England gebracht wurden, lernten nie ordentlich bellen. Ein im Londoner Thiergarten geborener aber ließ seine Stimme so laut erschallen wie irgend ein anderer Hund desselben Alters und derselben Größe. Ein von einer Hündin aufgesäugter junger Wolf, welchen Nilsson beobachtete, und ein Schakal, von welchem Geoffroy St. Hilaire berichtete, bellten mit derselben Stimme wie irgend ein gewöhnlicher Hund. Dagegen hatten, nach Clarke, Hunde, welche auf Juan de Nova im Indischen Weltmeere verwildert waren, das Vermögen zu bellen vollständig verloren, erhielten auch ihre Stimme während einer Gefangenschaft von mehreren Monaten nicht wieder. Sie zeigten keine Neigung zur Geselligkeit mit anderen Hunden, vereinigten sich unter sich zu großen Haufen und fingen Vögel mit ebensoviel Geschick, wie Füchse es thun würden. Wiederum sind die verwilderten Hunde von La Plata nicht stumm geworden. Diese verwilderten Hunde, welche eine bedeutende Größe haben, jagen einzeln oder in Haufen und graben Höhlen für ihre Jungen, gleichen in diesen Gewohnheiten also Wölfen und Schakalen.

»Man hat behauptet, daß unsere Haushunde nicht von Wölfen oder Schakalen abstammen können, weil ihre Trächtigkeitsdauer eine verschiedene sei. Dies beruht aber auf Angaben von Buffon, Gilibert, Bechstein und Anderen, welche irrig sind. Denn man weiß jetzt, daß jener Zeitraum bei Wölfen, Schakalen und Hunden so nahe übereinstimmt, als man nur erwarten kann. Bis zu einem gewissen Grade ist eine Trächtigkeitsdauer veränderlich, da man auch bei unseren Haushunden eine Verschiedenheit von vier Tagen beobachtet hat. Cuvier meinte, daß der Schakal wegen seines widrigen Geruches nicht gezähmt worden wäre; Wilde sind jedoch in dieser Beziehung nicht empfindlich, und der Grad der Ausdünstung bei verschiedenen Schakalarten ändert ebenfalls wesentlich ab, sowie dies andererseits bei rauh- und glatthaarigen Hunden der Fall ist. Isidore Geoffroy St. Hilaire brachte einen Hund, welchen er nur mit rohem Fleische fütterte, dahin, daß er ebenso stank wie ein Schakal.

»Bedeutungsvoller gegenüber der Ansicht, daß unsere Hunde von Wölfen, Schakalen und südamerikanischen Hunden abstammen, ist die Erfahrung, daß Wildlinge in gezähmtem Zustande bis zu einem gewissen Grade unfruchtbar sein sollen, während alle Haushunde, soweit es überhaupt bekannt ist, gegenseitig untereinander fruchtbar sind. Doch hat bereits Broca mit Recht bemerkt, daß die Fruchtbarkeit aufeinanderfolgender Geschlechter verbastardirter Hunde niemals mit der Sorgfalt untersucht worden ist, welche man bei der Kreuzung von Arten für unentbehrlich hält. Thatsachen berechtigen zu dem Schlusse, daß die geschlechtlichen Empfindungen und das Erziehungsvermögen unter verschiedenen Hunderassen bei der Kreuzung verschieden sind. So liebt der mejikanische Alco offenbar Hunde anderer Arten nicht; der haarlose Hund von Paragay vermischt sich, laut Rengger, weniger mit europäischen Rassen als diese untereinander; der deutsche Spitzhund soll den Fuchs leichter zulassen als andere Rassen es thun; weibliche Dingos lockten Füchse an etc. Diese Angaben würden, falls man sich auf sie verlassen kann, für einen gewissen Grad von Verschiedenheit in den geschlechtlichen Neigungen der Hunderassen sprechen. Doch tritt ihnen die Thatsache entgegen, daß unsere gezähmten, im äußeren Bau soweit von einander verschiedenen Hunde untereinander viel fruchtbarer sind, als wir von ihren angenommenen Stammeltern es wissen. Pallas nimmt an, eine längere Dauer der Zähmung beseitige diese Unfruchtbarkeit, und wenn man auch zur Unterstützung gedachter Annahme keine bestimmten Thatsachen anführen kann, scheinen unsere Erfahrungen über die Hunde so stark zu Gunsten der Ansicht zu sprechen, daß unsere gezähmten Hunde von mehreren wilden Stämmen herrühren, und ich bin deshalb geneigt, die Wahrheit jener Annahme zuzugeben. Hiermit im Zusammenhange steht, daß unsere gezähmten Hunde nicht vollkommen fruchtbar mit ihren angenommenen Stammarten sind; doch sind Versuche in dieser Richtung noch nicht ordentlich angestellt worden. Man sollte den ungarischen Hund, welcher dem äußeren Ansehen nach dem Wolfe so sehr gleicht, mit diesem, die Pariahunde Indiens mit indischen Wölfen und Schakalen kreuzen und ebenso in anderen Fällen verfahren. Daß die Unfruchtbarkeit zwischen gewissen Hunderassen und Wölfen und anderen Wildhunden nur gering ist, beweisen die Wilden, welche sich die Mühe geben, sie zu kreuzen. Buffon erhielt aufeinanderfolgende vier Geschlechter von Wölfen und Hunden, und die Blendlinge waren untereinander vollkommen fruchtbar; Flourens dagegen fand nach zahlreichen Versuchen, daß die Blendlinge zwischen Wolf und Hund miteinander gekreuzt im dritten Geschlechts und die von Schakal und Hund im vierten Geschlechts unfruchtbar wurden. Freilich aber befanden sich diese Thiere in enger Gefangenschaft, welche viele wilde Thiere bis zu einem gewissen Grade oder selbst völlig unfruchtbar macht. Dingos, welche sich in Australien ohne weiteres mit unseren eingeführten Hunden fortpflanzten, zeugten trotz wiederholter Kreuzungen mit Hunden im Pariser Pflanzengarten keine Blendlinge. Bei den von Flourens angestellten Versuchen wurden die Blendlinge wohl auf drei oder vier Geschlechter hindurch in engster Inzucht miteinander gekreuzt, ein Umstand, welcher fast sicher die Neigung zur Unfruchtbarkeit vermehrt haben wird, wenn auch das Endergebnis sich kaum erkennen läßt. Vor mehreren Jahren sah ich im Londoner Thiergarten den weiblichen Blendling eines englischen Hundes und eines Schakals, welcher selbst im ersten Geschlecht so unfruchtbar war, daß er nicht einmal die Brunstzeit regelmäßig einhielt. Doch war dieser Fall gegenüber den zahlreichen Beispielen fruchtbarer Bastarde von beiden Thieren sicher eine Ausnahme. Bei allen Versuchen über die Kreuzung von Thieren gibt es noch so viele Ursachen zum Zweifel, daß es außerordentlich schwierig ist, zu irgend welchem bestimmten Schlusse zu gelangen. Indeß scheint doch hervorzugehen, daß diejenigen, welche unsere Hunde für die Nachkommen mehrerer Arten halten, nicht bloß zugeben müssen, deren Nachkommen verlören bei lange währender Züchtung alle Neigung zur Unfruchtbarkeit bei einer gegenseitigen Kreuzung, sondern auch, daß zwischen gewissen Rassen von Hunden und einigen ihrer angenommenen Stammeltern ein gewisser Grad von Unfruchtbarkeit erhalten geblieben oder möglicherweise selbst erlangt worden ist.

»Trotz der zuletzt erörterten Schwierigkeiten in Bezug auf die Fruchtbarkeit neigt sich doch die Mehrheit der Beweise entschieden zu Gunsten des mehrfachen Ursprunges unseres Hundes, zumal wenn wir bedenken, wie unwahrscheinlich es ist, daß der Mensch über die ganze Erde von einer so weit verbreiteten, so leicht zähmbaren und so nützlichen Gruppe, wie die Hunde es sind, nur eine Art an sich gewöhnt haben sollte, und wenn wir ferner das außerordentliche Alter der verschiedenen Rassen sowie besonders noch die überraschende Aehnlichkeit bedenken, welche ebensowohl im äußeren Bau wie in der Lebensweise zwischen den gezähmten Hunden verschiedener Länder und den dieselben Länder noch bewohnenden Arten von Wildhunden bestehen.«

So wäre denn der Haushund nichts anderes als ein Kunsterzeugnis des Menschen. Erwiesen ist diese Annahme freilich nicht; der Schädel insbesondere gibt uns keinen Anhalt dafür. Abgesehen von der Größe stimmen alle Schädel der verschiedenen Hunderassen in den wesentlichen Verhältnissen untereinander überein, so daß man, laut mündlichen Mittheilungen Hensels, streng genommen nur den verkürzten, um nicht zu sagen misgebildeten Schädel der Bulldogge von dem des Windhundes mit Bestimmtheit unterscheiden kann. Jeder Hundeschädel ähnelt dem wildlebenden Verwandten mehr oder weniger, ohne einem einzigen vollkommen zu gleichen. So läßt uns also auch Knochenlehre und Zergliederungskunst bei Entscheidung der heiklichen Frage im Stiche. Erst durch sorgfältig überwachte Kreuzungen mit Vorbedacht ausgewählter Wildhundarten und Haushundrassen und deren Abkömmlingen können uns der Lösung der Abstammungsfrage unseres wichtigsten Hausthieres näher führen.

 

Ein lehrreiches Beispiel zu Gunsten der oben mitgetheilten Angabe, daß Haushunde vollständig verwildern können, ist der Dingo oder Warragal ( Canis Dingo, C. australasiae), der sogenannte Wildhund Neuhollands, welchen, in Anbetracht seiner Lebensweise, auch ich früher für eine der ursprünglichen Arten wilder Hunde gehalten habe, gegenwärtig aber, nachdem ich verschiedene Stücke der fraglichen Art gesehen, nur für einen verwilderten Schäferhund erklären kann. Die Thatsache, daß der Dingo das einzige eigentliche Raubthier Australiens, also kein Beutethier ist, hat diese Ansicht nicht hervorgerufen, sondern höchstens unterstützen können. Gegengründe von einiger Erheblichkeit liegen nach den bereits mitgetheilten nicht vor. Das Wie und Wann der Verwilderung läßt sich freilich nicht bestimmen, erscheint aber auch ziemlich gleichgültig für die Entscheidung der Frage, gegenüber dem allgemeinen Gepräge des Thieres, dem Habitus, wie die Thierkundigen sagen. Dieses Gepräge aber ist das eines Haushundes, nicht eines Wildhundes.

Der Dingo erreicht ungefähr die Größe eines mittleren Schäferhundes. Seine Gestalt ist gedrungen, der Kopf groß und plump, stumpfnasig und abgestutzt, das aufrechtstehende Ohr an der Wurzel breit, an der Spitze abgerundet, der Schwanz, welcher bis über die Ferse herabreicht, buschig, die Gliederung stämmig, da die Beine nur eine geringe Höhe haben, das Fell ziemlich gleichmäßig, weder allzu dicht noch auch dünn und an keinem Theile des Leibes verlängert. Bei den meisten Stücken, welche ich gesehen habe, spielt die Färbung von einem unbestimmten blaßgelblichen Roth mehr oder weniger ins Graue, auch wohl ins Schwärzliche. Kinn, Kehle, Unterseite und Schwanz pflegen heller, die Haare der Oberseite meist dunkler zu sein, weil die an der Wurzel lichteren Haare dunklere Spitzen zeigen. Obgleich gedachte Färbung vorherrscht, kommen doch z. B. auch schwarz gefärbte Dingos vor, einzelne haben weiße Pfoten etc.

Noch heutigen Tages findet sich der Dingo fast in allen dichteren Wäldern Australiens, in den mit Buschwerk ausgekleideten Schluchten, in den Hainen der parkähnlichen Steppen und in letzteren selbst. Er reicht über das ganze Festland und ist überall ziemlich häufig. Man hält ihn, und wohl mit Recht, für den schlimmsten Feind, welchen die herdenzüchtigen Ansiedler überhaupt besitzen, und hat, um seinen Räubereien zu steuern, schon mehrmals Kriegszüge gegen ihn unternommen.

Dingo ( Canis Dingo).

In seiner Lebensweise und in seinem Betragen ähnelt der Dingo mehr unserem Fuchse als dem Wolfe. Wie dieser liegt er da, wo es unsicher ist, den ganzen Tag in seinem Schlupfwinkel verborgen und streift dann erst zur Nachtzeit umher, räuberisch fast alle australischen Bodenthiere bedrohend. An den Fuchs erinnert er auch dadurch, daß er nur selten in großen Gesellschaften jagt. Gewöhnlich sieht man Trupps von fünf bis sechs Stück, meist eine Mutter mit ihren Kindern; doch kommt es vor, daß sich bei einem Aase viele Dingos versammeln: manche Ansiedler wollen bei solchen Gelegenheiten schon ihrer achtzig bis hundert vereinigt gesehen haben. Man behauptet, daß die Familien sehr treu zusammenhalten, ein eigenes Gebiet haben und niemals in das einer anderen Meute eintreten, aber ebensowenig leiden, daß diese ihre Grenzen überschreitet.

Ehe die Ansiedler regelrecht gegen diesen Erzfeind ihrer Herden zu Felde zogen, verloren sie durch ihn erstaunlich viele Schafe. Man versichert, daß in einer einzigen Schäferei binnen drei Monaten nicht weniger als zwölfhundert Stück Schafe und Lämmer von den Dingos geraubt wurden. Größer noch als die Verluste, welche ein Einfall des Raubthieres unmittelbar zur Folge hat, sind die mittelbaren, weil die Schafe beim Erscheinen des Räubers wie unsinnig davon rennen, blind in die Steppe hinausjagen und dann entweder anderen Dingos oder dem Durste zum Opfer fallen. Außer den Schafen frißt der » Wildhund« Kängurus aller Art und andere größere und kleinere Buschthiere. Er greift jedes lebende, eingeborene Thier Australiens mit unbeschreiblicher Gier und Wuth an, fürchtet sich überhaupt nur vor Haushunden. Hirten- oder Jagdhunde und Dingos leben in ewiger Feindschaft und verfolgen sich gegenseitig mit wirklich beispiellosem Hasse. Wenn mehrere Haushunde einen Dingo sehen, fallen sie über ihn her und reißen ihn in Stücke; das Umgekehrte ist der Fall, wenn ein verirrter Haushund von Dingos gefunden wird. Doch kommt es vor, daß sich zur Paarungszeit eine Dingohündin zu den Schäferhunden gesellt und mit diesen sich verträgt. »Als ich eines Morgens aus meinem Zelte trat«, sagt » ein alter Buschmann« in seinen »Forschergängen durch den Wald«, »sah ich eine Dingohündin mit unseren Hunden spielen. Sobald sie mich wahrnahm, ging sie davon. Einer unserer Hunde folgte ihr aber, blieb drei Tage lang aus, und kam sodann zurück, an allen Gliedern zerrissen, wahrscheinlich weil er die Eifersucht der berechtigteren Liebhaber erregt haben mochte.«

Nicht selten kreuzt sich der Dingo mit zahmen Hündinnen. Diese bringen infolge dessen ein Gewölfe, welches größer und wilder zu sein pflegt als alle übrigen Haushunde. Die Dingohündin wölft sechs bis acht Junge, gewöhnlich in einer Höhle oder unter Baumwurzeln. Bei Gefahr schafft sie ihre Jungen in Sicherheit. Ein Gewölfe von Dingos wurde einst in einer Felsenspalte aufgefunden; da aber die Mutter nicht zugegen war, merkte sich der Entdecker den Ort, in der Absicht, bald zurückzukehren, um der ganzen Familie auf einmal den Garaus zu machen. Als er nach einiger Zeit zurückkam, fand er zu seinem großen Aerger die Höhle verlassen; die Alte mochte die Spur des fremden Besuchers gewittert und somit den Besuch unschädlich gemacht haben. An Dingos, welche in der Gefangenschaft wölften, beobachtete man, daß Mutter und Junge sich ganz nach Art des Haushundes betragen. Im Breslauer Thiergarten, woselbst eine Dingohündin fünf Junge warf, von denen drei gediehen und groß und zahm wurden, durfte man beide Alten in demselben Käfige lassen, da der Dingohund niemals Miene machte, der säugenden Hündin beschwerlich zu fallen. Von den Jungen hatten vier Stück ganz die Färbung der Eltern, während das fünfte schwarz aussah.

Vor dem Menschen nimmt der Dingo regelmäßig Reißaus, wenn dazu noch Zeit ist. Er zeigt auf der Flucht alle List und Schlauheit des Fuchses und versteht es meisterhaft, jede Gelegenheit zu benutzen; wird er aber von seinen Feinden hart verfolgt, und glaubt er nicht mehr entrinnen zu können, so dreht er sich mit einer wilden Wuth um und wehrt sich mit der Raserei der Verzweiflung; doch sucht er auch dann noch immer sobald als möglich davonzukommen.

Von der Zähigkeit seines Lebens erzählt Bennett geradezu unglaubliche Dinge. Ein Dingo war von seinen Feinden überrascht und so geschlagen worden, daß man meinte, alle seine Knochen müßten zerbrochen sein; deshalb ließ man ihn liegen. Kaum aber hatten sich die Männer von dem anscheinend leblosen Körper entfernt, als sie zu ihrer Ueberraschung das Thier sich erheben, schütteln und so eilig als möglich nach dem Walde begeben sahen. Ein anderer, anscheinend todter Dingo war schon in eine Hütte getragen worden, wo er abgehäutet werden sollte; der Arbeiter hatte ihm bereits das Fell von der halben Seite des Gesichts abgezogen, da sprang er plötzlich auf und versuchte nach dem Manne der Wissenschaft zu beißen.

Gegenwärtig gelten alle Mittel, um den Dingo auszurotten. Jedermanns Hand ist über ihm. Man schießt ihn, fängt ihn in Fallen und vergiftet ihn mit Strychnin. Ein kleines Stück Fleisch, in welches eine Messerspitze dieses fürchterlichen Giftes gebracht worden ist, hängt man an einem Busche auf, so daß es ein paar Fuß über der Erde schwebt; später findet man regelmäßig in nächster Nähe den armen Schelm, welcher seine Freßlust so schwer büßen mußte. Mit dem Gewehre erlegt man ihn nur zufällig; er ist zu scheu und listig, als daß er öfters vor das Rohr kommen sollte, und weiß auch auf Treibjagden trefflich sich durchzustehlen.

Gewöhnlich hat man unseren Hund für unzähmbar gehalten. In der Gesellschaft der Eingeborenen Australiens findet man ab und zu Dingos, welche aber nur in einem halbwilden Zustande leben. Ihre Anhänglichkeit an den Menschen ist kaum nennenswerth. Der Dingo bleibt bei ihm, weil er ein bequemeres Leben führen kann; von Treue, Wachsamkeit, Eigenthumsrecht weiß er nicht mehr als sein Herr. Doch ist es zuweilen vorgekommen, daß man Dingos fast ebenso zahm gemacht hat, wie die Haushunde es sind. Viele Dingos, welche man bei uns zu Lande in der Gefangenschaft hielt, blieben wild und bösartig, und ihre Wolfsnatur brach bei jeder Gelegenheit durch, so daß sich ihre Wärter beständig vor ihnen zu hüten hatten. Auch gegen Thiere, die man zu ihnen brachte, zeigten sie sich unfreundlich und unduldsam. Nur mit Mühe vermochte man den Zähnen eines nach England gebrachten Dingo einen friedlichen Esel zu entreißen, und im Pariser Thiergarten sprang einer wüthend gegen die Eisengitter der Bären, Jaguare und Panther. Ein in England geborener war schon in der frühesten Jugend mismuthig und scheu, verkroch sich in den dunkelsten Winkel des Zimmers und schwieg, wenn Menschen, gleichviel ob Bekannte oder Fremde, zugegen waren, stieß aber, allein gelassen, ein schwermüthiges Geheul aus. Den ihn pflegenden Wärter lernte er kennen, zeigte sich aber niemals gegen denselben hündisch schwanzwedelnd oder freundlich. Gegen Fremde war er mürrisch und scheu, und oft und gern biß er so recht heimtückisch nach Vorübergehenden. Nach jedem Angriffe zog er sich in einen Winkel seines Käfigs zurück und blickte von hier aus mit boshaft funkelnden Augen sein Opfer an. Bei guter Laune gab er Proben von seiner Behendigkeit und Kraft. Gegen Haushunde war er stets äußerst unliebenswürdig, und niemals zeigte er die geringste Lust, mit ihnen in ein zärtliches Verhältnis zu treten.

Ich bin der Meinung, daß man auf alle diese Angaben kein größeres Gewicht legen darf, als sie verdienen. Wie schon wiederholt bemerkt, kommt alles darauf an, wie ein gefangenes Thier in frühester Jugend behandelt wurde. Der Dingo ist ein kluger Hund, und seine Zähmung muß gelingen, wenn nicht im ersten, so im zweiten oder dritten Geschlechte. Wäre er minder unansehnlich, man würde, glaube ich, seine vortreffliche Nase schon längst zu Jagdzwecken zu verwenden und ihn wirklich zu zähmen versucht haben. Wie falsch es ist, von einem oder einigen Stücken, welche man beobachtete, auf alle derselben Art zu schließen, beweisen die Dingos des Breslauer Thiergartens. Einer von ihnen ist zahm geworden wie ein Hund, der andere wild geblieben; einer hat, was wohl zu beachten, im Laufe der Zeit vollständig bellen gelernt und wendet diese neuerworbene Sprache durchaus regelrecht an, beispielsweise wenn eine Thüre in der Nähe seines Käfigs geöffnet wird, der andere dagegen heult noch heutigen Tages mit langgezogenen lachenden Lauten wie ein Schakal, und auch jener, welcher bellen kann, begleitet ihn im Zweisang stets heulend. Schlegel, dem ich diese Angaben verdanke, ist mit mir der Ansicht, daß sich aus den Nachkommen dieser Dingo's höchst wahrscheinlich sehr brauchbare Gehülfen des Menschen würden gewinnen lassen.

 

Gehen wir von den verwilderten Hunden zu denen über, welche zwar herrenlos sind, immer aber noch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Menschen stehen. Die Engländer haben ihnen den Namen Pariahunde beigelegt, und diese Bezeichnung verdient von uns angenommen zu werden; denn Parias, elende, verkommene, aus der besseren Gesellschaft verstoßene Thiere sind sie, die armen Schelme, trotz der Freiheit, zu thun und zu lassen was ihnen beliebt, Parias, welche dankbar die Hand lecken, die ihnen das Joch der Sklaverei auflegt, welche glücklich zu sein scheinen, wenn der Mensch sie würdigt, ihm Gesellschaft zu leisten und ihm zu dienen.

Schon im Süden Europa's leben die Hunde auf ganz anderem Fuße als bei uns zu Lande. In der Türkei, in Griechenland und in Südrußland umlagern Massen von herrenlosen Hunden die Städte und Dörfer, kommen Wohl auch bis in das Innere der Straßen herein, betreten aber niemals einen Hof und würden auch von den Haushunden sofort vertrieben werden. Sie nähren sich hauptsächlich von Aas oder jagen bei Gelegenheit wohl auch auf eigene Faust kleinere Thiere, namentlich Mäuse und dergleichen. Auch die Hunde der südspanischen Bauern werden nur sehr wenig zu Hause gefüttert, streifen zur Nachtzeit weit und breit umher und suchen sich selbst ihre Nahrung. Auf den Kanaren ist es nach Bolle noch neuerdings vorgekommcn, daß einzelne Hunde verwilderten und unter den Schafherden bedeutenden Schaden anrichteten. So selbständig werden die verwilderten Hunde des Morgenlandes nicht; aber sie müssen durchaus für sich selbst sorgen und werden von keinem Menschen irgendwie unterstützt. Ich habe diese Thiere vielfach in Egypten beobachtet und will in möglichster Kürze mittheilen, was mir von ihrem Leben besonders merkwürdig erschien.

Alle egyptischen Städte stehen zum Theil auf den Trümmern der alten Ortschaften, also gewissermaßen auf Schutthaufen. Wahre Berge von Schutt umgeben auch die meisten und die größeren, wie Alexandrien oder Kairo, in sehr bedeutender Ausdehnung. Diese Berge nun sind es, welche den verwilderten Hunden hauptsächlich zum Aufenthalte dienen. Die Thiere selbst gehören einer einzigen Rasse an. Sie kommen in der Größe mit einem Schäferhunde überein, sind von plumper Gestalt und haben einen widerwärtigen Gesichtsausdruck; ihre lange und ziemlich buschige Ruthe wird in den meisten Fällen hängend getragen. Die Färbung ihres rauhen, struppigen Pelzes ist ein schmutziges, röthliches Braun, welches mehr oder weniger in das Graue oder in das Gelbe ziehen kann. Andersfarbige, namentlich schwarze und lichtgelbe kommen vor, sind aber immer ziemlich selten.

Sie leben in vollkommenster Selbständigkeit an den genannten Orten, bringen dort den größten Theil des Tages schlafend zu und streifen bei Nacht umher. Jeder besitzt seine Löcher, und zwar sind diese mit eigenthümlicher Vorsorge angelegt. Jedenfalls hat jeder einzelne Hund zwei Löcher, von denen eins nach Morgen, das andere nach Abend liegt; streichen die Berge aber so, daß sie dem Nordwinde auf beiden Seiten ausgesetzt sind, so graben sich die Thiere auch noch auf der Südseite ein besonderes Loch, welches sie jedoch bloß dann beziehen, wenn ihnen der kalte Wind in ihrem Morgen- oder Abendloche lästig wird. Morgens bis gegen zehn Uhr findet man sie regelmäßig in dem nach Osten hin gelegenen Loche; sie erwarten dort nach der Kühle des Morgens die ersten Strahlen der Sonne, um sich wieder zu erwärmen. Nach und nach aber werden diese Strahlen ihnen zu heiß, und deshalb suchen sie jetzt Schatten auf. Einer nach dem anderen erhebt sich, klettert über den Berg weg und schleicht sich nach dem auf der Westseite gelegenen Loche, in welchem er seinen Schlaf fortsetzt. Fallen nun die Sonnenstrahlen nachmittags auch in diese Höhlung, so geht der Hund wieder zurück nach dem ersten Loche, und dort bleibt er bis zum Sonnenuntergang liegen.

Um diese Zeit wird es in den Bergen lebendig. Es bilden sich größere und kleinere Gruppen, ja selbst Meuten. Man hört Gebell, Geheul, Gezänk, je nachdem die Thiere gestimmt sind. Ein größeres Aas versammelt sie immer in zahlreicher Menge, ein todter Esel oder ein verendetes Maulthier wird von der hungerigen Meute in einer einzigen Nacht bis auf die größten Knochen verzehrt. Sind sie sehr hungerig, so kommen sie auch bei Tage zum Aase, namentlich wenn dort ihre unangenehmsten Gegner, die Geier, sich einfinden sollten, durch welche sie Beeinträchtigung im Gewerbe fürchten. Sie sind im höchsten Grade brodneidisch und bestehen deshalb mit allen unberufenen Gästen heftige Kämpfe. Die Geier aber lassen sich so leicht nicht vertreiben und leisten ihnen unter allen Aasfressern den entschiedensten und muthigsten Widerstand; deshalb haben sie von ihnen das meiste zu leiden. Aas bleibt unter allen Umständen der Haupttheil ihrer Nahrung; doch sieht man sie auch katzenartig vor den Löchern der Rennmäuse lauern und schakal- oder fuchsartig diesen oder jenen Vogel beschleichen. Wenn ihre Aastafel einmal nicht gespickt ist, machen sie weite Wanderungen, kommen dann in das Innere der Städte herein und streifen in den Straßen umher. Dort sind sie, weil sie allen Unrath wegfressen, geduldete, wenn auch nicht gern gesehene Gäste, und gegenwärtig kommt es wohl nur sehr selten vor, daß einzelne gläubige Muhammedaner sie, wie vormals geschehen sein soll, in ihren Vermächtnissen bedenken und für ihre Erhaltung gewissermaßen Sorge tragen.

Die Paarungszeit fällt in dieselben Monate wie bei den übrigen Hunden, einmal in das Frühjahr, das andere Mal in den Herbst. Die Hündin wölft in eines ihrer Löcher, gräbt es aber etwas tiefer aus und bildet daraus einen förmlichen Bau, in welchem man das ganze Gewölfe nach einiger Zeit lustig mit der Alten spielen sieht. Nicht selten kommt es vor, daß eine solche Hündin, wenn die Wölfzeit kommt, sich in das Innere der Städte begibt und dort, mitten in der Straße oder wenigstens in einem nur einigermaßen geschützten Winkel derselben, eine Grube sich gräbt, in welcher sie dann ihre Nachkommenschaft zur Welt bringt. Es scheint fast, als ob sie wisse, daß sie auf die Mildthätigkeit und Barmherzigkeit der mahammedanischen Bevölkerung zählen dürfe, und wirklich rührend ist es zu sehen, wie die gastfreien Leute einer solchen Hundewöchnerin sich annehmen. Ich habe mehr als einmal beobachtet, daß vornehme Türken oder Araber, welche durch solche Straßen ritten, in denen Hündinnen mit ihren Jungen lagen, sorgfältig mit ihrem Pferde auf die Seite lenkten, damit dieses ja nicht die junge Brut beschädige. Wohl selten geht ein Egypter vorüber, ohne der Hundemutter einen Bissen Brod, gekochte Bohnen, einen alten Knochen und dergleichen zuzuwerfen. Die Mahammedaner halten es für eine Sünde, ein Thier unnöthiger Weise zu tödten oder zu beleidigen; aber die Barmherzigkeit geht zuweilen auch zu weit. Man findet nämlich oft räudige und kranke Hunde im größten Elende auf der Straße liegen, ohne daß eine mitleidige Hand sich fände, ihrem trauerigen Dasein ein Ende zu machen. So sah ich in einer Stadt Oberegyptens einen Hund in der Straße liegen und sich herumquälen, welchem durch einen unglücklichen Zufall beide Hinterbeine derart zerschmettert waren, daß er sie nicht mehr gebrauchen konnte und sie, wenn er sich mit den Vorderbeinen mühsam weiterbewegte, hintennach schleifen mußte. Ganz unzweifelhaft hatten alle Bewohner des Ortes dieses unglückliche, erbärmliche Thier schon Monate lang täglich gesehen, Niemandem aber war es eingefallen, ihm einen Gnadenstoß zu geben. Ich zog eine Pistole und schoß ihm eine Kugel durch den Kopf, mußte mich jedoch ordentlich gegen die Leute vertheidigen wegen meiner That.

Fängt man sich junge Hunde und hält sie lange Zeit in der Gefangenschaft, so werden sie vollständig zu Haushunden und sind dann als wachsame und treue Thiere sehr geschätzt. Bei weitem der größte Theil der jungen Straßenhunde aber findet keinen Herrn und begibt sich, nachdem er halberwachsen ist, mit der Alten ins Freie und lebt dort genau in derselben Weise wie seine Vorfahren.

Innerhalb ihrer eigentlichen Wohnkreise sind die verwilderten Hunde ziemlich scheu und vorsichtig, und namentlich vor dem fremdartig Gekleideten weichen sie jederzeit aus, sobald sich dieser ihnen nähert. Beleidigt man einen, so erhebt sich ein wahrer Aufruhr. Aus jedem Loche schaut ein Kopf heraus, und nach wenigen Minuten sind die Gipfel der Hügel mit Hunden bedeckt, welche ein ununterbrochenes Gebell ausstoßen. Ich habe mehrmals auf solche Hunde förmlich Jagd gemacht, theils um sie zu beobachten, theils um ihr Fleisch zu verwenden, d. h. um es entweder als Köder für die Geier auszuwerfen, oder um es meinen gefangenen Geiern und Hiänen zu verfüttern. Bei diesen Jagden habe ich mich von dem Zusammenleben und Zusammenhalten der Thiere hinreichend überzeugen können und dabei auch unter anderem die Beobachtung gemacht, daß sie mich schon nach kurzer Zeit vollständig kennen und fürchten gelernt hatten. In Chartum z. B. war es mir zuletzt unmöglich, solche herrenlose Hunde mit der Büchse zu erlegen, weil sie mich nicht mehr auf vierhundert Schritte an sich herankommen ließen. Sie sind überhaupt dem Fremden sehr abhold und kläffen ihn an, sobald er sich zeigt; aber sie ziehen sich augenblicklich zurück, wenn man sich gegen sie kehrt. Gleichwohl kommt nicht selten eine starke Anzahl auf einen los, und dann ist es jedenfalls gut, dem naseweisesten Gesellen eine Kugel vor den Kopf zu schießen. Mit den Mahammedanern oder morgenländisch gekleideten Leuten leben sie in guter Freundschaft; sie fürchten dieselben nicht im geringsten und kommen oft so nahe an sie heran, als ob sie gezähmt wären; mit den Haushunden dagegen liegen sie beständig im Streite, und wenn ein einzelner Hund aus der Stadt in ihr Gebiet kommt, wird er gewöhnlich so gebissen, daß er sich kaum mehr rühren kann. Auch die Hunde eines Berges verkehren nicht friedlich mit denen eines anderen, sondern gerathen augenblicklich mit allen in Streit, welche nicht unter ihnen groß geworden und sich sozusagen mit ihnen zusammengebissen haben.

Manchmal vermehren sich die verwilderten Hunde in das Unglaubliche und werden zur wirklichen Landplage. Mahammed Aali ließ einmal, um dieser Pest zu steuern, ein Schiff förmlich mit Hunden befrachten und diese dann auf hoher See über Bord werfen, um sie sicher zu ertränken. Zum größten Glück sind sie der Wasserscheu nur äußerst selten ausgesetzt, ja man kennt wirklich kaum Beispiele, daß Jemand von einem tollen Hunde gebissen worden wäre. Die verwilderten Hunde gelten den Mahammedanern, wie alle Thiere, welche Aas fressen, für unrein in Glaubenssachen, und es ist deshalb dem Gläubigen verwehrt, näher mit ihnen sich zu befassen. Wird ein solches Thier aber gezähmt, so ändert sich die Sache: dann gilt bloß seine beständig feuchte Nase noch für unrein.

In Konstantinopel soll das Verhältnis des Menschen zu den Hunden ein ganz ähnliches sein. »Unzertrennlich von den Gassen der Hauptstadt«, sagt Hackländer, »ist der Gedanke an ihre beständigen Bewohner, die herrenlosen Hunde, welche man in zahlloser Menge auf ihnen erblickt. Gewöhnlich macht man sich von Dingen, von denen man oft liest, eine große Vorstellung und findet sich getäuscht. Nicht so bei diesen Hunden. Obgleich alle Reisenden darüber einig sind, sie als eine Plage der Menschen darzustellen, so sind doch die meisten bei der Beschreibung dieses Unwesens zu gelinde verfahren.

»Diese Thiere sind von einer ganz eigenen Rasse. Sie kommen in der äußeren Gestalt wohl am meisten unseren Schäferhunden nahe, doch haben sie keine gekrümmte Ruthe und kurze Haare von schmutziggelber Farbe. Wenn sie faul und träge umherschleichen oder in der Sonne liegen, muß man gestehen, daß kein Thier frecher, ich möchte sagen, pöbelhafter aussieht. Alle Gassen, alle Plätze sind mit ihnen bedeckt; sie stehen entweder an den Häusern gereiht und warten auf einen Bissen, welcher ihnen zufällig zugeworfen wird, oder sie liegen mitten in der Straße, und der Türke, welcher sich äußerst in Acht nimmt, einem lebenden Geschöpfe etwas zu Leide zu thun, geht ihnen aus dem Wege. Auch habe ich nie gesehen, daß ein Muselman eines dieser Thiere getreten oder geschlagen hätte. Vielmehr wirft der Handwerker ihnen aus seinem Laden die Ueberreste seiner Mahlzeit zu. Nur die türkischen Kaikschi und die Matrosen der Marine haben nicht diese Zartheit, weshalb mancher Hund im goldenen Horn sein Leben endet.

»Jede Gasse hat ihre eigenen Hunde, welche sie nicht verlassen, wie in unseren großen Städten die Bettler ihre gewissen Standorte haben, und wehe dem Hunde, der es wagt, ein fremdes Gebiet zu besuchen. Oft habe ich gesehen, wie über einen solchen Unglücklichen alle anderen herfielen und ihn, wußte er sich nicht durch schleunige Flucht zu retten, förmlich zerrissen. Ich möchte sie mit den Straßenjungen in gesitteten Ländern vergleichen; wie diese, wissen sie ganz gut den Fremden vom Einheimischen zu unterscheiden. Wir brauchten nur in einer Ecke des Bazars etwas Eßbares zu kaufen, so folgten uns alle Hunde, an denen wir vorbeikamen, und verließen uns erst wieder, wenn wir in eine andere Gasse traten, wo uns eine neue ähnliche Begleitung zu Theil wurde.

»So ruhig bei Tage diese Ablösung vor sich geht, so gefährlich werden die Hunde zuweilen dem einzelnen Franken, welcher sich bei der Nacht in den Gassen Stambuls verirrt, besonders wenn er keine Laterne trägt. Wir haben oftmals gehört, daß ein solcher, den die Bestien förmlich anfielen, nur durch Muselmänner gerettet wurde, welche sein Hülferuf herbeizog; und obgleich wir stets in ziemlicher Gesellschaft und abends nie ohne Laterne ausgingen, hatten wir es doch oft nur unseren guten Stöcken zu danken, mit denen wir kräftig dreinschlugen, daß wir nicht mit zerrissenen Kleidern heimkamen.

»Sultan Mahmud ließ vor mehreren Jahren einige Tausend dieser Hunde auf einen bei den Prinzeninseln liegenden kahlen Fels bringen, wo sie einander auffraßen. Diese Verminderung hat aber nichts genützt; denn die Fruchtbarkeit dieser Geschöpfe ist großartig; fast bei jedem Schritte findet man auf der Straße runde Löcher in den Koth gemacht, worin eine kleine Hundefamilie liegt, welche hungernd den Zeitpunkt erwartet, wo sie selbständig wird, um gleich ihren Vorfahren die Gassen Stambuls unangenehm und unsicher zu machen.«

Treu, ein in Konstantinopel ansässiger Kaufmann, theilt mir weiteres über diese Hunde mit. »In Straßen, welche von Europäern bewohnt werden, können unsere Hunde unbehelligt gehen; in abgelegeneren Stadttheilen dagegen fallen die Straßenhunde nicht allein über jene, sondern unter Umständen auch über deren Herren her, falls diese nicht ruhig gehen oder die Hunde reizen. Der eingebürgerte Fremde läßt die von Neulingen mehr als billig verachteten Geschöpfe in Frieden, weil er erkennen gelernt hat, daß sie in einer Stadt ohne jegliche Gesundheitspflege, in welcher man allerlei Abfall auf die Straßen, Thierleichen auf beliebige Plätze wirft, geradezu unentbehrlich sind. Auch erhält Jeder, welcher die Pariahunde ebenso menschlich behandelt, wie die Türken es zu thun pflegen, Beweise inniger Dankbarkeit und treuer Anhänglichkeit seitens dieser armen, verkommenen Geschöpfe, so daß er von manchem Vorurtheile zurückkommen muß. Sie ihrerseits bemühen sich förmlich, in ein gutes Verhältnis zu dem Menschen zu treten und sind beglückt, wenn man ihnen entgegen kommt. Scharfe Beobachtungsgabe wird ihnen Niemand absprechen können: sie unterscheiden sehr genau zwischen milden und hartherzigen Leuten, zwischen solchen, welche ihnen wohl- und denen, welche ihnen übelwollen. Die Magd eines meiner Bekannten, welche den Straßenhunden öfters einige Knochen und sonstige Küchenabfälle zuwarf, wurde bei eingetretener Kälte wiederholt durch Anschlägen des Thürklopfers gefoppt, bis sie endlich durch den gegenüberwohnenden Nachbar erfuhr, daß einer der von ihr so oft bedachten vierbeinigen Bettler den Klopfer in Bewegung sehe, offenbar in der Absicht, sie an ihn zu erinnern. Sie hatte den Hund beim Oeffnen der Thüre wohl gesehen, sein freundliches Schwanzwedeln nur nicht beachtet. In das Waarenlager eines meiner Freunde kam während der Zeit, in welcher die Behörde einen Theil der Straßenhunde durch vergiftete Speisereste wegzuräumen pflegt, eine trächtige Hündin, welche zu wenig Gift genossen hatte, um zu sterben, aber, von entsetzlichen Schmerzen gepeinigt, sich krümmte und heulte. Mein Freund versprach seinen Bediensteten eine Belohnung, wenn sie der Hündin Milch und Oel einflößen würden. Es gelang dreien von ihnen, die Hündin so fest zu halten, daß man ihr die Flüssigkeiten eingeben konnte; sie erbrach sich und war am anderen Tage außer Gefahr. Nach einiger Zeit warf sie sechs Junge in einem Nebenraume der Niederlage, wies Jedem, welcher sich ihr näherte, ingrimmig die Zähne, nur jenen drei Dienern nicht, gehorchte Befehlen derselben, hütete und bewachte die Niederlage bei Tage und Nacht und verließ die Straße und das Haus nie wieder. In der Derwischstraße in Pera wohnte einige Wochen lang ein Geschäftsreisender, welcher beim Kommen und Gehen einem Straßenhunde Almosen zu spenden pflegte. Bei seiner Abreise folgte der Hund, ungeachtet aller Zurückweisungen, bis zum Einschiffungsplatze, sah wie sein menschlicher Freund die Barke und das Dampfschiff bestieg, schien zu erkennen, daß er ihn für immer verlieren werde, stürzte sich ins Meer und schwamm dem Schiffe zu. Der Kapitän sandte ihm eine Barke entgegen und ließ ihn an Bord bringen. Augenblicklich eilte er auf seinen Wohlthäter zu und gab seiner Freude stürmisch Ausdruck. Der Reisende würdigte diese Gesinnung und nahm das treue Thier mit sich.« Solche Beispiele genügen, um zu beweisen, daß auch der verkommenste Hund dem Menschen, von dessen Wohlwollen er sich überzeugt hat, zum anhänglichen, treuen Diener wird.

Am Asow'schen Meere lebt der Hund, nach Schlatters Bericht, unter ähnlichen Verhältnissen wie in Egypten und der Türkei. Er genießt bei den nogaischen Tataren geringere Werthschätzung als die Katze, welche das Recht hat, im Hause zu wohnen, an allem herumzunaschen, aus einer Schüssel mit den Kindern und Erwachsenen zu essen und wohl auch auf einer Matratze mit dem Menschen zu schlafen. Sie wird zu den reinen Thieren gezählt, und der Tatar läßt es ihr, als dem Liebling des großen Propheten Mahammed, an nichts fehlen. Der Hund hingegen darf sich nicht im Hause blicken lassen.

Der nogaische Hund ist von mittlerer Größe, gewöhnlich sehr mager, mit struppigen, langen Haaren von dunkler Farbe. In den Dörfern findet man von ihnen eine übergroße und lästige Anzahl, da kein junger Hund umgebracht wird. Sie erhalten zwar zu Zeiten, wenn ein Stück Vieh geschlachtet wird, oder wenn es Aas gibt, satt zu fressen, müssen dann aber oft wieder lange hungern. Sehr häufig sieht man sie Menschenkoth fressen; sie werden sogar herbeigerufen, um den Boden davon zu säubern. Treibt Hunger den Hund in das Haus hinein, so wird er mit Stockschlägen hinausgetrieben. Nicht nur den Fremden, sondern selbst den Tataren sind diese grimmigen Thiere eine harte Plage, indem alles unterschiedslos angegriffen wird. In fremder Tracht ist es kaum möglich, ohne Begleitung von Tataren durchzukommen, selbst zu Pferde hat man noch Mühe. Am besten ist es, recht langsam zu reiten; der Fußgänger muß jedenfalls langsam gehen und den langen Stock, der ihm unentbehrlich ist, nach hinten halten, weil die Hunde gewöhnlich hinten anpacken, dann aber nur in den Stock beißen; auch thut man wohl, wenn man ihnen etwas Speise zuwirft, womit sie sich beschäftigen, bis man ein Haus erreicht hat. Schlägt man mit dem Stocke drein, so kommen auf das jammernde Geheul des getroffenen Hundes alle Hunde des Dorfes zusammen, und die Sache wird ernster als zuvor. Dasselbe ist der Fall, wenn man schnellen Gang einschlägt, oder wenn man durch Laufen sich zu retten sucht. Es sind mir mehrere Beispiele bekannt, daß Personen niedergeworfen und sehr schwer verwundet wurden. Den Knall des Schießgewehres fürchten diese Hunde am meisten; sie sind daran nicht gewöhnt und werden wie betäubt davon. Hat man nichts derartiges bei sich und will nichts mehr helfen, so ist das beste, wenn man sich noch zur Zeit ruhig niedersetzt. Dies hilft gewöhnlich. Es macht die Hunde stutzen; sich verwundernd stellen sie sich in einen Kreis herum, ohne anzupacken und gehen am Ende auseinander. Zur Bewachung der Herden werden sie nicht benutzt; kommen welche auf die Steppe, so fallen sie die Viehherden, denen sie im Dorfe kein Leid thun, wüthend an, schleppen die Kälber an der Gurgel umher, erwürgen Schafe und fressen ihnen die Fettschwänze ab.

Von den Hunden des südlichen Rußlands erzählt Kohl. »Im Winter«, sagt er, »ziehen sich die Hunde scharenweise nach den Städten, stören im weggeworfenen Unrathe und zerren an verrecktem Vieh herum. In einigen Städten, wie Odessa, gehen Wächter umher, die ein beständiges Blutbad unter den herrenlosen Hunden anrichten. Allein es hilft wenig, da man die Hundequellen in den Dörfern und Städten nicht verstopfen kann. Die Hunde sind eine wahre Landplage, sie sind Allen zur Last und fressen selbst den Gärtnern Obst und Trauben weg.«

In etwas besseren Verhältnissen leben die Hunde Brasiliens, welche uns neuerdings Hensel in ansprechender Weise geschildert hat. »Sie gehören«, sagt er, »im allgemeinen keiner bestimmten Rasse an. Vielfach gekreuzt und ausgeartet, haben sie ihre Triebe und Sinne nach keiner bestimmten Richtung besonders entwickelt, sondern nähern sich mehr dem Urzustände des Hundes, in welchem der Kampf ums Dasein alle Sinne zur Geltung bringt. Und in der That führen diese Hunde einen solchen Kampf; denn der Brasilianer, welcher zu träge ist, für sich selbst die hinreichende Nahrung zu besorgen, hat sich den Grundsatz gebildet, man müsse die Hunde nie füttern, um nicht auf ihren Jagdeifer einen hemmenden Einfluß auszuüben. Schon von Jugend auf sind sie daher an Entbehrungen, aber auch zugleich an Stehlen und Rauben gewöhnt. Meilenweit durchstreifen sie das Feld, von dem Verwesungsgeruchs gefallener Thiere gelockt, und machen Aasgeiern und Füchsen die Beute streitig. Daher ist auch die Anhänglichkeit an den Herrn gering und von Treue und Gehorsam wenig zu erkennen. Haben sie ihren Herrn verloren, so suchen sie sich gern einen anderen, und mit etwas Futter mag sie Jeder an sich fesseln. Doch gibt es auch Landstreicher, welche nur so lange einem bestimmten Herrn sich anschließen, als es ihnen behagt, sonst aber den Dienst leicht wechseln. Von eigentlichen verwilderten Hunden habe ich nie etwas gehört.

»Gestalt und Farbe dieser Hunde ist sehr wechselnd, und ein bestimmter Rassencharakter läßt sich nicht entdecken. Wir würden sie mit dem Namen Dorfköter bezeichnen, wenn nicht ihre Größe im allgemeinen dafür zu bedeutend wäre. Offenbar sind sie die durch Hunger und Mangel an Pflege ausgearteten Nachkommen großer Hunde, welche man einst zum Schutze der Herden und Niederlassungen aus Europa eingeführt hatte. Und diese Aufgabe erfüllen sie auch noch heute. Man kann bei keiner Estancia vorüberreiten, ohne von einem Rudel junger, bissiger Wächter angefallen zu werden, deren manche selbst das Pferd nicht scheuen und sogar den Reiter auf demselben zu fassen suchen. Ihre Hauptaufgabe besteht jedoch darin, das Vieh zusammenzutreiben, was alle Wochen einmal geschieht. Die Leute des Landbesitzers reiten am Morgen mit einer Schar Hunde auf das Weideland hinaus. Ihr eigenthümlicher, lang gezogener Ruf schallt weit über das Grasfeld, und alles Vieh, welches denselben hört, stürzt, von Jugend an daran gewöhnt, nach dem Sammelplatze. Aber in den abgelegenen Theilen der Weide, in kleinen Waldstücken, welche über das ganze Land zerstreut sind, steckt noch manches Stück, welches aus Scheu oder Trägheit dem Rufe des schwarzen Hirten nicht folgte. Hier nun treten die Hunde in Thätigkeit, und indem sie alle Schlupfwinkel durchjagen, treibt ihr wüthendes Bellen selbst die verborgensten Thiere hervor.

»Gelegentlich üben sie auch die Jagd aus, doch nur auf eigene Faust. Jede lebende warmblütige Kreatur, welche in ihren Bereich kommt, wird vernichtet. Ihre Nase ist selten sehr fein, auch halten sie nicht aus auf der Fährte. Neben ganz unbrauchbaren Hunden aber finden sich solche von hervorragenden Eigenschaften, welche dann einen besonderen Werth erhalten. In den Wäldern, wo der Mensch von selbst zur Jagd gedrängt wird und ihr oft den Lebensunterhalt verdankt, hat man nur Hunde mit feinem Geruche und leichtem Körperbau besonders ausgesucht und gezüchtet und dadurch oft vorzügliche Ergebnisse erreicht. Manche Hunde verbellen gern das Wild auf den Bäumen, andere jagen lieber die Bisamschweine und den Tapir. Der Hauptvorzug eines solchen Hundes ist der, daß er auf der Jagd nicht in der Nähe des Herrn bleibt, sondern selbständig den Wald durchsucht, und wenn er sein Wild gestellt hat, sei es über, auf oder unter der Erde, mit Bellen anhält, bis der Jäger kommt, und sollten Stunden darüber vergehen. Die Hunde handeln im Einverständnisse mit dem Jäger, und oft liegt die ganze Meute ermattet unter dem Baume, auf dem die Pardelkatze eine Zuflucht gefunden hat. Lang hängt die Zunge aus dem trockenen Halse, die Stimme ist heiser, und nur einzelne lassen sie noch hören, und sehnsüchtig blicken alle nach der Seite, von welcher sie ihren Herrn erwarten.

»Da tönt ein ferner jauchzender Schrei kaum vernehmbar von den Bergen herüber. Er ist ihnen nicht entgangen, und von neuem stürzen sie mit wüthendem Bellen gegen den umlagerten Baum. Das Jauchzen wiederholt und nähert sich, und jedesmal antwortet einstimmig der ganze Chor, um dem Rufenden den Weg zu zeigen. Endlich hört man das Knacken der Zweige, und der Langersehnte erscheint athemlos, in Schweiß gebadet, mit zerrissenen Kleidern. Die Wuth der Hunde erreicht den höchsten Grad, und bald stürzen sie sich auf den verhaßten Feind, welcher, obgleich schwer verwundet, sein Leben noch theuer verkauft.

»Für den Reisenden sind Hunde unentbehrlich. Wenn die Sonne zum Untergange sich neigt, wird an geeigneter Stelle, d. h. wo sich Holz und Wasser findet, das Nachtlager aufgeschlagen. Die Hunde liegen im Kreise umher, wo möglich bei einem Strauche oder dichten Grasbusche, um sich gegen die Kühle der Nacht oder gegen die Anfälle der Mücken zu schützen, und der Reisende, wenn er seine Reit- und Lastthiere versorgt, d. h. frei auf den Camp getrieben hat, kann sich sorglos dem Schlafe überlassen. Die treuen Wächter halten jede Gefahr fern, welche durch Menschen oder reißende Thiere drohen könnte. Nur gegen Klapperschlangen und Jararacas (die gefährlichsten Giftschlangen Südamerika's) vermag ihre Wachsamkeit nichts, ebensowenig gegen die Diebe, welche des Nachts Pferde und Maulthiere des Reisenden wegtreiben. Wo es also bloß auf das Wachen ankommt, wählt man am besten die gewöhnlichen Camphunde, womöglich die Dickköpfe, welche der Jäger verachtet. Der reisende Thierkundige dagegen bedarf der Hunde als seine besten Lieferanten und zieht deshalb die Jagdhunde vor. Doch müssen sie während des Marsches in waldigen Gegenden stets zu zweien gekoppelt sein, da sie sonst durch jede frische Fährte zur Jagd verleitet werden, sodaß ihrem Herrn oft nichts übrig bleibt, als die Reise zu unterbrechen, um die Rückkunft der Hunde zu erwarten oder diese aufzugeben. Auf solche Weise geht mancher werthvolle Hund verloren; denn er kann der Fährte des berittenen Herrn später nicht folgen. Daher sind Rehhunde zur Reisebegleitung die schlechtesten. Bei ihrem ungezähmten Jagdeifer muß man sie auch gekoppelt stets im Auge behalten, was zu vielen Unbequemlichkeiten für den Reisenden führt.

»Der innige Verkehr des Reisenden und Jägers mit seinen Hunden, die beständige Aufmerksamkeit, welche beide Theile aufeinander haben, schafft ein Verhältnis gegenseitiger Freundschaft, welches guten Hunden gegenüber nur die unerbittliche Nothwendigkeit trennen kann. Ein nicht geringer Theil meiner Sammlungen ist mit der Erinnerung an diesen oder jenen der Hunde innig verknüpft, und ich kann nicht die lange Reihe der Coatischädel oder die Gerippe der Ozelote durchmustern, ohne mich bei vielen derselben an die Scenen von unbezähmbarer Kampfeswuth der Sieger und verzweifelter Gegenwehr der Besiegten zu erinnern.

»Wunderbar ist die Verschiedenheit in den geistigen Anlagen des Hundes, vielleicht um so größer, je weniger deutlich seine Rasse ist. Unter meinen Hunden waren die beiden größten und stärksten, obgleich an körperlichen Eigenschaften einander vollkommen gleich, doch an geistigen unendlich verschieden. Der eine feig gegen andere Hunde oder im Kampfe mit reißenden Thieren, aber im höchsten Grade schlau, vorsichtig und berechnend, immer nur auf seinen Vortheil bedacht, ein vollendeter Egoist, der andere tapfer, muthig bis zur Tollkühnheit, dabei treu und bieder, seinem Herrn mit Liebe zugethan, ein wahrer Held ohne Furcht und Tadel. Ich könnte unzählige Züge von der Schlauheit des einen und der Tapferkeit des anderen erzählen. Beide wären im Stande gewesen, ein selbständiges Leben zu führen und sich den Unterhalt auf eigene Faust zu erwerben: allein wie verschieden wären ihre Wege im Kampfe ums Dasein gewesen. Der eine hätte den Camp meilenweit abgespürt und sich von den Leichen des gefallenen Viehes in Vorsicht und Sicherheit genährt, der andere würde Kälber und Füllen niedergerissen und wahrscheinlich bald von den Hunden des Hirten seinen Tod gefunden haben.

»Oft schon hatte es mein Staunen erregt, wie schnell sich eine für die Hunde wichtige Nachricht unter denselben verbreitet. Der verwesende Leichnam eines Viehes nur von einem einzigen und in abgelegener Gegend entdeckt, wird bald von vielen besucht werden. Bei dem Futterneide des Hundes ist an absichtliche Mittheilung der Nachricht nicht zu denken. Ich hatte längere Zeit in einem Wirtshause des Urwaldes gewohnt. Rings um das Gehöft auf der abgeholzten kleinen Hochebene befanden sich viele Hecken, in denen das zahlreiche Vieh der Ansiedler weidete. Eines Tages saß ich in der Gaststube des Hauses mit meinen Hunden und einer ziemlichen Anzahl Menschen. Da öffnete sich die Hinterthüre des Zimmers, und leise schob sich Vagabond, der schlechteste unter meinen Hunden, herein. Mit dem gleichgültigsten und dümmsten Gesichte von der Welt spähte er nach einem guten Platze, aber heimlich fuhr er noch einmal mit der Zungenspitze über die Oberlippe. In der ganzen Gesellschaft hatten nur zwei dies bemerkt: ich und der Schlaue. Langsam erhob sich dieser und schritt auf den Hereinkommenden zu, obgleich beide sonst nicht in Freundschaft lebten. Dieser merkte sogleich die Absicht. Wie ein ertappter Verbrecher setzte er sich und ließ Kopf und Ohren herabhängen. Der andere trat an ihn heran, beroch ihm das Maul von einem Winkel zum anderen, senkte sogleich die Nase zur Erde und verließ vorsichtig, aber eilig das Zimmer durch die Hinterthüre. Ich eilte ihm nach, voll Neugierde, wie sich die Begebenheit weiter entwickeln werde, und sah nur noch, wie der Hund, die Nase auf der Erde, in den Hecken verschwand. Als ich ihm folgte und kaum dreihundert Schritte zurückgelegt hatte, hörte ich schon das Krachen der Knochen in den Hecken: der Schlaue labte sich an dem Aase eines Kalbes.

»Eine ganz ähnliche Scene erlebte ich unter anderen Verhältnissen. Es war auf einer Reise durch die Hochlande von Rio grande do Sul. Nur drei Hunde, die beiden schon erwähnten, der Schlaue und der Biedere, nebst der Hühnerhündin waren meine Begleiter. Schon seit längerer Zeit war Noth an Lebensmitteln gewesen; Menschen und Thiere waren erschöpft, namentlich die Hunde zeigten einen hohen Grad von Magerkeit. Wir hatten zur Nacht wie gewöhnlich in einem Wäldchen gelagert und waren am Morgen mit dem Einfangen und Bepacken der Maulthiere beschäftigt, als mehrere hundert Schritte von uns zwei Hunde über den Camp kamen und offenbar nach dem Wäldchen strebten, hinter dem, wie sich später herausstellte, ein Haus lag. Ich hetzte meine Hunde auf die fremden und alle drei eilten sogleich fort. Als sie auf die Fährte der fremden Hunde kamen, nahmen zwei von ihnen, der Biedere und die Hündin, sogleich die Fährte auf und folgten derselben, laut heulend. Der Schlaue jedoch machte Kehrt, folgte der Fährte in entgegengesetzter Richtung und verschwand bald hinter den Hügeln des Campes. Nach etwa einer Stunde waren wir fertig zur Weiterreise, saßen bereits schon im Sattel und sahen uns nach den Hunden um – der Schlaue fehlte noch. Vergebens wurde noch ein wenig gewartet: er kam nicht. Endlich mußte die Reise angetreten werden, auf die Gefahr hin, den Hund zu verlieren. Da erschien er, aber in welcher Verfassung. Sein Bauch hatte wenigstens den dreifachen Umfang angenommen und enthielt für mehrere Tage hin reichlich Futter. Offenbar hatten die beiden fremden Hunde an einem Aase das Frühstück genossen, und ihre Fährte war mit dem Geruche desselben behaftet worden; aber nur einer unter meinen drei Hunden war so schlau, von seiner erworbenen Kenntnis einen nützlichen Gebrauch zu machen.«

Die Beschreibung des Wesens und Lebens der Haushunde mag die unübertreffliche Kennzeichnung des Thieres eröffnen, welche der Altvater der Thierkunde, Linné, in seiner eigenthümlich kurzen und schlagenden Weise gegeben hat. Ich bin bemüht gewesen, dieselbe so treu als möglich im Deutschen wiederzugeben, obgleich dies keine leichte Sache ist. Manche Stellen lassen sich gar nicht übersetzen; das übrige lautet etwa also: »Frißt Fleisch, Aas, mehlige Pflanzenstoffe, kein Kraut, verdaut Knochen, erbricht sich nach Gras; lost auf einen Stein: Griechisch Weiß, äußerst beizend. Trinkt leckend; wässert seitlich, in guter Gesellschaft oft hundertmal, beriecht des nächsten After; Nase feucht, wittert vorzüglich; läuft der Quere, geht auf den Zehen; schwitzt sehr wenig, in der Hitze läßt er die Zunge hängen; vor dem Schlafengehen umkreist er die Lagerstätte; hört im Schlafe ziemlich scharf, träumt. Die Hündin ist grausam gegen eifersüchtige Freier; in der Laufzeit treibt sie es mit vielen; sie beißt dieselben; in der Begattung innig verbunden; trägt neun Wochen, wölft vier bis acht, die Männchen dem Vater, die Weibchen der Mutter ähnlich. Treu über alles; Hausgenosse des Menschen; wedelt beim Nahen des Herrn, läßt ihn nicht schlagen; geht jener, läuft er voraus, am Kreuzweg sieht er sich um; gelehrig, erforscht er Verlorenes, macht nachts die Runde, meldet Nahende, wacht bei Gütern, wehrt das Vieh von den Feldern ab, hält Renthiere zusammen, bewacht Rinder und Schafe vor wilden Thieren, hält Löwen im Schach, treibt das Wild auf, stellt Enten, schleicht im Sprunge an das Netz, bringt das vom Jäger Erlegte, ohne zu naschen, zieht in Frankreich den Bratspieß, in Sibirien den Wagen. Bettelt bei Tische; hat er gestohlen, kneift er ängstlich den Schwanz ein; frißt gierig. Zu Hause Herr unter den Seinigen; Feind der Bettler, greift ungereizt Unbekannte an. Mit Lecken heilt er Wunden, Gicht und Krebs. Heult zur Musik, beißt in einen vorgeworfenen Stein; bei nahem Gewitter unwohl und übelriechend. Hat seine Noth mit dem Bandwurm; Verbreitung der Tollwuth. Wird zuletzt blind und benagt sich selbst. Der amerikanische vergißt das Bellen. Die Mahammedaner verabscheuen ihn; Opfer der Zergliederer für Blutumlauf etc.«.

Wir haben diese Beschreibung bloß weiter auszuführen. Alle Haushunde kommen in der Lebensweise und in ihrem Betragen so ziemlich überein, solange nicht die Beeinflussung, welche sie von den Sitten und Gewohnheiten des Menschen nothwendig mit erdulden müssen, ihnen eine andere Lebensart vorschreibt.

Die Hunde sind ebensowohl Tag- als Nachtthiere und für beide Zeiten gleich günstig ausgerüstet, auch ebensowohl bei Tage wie bei Nacht munter und lebendig. Sie jagen, wenn sie es dürfen, bei hellem Tage wie bei Nacht und vereinigen sich dazu gern in größeren Gesellschaften. Geselligkeit ist überhaupt ein Grundzug ihres Wesens und hat auf ihre Sitten den entschiedensten Einfluß. Sie fressen alles, was der Mensch ißt, thierische Nahrung ebensowohl wie pflanzliche, und beide im rohen Zustande nicht minder gern als zubereitet. Vor allem aber lieben sie Fleisch, und zwar etwas fauliges mehr noch als das frische. Wenn sie es haben können, verzehren sie Aas mit wahrer Leidenschaft, und selbst die wohlerzogensten und bestgehaltenen Hunde verschlingen gierig die Auswurfsstoffe des menschlichen Leibes. Einzelne Arten ziehen Fleisch aller übrigen Nahrung vor, andere achten es weniger hoch. Von gekochten Speisen sind ihnen mehlige, besonders süße, die willkommensten, und auch wenn sie Früchte fressen, ziehen sie zuckerhaltige den säuerlichen vor. Knochen, gute Fleischbrühe, Brod, Gemüse und Milch sind die eigensten Nahrungsstoffe eines Hundes, Fett und zuviel Salz dagegen ihm schädlich. Auch mit Brod allein kann man ihn füttern und gesund erhalten, wenn man ihm nur immer seine Nahrung zu bestimmten Zeiten reicht. Keine Speise darf ihm heiß gegeben werden; sie muß immer lau sein und ihm nur aus Geschirren gereicht werden, welche man beständig rein hält. Wenn ein alter Hund sich täglich einmal recht satt fressen kann, hat er vollkommen genug Nahrung erhalten; besser jedoch ist es, wenn man ihn zweimal füttert: gibt man ihm abends so viel, daß er genügend gesättigt ist, so hütet er eifriger und sicherer den ihm anvertrauten Posten als ein hungeriger, welcher leicht bestochen werden kann. Wasser trinken die Hunde viel und oft und zwar es mit der Zunge schöpfend, indem sie dieselbe löffelförmig krümmen und die Spitze etwas nach vorn biegen; Wasser ist auch zur Erhaltung ihrer Gesundheit unbedingt nothwendig.

In gewissen Gegenden haben die Hunde natürlich ihre eigene Nahrung. So fressen sie, wie bemerkt, auf Kamtschatka und auch im größten Theile Norwegens bloß Fische, hingegen gewöhnen sie sich da, wo viel Trauben gezogen werden, leicht an solche Kost und thun dann großen Schaden. Bei Bordeaux haben, wie Lenz angibt, die Winzer das Recht, jeden Hund, welcher sich ohne Maulkorb in den Weinbergen sehen läßt, aus eine beliebige Art vom Leben zum Tode zu bringen. Man sieht daher dort viele Hundegalgen, an denen die Verbrecher aufgehängt werden. Auch in den ungarischen Weinbergen sollen die Haushunde erheblichen Schaden anrichten, weil dort die Trauben fast ganz bis auf die Erde herabhängen.

Wenn die Hunde überflüssige Nahrung besitzen, verscharren sie dieselbe, indem sie ein Loch in den Boden graben und dieses mit Erde zudecken. Bei Gelegenheit kehren sie zurück und graben sich den verborgenen Schatz wieder aus; aber es kommt auch vor, daß sie derartige Orte vergessen. Um Knochensplitter aus dem Magen zu entfernen, fressen sie Gras, namentlich solches von Quecken; als Abführmittel gebrauchen sie Stachelkräuter.

Der Hund kann vortrefflich laufen und schwimmen, ja auch bis zu einem gewissen Grade klettern, aber nicht leicht, ohne Schwindel zu bekommen, an steilen Abgründen hingehen. Sein Gang geschieht in einer eigenthümlichen schiefen Richtung. Bei eiligem Laufe ist er im Stande, große Sprünge zu machen, nicht aber auch fähig, jähe Wendungen, Kreuz- und Querbewegungen auszuführen. Das Schwimmen verstehen alle Hunde von Hause aus, einige Arten jedoch weit besser als andere. Einige lieben das Wasser außerordentlich; verwöhnte Hunde scheuen es in hohem Grade. Das Klettern habe ich von den Hunden hauptsächlich in Afrika beobachtet. Hier erklimmen sie mit großer Gewandtheit Mauern oder die wenig geneigten Hausdächer und laufen wie Katzen mit unfehlbarer Sicherheit auf den schmälsten Absätzen hin. In der Ruhe sitzt der Hund entweder auf den Hinterbeinen oder legt sich auf die Seite oder den Bauch, indem er die Hinterfüße auswärts, die Vorderfüße vorwärts und zwischen dieselben seinen Kopf legt; selten streckt er die Hinterbeine dabei auch nach rückwärts aus. Große, schwere Hunde legen sich im Sommer gern in den Schatten und zuweilen auf den Rücken. Bei Kühle ziehen sie die Füße an sich und stecken die Schnauze zwischen die Hinterbeine. Die Wärme lieben alle, ebenso eine weiche Unterlage; dagegen vertragen nur wenige eine Decke, welche sie birgt, und die Nase mindestens muß stets unter einer solchen hervorschauen. Ehe sich der Hund niederlegt, geht er einige Male im Kreise umher und scharrt sein Lager auf, oder versucht dies wenigstens zu thun. Das Scharren macht ihm Vergnügen; er kratzt oft mit Vorder- oder Hinterbeinen gleichsam zu seiner Unterhaltung.

Alle Hunde schlafen gern und viel, aber in Absätzen, und ihr Schlaf ist sehr leise und unruhig, häufig auch von Träumen begleitet, welche sie durch Wedeln mit dem Schwanze, durch Zuckungen, Knurren und leises Bellen kundgeben. Reinlichkeit lieben sie über alles: der Ort, wo sie gehalten werden und namentlich, wo sie schlafen sollen, muß immer sauber sein. Ihren Unrath setzen sie gern auf kahlen Plätzen, besonders auf Steinen ab und decken ihn zuweilen mit Mist oder Erde zu, welche sie mit den Hinterfüßen nach rückwärts werfen. Selten gehen die männlichen Hunde an einem Haufen, Steine, Pfahle oder Strauche vorüber, ohne sich hierbei ihres Harns zu entledigen, und zwar thun sie dies, nach Linné'scher Angabe, wenn sie über neun Monate alt geworden sind. Dagegen schwitzen sie selbst beim stärksten und anhaltendsten Laufe wenig am Körper; ihr Schweiß sondert sich auf der Zunge ab, welche sie, wenn sie erhitzt sind, keuchend aus dem Munde strecken.

Die Sinne des Hundes sind scharf, aber bei den verschiedenen Arten nicht gleichmäßig ausgebildet. Geruch, Gehör und Gesicht scheinen obenanzustehen, und zwar zeichnen sich die einen durch feineres Gehör, die anderen durch besseren Geruch vor den übrigen aus. Auch der Geschmack ist ihnen nicht abzusprechen, obwohl derselbe in eigenthümlicher Weise sich äußert. Alle Reizungen, welche ihre Sinneswerkzeuge zu sehr anregen, sind ihnen verhaßt. Am wenigsten empfänglich zeigen sie sich gegen das Licht, sehr empfindlich aber gegen laute und gellende Töne oder scharfe Gerüche. Glockengeläute und Musik bewegt sie zum Heulen; kölnisches Wasser, Salmiakgeist, Aether und dergleichen ruft wahres Entsetzen bei ihnen hervor, wenn man solche Dinge ihnen unter die Nase hält. Der Geruch ist bei manchen in außerordentlicher Weise entwickelt und erreicht eine Höhe, welche wir geradezu nicht begreifen können. Wie wichtig der Geruchsinn für das Leben der Hunde ist, geht schlagend aus Untersuchungen hervor, welche Biffi und nach ihm Schiff anstellten. Sie zerschnitten säugenden Hunden den Riechnerven ( Tractus olfactorius) und den Riechkolben ( Bulbus olfactorius). Nachdem dies geschehen war, krochen die Hündchen scheinbar gesund im Lager umher; aber sie konnten die Zitzen der Mutter nicht mehr finden, und es blieb nichts anderes übrig, als sie mittels einer Spritze zu ernähren. Sie machten Saugversuche an einem erwärmten Schafspelze, und merkten die Nähe der Mutter gewöhnlich erst durch Berührung. Als sie zu laufen begannen, verirrten sie sich oft und fanden das Lager nicht wieder. Fleisch und Brod in der Milch ließen sie liegen, zogen später das Fleisch dem Brode nicht vor, nähmen das Futter nur durch das Gesicht wahr und ließen sich deshalb leicht und in der allersonderbarsten Weise täuschen. Feuchtigkeit und Wärme eines Gegenstandes leitete sie dabei oft gänzlich falsch. Sie ließen trockenes Fleisch liegen, leckten aber den eigenen Harn und den eigenen Koth auf. Schwefelige Säure und andere starke Gerüche beachteten sie gar nicht; Ammoniak und Aether bewirkten nach längerer Zeit, aber erst viel später als bei anderen Hunden, Niesen. Als sie größer wurden, zeigten sie nicht die geringste Anhänglichkeit an den Menschen.

Ueber das geistige Wesen der Hunde lassen sich Bücher schreiben; es dürfte also sehr schwer sein, dasselbe mit kurzen Worten zu schildern. Die mir am meisten zusagende Beschreibung der Hnndeseele hat Scheitlin gegeben. »So groß die leibliche Verschiedenheit der Hunde ist«, sagt er, »die geistige ist noch viel größer; denn die einen Hundearten sind völlig ungelehrig, die anderen lernen alles mögliche augenblicklich. Die einen kann man nicht, die anderen schnell ganz zähmen, und was die einen hassen, das lieben andere. Der Pudel geht von selbst ins Wasser, der Spitz will immer zu Hause bleiben. Die Dogge läßt sich auf den Mann, der Pudel nicht hierzu abrichten. Nur der Jagdhund hat eine solche feine Spürnase; nur der Bärenhund beißt den Bären zwischen die Hinterbeine; nur der lange Dachshund, dem in der Mitte ein paar Beine zu mangeln scheinen, ist so niedrig gebaut und so krummbeinig, um in Dachslöcher hineinkriechen zu können, und thut dies mit derselben Wollust, mit welcher der Fleischerhund in Bogen läuft und hinter den Kälbern und Rindern herhetzt.

»Der Hund von Neufundland ist es, welcher den Wolf nicht fürchtet, daher vortrefflich zur Herdenbewachung dient und meisterhaft gräbt, schwimmt, taucht und Menschen herausholt. Auch der Fleischerhund mißt sich mit dem Wolfe, ist ein guter Herdenwächter, jagt auf wilde Schweine und jedes andere große Thier, ist verständig und dem Herrn treu zugethan, geht aber nicht ins Wasser, wenn er nicht muß. Man benutzt und misbraucht ihn zur Hetze, wodurch er ganz nach psychologischer Ordnung immer schärfer und besonders gegen Kälber, welche, weil sie nicht ausschlagen, von ihm nicht gefürchtet werden, eine wahre Bestie wird. Sein Blutdurst ist äußerst widrig, und seine Wuth, zu beißen, Blut zu trinken, Thierüberreste herumzuzerren und zu fressen, gehört zu seinen schlechtesten Eigenschaften. Dem Windhunde wird beinahe aller Verstand, Erziehungsfähigkeit und Treue an seinem Herrn ab-, dafür kindische Neigung, von Unbekannten sich schmeicheln zu lassen, zugesprochen; doch kann man ihn zur Jagd auf Hasen etc. abrichten. Die Wachtelhunde deuten mit ihrem Namen auf das, wozu sie von Natur taugen. Denn der Hund und jedes andere Thier muß durch irgend etwas von sich aus kund thun, wozu es Lust hat, ehe man es abrichten will. Zum bloßen Vergnügen, sich im Arme sanft tragen zu lassen, mit der Dame auf dem Sopha zu schlafen, am warmen Busen zu liegen, Ungünstlinge anzuknurren, in der Stube zu bleiben, mit der Dame aus einem Glase zu trinken, von einem Teller zu speisen und sich küssen zu lassen, dazu wird das Bologneser- und Löwenhündchen gehalten. Am Jagdhunde wird ein scharfer Geruch und viel Verstand und die größte Gelehrigkeit nebst treuer Anhänglichkeit an seinen Herrn gelobt. Ebenso verständig und ein guter Wächter ist der Haus- oder der Hirtenhund. Der Spitz oder Pommer soll klüger, gelehriger, lebhafter und geschickter Art sein und gern beißen, als Haushund wachsam und in einzelnen Abarten tückisch und falsch sein. Dem Menschen ergeben, aber ohne seinen Herrn zu kennen, Schläge nicht fürchtend, unersättlich und doch mit Geschicklichkeit lange zu hungern fähig, gehört zur Kennzeichnung des Nordhundes. Der Doggen Art ist Treue bei wenig Verstand; sie sind gute Wächter, wilde, muthige Gegner auf wilde Schweine, Löwen, Tiger und Panther; sie achten auch ihr eigenes Leben fast für nichts, merken auf jeden Wink des Auges und der Hand, wie vielmehr auf das Wort ihres Herrn, lassen auf den Mann sich abrichten, nehmen es mit drei, vier Mann auf, berücksichtigen Schüsse, Stiche und zerrissene Glieder nicht und balgen sich mit ihresgleichen greulich herum. Sie sind sehr stark, reißen den stärksten Menschen zu Boden, erdrosseln ihn, bannen ihn, auf ihm herumspringend, auf eine Stelle, bis er erlöst wird, und halten rasende Wildschweine am Ohre unbeweglich fest. Leitsam sind sie im höchsten Grade. Sie haben ein wenig mehr Verstand, als man meint. Am tiefsten unter den Hunden steht unleugbar der Mops. Er ist durch geistige Versinkung entstanden und kann sich begreiflich durch sich selbst nicht heben. Er erfaßt den Menschen nicht und der Mensch ihn nicht.

»Der Hundeleib ist für die Zeichnung und Ausstopfung schon zu geistig. Seine Seele ist unleugbar so vollkommen, wie die eines Säugethieres sein kann. Von keinem Thiere können wir so oft sagen, daß ihm vom Menschen nichts mehr als die Sprache mangelt, von keinem Säugethiere haben wir so viele Darstellungen aller Abänderungen, von keinem so eine außerordentliche Menge von Erzählungen, welche uns seinen Verstand, sein Gedächtnis, seine Erinnerungskraft, sein Schließungsvermögen, seine Einbildungskraft oder sogar sittliche Eigenschaften, als da sind: Treue, Anhänglichkeit, Dankbarkeit, Wachsamkeit, Liebe zum Herrn, Geduld im Umgange mit Menschenkindern, Wuth und Todeshaß gegen die Feinde seines Herrn etc., kundthun sollen, weswegen kein Thier so oft als er dem Menschen als Muster vorgestellt wird. Wie viel wird uns von seiner Fähigkeit, zu lernen, erzählt! Er tanzt, er trommelt, er geht auf dem Seile, er steht Wache, er erstürmt und vertheidigt Festungen, er schießt Pistolen los; er dreht den Bratspieß, zieht den Wagen; er kennt die Noten, die Zahlen, Karten, Buchstaben; er holt dem Menschen die Mütze vom Kopfe, bringt Pantoffeln und versucht Stiefel und Schuhe wie ein Knecht auszuziehen; er versteht die Augen- und Mienensprache und noch gar vieles andere.

»Gerade seine Verderbtheit, gerade seine List, sein Neid, Zorn, Haß, Geiz, seine Falschheit, Zanksucht, Geschicklichkeit, sein Leichtsinn, seine Neigung zum Stehlen, seine Fähigkeit, aller Welt freundlich zu sein etc. bringen ihm den gewöhnlichen Menschen nahe. Würmer, Käfer und Fische lobt und tadelt man nicht, aber den Hund! Man denkt, es lohne sich der Mühe, ihn zu strafen und zu belohnen. Man gebraucht in Urtheilen über ihn gerade die Ausdrücke, welche man von dem Menschen braucht. Man macht ihn wegen seiner geistigen und sittlichen Vorzüge zum Reise- und Hausgenossen, zum Lebensgefährten und lieben Freunde; man lohnt ihm seine Liebe und Anhänglichkeit durch Anhänglichkeit und Liebe; man macht ihn zum Tischgenossen, man räumt ihm wohl gar eine Stelle im Bette ein; man kost ihn, pflegt ihn sorgfältig, gibt ihn an den Arzt, wenn er leidend ist, trauert mit ihm, um ihn und weint, wenn er gestorben; man setzt ihm ein Denkmal.

»Nicht ein einziger Hund ist dem anderen weder körperlich noch geistig gleich. Jeder hat eigene Arten und Unarten. Oft sind sie die ärgsten Gegensätze, so daß die Hundebesitzer an ihren Hunden einen unersetzlichen Stoff zu gesellschaftlichen Gesprächen haben. Jeder hat einen noch gescheiteren! Doch erzählt etwa einer von seinem Hunde hundsdumme Streiche, dann ist jeder Hund ein großer Stoff zu einer Charakteristik, und wenn er ein merkwürdiges Schicksal erlebt, zu einer Lebensbeschreibung. Selbst in seinem Sterben kommen Eigenheiten vor.

»Nur wer kein Auge hat, sieht die ihm ursprünglichen und entstandenen Eigenschaften nicht. Und welche Verschiedenheit einer und derselben Hundeart! Jeder Pudel z. B. hat Eigenheiten, Sonderbarkeiten, Unerklärbarkeiten; er ist schon viel ohne Anleitung. Er lehrt sich selbst, ahmt dem Menschen nach, drängt sich zum Lernen, liebt das Spiel, hat Launen, setzt sich etwas in den Kopf, will nichts lernen, thut dumm, empfindet lange Weile, will thätig sein, ist neugierig etc. Einige können nicht hassen, andere nicht lieben; einige können verzeihen, andere nie. Sie können einander in Gefahren und zu Verrichtungen beistehen, zu Hülfe eilen, Mitleid fühlen, lachen und weinen oder Thränen vergießen, zur Freude jauchzen, aus Liebe zum verlorenen Herrn trauern, verhungern, alle Wunden für ihn verachten, den Menschen ihresgleichen weit vorziehen, und alle Begierden vor den Augen ihres Herrn in dem Zügel halten oder schweigen. Der Pudel kann sich schämen, kennt Raum und Zeit vortrefflich, kennt die Stimme, den Ton der Glocke, den Schritt seines Herrn, die Art, wie er klingelt, kurz er ist ein halber, ein Zweidrittelmensch. Er benutzt ja seinen Körper so gescheit wie der Mensch den seinigen und wendet seinen Verstand für seine Zwecke vollkommen an; doch mangelt ihm das letzte Dritttheil.

»Wir müssen wesentlich verschiedene Geister, welche nicht in einander verwandelt werden können, unter den Hunden annehmen. Der Geist des Spitzes ist nicht der des Pudels; der Mops denkt und will anders als der Dachshund. Der Mops ist dumm, langsam, phlegmatisch, der Metzgerhund melancholisch, bittergallig, blutdurstig, der Spitz heftig, jähzornig, engherzig, bis in den Tod gehässig, der Pudel immer lustig, immer munter, alle Zeit durch der angenehmste Gesellschafter, aller Welt Freund, treu und untreu, dem Genusse ergeben, wie ein Kind nachahmend, zu Scherz, und Possen stets aufgelegt, der Welt und Allen ohne Ausnahme angehörig, während der Spitz nur seinem Hause, der Metzgerhund nur dem Thiere, der Dachshund nur der Erdhöhle, der Windhund nur dem Laufe, die Dogge nur dem Herrn, der Hühnerhund nur dem Feldhuhn angehört. Bloß der Pudel befreundet sich mit allen Dingen, mit der Katze, dem Gegensatze, mit dem Pferde, dem Gefährten, mit dem Menschen, dem Herrn, mit dem Hause, es bewachend, mit dem Wasser, aus dessen Tiefe er gern Steine holt, mit dem Vogel des Himmels, zu welchem er hoch hinaufspringt, ihn zu fangen, mit der Kutsche und dem Wagen, indem er unter ihnen herläuft. Doggen vertreten Wächter, Soldaten, Mörder, bannen und erdrosseln Menschen. Die Windspiele und Jagdhunde vertreten die Jäger mit angeborenen Jägerbegabungen. Wie leicht sind sie an das Horn zu gewöhnen, wie achtsam sind sie auf den Schuß und jedes Jagdzeichen! Wie verstehen sie so genau alle Stimmen und Bewegungen des Wildes; wie geschickt ist der Hühnerhund, zu lernen, wie er das gefundene Thier anzeigen, festbannen, welches Bein er erheben oder vorstrecken muß, je nachdem er dieses oder jenes erblickt. Zwar lehrt ihm schon viel die Natur, und er muß gar nicht alles vom Menschen lernen, er lehrt sich manches selbst. Aber der Pudel lehrt sich selbst noch weit mehr, an ihm ist alles Seele, er macht nichts Dummes, oder nur, wenn er selbst es will. In allen Hundearten ist mehr Trieb, in ihm mehr Verstand. Wie rast der Jagdhund der Jagd zu, wie tobt er keuchend athemlos dem Wilde nach! Wie wüthet die Dogge auf den Feind los! Wie niederträchtig umrennt der Metzgerhund mit lechzender, herabhängender Zunge und falschem Auge im Halbkreise die vor ihm angstvoll trippelnden Kälber! Wie roh fällt er sie an, wenn sie auf die Seite sich verirren, wie gleichgültig ist er gegen ihren Schmerz, ja er scheint ihm noch zu gefallen! Wie stürzt der Hühnerhund auf die erlegten Vögel, hingerissen von der Wuth, sie zu erdrosseln! Nichts von allem diesem Unedlen, Unwürdigen, Schimpflichen am Pudel, wenn er nicht verzogen wurde, wenn man ihn, sei es auch nur naturgemäß, seinem eigenen Genius überlassen hat. Der Pudel ist von Natur gut, jeder schlechte ist durch Menschen schlecht gemacht worden.«

Was ließe sich über den Verstand des Hundes nicht alles noch sagen! Fürwahr, man darf es Zoroaster nicht verdenken, wenn er in diesem Thiere den Begriff alles thierisch Edlen und Vollkommenen vereinigt sieht. Müssen wir doch alle am Hunde unseren treuesten Freund, unseren liebsten Gesellschafter aus dem ganzen Thierreiche erblicken; sind wir doch im Stande, uns mit ihm förmlich zu unterhalten.

»Ich habe Hunde gekannt«, sagt Lenz, »welche fast jedes Wort ihres Herrn zu verstehen schienen, auf seinen Befehl die Thür öffneten und verschlossen, den Stuhl, den Tisch oder die Bank herbeibrachten, ihm den Hut abnahmen oder holten, ein verstecktes Schnupftuch und dergleichen aufsuchten und brachten, den Hut eines ihnen bezeichnten Fremden unter anderen Hüten durch den Geruch hervorsuchten etc. Ueberhaupt ist es eine Lust, einen klugen Hund zu beobachten, wie er die Ohren und Augen wendet, wenn er den Befehl seines Herrn erwartet, wie entzückt er ist, wenn er ihm folgen darf, und wie jämmerlich dagegen sein Gesicht, wenn er zu Hause bleiben muß; wie er ferner, wenn er voraus gelaufen und an einen Scheideweg gekommen, sich umsieht, um zu erfahren, ob er links oder rechts gehen müsse; wie glückselig er ist, wenn er einen recht klugen, wie beschämt, wenn er einen dummen Streich gemacht hat; wie er, wenn er ein Unheil angestellt hat und nicht gewiß weiß, ob sein Herr es merkt, sich hinlegt, gähnt, den Halbschlafenden und Gleichgültigen spielt, um jeden Verdacht von sich abzuwälzen, dabei aber doch von Zeit zu Zeit einen ängstlichen, ihn verrathenden Blick auf seinen Herrn wirft; wie er ferner jeden Hausfreund bald kennen lernt, unter den Fremden Vornehm und Gering leicht unterscheidet, vorzüglich einen Ingrimm gegen Bettler hegt etc. Hübsch sieht sichs auch mit an, wenn ein Hund seinem Herrn zu Gefallen Trüffeln sucht, für die er doch von Natur eigentlich gar keine Liebhaberei hat; wie ein anderer seinem Herrn den Schubkarren ziehen hilft und sich umsomehr anstrengt, jemehr er sieht, daß sein Herr es thut.«

Aus diesem allen geht hervor, daß die Hundearten unter einander in eben demselben Grade geistig verschieden sind, wie sie leiblich von einander abweichen. Unerschütterliche Treue und Anhänglichkeit an den Herrn, unbedingte Folgsamkeit und Ergebenheit, strenge Wachsamkeit, Sanftmuth, Milde im Umgang, dienstfertiges und freundliches Betragen: dies sind die hervorragendsten Züge ihres geistigen Wesens. Kein einziger Hund vereinigt sie alle in gleich hoher Ausbildung: der eine Zug tritt mehr zurück, der andere mehr hervor. Mehr, als man annimmt, thut dabei die Erziehung. Nur gute Menschen können Hunde gut erziehen, nur Männer sind fähig, sie zu etwas Vernünftigem und Verständigem abzurichten. Frauen sind keine Erzieher, und Schoßhunde deshalb auch stets verzogene, verzärtelte, launenhafte und nicht selten heimtückische Geschöpfe. Der Hund ist ein treues Spiegelbild seines Herrn: je freundlicher, liebreicher, aufmerksamer man ihn behandelt, je besser, reinlicher man ihn hält, jemehr und je verständiger man sich mit ihm beschäftigt, um so verständiger und ausgezeichneter wird er, und genau das Gegentheil geschieht, wenn umgekehrt seine Behandlung eine schlechte war. Der Bauernhund ist ein roher, plumper, aber ehrlicher Gesell, der Schäferhund ein verständiger Hirt, der Jagdhund ein vortrefflicher Jäger, welcher die Kunst der Jagd selbst auf eigene Faust betreibt, der Hund eines vornehmen Nichtsthuers ein üppiger Faullenzer und eigentlich weit ungezogener als der rohe, ungebildete des Bauern. Jeder Hund nimmt den Ton des Hauses an, in welchem er lebt, ist verständig, wenn er bei vernünftigen Leuten wohnt, wird zum hochmüthigen Narren, wenn sein Herr durch Stolz die Hohlheit seines Kopfes ausfüllen muß, beträgt sich freundlich gegen Jedermann, wenn es in seinem Hause gesellig hergeht, oder ist ein grämlicher Einsiedler, wenn er bei einem alten Junggesellen, bei einer älteren Jungfrau wohnt, welche wenig Zuspruch hat. Unter allen Umständen fügt er sich in die verschiedenartigsten Verhältnisse, und immer gibt er sich dem Menschen mit ganzer Seele hin. Diese hohe Tugend wird leider gewöhnlich nicht erkannt, und deshalb gilt heute noch das Wort »hündisch« für entehrend, während es eigentlich gerade das Gegentheil bedeutet. Die Allseitigkeit der Befähigung erhebt den Hund aus die höchste Stufe, die Treue zum Menschen macht ihn zu dessen unentbehrlichstem Genossen. Er gehört ganz und gar seinem Herrn an und opfert ihm zu Liebe sich selbst auf. In seinem Gehorsam, mit welchem er alle Befehle seines Gebieters ausführt, in der Bereitwilligkeit, mit welcher er sich den schwersten Arbeiten unterzieht, sich in Lebensgefahr begibt, kurz, in dem beständigen Bestreben, dem Herrn unter allen Umständen zu nützen und zu dienen: darin liegt sein Ruhm, seine Größe. Wenn man ihn Speichellecker und Schwanzwedler schimpft, vergesse man nicht, daß der Hund sich dieser Kriecherei und Erniedrigung nur seinem Herrn und Wohlthäter gegenüber schuldig macht; gegen diesen wedelnd und kriechend, weist er sofort dem eintretenden Fremden die Zähne und ist sich jeden Augenblick seiner Stellung bewußt.

Manche eigenthümliche Sitten sind fast allen Arten gemein. So heulen und bellen sie den Mond an, ohne daß man dafür eigentlich einen Grund auffinden könnte. Sie rennen allem, was schnell an ihnen vorübereilt, nach, seien es Menschen, Thiere, rollende Wagen, Kugeln, Steine oder dergleichen, suchen es zu ergreifen und festzuhalten, selbst wenn sie recht wohl wissen, daß es ein durchaus unnützbarer Gegenstand für sie ist. Sie sind gegen gewisse Thiere im höchsten Grade feindlich gesinnt, ohne daß dazu ein sicherer Grund vorhanden wäre. So hassen alle Hunde die Katzen und den Igel; sie machen bei letzterem sich förmlich ein Vergnügen daraus, sich selbst zu quälen, indem sie wüthend in das Stachelkleid beißen, obgleich sie wissen, daß dies erfolglos ist und ihnen höchstens blutige Nasen und Schnauzen einbringt.

Beachtenswerth erscheint das sehr starke Vorgefühl des Hundes bei Veränderung der Witterung. Er sucht deren Einflüssen im voraus zu begegnen, zeigt sogar dem Menschen schon durch einen widerlichen Geruch, den er ausdünstet, kommenden Regen an.

In seinem Umgange mit Menschen beweist der Hund ein Erkennungsvermögen, welches uns oft Wunder nehmen muß. Daß alle Hunde den Abdecker kennen lernen und mit äußerstem Hasse verfolgen, ist sicher; ebenso gewiß aber auch, daß sie augenblicklich wissen, ob ein Mensch ein Freund von ihnen ist oder nicht. Wohl nicht zu bezweifeln dürfte sein, daß die Ausdünstung gewisser Personen ihnen besonders angenehm oder unangenehm ist; allein dies würde immer noch nichts für diesen Fall beweisen. Manche Menschen werden, sobald sie in ein Haus treten, augenblicklich mit größter Freundlichkeit von allen Hunden begrüßt, selbst wenn ihnen diese noch nicht vorgestellt worden und ganz fremd sind. Ich kenne Frauen, welche sich nirgends niederlassen können, ohne nach wenigen Minuten von sämmtlichen Haushunden umlagert zu werden. Bei dem Umgange des Hundes mit dem Menschen kann man sehr gut den wechselnden Ausdruck des Hundegesichts beobachten. Die hohe geistige Fähigkeit des Thieres spricht sich in seinem Gesichte ganz unverkennbar aus, und es wird Wohl Niemand leugnen wollen, daß jeder Hund seinen durchaus besonderen Ausdruck hat, daß man zwei Hundegesichter ebensowenig wird verwechseln können wie zwei Menschengesichter.

Unter sich leben die Hunde gewöhnlich nicht besonders verträglich. Wenn zwei zusammenkommen, welche sich nicht kennen, gehts erst an ein gegenseitiges Beriechen, dann fletschen beide die Zähne, und die Beißerei beginnt, falls nicht zarte Rücksichten obwalten. Um so auffallender sind Freundschaften von der größten Innigkeit, welche einzelne, gleichgeschlechtige Hunde zuweilen eingehen. Solche Freunde zanken sich nie, suchen sich gegenseitig, leisten sich Hülfe in der Noth etc. Auch mit anderen Thieren werden manchmal ähnliche Bündnisse geschlossen; selbst das beliebte Sprichwort von der Zuneigung zwischen Hund und Katze kann zu Schanden werden.

Der Geschlechtstrieb ist bei den Hunden sehr ausgeprägt und zeigt sich bei allen Arten als Aeußerung einer heftigen Leidenschaft, als ein Rausch, welcher sie mehr oder weniger närrisch macht. Wird jener nicht befriedigt, so kann der Hund unter Umständen krank, sogar toll werden. Dabei ist der männliche Hund nicht ärger betheiligt als der weibliche, obgleich bei diesem die Sache in einem anderen Lichte sich zeigt. Die Hündin ist zweimal im Jahre läufisch, zumeist im Februar und im August, und zwar währt dieser Zustand jedesmal neun bis vierzehn Tage. Um diese Zeit versammelt sie alle männlichen Hunde der Nachbarschaft um sich, selbst solche, welche eine Viertelmeile weit von ihr entfernt wohnen. Wie diese von einer begattungslustigen Hündin Kunde bekommen, ist geradezu unbegreiflich. Man kann nicht wohl annehmen, daß sie durch den Geruch so weit geleitet würden, und gleichwohl läßt sich eine andere Erklärung ebensowenig geben. Das Betragen beider Geschlechter unter sich ist ebenso anziehend wie abstoßend, erregt ebenso unsere Heiterkeit wie unseren Widerwillen. Der männliche Hund folgt der Hündin auf Schritt und Tritt und wirbt mit allen möglichen Kunstgriffen um deren Zuneigung. Jede seiner Bewegungen ist gehobener, stolzer und eigenthümlicher; er sucht sich mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln liebenswürdig zu machen. Dahin gehören das Beschnuppern, das freundliche Anschauen, das sonderbare Aufwerfen des Kopfes, die wirklich zärtlichen Blicke, das bittende Gekläff und dergleichen. Gegen andere Hunde zeigt er sich misgelaunt und eifersüchtig. Finden sich zwei gleich starke auf gleichem Wege, so gibt es eine tüchtige Beißerei; sind mehrere vereinigt, so geschieht dies nicht, aber nur aus dem Grunde, weil alle übrigen männlichen Hunde sofort auf ein paar Zweikämpfer losstürzen, tüchtig auf sie hineinbeißen und sie dadurch auseinandertreiben. Gegen die Hündin benehmen sich alle gleich liebenswürdig, gegen ihre Mitbewerber gleich abscheulich, und deshalb hört auch das Knurren und Kläffen, Zanken und Beißen nicht auf. Die Hündin selbst zeigt sich äußerst spröde und beißt beständig nach den sich ihr nahenden Bewerbern, knurrt, zeigt die Zähne und ist sehr unartig, ohne jedoch dadurch die hingebenden Liebhaber zu erzürnen oder zu beleidigen. Endlich scheint sie doch mit ihnen Frieden zu schließen und gibt sich den Forderungen ihres natürlichen Triebes hin. Wie alle Säugethiere lebt sie in Vielmännigkeit und gestattet mehr als einem Hunde die Beiwohnung: es ist also unrichtig, wenn Scheitlin behauptet, daß nur unter den Menschen, diesen »Unnaturen«, hier und da ein Weib viel Männer habe. Sobald die Laufzeit vorüber ist, sind alle Hunde, wenn auch nicht gleichgültig, so doch weit weniger für den Gegenstand ihrer so heißen Liebe eingenommen. Doch bewahren Hund und Hündin die Erinnerung an ihre erste Liebe oft mit überraschender Treue, wie schon daraus hervorgeht, daß Hündinnen noch im reiferen Alter Junge werfen, welche ihrem ersten Liebhaber täuschend ähnlich sind. Englische Hundezüchter wissen dies wohl zu verwerthen und nehmen sich sorgfältig in Acht, eine junge Hündin mit einem ihr an Schönheit und Tugend nicht ebenbürtigen Hunde zusammenzubringen.

Dreiundsechszig Tage nach der Paarung wölft die Hündin an einem dunklen Orte drei bis zehn, gewöhnlich vier bis sechs, in äußerst seltenen Fällen aber zwanzig und mehr Junge, welche schon mit den Vorderzähnen zur Welt kommen, jedoch zehn bis zwölf Tage blind bleiben. Die Mutter liebt ihre Kinder über alles, säugt, bewahrt, beleckt, erwärmt, vertheidigt sie und trägt sie nicht selten von einem Orte zum anderen, indem sie dieselben sanft mit ihren Zähnen an der schlaffen Haut des Halses faßt. Ihre Liebe zu den Sprößlingen ist wahrhaft rührend: man kennt Geschichten, welche nicht nur unsere vollste Hochachtung, sondern unsere Bewunderung erregen müssen. So erzählt Bechstein eine Thatsache, welche fast unglaublich scheint. »Ein Schäfer in Waltershausen kaufte regelmäßig ihm Frühjahre auf dem Eichsfelde Schafe ein, und seine Hündin mußte ihn natürlich auf dem achtzehn Meilen weiten Geschäftswege begleiten. Einst kam dieselbe in der Fremde mit sieben Jungen nieder, und der Schäfer war genöthigt, sie deshalb zurückzulassen. Aber siehe, anderthalb Tage nach seiner Rückkehr zu Hause findet er die Hündin mit ihren sieben Jungen vor seiner Hausthüre. Sie hatte streckenweise ein Hündchen nach dem anderen die weite Reise fortgeschleppt und so den langen Weg vierzehnmal zurückgelegt und, trotz ihrer Entkräftung und Erschöpfung, das überaus schwere Werk glücklich beendet.«

Man sagt, daß die Hundemutter unter ihrem Gewölfe immer einige bevorzugte Lieblinge habe, und daß man genau zu erkennen vermöge, welcher Hund eines Gewölfes der vorzüglichste sein werde, wenn man der Hündin ihre sämmtlichen Jungen wegtrage und dann beobachte, welches von ihren Kindern sie zuerst aufnehme und nach ihrem alten Lager zurückbringe. Dieser Erstling soll, wie man versichert, immer der vorzüglichste Hund sein. Wahrscheinlich ist diese Annahme nicht begründet; denn die Hündin liebt alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit.

Gewöhnlich läßt man einer Hündin nur zwei bis drei, höchstens vier Junge von ihrem Gewölfe, um sie nicht zu sehr zu schwächen. Die kleinen Gesellen brauchen viele Nahrung, und die Alte ist kaum im Stande, ihnen das Erforderliche zu liefern. Daß der Mensch als Schutzherr des Thieres, eine säugende Hündin besonders gut und kräftig füttern muß, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Jeder Hundebesitzer macht der Hundemutter schon im voraus in einer stillen Ecke, an einem lauen Orte, ein weiches Lager zurecht und ist ihr dann in jeder Weise behülflich, ihre Kinder aufzuziehen. So lange die Hündin säugt, scheint ihr Herz einer umfassenden Liebe fähig zu sein, deshalb duldet sie es auch, wenn man ihr fremde Hunde, ja sogar andere Thiere, wie Katzen und Kaninchen, anlegt. Ich habe letzteres oft bei Hunden versucht, jedoch bemerkt, daß säugende Katzen noch viel freundlicher gegen Pflegekinder waren als die Hundemütter, welche bei aller Herzensgüte ein Zusammenrunzeln der Nasenhaut selten unterdrücken konnten.

Gewöhnlich läßt man die jungen Hunde sechs Wochen lang an der Alten saugen. Ist sie noch kräftig und wohlbeleibt, so kann man auch noch ein paar Wochen zugeben; es kann dies den Jungen nur nützen. Wenn man diese entwöhnen will, füttert man die Alte einige Zeitlang sehr mager, damit ihr die Milch ausgeht; dann duldet sie selbst nicht, daß ihre Jungen noch länger an ihr saugen. Nunmehr gewöhnt man letztere an leichtes Futter und hält sie vor allen Dingen zur Reinlichkeit an. Schon im dritten oder vierten Monate wechseln sie ihre ersten Zähne; im sechsten Monate bekümmern sie sich nicht viel mehr um die Alte; nach zehn, bisweilen schon nach neun Monaten sind sie selbst zur Fortpflanzung geeignet. Will man sie erziehen oder, wie man gewöhnlich sagt, abrichten, so darf man nicht allzulange zögern. Die Ansicht älterer Jäger und Hundezüchter überhaupt, daß ein junger Hund von zurückgelegtem ersten Lebensjahre zum Lernen zu klein und schwach sei, ist falsch. Adolf und Karl Müller, zwei ebenso tüchtige Forscher als Jäger, beginnen den Unterricht ihrer Jagdhunde, sobald diese ordentlich laufen können, und erzielen glänzende Erfolge. Ihre Zöglinge erhalten keinen bösgemeinten Schlag, kaum ein hartes, höchstens ein ernstes Wort und werden die allervortrefflichsten Jagdgenossen und Jagdgehülfen. Junge Hunde sollen behandelt werden wie Kinder, nicht wie verstockte Sklaven. Sie sind ausnahmslos willige und gelehrige Schüler, achten sehr bald verständig auf jedes Wort ihres Erziehers und leisten aus Liebe mehr und tüchtigeres als aus Furcht. Abrichter junger Hunde, welche ohne Stachelhalsband und Hetzpeitsche nichts ausrichten können, sind ungeschickte Peiniger, nicht aber denkende Erzieher. Was man alles aus Hunden machen kann, gehört nicht hierher oder würde uns wenigstens zu weit von unserer Aufgabe ablenken. Wer sich vom Hause aus nicht mit der Abrichtung von Thieren befaßt hat, thut entschieden am besten, wenn er dies von einem darauf eingeübten verständigen Manne besorgen läßt.

Der Hund tritt schon im zwölften Jahre in das Greisenalter ein. Dieses zeigt sich an seinem Leibe ebensowohl als an seinem Betragen. Namentlich auf der Stirn und der Schnauze ergrauen die Haare, das übrige Fell verliert seine Glätte und Schönheit, das Gebiß wird stumpf, oder die Zähne fallen aus; das Thier zeigt sich träge, faul und gleichgültig gegen alles, was es früher erfreute oder entrüstete; manche Hunde verlieren die Stimme fast gänzlich und werden blind. Man kennt übrigens Beispiele, daß Hunde ein Alter von zwanzig, ja sogar von sechsundzwanzig und dreißig Jahren erreicht haben. Doch sind dies seltene Ausnahmen. Wenn nicht Altersschwäche, endet eine der vielen Krankheiten, denen auch sie ausgesetzt sind, ihr Leben.

Eine sehr häufig vorkommende Hundekrankheit ist die Räude, gewöhnlich eine Folge von fetter und zu stark gesalzener Nahrung, schlechtem Wasser, wenig Bewegung und Unreinlichkeit. Junge Hunde leiden oft an der Staupe oder Hundeseuche, einer Erkältung, welche Entzündung der Schleimhäute herbeiführt und am häufigsten zwischen dem vierten oder neunten Monate vorkommt. Wohl mehr als die Hälfte der europäischen Hunde erliegen dieser Krankheit oder verderben doch durch sie. Die entsetzlichste Krankheit aber ist die Tollheit oder Wuth, durch welche bekanntlich nicht bloß die übrigen Hunde und Hausthiere, sondern auch Menschen aufs höchste gefährdet werden.

Gewöhnlich tritt diese fürchterliche Seuche erst bei älteren Hunden ein, zumeist im Sommer bei sehr großer Hitze oder im Winter bei allzu großer Kälte. Wassermangel und Unterdrückung des Geschlechtstriebes scheinen die Hauptursachen ihrer Entstehung zu sein. Man erkennt die Wuth daran, daß der Hund zunächst sein früheres Betragen ändert, tückisch-freundlich wird und gegen seinen Herrn knurrt, dabei eine ungewöhnliche Schläfrigkeit und Traurigkeit zeigt, beständig warme Orte aufsucht, öfters nach dem Futter schleicht, ohne zu fressen, begierig Wasser, aber immer nur in geringer Menge zu sich nimmt und sich überhaupt unruhig und beängstigt geberdet. Untrügliche Kennzeichen sind auch, daß er seine Stimme ändert, indem der Anschlag in ein rauhes, heiseres Heulen übergeht, daß er seine Freßlust verliert, nur mit Beschwerlichkeit schlucken kann, geifert, einen trüben Blick bekommt, gern viel fortgeht, ungenießbare Körper beleckt und verschlingt, bei zunehmender Krankheit um sich schnappt und ohne Ursache beißt. Im Verlaufe der Krankheit tritt gewöhnlich Verstopfung ein, die Ohren werden schlaff, das kranke Thier läßt den Schwanz hängen, sein Auge wird matt, der Blick schielend. Später röthet sich das Auge und wird entzündet. Der Hund ist unempfänglich für Liebkosungen, achtet nicht mehr des Herrn Befehl, wird immer unruhiger und scheuer, sein Blick starr oder feurig, der Kopf senkt sich tief herab, Augen- und Backengegend schwellen an, die Zunge wird stark geröthet und hängt aus dem Maule, an dessen Seiten zäher Schleim herabläuft. Bald knurrt er bloß noch, ohne zu bellen, kennt auch Personen und zuletzt seinen eigenen Herrn nicht mehr. So sehr er nach Getränk lechzt, so wenig vermag er es hinabzuschlingen; selbst wenn es ihm gewaltsam beigebracht wird, verursacht es ihm Würgen und krampfhaftes Zusammenziehen der Schlundmuskeln. Nunmehr tritt Scheu gegen das Wasser und jede andere Flüssigkeit ein. Er legt sich nicht mehr nieder, sondern schleicht schielend mit gesenktem Schwänze unruhig umher.

Jetzt erst entwickelt sich die Krankheit, entweder zur stillen oder zur rasenden Wuth. Bei der stillen Wuth sind die Augen entzündet, aber trübe und starr, die Zunge wird bläulich und hängt oft weit aus dem Maule heraus. Weißer Schaum überzieht die Mundwinkel; das Maul ist immer offen, der Unterkiefer gelähmt und hängt schlaff herab. Mit eingezogenem Schwanze und gesenktem Kopfe läuft der Hund taumelnd und unstet oft Meilen weit fort und beißt, was ihm in den Weg kommt, besonders aber andere Hunde. Stößt er dabei auf ein Hindernis, welches ihm nicht gestattet, den angenommenen Weg zu verfolgen, so taumelt er im Kreise herum, fällt öfters nieder und schnappt nach Luft.

Bei der rasenden Wuth funkelt das Auge, der Stern erweitert sich, das Maul steht offen, ist nur wenig von Geifer benetzt und die bläuliche Zunge hängt aus dem Maule herab. Schon bei der Entwickelung dieser Krankheitsform zeigt der Hund einen hohen Grad von Trotz und Falschheit, selbst gegen seinen Herrn, schnappt unwillkürlich nach Fliegen oder nach allem, was ihm in die Nähe kommt, fällt das Hausgeflügel an und zerreißt es, ohne es zu fressen, lockt andere Hunde zu sich heran und stürzt sich dann wüthend auf sie, fletscht die Zähne, verzerrt das Gesicht, winselt, leckt mit der entzündeten Zunge seine Lippen und schnalzt auch mit derselben, wobei ihm oft schon wässeriger Geifer aus dem Munde tritt. Vom Wasser wendet er sich taumelnd ab, schwimmt aber doch noch zuweilen durch Bäche und Pfützen. Er beißt alles, was ihm entgegen kommt, oft auch leblose Gegenstände, der angehängte Hund sogar seine Kette. Wie es scheint, peinigen ihn die fürchterlichsten Schmerzen; denn er stirbt unter Zuckungen, gewöhnlich am sechsten oder achten, bisweilen am vierten, selten erst am neunten Tage.

Schon die Griechen kannten die Tollwuth des Hundes, obwohl sie in Südeuropa weit seltener auftritt als bei uns. In den Ländern des kalten oder des heißen Erdgürtels kommt die Seuche minder häufig oder gar nicht zum Ausbruche, wahrscheinlich, weil weder hier noch da der Hund sich selbst überlassen wird. Bisher hat man noch kein sicheres Mittel gegen die Wuthkrankheit aufgefunden, und dies ist um so trauriger, weil leider noch immer viele Menschen infolge der Ansteckung ihr Leben verlieren. Nach amtlichen Nachrichten sind in den Jahren 1810 bis 1819 im preußischen Staate über sechszehnhundert Menschen infolge des Bisses von tollen Hunden gestorben. Geht der Wuthgeifer einmal in das Blut eines anderen Thieres über, so ist es in den allermeisten Fällen verloren, falls nicht augenblicklich ein geübter und erfahrener Arzt bei der Hand ist, welcher die Wunde mit Salzwasser auswäscht, mit glühendem Eisen, Höllenstein oder anderen Aetzmitteln ausbrennt, ausschneidet etc. Ausbrennung des Giftes durch die eine oder die andere Art ist wohl das sicherste Mittel, denn die sämmtlichen übrigen, welche man bisher angewendet hat, haben sich noch nicht bewährt. Neuerdings ist wiederholt die Behauptung aufgestellt worden, daß die Wuthkrankheit beim Menschen nicht vorkomme, und daß in den Fällen, in denen man sie beobachtet zu haben glaubte, eine Verwechselung mit anderen Krankheiten vorgelegen habe. Dies beruht darauf, daß einzelne Erscheinungen der Tollwuth auch bei anderen Krankheiten sich zeigen, während die Gesammtheit der Erscheinungen die Krankheit zu einer durchaus eigenartigen stempelt. Das Auftreten der Hundswuth beim Menschen ist am sichersten dadurch bewiesen worden, daß es Hertwig und Anderen gelang, die Krankheit von gebissenen Menschen, bei denen die Wuth zum Ausbruche gekommen war, durch Impfung auf Hunde und andere Thiere zu übertragen. Ebenso steht es fest, daß nicht nur Hunde, sondern auch Wölfe, Füchse, Katzen, Pferde, Rinder, Ziegen und Schafe unter dieser entsetzlichen Krankheit zu leiden haben. So ist es beispielsweise vorgekommen, daß ein Stallknecht, welcher einem von einem tollen Hunde gebissenen Pferde Arznei eingab, sich die Hand an einem scharfen Zahne des kranken Thieres verletzte und darauf selber an der Tollwuth erkrankte.

Glücklicherweise verfällt nicht Jeder, welcher von einem tollen Hunde gebissen wurde, dieser fürchterlichen und qualvollen Krankheit, umsomehr als der das Gift übertragende Speichel bei den meisten Bissen durch die Kleider aufgefangen und theilweise abgestreift wird und so nicht in die Wunde gelangt.

In der Neuzeit will man beobachtet haben, daß unter Hunden, welche beständig Maulkörbe tragen müssen, die Wuth seltener ist, als unter jenen, welchen in gerechter Würdigung des biblischen Gesetzes »das Maul nicht verbunden« wurde. In Berlin soll sich seit Einführung der Maulkörbe im Jahre 1854 die Wuth auffallend vermindert haben. Während man 1845 dreißig und in den folgenden Jahren 17, 3, 17, 30, 19, 10, 68 und 83 tolle Hunde der Thierarzneischule zuführte, erhielt man 1854 nur von vier, 1855 von einem, 1856 von zwei, und in den Jahren 1857 bis 1861 von gar keinem tollwüthigen Hunde Kenntnis. Einstweilen ist noch nicht viel auf diese Zusammenstellung zu geben: die Beobachtungszeit ist zu kurz, als daß sie Berechtigung zu richtigen Schlüssen gewähren könnte.

Das untrüglichste Kennzeichen von der Gesundheit eines Hundes ist seine kalte und feuchte Nase. Wird diese trocken und heiß, und trüben sich die Augen, zeigt sich Mangel an Freßlust etc., so kann man überzeugt sein, daß der Hund sich unwohl befindet. Bessert sich der Zustand des Leidenden nicht rasch, und fruchten die von einem tüchtigen Thierarzte verordneten Mittel nicht bald, so ist wenig Hoffnung für Erhaltung des Thieres vorhanden; denn ernste Krankheiten überstehen nur wenige Hunde. Verwundungen heilen schnell und gut, nicht selten ohne jegliche Beihülfe; innerlichen Krankheiten stehen selbst erfahrene Aerzte, geschweige denn Quacksalber, meist rathlos gegenüber, weil jene in auffallend kurzer Zeit das Ende herbeiführen.

Alle Hunde werden von Schmarotzern geplagt. Sie leiden oft entsetzlich an Flöhen und Läusen, und an gewissen Orten auch an Holzböcken oder Zecken. Erstere vertreibt man bald, wenn man unter das Strohlager des Hundes eine Schicht Asche auf den Boden streut, oder das Fell des Thieres mit persischem Insektenpulver einreibt. Die Zecken, welche die Hunde am meisten peinigen, vertreibt man, indem man etwas Branntwein, Salzwasser oder Tabakssaft auf sie träufelt. Sie gewaltsam auszureißen, ist nicht rathsam, weil sonst leicht der Kopf in der Saugwunde stecken bleibt und dort Eiterung und Geschwüre verursacht. Schwieriger ist den Bandwürmern beizukommen. Namentlich Jagdhunde leiden an diesen abscheulichen Schmarotzern, weil sie häufig das Fleisch und die Eingeweide von Hasen und Kaninchen verzehren, in denen der Bandwurm als Finne lebt. Dieser läßt sich, wie alle Würmer, nur schwer vertreiben, doch dürfte in den meisten Fällen ein Absud der abessinischen Kussoblüte dazu wohl hinreichend sein. Außerdem wird empfohlen, dem Hunde Hagebutten sammt den darin befindlichen Körnern und Härchen in das Fressen zu geben.

Der Nutzen, welchen der Hund als Hausthier leistet, läßt sich kaum berechnen. Was er den gesitteten und gebildeten Völkern ist, weiß jeder Leser aus eigener Erfahrung; fast noch mehr aber leistet er den ungebildeten oder wilden Völkerstämmen. Auf den Südseeinseln wird sein Fleisch gegessen, ebenso bei den Tungusen, Chinesen, Njamnjams, Grönländern, Eskimos und den Indianern Nordamerika's. »Auf der Goldküste von Afrika«, so erzählt Bosmann, »wird der Hund ordentlich gemästet zu Markte gebracht und lieber als alles andere Fleisch gegessen, ebenso in Angola, wo man zuweilen für einen Hund mehrere Sklaven gegeben hat«, ebenso, laut Schweinfurth, im Lande der Njamnjams in Innerafrika. Aus Neuseeland und den kleinen Inseln des Südmeeres hält man Hundebraten für einen besseren Leckerbissen als Schweinefleisch. In China sieht man oft Metzger, welche mit geschlachteten Hunden beladen sind; sie müssen sich aber immer gegen den Angriff anderer, noch frei umherlaufender Hunde vertheidigen, welche sie scharenweise anfallen. In dem nördlichen Asien gibt sein Fell Kleidungsstoffe her, und selbst in Deutschland werden Hundefelle zu Mützen, Taschen und Muffen verarbeitet. Aus Knochen und Sehnen bereitet man Leim; das zähe und dünne Hundeleder wird lohgar zu Tanzschuhen und weißgar zu Handschuhen, das Haar zum Ausstopfen von Polstern benutzt. Hundefett dient zum Einschmieren von Räderwerk etc. und galt früher als Hausmittel gegen Lungenschwindsucht. Sogar der Hundekoth, »Griechisch-Weiß« ( Album Graecum) genannt, weil die Griechen zuerst auf seine Benutzung aufmerksam machten, war ein gesuchtes Arzneimittel.

Schon seit den frühesten Zeiten wurde der Nutzen der Hunde gewürdigt; die Behandlung, welche sie erfuhren, und die Achtung, in der sie standen, war aber eine sehr verschiedene. Sokrates hatte die Gewohnheit, bei dem Hunde zu schwören; Alexander der Große war über den frühzeitigen Tod eines Lieblingshundes so betrübt, daß er ihm zu Ehren eine Stadt mit Tempeln bauen ließ; Homer besingt den Argus, den Hund des Ulysses, in wahrhaft rührender Weise; Plutarch rühmt Melampithos, den Hund des Handelsmannes von Korinth, welcher seinem Herrn durch das Meer nachschwamm; der treue Phileros ist durch griechische Grabschriften verewigt worden; in römischen Schriften wird des Hundes eines Verurtheilten gedacht, welcher dem in den Tiber geworfenen Leichnam seines Herrn unter traurigem Geheul schwimmend nachfolgte; Soter, der einzige überlebende von den hündischen Wächtern, welche Korinth verteidigten, empfing auf Kosten des Staates ein silbernes Halsband mit den darauf gestochenen Worten: »Korinths Vertheidiger und Erretter«. Plinius stellt die Rüden sehr hoch und erzählt viel merkwürdiges von ihnen. Wir erfahren z. B., daß die Kolophonier wegen ihrer beständigen Kriege große Hundeherden unterhielten, daß die Hunde immer zuerst angriffen und in keiner Schlacht ihre Dienste versagten. Als Alexander der Große nach Indien zog, hatte ihm der König von Albanien einen Hund von ungeheuerer Größe geschenkt, welcher Alexander sehr wohl gefiel. Er ließ deshalb Bären, Wildschweine und dergleichen Thiere gegen ihn; aber der Hund lag stockstill und wollte nicht aufstehen. Alexander glaubte, daß er faul wäre, und ließ ihn umbringen. Als solches der albanesische König erfuhr, schickte er noch einen zweiten Hund gleicher Art und ließ sagen, Alexander solle nicht schwache Thiere gegen die Dogge schicken, sondern Löwen und Elefanten, er, der König, habe nur zwei solcher Hunde gehabt; ließe Alexander diesen umbringen, so habe er nicht einen gleichen. Alexander der Große ließ ihn also auf einen Löwen, dann auf einen Elefanten; der Hund aber erlegte beide. Justinus berichtet, daß die Könige Habis und Cyrus in der Jugend von Hunden ernährt worden sind. Gar nicht zu zählen sind die Schriftsteller, welche die Treue des Hundes rühmen. Die Spartaner opferten dem Gott des Krieges auch einen Hund; junge, säugende Hunde durften von dem Opferfleische fressen. Die Griechen errichteten ihnen Bildsäulen; demungeachtet war bei ihnen das Wort Hund ein Schimpfwort. Die alten Egypter gebrauchten die Hunde zur Jagd und hielten sie, wie man aus den Abbildungen auf Denkmälern sehen kann, sehr hoch. Bei den Juden hingegen war der Hund verachtet, was viele Stellen aus der Bibel beweisen; und heutigen Tages ist dies bei den Arabern kaum anders. Hoch geehrt war der Hund bei den alten Deutschen. Als die Cimbern im Jahre 108 v. Chr. von den Römern besiegt worden waren, mußten letztere erst noch einen harten Kampf mit den Hunden bestehen, welche das Gepäck bewachten. Bei den alten Deutschen galt ein Leithund zwölf Schillinge, ein Pferd dagegen nur sechs. Wer bei den alten Burgundern einen Leithund oder ein Windspiel stahl, mußte öffentlich dem Hunde den Hintern küssen oder sieben Schillinge zahlen. Die Kanarischen Inseln haben, wie Plinius berichtet, ihren Namen von den Hunden erhalten. In Peru wurde, nach Humboldt, der Hund bei einer Mondfinsternis so lange geschlagen, bis die Finsternis vorüber war.

Ergötzlich ist es, was die alten Schriftsteller noch alles von der Benutzung des Hundes zu Arzneizwecken aufgeführt haben. Der ganze Hund war eigentlich nur ein Arzneimittel. Namentlich Plinius ist unermüdlich in Aufzählung der verschiedenen Heilkräfte des Hundes; außer ihm leisten Sextus, Hippokrates, Galen, Faventius, Marellus, Bontius, Aeskulap und Amatos jedoch auch das Ihrige. Ein lebender Hund, bei Brustschmerzen aufgelegt, thut vortreffliche Dienste; wird er aufgeschnitten und einer schwermüthigen Frau auf den Kopf gebunden, so hilft er sicher gegen die Schwermuth. Nach Sextus heilt er sogar Milzkrankheiten. Mit allerlei Gewürz gekocht und gegessen, dient er als Mittel gegen fallende Sucht; doch muß es dann ein säugender Hund sein, welcher mit Wein und Myrrhen zubereitet wurde. Ein junger Jagdhund hilft gegen Leberkrankheiten. Wird eine Frau, welche früher schon Kinder geboren hatte, unfruchtbar, dann befreit sie gekochtes Hundefleisch, welches sie in reichlicher Menge genießt, von ihrer Schwäche. Sehniges Fleisch dagegen ist ein Vorkehrmittel gegen Hundebiß. Die Asche eines zu Pulver gebrannten Hundes dient gegen Augenleiden, und werden mit ihr die Augenbrauen gestrichen, so erhalten sie die schönste Schwärze. Eingesalzenes Fleisch von tollen Hunden gibt ein Mittel gegen Hundswuth. Die Asche vom Schädel eines gesunden Hundes vertreibt alles wilde Fleisch, heilt den Krebs, schützt gegen Wasserscheu, mildert, wenn man sie mit Wasser zu sich nimmt, Seitenstechen und Geschwülste aller Art etc.; die Asche von dem Schädel eines tollen Hundes ist gut gegen Gelbsucht und Zahnschmerz. Das Hundeblut wird vielfach angewandt. Gegen die Krätze ist es vortrefflich, den Pferden vertreibt es das Keuchen; wird es in reichlicher Menge getrunken, so ist es ein Gegengift, welches für alles brauchbar ist; wird ein Haus damit angestrichen, so schützt es gegen die verschiedensten Krankheiten. Das Hundefett wird benutzt, um Muttermäler und Gesichtsblüten zu vertreiben, unfruchtbare Weiber fruchtbar zu machen: dazu muß aber der ganze Hund gekocht und das Fett oben von der Brühe abgeschöpft werden; gegen Lähmung wird es zu einer Salbe verwandt: doch darf es dann bloß von jungen Hunden herrühren; mit Wermut versetzt heilt es die Taubheit. Hundegehirn auf Leinwand gestrichen leistet bei Beinbrüchen gute Dienste, hilft aber auch für Blödigkeit der Augen. Hundemark vertreibt Ueberbeine und Geschwülste. Die Milz ist gegen Milzbrand und Milzschmerzen vortrefflich; am besten wirkt sie, wenn sie aus einem lebenden Hunde ausgeschnitten worden ist. Die rohe Leber wird gegen die Wuthkrankheit empfohlen; doch muß sie stets von einem Hunde von demselben Geschlechte genommen werden, welches der Beißende hatte. Gegen dieselbe Krankheit brauchte man auch Würmer aus dem Aase eines tollen Hundes. Das Leder wird angewandt gegen schweißige Füße; ein dreifaches Halsband davon schützt gegen Bräune; ein Gurt von Hundeleder vertreibt das Leibschneiden. Das Haar des Hundes in ein Tuch gewickelt und auf die Stirn gebunden, lindert Kopfschmerzen, schützt auch gegenWasserscheu und heilt dieselbe, wenn es auf die Wunde gelegt wird, welche ein toller Hund verursachte. Die Galle mit Honig versetzt ist eine Augensalbe, hilft ebenso gegen Flechten, und wenn sie mit einer Feder anstatt mit der Hand aufgestrichen wird, gegen die Fußgicht, thut auch zur Bestreichung von Flechten treffliche Dienste. Die Milch ist sehr gut, wenn sie getrunken wird; mit Salpeter versetzt hilft sie gegen den Aussatz; mit Asche vermischt erzeugt sie Haarwuchs oder befördert schwere Geburten. Der Harn von jungen Hunden ist, wenn er gereinigt worden, ein Mittel, überflüssigen Haarwuchs zu vertreiben. Mit den Zähnen reibt man kleinen Kindern die Kinnlade und erleichtert dadurch das Zahnen. Wirft man den linken Oberreißzahn ins Feuer, so vergehen die Zahnschmerzen, sobald der Rauch vergangen ist; wird der Zahn zu Pulver gerieben und mit Honig versetzt, so bildet diese Mischung ein Mittel gegen dieselben Schmerzen. Der Koth gibt vortreffliche Pflaster gegen Geschwüre; er kann sogar gegen die Bräune, die Ruhr benutzt werden – doch wer wollte das alles noch zusammenzählen! Bemerkenswerth ist es, daß noch heutigen Tages manche dieser Mittel in Gebrauch sind, namentlich bei den Landleuten, schade dagegen, daß sich die Homöopathie bis jetzt dieser vortrefflichen Mittel noch nicht in wünschenswerther Vollständigkeit bediente.

 

Ungeachtet der Anerkennung aller Dienste, welche die Hunde uns leisten, und der Dankbarkeit, welche wir ihnen schulden, kann ich mich nicht entschließen, auf die fast zahllosen Rassen derselben ausführlich einzugehen, werde vielmehr nur die wichtigsten in den Kreis unserer Betrachtung ziehen. Die Kunde der Rassen liegt außer dem Plane des vorliegenden Werkes, ist auch zur Zeit noch viel zu wenig geklärt, als daß man das Ergebnis begründeter Forschungen an die Stelle von Muthmaßungen setzen könnte. Ich gebe daher nur einen flüchtigen Ueberblick der wichtigsten Formen und enthalte mich aller unfruchtbaren Deutelei über Entstehung und Entwickelung derselben.

Die Merkmale der Windhunde (Canis familiaris grajus, C. f. leporarius) liegen in dem äußerst schlanken, zierlichen, an der Brust geweiteten, in den Weichen eingezogenen Leibe, dem spitzigen, fein gebauten Kopfe, den dünnen, hohen Gliedmaßen und dem in der Regel kurzhaarigen, glatten Felle. Die langausgestreckte Schnauze, die ziemlich langen, schmalen, zugespitzten, halbaufrechtstehenden, gegen die Spitze umgebogenen und mit kurzen Haaren besetzten Ohren, die kurzen und straffen Lippen geben dem Kopfe das eigenthümlich zierliche Ansehen und bedingen zugleich die verschiedene Ausbildung der Sinne. Der Windhund vernimmt und äugt vortrefflich, hat dagegen nur einen schwachen Geruchssinn, weil die Nasenmuscheln in der spitzen Schnauze sich nicht gehörig auszubreiten vermögen, und so die Nervenentwickelung des betreffenden Sinnes nie zu derselben Ausbildung gelangen kann wie bei anderen Hunden. An dem gestreckten Leibe fällt die Brust besonders auf. Sie ist breit, groß, ausgedehnt und gibt verhältnismäßig sehr großen Lungen Raum, welche auch bei dem durch eilige Bewegung außerordentlich gesteigerten Blutumlaufe zur Reinigung des Blutes hinreichenden Sauerstoff aufnehmen können. Die Weichen dagegen sind aufs äußerste angezogen, gleichsam um dem durch die Brust erschwerten Leibe wieder das nöthige Gleichgewicht zu geben. Wir haben denselben Leibesbau bei den Langarmaffen und einen ähnlichen bei dem Gepard bemerken können und finden ihn bei vielen Thieren wieder, immer als untrügliches Zeichen der Befähigung zu schneller und anhaltender Bewegung. Ungemein fein gebaut sind die Läufe des Windhundes: man sieht an ihnen jeden Muskel und namentlich auch die starken Sehnen, in welche diese Muskeln endigen. Aber auch an dem Brustkasten bemerkt man alle Zwischenrippenmuskeln, und manche Windhunde sehen aus, als ob ihre Muskeln von einem geschickten Zergliederer bereits bloßgelegt wären. Der Schwanz ist sehr dünn, ziemlich lang, reicht weit unter das Fersengelenk herab und wird entweder zurückhängend getragen oder nach rückwärts gestreckt und etwas nach aufwärts gebogen. Die in der Regel dicht anliegende, feine und glatte Behaarung verlängert sich bei einzelnen Rassen und nimmt dann meist auch eine abweichende Färbung an, während diese bei den meisten Rassen ein schönes Röthlichgelb ist. Gerade die vollendetsten Windhunde, nämlich die persischen und innerafrikanischen, tragen fast ausschießlich ein derartig gefärbtes Haarkleid. Gefleckte Windspiele sind seltener und regelmäßig schwächlicher als die einfarbigen.

Windhund (Canis familiaris grajus).

Hinsichtlich des geistigen Wesens unterscheidet sich der Windhund von anderen Hunden. Er ist ein im höchsten Grade selbstsüchtiges Geschöpf, hängt in der Regel nicht in besonderer Treue seinem Herrn an, sondern läßt sich von Jedermann schmeicheln und neigt sich zu Jedem hin, welcher ihm freundlich ist. Gegen Liebkosungen empfänglich wie kein anderer Hund, läßt er sich ebenso leicht erzürnen und fletscht schon bei der kleinsten Neckerei die Zähne. Eitelkeit und ein gewisser Stolz ist ihm nicht abzusprechen; Zurücksetzungen verträgt er nicht. Bei lebhafter Erregung nimmt sein Herzschlag eine kaum glaubliche Unregelmäßigkeit und Schnelligkeit an; er zittert dabei oft am ganzen Leibe. Alle diese Eigenschaften machen ihn nur bis zu einem gewissen Grade als Gesellschafter der Menschen tauglich. Hat er einen Herrn, welcher ihn beständig schmeichelt, so befindet er sich wohl und zeigt auch eine gewisse Anhänglichkeit; seine Untreue aber macht sich bemerklich, sobald ein anderer Mensch ihm sich freundlicher zeigt als der eigene Herr. Diese Untreue ist geschichtlich. Als Eduard III. starb, zog ihm seine Buhle noch schnell einen kostbaren Ring vom Finger, und sein Windspiel verließ ihn im Augenblicke des Todes und schmiegte sich seinen Feinden an. Doch gibt es auch unter den Windhunden rühmliche Ausnahmen, welche an Anhänglichkeit und Treue hinter anderen Hunden kaum zurückstehen und uns auch in dieser Hinsicht mit der Rasse befreunden. Und möglicherweise verdienen die Windspiele insgesammt von vornherein entschuldigt zu werden; denn gewichtige Gründe sprechen dafür, daß die größere oder geringere Anhänglichkeit eines Hundes mit der verschiedenen Ausbildung ihres Geruchsinnes in Beziehung steht.

Wie der Windhund gegen den Menschen sich zeigt, so benimmt er sich auch gegen andere Hunde. Er liebt sie nicht, sie sind ihm sogar fast gleichgültig: kommt es aber zu einer Balgerei, so ist er sicher der erste, welcher zubeißt, und kann dann gefährlich werden. Denn trotz seiner schlanken, feinen Gestalt ist er stark, und sobald es zum Beißen kommt, benutzt er seine Größe, hält dem Gegner die Schnauze immer übers Genick, packt, sobald jener sich rührt, fest zu, sucht ihn empor zu heben und schüttelt ihn, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Dabei handelt er so niedrig, daß er auch mit kleinen Hunden anbindet, welche andere, edeldenkende Hunde stets mit einer gewissen Herablassung behandeln und wenigstens niemals beißen: es kommt häufig genug vor, daß ein Windhund kleinere Hunde in wenigen Augenblicken todtschüttelt. Alle unliebsamen Eigenschaften des Windhundes können jedoch seine Bedeutung nicht beeinträchtigen. Vielen Völkerschaften macht er sich ebenso unentbehrlich wie der Vorstehhund dem europäischen Jäger, der Hirtenhund dem Schäfer. Weit mehr, als er im Norden benutzt wird, gebraucht man ihn im Süden, namentlich in allen Steppenländern. Tataren, Perser, Kleinasiaten, Beduinen, Kabilen, die Araber, Sudânesen, Inder und andere mittelafrikanische und asiatische Völkerschaften achten ihn überaus hoch, im Werthe oft einem guten Pferde gleich. Unter den Araberstämmen der Wüste oder vielmehr der Wüstensteppen am Rande der Sahara geht das Sprichwort:

»Ein guter Falk, ein schneller Hund, ein edles Pferd,
Sind mehr als zwanzig Weiber Werth«,

und man begreift die Begründung dieses Sprichwortes, wenn man unter den Leuten gelebt hat.

Bei uns freilich wird der Windhund nicht viel gebraucht. Die Jagd mit ihm ist für den Wildstand äußerst schädlich und deshalb auch an vielen Orten untersagt. Nur große Gutsbesitzer machen sich ab und zu das Vergnügen, mit ihm zu jagen. Dazu wird er leicht abgerichtet. Wenn er ein und ein halbes Jahr alt geworden, nimmt man ihn an die Leine und sucht es dahin zu bringen, daß er an dieser ruhig geht. Anfangs bringt man ihn mit einem alten Windhunde auf ein Revier, wo es wenig Hasen gibt, und hetzt erst bloß junge Hasen, welche aber noch nicht weit von ihm entfernt sein dürfen. Die Gegend muß eben und frei sein, und man muß zu Pferde überall hinkommen können, damit man auch zur rechten Zeit bei ihm anlangt, wenn er einen Hasen gefangen hat.

Solche Jagd bietet ein schönes Schauspiel. Der Hase ist so dumm nicht wie er aussieht, und spielt dem unerfahrenen Hunde manche Tücke. In rasender Eile jagt dieser seinem Wilde nach, macht Sätze von wirklich unglaublicher Ausdehnung, nicht selten solche, welche mit denen der größeren Katzen wetteifern, von zwei, drei und vier Meter Weite, und so geschieht es, daß er dem Hasen bald auf den Leib rückt. Jetzt ist er dicht herangekommen, – im nächsten Augenblicke wird er ihn fassen – aber der Hase hat plötzlich einen Haken geschlagen und rennt rückwärts; der Hund dagegen, welcher in gerader Flucht ihm nacheilte, ist weit über ihn hinausgestürzt, fällt fast auf die Erde, schaut sich wüthend um, geräth in äußersten Zorn, sucht und sieht endlich den Hasen bereits auf anderthalbhundert Schritte Entfernung dahinlaufen. Jetzt wirft er sich herum, rast ihm nach, faßt ihn bereits wieder, da schlägt der Hase einen zweiten Haken und dem Hunde ergeht es wie das erste Mal. In dieser Weise würde die Jagd ohne Ende fortdauern, wenn man nicht zwei Hunde auf einen Hasen laufen ließe, von denen der eine verfolgt, während der andere ihm den Bogen abschneidet. Hat nun endlich der Hund den Hasen gefangen, so muß man sobald als möglich zur Stelle sein; denn die allermeisten Windhunde schneiden ihre Beute an und haben sie manchmal bereits halb aufgefressen, wenn der Jäger herbeikommt. Ein Windhund, welcher die anderen hiervon abhält, wird Retter genannt, und derjenige, welcher im Stande ist, einen Hasen allein ohne Hülfe zu erhaschen, Solofänger; beide werden außerordentlich theuer bezahlt und sind sehr gesucht.

Um von der Schnelligkeit eines guten Windhundes ein Beispiel zu geben, mag eine von Engländern angestellte Beobachtung hier Platz finden. Eine Koppel von Windhunden durchlief, laut Daniel, bei Verfolgung eines aus dem Lager gestoßenen Hasen in zwölf Minuten über vier englische Meilen in gerader Richtung, also nach Abrechnung aller, die Entfernung sehr beträchtlich vermehrenden Krümmungen und Haken, welche der Hase in seiner Noth einschlug. Dies kommt der Schnelligkeit der Personenzüge auf unseren gutverwalteten Eisenbahnen ungefähr gleich. Der Hase hatte sich todt gelaufen, bevor die Windhunde ihn erreichten.

 

Während im Norden die Windhunde vielfach durch ihren Leibesbau und ihre Behaarung sich unterscheiden, gehören die des Südens, wie es scheint, mehr oder weniger einer Rasse an, welche uns der Steppenwindhund kennen lehren mag. Er ist ein ebenso edles als anmuthiges Thier, seine Behaarung seidenweich, seine Färbung ein leichtes Isabellgelb, welches nicht selten ins Weißliche zieht, häufig aber bis zur echten Rehfarbe dunkelt. Auf den alten egyptischen Denkmälern findet man die Rasse unter anderen, namentlich gefleckten Windhunden abgebildet, woraus also hervorgeht, daß dieses vortreffliche Thier schon im grauen Alterthum benutzt wurde. Ich meinestheils habe ihn in Kordofân kennen gelernt.

Alle Steppenbewohner, und zwar die festsitzenden ebensogut wie die herumwandernden, verehren den Windhund in absonderlicher Weise. Es wurde mir nicht möglich, ein Windspiel käuflich an mich zu bringen, weil die Leute sich durchaus nicht auf den Handel einlassen wollten. Besondere Gebräuche, welche zum Gesetze geworden sind, bestimmen gewissermaßen den Werth des Thieres. So muß, um ein Beispiel zu geben, in Jemen nach altem Brauch und Recht Jeder, welcher ein Windspiel erschlägt, so viel Weizen zur Sühne geben, als erforderlich ist, den Hund zu bedecken, wenn er so an der Standarte aufgehängt wird, daß er mit der Schnauzenspitze eben den Boden berührt. Bei dem verhältnismäßig hohen Preise, welchen der Weizen in jener Gegend hat, beansprucht dies eine ganz außerordentliche Summe; denn ein derartig aufgehangener Windhund erfordert bei dem geringen Fallwinkel des Getreides, wenn er bedeckt sein will, einen Haufen von vielen Scheffeln.

Im Jahre 1848 verlebte ich mehrere Wochen in dem Dorfe Melbeß in Kordofân und hatte hier vielfache Gelegenheit, den innerafrikanischen Windhund zu beobachten. Die Dorfbewohner nähren sich, obgleich sie Getreide bauen, hauptsächlich von der Viehzucht und der Jagd. Aus diesem Grunde halten sie bloß Schäfer- und Windhunde, die ersteren bei den Herden, die letzteren im Dorfe. Es war eine wahre Freude, durch das Dorf zu gehen; denn vor jedem Hause saßen drei oder vier der prächtigen Thiere, von denen eines das andere an Schönheit übertraf. Sie waren wachsam und schon hierdurch von ihren Verwandten sehr verschieden. Sie schützten das Dorf auch gegen die nächtlichen Ueberfälle der Hiänen und Leoparden; nur in einen Kampf mit dem Löwen ließen sie sich nicht ein. Am Tage verhielten sie sich ruhig und still; nach Einbruch der Nacht begann ihr wahres Leben. Man sah sie dann auf allen Mauern herumklettern; selbst die Strohdächer der Dokhâls oder runden Hütten mit kegelförmigem Dache bestiegen sie, wahrscheinlich um dort einen geeigneten Standpunkt zum Ausschauen und Lauschen zu haben. Ihre Gewandtheit im Klettern erregte billig meine Verwunderung. Schon in Egypten hatte ich beobachtet, daß die Dorfhunde nachts mehr auf den Häusern als auf den Straßen sich aufhalten: hier aber sind alle Hüttendächer glatt und eben; in Melbeß dagegen waren dies nur die wenigsten; gleichwohl schienen auch hier die Hunde oben ebenso heimisch zu sein als unten auf der flachen Erde. Wenn nun die Nacht hereinbrach, hörte man anfangs wohl hier und da Gekläff und Gebell; bald jedoch wurde es ganz ruhig, und man vernahm höchstens das Geräusch, welches die Hunde verursachten, wenn sie über die Dächer wegliefen, unter denen man lag. Doch verging während meines ganzen Aufenthaltes keine Nacht, ohne daß sie Gelegenheit gefunden hätten, dem Menschen zu dienen. Eine Hiäne, ein Leopard oder ein Gepard, wilde Hunde und andere Raubthiere näherten sich allnächtlich dem Dorfe. Ein Hund bemerkte die verhaßten Gäste, und schlug in eigenthümlich kurzer Weise heftig an. Im Nu war die ganze Meute lebendig: mit wenig Sätzen sprang jeder Hund von seinem erhabenen Standpunkte herab; in den Straßen bildete sich augenblicklich eine Meute, und diese stürmte nun eilig vor das Dorf hinaus, um den Kampf mit dem Feinde zu bestehen. Gewöhnlich hatte schon nach einer Viertelstunde die ganze Gesellschaft sich wieder versammelt: der Feind war in die Flucht geschlagen, und die Hunde kehrten siegreich zurück. Bloß wenn ein Löwe erschien, bewiesen sie sich feige und verkrochen sich heulend in einen Winkel der Seriba oder der dornigen Umzäunung des Dorfes.

Jede Woche brachte ein paar Festtage für unsere Thiere. Am frühen Morgen vernahm man zuweilen im Dorfe den Ton eines Hornes, und dieser rief ein Leben unter den Hunden hervor, welches gar nicht zu beschreiben ist. Als ich den eigenthümlichen Klang des Hornes zum ersten Male vernahm, wußte ich ihn mir nicht zu deuten; die Hunde aber verstanden sehr wohl, was er sagen sollte. Aus jedem Hause hervor eilten ihrer drei oder vier mit wilden Sprüngen, jagten dem Klange nach, und in wenigen Minuten hatte sich um den Hornbläser eine Meute von wenigstens fünfzig bis sechszig Hunden versammelt. Wie ungeduldige Knaben umdrängten sie den Mann, sprangen an ihm empor, heulten, bellten, kläfften, wimmerten, rannten unter sich hin und her, knurrten einander an, drängten eifersüchtig diejenigen weg, welche dem Manne am nächsten standen, kurz, zeigten in jeder Bewegung und in jedem Laute, daß sie aufs äußerste erregt waren. Als ich aus den meisten Häusern die jungen Männer mit ihren Lanzen und verschiedenen Schnuren und Stricken hervortreten sah, verstand ich freilich, was der Hornlaut zu sagen hatte: daß er das Jagdzeichen war. Nun sammelte sich die Mannschaft um die Hunde, und Jeder suchte sich seine eigenen aus dem wirren Haufen heraus. Ihrer vier bis sechs wurden immer von einem Manne geführt; dieser aber hatte oft seine Noth, um die ungeduldigen Thiere nur einigermaßen zu zügeln. Das war ein Drängen, ein Vorwärtsstreben, ein Kläffen, ein Bellen ohne Ende! Endlich schritt der ganze Jagdzug geordnet zum Dorfe hinaus, dabei ein wirklich prachtvolles Schauspiel gewährend. Man ging selten weit, denn schon die nächsten Wälder boten eine ergiebige Jagd, und diese war, Dank dem Eifer und Geschick der Hunde, für die Männer eine verhältnismäßig leichte. An einem Dickichte angekommen, bildete man einen weiten Kessel und ließ die Hunde los. Diese drangen in das Innere des Dickichts ein und fingen fast alles jagdbare Wild, welches sich dort befand. Man brachte mir Trappen, Perlhühner, Frankoline, ja sogar Wüstenhühner, welche von den Hunden gefangen worden waren. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen, um die Gewandtheit dieser vortrefflichen Thiere zu beweisen. Eine Antilope entkam ihnen nie, weil sich jedesmal ihrer vier oder sechs vereinigten, um sie zu verfolgen. Die gewöhnliche Jagdbeute bestand aus Antilopen, Hasen und Hühnern, doch wurden auch andere Thiere von den Hunden erbeutet, z. B. Wildhunde ( Canis sinensis), Steppenfüchse ( Vulpes famelica) und sonstige Raubthiere; auch versicherte man mir, daß ein Leopard, ein Gepard oder eine Hiäne den Windhunden jedesmal erliegen müsse.

Diese Hunde sind der Stolz der Steppenbewohner und werden deshalb auch mit einer gewissen Eifersucht festgehalten. Bei den festwohnenden Arabern der Nilniederung findet man sie nicht, und nur selten kommt ein Steppenbewohner mit zwei oder drei seiner Lieblingsthiere bis zum Nile herab, verliert auch bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich einen seiner Hunde, und zwar durch die Krokodile. Die am Nile und seinen Armen geborenen und dort ausgewachsenen Hunde werden von den Krokodilen niemals überrascht. Sie nahen sich, wenn sie trinken wollen, dem Strome mit der allerverständigsten Vorsicht und tappen nie blindlings zu, wie die der Verhältnisse unkundigen Steppenhunde. Ein Nilhund, um dies kurz zu beschreiben, kommt mistrauisch zum Flußufer, beobachtet das Wasser von dort genau, schreitet bedachtsam näher bis zu dem Spiegel desselben heran, heftet die Augen fest auf das trügerische Element und trinkt in Absätzen, bei der geringsten Bewegung der Wellen sich eilig zurückziehend; der Steppenhund dagegen denkt gar nicht daran, daß im Wasser etwas verborgen sein könne, springt unbesorgt in den Strom, um sich auch Brust und Leib zu kühlen, und fällt so den Krokodilen häufig zum Opfer. Ob dies eine der Hauptursachen ist, daß man unmittelbar am Nile selbst keine Windhunde hält, oder ob noch andere Umstände Mitwirken, weiß ich nicht zu sagen.

Ueber die Windhunde des westlichen Theiles der Wüste mag uns General Daumas belehren:

»In der Sahara wie in allen übrigen Ländern der Araber ist der Hund nicht mehr als ein vernachlässigter, beschwerlicher Diener, welchen man von sich stößt, wie groß auch die Nützlichkeit seines Amtes sei, gleichviel ob er die Wohnung bewachen oder das Vieh hüten muß; nur der Windhund allein genießt die Zuneigung, die Achtung, die Zärtlichkeit seines Herrn. Der Reiche sowohl wie der Arme betrachten ihn als den unzertrennlichen Genossen aller ritterlichen Vergnügungen, welche die Beduinen mit so großer Freude üben. Man hütet diesen Hund wie seinen eigenen Augapfel, gibt ihm sein besonderes Futter, läßt ihn, sozusagen, mit sich aus einer Schüssel speisen und sieht mit großer Sorgfalt auf die Reinhaltung der Rassen. Ein Mann der Sahara durchreist gern seine zwanzig, dreißig Meilen, um für eine edle Hündin einen passenden edlen Hund zu finden!

»Der Windhund der besten Art muß die flüchtige Gazelle in wenig Zeit erreichen. »Wenn der » Slugui« eine Gazelle sieht, welche werdet, fängt er sie, ehe sie Zeit hatte, den Bissen im Munde hinab zu schlingen«, sagen die Araber, um die Schnelligkeit und Güte ihrer Hunde zu versinnlichen.«

»Geschieht es, daß eine Windhündin sich mit einem anderen Hunde einläßt und trächtig wird, so tödten die Araber ihr die Jungen im Leibe, sobald sie sich einigermaßen entwickelt haben. Und nicht allein ihre Kinder verliert solch eine ungerathene Hündin, sondern unter Umständen auch das eigene Leben. Ihr Besitzer läßt sie ohne Gnade umbringen: »Wie«, ruft er aus, »du, eine Hündin von Erziehung, eine Hündin von edler Geburt, wirfst dich weg und läßt dich mit dem Pöbel ein? Es ist eine Gemeinheit ohne Gleichen; stirb mit deinem Verbrechen!«

»Wenn eine Windhündin Junge geworfen hat, verlieren die Araber keinen Augenblick, um diese Jungen gehörig zu beobachten und sie zu liebkosen. Nicht selten kommen die Frauen herbei und lassen sie an ihren eigenen Brüsten trinken. Je größeren Ruf die Hündin hat, um so mehr Besuche empfängt sie während ihres Wochenbettes, und alle bringen ihr Geschenke, die einen Milch, die anderen Kuskusu. Kein Versprechen, keine Schmeichelei gibt es, welche nicht angewandt würde, um ein junges, edles Hündchen zu erlangen. »Ich bin dein Freund, mein Bruder, thue mir den Gefallen und gib mir das, worum ich dich bitte; ich will dich gern begleiten, wenn du zur Jagd hinausgehst; ich will dir dienen und dir alle Freundlichkeiten erzeigen.« Auf alle diese Bitten antwortet der Herr der Hündin, dem solche Bitten gespendet werden, gewöhnlich, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, für sich selbst den ihm anstehenden Hund des Gewölfes auszusuchen, und unter sieben Tagen gar nichts sagen könne. Solche Zurückhaltung hat ihren Grund in einer Beobachtung, welche die Araber gemacht haben wollen. In dem Gewölfe der Windhündin gibt es immer ein Hündchen, welches auf allen übrigen liegt, sei es zufällig oder infolge seiner eigenen Anstrengungen. Um sich nun vollends von der Güte dieses Thieres zu versichern, nimmt man es von seinem Platze weg und beobachtet, ob es sich in den ersten sieben Tagen wiederholt denselben erobert. Geschieht dies, so hat der Besitzer die größten Hoffnungen, einen vorzüglichen Hund in ihm zu erhalten, und es würde vergeblich sein, ihm den besten Negersklaven als Tauschmittel zu bieten: er verkauft den Hund sicherlich nicht. Eine andere Ansicht läßt diejenigen Hunde als die besten erscheinen, welche zuerst, zu dritt und zu fünft geboren werden.

»Mit dem vierzigsten Tage werden die jungen Windhunde entwöhnt; demungeachtet erhalten sie aber noch Ziegen- oder Kamelmilch, soviel sie mögen, und dazu Datteln und Kuskusu. Nicht selten sieht man Araber, welche für die jungen, der Mutter entwöhnten Hunde milchreiche Ziegen festhalten, damit die hochgeachteten Thiere an denselben saugen können.

»Ist der Windhund drei oder vier Monate alt geworden, so beginnt man, sich mit seiner Erziehung zu beschäftigen. Die Knaben lassen vor ihm Spring- und Rennmäuse laufen und hetzen den jungen Fänger auf dieses Wild. Es dauert nicht lange, so zeigt das edle Thier bereits rege Lust an solcher Jagd, und nach wenigen Wochen ist es schon so weit gekommen, daß es auch auf andere, größere Nager verwendet werden kann. Im Alter von fünf und sechs Monaten beginnt man bereits mit der Jagd des Hasen, welche ungleich größere Schwierigkeit verursacht. Die Diener gehen zu Fuß, den jungen Windhund an der Hand führend, nach einem vorher ausgekundschafteten Hasenlager, stoßen den Schläfer auf, feuern den Hund durch einen leisen Zuruf zur Verfolgung an und fahren mit diesem Geschäfte fort, bis der Windhund Hasen zu fangen gelernt hat. Von diesen steigt man zu jungen Gazellen auf. Man nähert sich ihnen mit aller Vorsicht, wenn sie zur Seite ihrer Mütter ruhen, ruft die Aufmerksamkeit der Hunde wach, begeistert sie, bis sie ungeduldig werden, und läßt sie dann los. Nach einigen Uebungen betreibt der Windhund auch ohne besondere Aufmunterung die Jagd leidenschaftlich.

»Unter solchen Uebungen ist das edle Thier ein Jahr alt geworden und hat beinahe seine ganze Stärke erreicht. Demungeachtet wird der Slugui noch nicht zur Jagd verwandt, höchstens, nachdem er fünfzehn oder sechszehn Monate alt geworden ist, gebraucht man ihn wie die übrigen. Aber von diesem Augenblicke an muthet man ihm auch fast das Unmögliche zu, und er führt das Unmögliche aus.

»Wenn jetzt dieser Hund ein Rudel von dreißig oder vierzig Antilopen erblickt, zittert er vor Aufregung und Vergnügen und schaut bittend seinen Herrn an, welcher erfreut ihm zu sagen pflegt: »Du Judensohn, sage mir nur nicht mehr, daß du sie nicht gesehen hast. Ich kenne dich, Freund; aber will dir gern zu Willen sein«. Jetzt nimmt er seinen Schlauch herab und befeuchtet dem Judensohne und Freunde Rücken, Bauch und Geschlechtstheile, überzeugt, daß der Hund hierdurch mehr gestärkt werde als durch alles übrige. Der Windhund seinerseits ist voll Ungeduld und wendet seine Augen bittend nach seinem Herrn. Endlich sieht er sich frei, jauchzt vor Vergnügen auf und wirft sich wie ein Pfeil auf seine Beute, immer das schönste und stattlichste Stück des Rudels sich auswählend. Sobald er eine Gazelle oder andere Antilope gefangen hat, erhält er augenblicklich sein Weidrecht, das Fleisch an den Rippen nämlich, – Eingeweide würde er mit Verachtung liegen lassen.

»Der Windhund ist klug und besitzt sehr viel Eitelkeit. Wenn man ihm vor der Jagd eine schöne Antilope zeigt, er aber nicht im Stande ist, diese zu bekommen, sondern dafür eine andere niederreißt und dafür gescholten wird, zieht er sich schamvoll zurück, auf sein Wildrecht verzichtend. Die Erziehung, welche er genießt, macht ihn unglaublich eitel. Ein edler Windhund frißt niemals von einem schmutzigen Teller und trinkt nie Milch, in welche Jemand seine Hand getaucht hat. Seine Erzieher haben ihn so verwöhnt, daß er die beste Abwartung verlangt. Während man anderen Hunden kaum Nahrung reicht, sondern sie vielmehr zwingt, mit dem Aase und mit den Knochen sich zu nähren, welche die Windhunde verschmähen, während man sie wüthend aus den Zelten stößt und vom Tische wegjagt, schläft der Windhund zur Seite seines Herrn auf Teppichen und nicht selten in einem Bette mit seinem Besitzer. Man kleidet ihn an, damit er nicht von der Kälte leidet, man belegt ihn mit Decken wie ein edles Pferd; man gibt sich Mühe, ihn zu erheitern, wenn er mürrisch ist, alles dies, weil seine Unarten, wie man sagt, ein Zeichen seines Adels sind. Man findet Vergnügen darin, ihn mit allerlei Schmuck zu behängen; man legt ihm Halsbänder und Muscheln um und behängt ihn, um ihn vor dem Blicke des »bösen Auges« zu schützen, mit Talismanen; man besorgt seine Nahrung mit größter Sorgfalt und gibt ihm überhaupt nur das Essen, welches man selbst für Leckerbissen hält. Und nicht genug damit: der Windhund begleitet seinen Herrn, wenn dieser seine Besuche macht, empfängt wie dieser die Gastfreundschaft im vollsten Maße, erhält sogar seinen Theil von jedem Gerichte.

»Der edle Windhund jagt nur mit seinem Herrn. Solche Anhänglichkeit und die Reinlichkeit des Thieres vergilt die Mühe, welche man sich mit ihm gibt. Wenn nach einer Abwesenheit von einigen Tagen der Herr zurückkommt, stürzt der Windhund jauchzend aus dem Zelte hervor und springt mit einem Satze in den Sattel, um den von ihm schmerzlich Vermißten zu liebkosen. Dann sagt der Araber zu ihm: »Mein lieber Freund, entschuldige mich, es war nothwendig, daß ich dich verließ; aber ich gehe nun mit dir: denn ich brauche Fleisch, ich bin des Dattelnessens müde, und du wirst wohl so gut sein, mir Fleisch zu verschaffen«. Der Hund benimmt sich bei allen diesen Freundlichkeiten, als wisse er sie Wort für Wort in ihrem vollen Werthe zu würdigen.

»Wenn ein Windhund stirbt, geht ein großer Schmerz durch das ganze Zelt. Die Frauen und Kinder weinen, als ob sie ein theueres Familienglied verloren hätten. Und oft genug haben sie auch viel verloren; denn der Hund war es, welcher die ganze Familie erhielt. Ein Slugui, welcher für den armen Beduinen jagt, wird niemals verkauft, und nur in höchst seltenen Fällen läßt man sich herbei, ihn einem der Verwandten oder einem Marabut, vor dem man große Ehrfurcht hat, zu schenken. Der Preis eines Slugui, welcher die größeren Gazellen fängt, steht dem eines Kameles gleich; für einen Windhund, welcher größere Antilopen niederreißt, bezahlt man gern so viel wie für ein schönes Pferd.«

Die Perser benutzen ihre Windhunde, welche den afrikanischen außerordentlich ähneln, ebenfalls hauptsächlich bei der Antilopenjagd, stellen ihnen aber in ihren Baizfalken vortreffliche Gehülfen. Alle vornehmen Perser sind leidenschaftliche Freunde dieser gemischten oder vereinigten Hetzjagden und wagen bei wahrhaft haarsträubenden Ritten ohne Bedenken ihr Leben. Sobald sie in ihrer Ebene eine Antilope erblicken, lassen sie den Baizfalken steigen, und dieser holt mit wenig Flügelschlägen das sich flüchtende Säugethier ein und zwingt es auf eigenthümliche Weise zum Feststehen. Geschickt einem Stoße des spitzen Hornes ausweichend, schießt er schief von oben herab auf den Kopf der Antilope, schlägt dort seine gewaltigen Fänge ein, hält sich trotz alles Schüttelns fest und verwirrt das Thier durch Flügelschläge, bis es nicht mehr weiß, wohin es sich wenden soll, und solange im Kreise herumtaumelt, bis die Windhunde nachgekommen sind, um es für ihren Herrn fest zu machen. Außerdem benutzt man letztere zur Jagd des Ebers und des wilden Esels ( Asinus onager), welcher dem Jäger und seinem schnellen vierfüßigen Gehülfen viel zu schaffen machen soll. Seinem natürlichen Triebe folgend, eilt der aufgescheuchte Wildesel augenblicklich den felsigen Abhängen zu, in welchen er den größten Theil seines Lebens verbringt und der Uebung im Klettern wegen die größten Vortheile vor dem persischen Pferde hat. Nur solche gewandte Geschöpfe, wie die eingeborenen Windhunde es sind, können ihm in jene Gebiete folgen; aber auch sie müssen nicht selten ihre Beute aufgeben, obgleich man mehrere Hundemeuten in der Verfolgung des ebenso flüchtigen als muthigen Esels abwechseln läßt.

Das zierlichste Mitglied der ganzen Windhundgesellschaft ist der sogenannte italienische Hund ( Canis familiaris grajus [leporarius] italicus), anderen Windhunden gegenüber ein wahrer Zwerg, aber ein höchst wohlgebildeter Zwerg, bei welchem jeder Körpertheil im genauesten Verhältnisse steht. Sein ganzes Gewicht übersteigt selten 6 oder 7 Pfund, und die allerausgezeichnetsten wiegen sogar bloß 4 Pfund, trotz ihrer Höhe von 40 Centim. In Gestalt und Färbung stimmt er vollständig mit dem eigentlichen Windhunde überein.

Man hat versucht, das niedliche Geschöpf zur Jagd der Kaninchen abzurichten, allein es eignet sich hierzu weit weniger als zu der Rolle eines Schoßhündchens oder Lieblings von Damen; denn der italienische Windhund läßt sich leichter und gründlicher verziehen als jeder andere Hund. Ein liebebedürftiges und erziehungslustiges Frauenherz findet in ihm einen unübertrefflichen Gegenstand, ein Wesen, welches in kurzer Zeit an Eigenwillen, Empfindlichkeit und Empfindsamkeit selbst das verweichlichtste Menschenkind übertrifft. Abgesehen von diesen Eigenschaften ist der schmucke, zart gebaute Hund ein wirklich reizendes Geschöpf, jeder Körpertheil an ihm zierlich und fein gebildet, jede Bewegung von ihm leicht, gefällig und anmuthig. Ueber einen auch mir liebgewordenen Hund dieser Art schreibt mir seine junge Gebieterin, Fräulein von Drygalski, das nachstehende. »So sehr auch »Agile« die Bequemlichkeit liebt, so rücksichtlos setzt er dieselbe außer Acht, sobald es gilt, seine Anhänglichkeit an den Herrn zu bethätigen. Der im Zimmer von allen verhätschelte Liebling, das verwöhnte, verweichlichte Schoßthier, scheut weder Regen noch Frost und Wind, wenn es sich darum handelt, mit seinem Gebieter auszugehen. Stundenlang hat er bei wahrem Hundewetter im Freien zugebracht, sich wie ein Wurm gekrümmt, niemals aber seinen Herrn verlassen. Selbst wenn dieser ihn auffordert, nach Hause zu gehen, vermag er es nicht über sich zu gewinnen, dem Befehle Folge zu leisten: er weicht dann höchstens ein Stück Weges zurück, kauert sich nieder, vor Kälte zitternd, blickt seinem Herrn wehmüthig nach und schießt endlich, auch ohne die ihm sicher werdende Erlaubnis zum Mitgehen abzuwarten, wie ein Pfeil heran, heftet die klugen Augen fragend auf den Gebieter, unterdrückt das quälende Gefühl der Kälte und jagt in weiten Sätzen hin und her, um den Frost von sich abzuschütteln. Nur wenn er überhaupt nicht mitgenommen wird, kommt seine verletzte Eitelkeit auch dem Herrn gegenüber zur Geltung. Er schmollt dann mit diesem, verkriecht sich bei dessen Rückkehr, beachtet ihn nicht und beansprucht Liebkosungen und freundliches Zureden, bevor er ihm wieder in gewohnter Weise sich nähert. Liebkosungen verlangt Agile von jedem seiner Freunde und Bekannten; so beglückt er denselben aber sich hingibt, so genügt doch ein einziger Ruf seines Herrn, um ihn zu bewegen, den Freund, welcher ihn hätschelte, sofort zu verlassen und zu dem Gebieter zu eilen. Aber nicht allein treu, sondern auch klug und listig, kühn und muthig ist unser Windspiel. Agile kennt Zeit und Oertlichkeit, erwartet, am Fenster sitzend, rechtzeitig unsere Rückkehr, macht sich zu bestimmter Zeit zum Ausgange mit seinem Gebieter fertig und sucht durch List zu erreichen, was er durch Schmeicheleien nicht erlangen konnte. Verbotenerweise schläft er des Nachts in meinem Bette, läßt sich aber, sobald er die Hausfrau, deren Verbot er übertrat, sich nähern hört, unhörbar aus demselben zu Boden gleiten, kriecht in seinen Korb und thut als ob nichts vorgefallen wäre. Er unterscheidet alte Bekannte sehr genau von Fremden, so gern er auch von diesen sich hätscheln läßt, kennt im Wirtshause, in welchem er sich als Stammgast fühlt, Wirt und Kellner und bestellt sich in nicht miszuverstehender Weise bei ihnen Speise und Trank, bindet dreist mit großen und kleinen Hunden an und schlägt gar manchen von ihnen wacker in die Flucht. Seitdem wir ihn besitzen, glauben wir nicht mehr an die geistige Beschränktheit und sprichwörtliche Untreue der Windspiele überhaupt. Augenscheinlich muß er sich mehr auf sein Gesicht als auf seinen Geruch verlassen; dies beweist er dadurch, daß er im Menschengedränge sich krampfhaft an die Fersen seines Begleiters klammert, während er sonst, wenn ihm eine weitere Umschau nicht verwehrt wird, in Bogensätzen seinen Herrn umspringt. In jenem Falle mag er unklug erscheinen, in diesem wird Niemand dumm ihn schelten, und was die Untreue anlangt, so haben wir bei unserem Windspiele nur das Gegentheil bemerkt.«

Italienischer Hund (Canis familiaris grajus italicus).

Das glattanliegende, dünne Fell und die damit im Einklange stehende Frostigkeit der Windhunde deuten ebenso wie ihr häufiges Vorkommen in Afrika und Asien darauf hin, daß man die ursprüngliche Heimat der Thiere in heißen Ländern zu suchen und sie als Wüsten- und Steppenthiere aufzufassen hat, welche erst von hier aus bei uns eingeführt wurden. Der größere Theil der Rassen behielt auch im Norden alle Eigenthümlichkeiten des Windhundgepräges bei, während einzelne Rassen sich unserem Klima anpaßten oder ihm angepaßt wurden. Zu letzteren gehört der schottische oder Wolfswindhund ( Canis familiaris grajus [leporarius] hibernicus), ein Thier von derselben Größe wie der gemeine Verwandte und außerordentlicher Schönheit, ebenso zierlich gebaut und mit ebenso feinen Gliedern ausgerüstet wie jener, aber durch die verhältnismäßig dichte Behaarung unterschieden. Seine Gesammtlänge beträgt reichlich 1,5 Meter, wovon der Schwanz etwa 40 Centim. wegnimmt, die Höhe am Widerrist ungefähr 75 Centim.; die Behaarung ist nicht besonders lang, obschon mehr als dreimal länger als die des Windhundes, aber dicht und so gleichmäßig, daß der Pelz ein schützendes Kleid gegen die Kälte nördlicher Länder bildet, die Fahne lang und geschlossen, die Färbung verschieden, schwarz oder braun und weiß, nicht selten auch rothbraun und grau getigert.

Unvermischte Wolfswindhunde sind gegenwärtig sehr selten geworden, falls nicht gänzlich ausgestorben. In früheren Jahrhunderten benutzte man sie hauptsächlich zur Wolfsjagd und hielt sie, ihres Muthes und ihrer Wehrhaftigkeit halber, hoch in Ehren. Nach Behauptung englischer Schriftsteller waren sie noch im vorigen Jahrhundert bedeutend größer als gegenwärtig, obgleich sie auch jetzt noch zu den stattlichsten Hunden zählen. Sie sind gutartig, ihrem Gebieter anhänglich, gegen Fremde weniger zuthunlich als andere Windhunde, denen sie übrigens in ihrem Wesen und Betragen gleichen. Andere Hunde haben sie zu fürchten, weil sie ebenso wie die Verwandten sich leicht zum Zorne hinreißen lassen und dann muthig kämpfen und fürchterlich beißen.

Unsere Abbildung stellt einen Wolfswindhund aus dem Gemeute des Prinzen Karl von Preußen dar.

Als häßliche Ausartung der Windhundform und, wie ich hinzufügen will, mehrerer anderer Hunderassen mag der Nackthund ( Canis familiaris africanus) angesehen werden, afrikanischer Hund genannt, weil man annimmt, daß er ursprünglich dem Innern von Afrika angehörte und von dort nach Nordafrika und über Guinea nach Manila, China, auf die Antillen und Bahama-Inseln sowie über das Festland von Süd- und Mittelamerika verbreitet wurde. Der Leib ist etwas gestreckt, schmächtig, gegen die Weichen stark eingezogen, der Rücken stark gekrümmt, die Brust schmal, der Hals mittellang, aber dünn, der Kopf länglich und hoch, die Stirn stark gewölbt, die Schnauze ziemlich lang, nach vorn verschmälert und zugespitzt, die mittellangen, etwas breiten, zugespitzten und halb aufrechtstehenden Ohren sind nackt wie der übrige Körper und gegen die Spitze etwas umgebogen, die Lippen kurz und straff. Hohe, ziemlich schlanke und zarte Beine, ein sehr dünner, mäßig langer Schwanz und der Mangel der Afterzehe an den Hinterfüßen bilden seine übrigen Kennzeichen. Nur in der Nähe des Schwanzes, um den Mund herum und an den Beinen finden sich einige Haare; sonst ist die übrige Haut vollkommen nackt und deshalb der Hund ein häßliches Thier. Denn auch die schwarze Hautfärbung, welche bei uns nach einiger Zeit ins Grauliche übergeht und hier und da fleischfarbige Flecken zeigt, ist unschön. Die Länge des Körpers beträgt 65, die des Schwanzes 25 und die Höhe am Widerriste 35 Centim. Diese Beschreibung bezieht sich auf die windhundähnliche Form, neben welcher, wie bemerkt, auch andere vorkommen, wahrhaft abscheuliche Köter, welche nur ein verdorbener Geschmack erträglich finden kann.

Wolfswindhund (Canis familiaris grajus hibernicus).

In seinem ursprünglichen Vaterlande soll der eigentliche Nackthund zur Antilopenjagd verwendet werden und für diese Jagd eine vorzügliche Bewegung besitzen. Aeußerst leicht, beweglich und im Laufen ebenso schnell als anhaltend, soll er unermüdlich in der Verfolgung einer aufgefundenen Spur sein und es vortrefflich verstehen, dem verfolgten Wilde durch allerlei Abwege näher zu kommen und es sicherer einzuholen. Seine geistigen Fähigkeiten sollen gering sein; doch werden Gutmüthigkeit, Wachsamkeit und treueste Anhänglichkeit an den Herrn von ihm gerühmt. Unter den Sinnen sollen Geruchs- und Gehörsinn am meisten ausgebildet, und er als Spürhund zu gebrauchen sein. Ich theile diese Angaben mit, ohne Gewähr für sie zu übernehmen, muß im Gegentheile bemerken, daß ich sehr starke Zweifel bezüglich der Thatsächlichkeit derselben hege. Diejenigen Nackthunde, welche ich kennen gelernt habe, machten auf mich den Eindruck, als ob sie nichts anderes leisten könnten, denn Abscheu zu erregen. Bestimmte Nachrichten über das Land, in welchem sie Antilopen jagen sollen, fehlen gänzlich.

In unserem Klima kann der Nackthund wegen seiner Zartheit und Empfindlichkeit gegen rauhe Witterung nur als Stubenthier gehalten werden und dauert in der Regel nicht sehr lange aus. Seine Zärtlichkeit gegenüber den Einflüssen der Witterung ist so groß, daß er selbst an den wärmsten Tagen zittert. Auch bei der sorgfältigsten Pflege und trotz aller künstlichen Mittel, um ihn gegen die Rauhheit des Wetters zu schützen, unterliegt er häufig Krankheiten, welche er sich durch Erkältung zugezogen hat.

 

Vielleicht ist hier der Ort, die Schilderung eines Hundes einzuschalten, von welchem Hensel neuerdings nachstehende Beschreibung gegeben hat.

»Ein Wild gibt es, das Lieblingswild des Brasilianers, welches auch mit den besten seiner gewöhnlichen Hunde nicht zu jagen wäre, das Reh. Hierdurch war die Veranlassung gegeben, eine neue Rasse zu bilden, und in der That konnte sie nicht vorzüglicher erzeugt werden. Der brasilianische Rehhund gehört zu den besten, welche wir kennen, obgleich der Brasilianer aus angeborener Trägheit nichts für Verbesserung der Rasse thut und diese daher öfters noch der Gleichmäßigkeit entbehrt.

»Der Rehhund ist von mittlerer Größe, eher klein als groß, etwa wie ein Schäferhund, aber mit höheren Beinen, sein Kopf spitz, das Ohr sehr groß, zugespitzt und aufrechtstehend, das Genick stark, die Brust sehr tief, der Leib hoch hinaufgezogen, der Schenkel kräftig und muskelig, der Schwanz lang und dünn, die Farbe verschieden, gewöhnlich rehfarben. Das ganze Gepräge ist entschieden windhundartig, und ich hörte, wie ein deutscher Ansiedler seinen in Brasilien geborenen Kindern einen meiner Hunde als einen Windhund zeigte. Trotz dieser Ähnlichkeit ist doch der Geruch des Rehhundes ein außerordentlich feiner, und ich habe Thiere gesehen, welche noch nach einer vollen Stunde, nachdem das Reh einen Weg vorsichtig überschritten hatte, die Fährte desselben aufnahmen. Hierin unterscheidet er sich wesentlich vom Windhunde, von dem er nur die knappe Form, die Bissigkeit und die Ausdauer im Laufen hat.

»Zu den vorzüglichen Eigenschaften des Rehhundes gehört die Schnelligkeit, doch macht sie sich nur als Ausdauer geltend; denn er jagt langsam, wie es die Natur des Urwaldes mit sich bringt. Man gebraucht gewöhnlich zwei Hunde zur Jagd, welche einander kennen, unterstützen und anfeuern. Mehrere Hunde stören einander, ein einzelner gibt eher die Jagd auf. Die Rehhunde haben vor allen brasilianischen Hunden die Gewohnheit, auf eigene Faust zu jagen. Sie verlassen, sobald sie losgekoppelt sind, den Jäger, und er sieht sie nicht eher wieder als nach Beendigung der Jagd, oft erst in seiner Wohnung, zuweilen wohl am nächsten Tage. Sobald die Hunde losgelassen sind, eilen sie die Berganhöhen hinauf und bringen bald ein Reh getrieben, welches stets im Thale nach dem Wasser flüchtet. Hier haben sich die Schützen aufgestellt, denen das Reh nicht selten zum Schusse kommt. Ist dies nicht der Fall, so geht die Jagd weiter und dauert bei guten Hunden so lange, bis sie das Reh ermüdet und niedergerissen haben. Dann sättigen sie sich daran und treten den Heimweg an, ohne weiter nach dem Jäger zu fragen. Zuweilen dauert bei ungünstigem Boden, vielen Schluchten und undurchdringlichen Dickichten die Jagd stundenlang, weil das Reh stets Zeit findet, sich wieder zu erholen. Kommt es nicht zum Schuß, so ist es für den Jäger immer verloren, auch wenn es die Hunde endlich niederreißen. Dies betrachtet der wahre Jäger nicht als Unglück, die Hauptsache bleibt ihm immer das Jagen der Hunde. Mit verhaltenem Athem, etwas vorgebeugt, lauscht er ihrem Bellen, wenn es wie Glockenton rein und hell in das Thal niederschallt. Langsam, aber stetig nähert sich die Jagd. Ein guter Hund darf nicht hitzig sein, er würde in den zahllosen Dornen der Dickungen sich verwunden und leicht die Fährte verlieren. Ein europäischer Hund würde hier nicht genügen, vielmehr durch Hitze erschöpft und durch die Dornen verwundet, bald unbrauchbar werden. Hier helfen dem Rehhunde seine Leichtigkeit und Gewandtheit; doch vermeidet er wie die Windhunde das Wasser.

Dänischer Hund (Canis familiaris danicus). .

»So gern der Rehhund jagt, so wenig gern stellt er das Wild. Kann er es nicht niederreißen, so verläßt er es bald. Nachher ist er auch für die Jagd auf Bisamschweine oder den Tapir nicht so brauchbar; denn die ersteren flüchten unter Felsen oder in hohle Bäume und die Ante oder der Tapir stellt sich den Hunden im Wasser. Dagegen liefert die Kreuzung zwischen dem Rehhunde und gewöhnlichem Jagdhunde oft sehr werthvolle Erzeugnisse für die Jagd auf die größeren Wildarten.«

Als einfacher Blendling zwischen Windhund und Bullenbeißer wird der große dänische Hund ( Canis familiaris [leporarius] danicus) angesehen. Man sieht ihn in Deutschland selten, in England als den treuen Begleiter von Pferden und Wagen häufiger. Er ist ein großes schönes Thier von edler Form mit schlanken Beinen und glattem Schwanze, schmalen und kurzen Ohren und großen schönen Augen; die Schnauze ist zugespitzt, aber wie das ganze Thier immer noch weit kräftiger als die des Windhundes. Seine Färbung spielt ins Braune, Mäusefarbene und Schwärzliche; Brust und Kehle sind jedoch immer weißlich.

Der dänische Hund, ein treues und wachsames Thier, gehört in Deutschland zu den Rassen, welche nirgends verbreitet sind, sondern überall nur einzeln vorkommen. In früheren Zeiten soll man ihn zur Jagd auf Rothwild benutzt und deshalb mehr gezüchtet haben; gegenwärtig hält man ihn hier und da als Zierhund. Ueber seine Eigenschaften und sein Wesen weiß ich nichts zu berichten.

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Eine zweite Gruppe der Hunde umfaßt die Doggen.

Bei dem Bullenbeißer ( Canis familiaris molossus) ist der Leib gedrungen, dick, gegen die Weichen nur wenig eingezogen, der Rücken nicht gekrümmt, die Brust breit und tiefliegend, der Hals ziemlich kurz und dick, der Kopf rundlich, hoch, die Stirne stark gewölbt, die Schnauze kurz, nach vorn verschmälert und sehr abgestumpft. Die Lippen hängen zu beiden Seiten über (klaffen vorn aber nicht) und triefen beständig von Geifer; die ziemlich langen und mittelbreiten Ohren sind gerundet, halb aufrecht stehend, gegen die Spitze umgebogen und hängend. Die kräftigen Beine haben mittlere Höhe; an den Hinterpfoten fehlt die Afterzehe. Der Schwanz ist am Grunde dick, gegen das Ende zu verschmälert, ziemlich lang und reicht bis an das Fersengelenk, wird selten gerade oder nach rückwärts gestreckt, sondern meistens in die Höhe gerichtet und vorwärts gebeugt. Die Färbung ist entweder fahl oder bräunlichgelb, bisweilen mit schwärzlichem Ueberfluge, oder auch bräunlich; die Schnauze, die Lippen und die äußeren Enden der Ohren sind schwarz; doch gibt es wie bei allen Hunden vielfache Abänderungen.

Als muthmaßliche Heimat des Bullenbeißers kann Irland betrachtet werden; wenigstens finden sich dort die ausgezeichnetsten Rassen, welche man überhaupt kennt. Entsprechend der Schwere und Plumpheit dieser Thiere ist ihr Lauf weder anhaltend noch rasch. Dagegen besitzen sie eine überaus große Stärke, viel Entschlossenheit und einen unglaublichen Muth, ja, man kann sagen, daß sie mit wenigen Ausnahmen als die muthigsten aller Thiere angesehen werden können. Ihrer Stärke wegen sind die Bullenbeißer zu schwerer und gefährlicher Jagd und zu Kämpfen mit wilden Thieren besonders geeignet. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts veranstalteten die Engländer Kampfspiele zwischen Bullenbeißern und Stieren; selbst gegen Bären und Löwen kämpften die Hunde mit vielem Glück: man rechnete nur drei Doggen auf einen Bären, vier auf einen Löwen.

Die geistigen Fähigkeiten des Bullenbeißers sind nicht so ausgezeichnet wie die der übrigen gescheiten Hunde, keineswegs aber so tiefstehend, wie man gewöhnlich angenommen hat. Man glaubte, in dem Bullenbeißer ein Thier der rohen Stärke vor sich zu sehen, und gab sich vom Anfange an dem Glauben hin, daß es in geistiger Hinsicht durchaus nichts leisten könne. Doch ist diese Ansicht unbegründet; denn jeder Bullenbeißer gewöhnt sich an den Menschen und opfert ohne Bedenken sein Leben für ihn auf. Er eignet sich vortrefflich zum Wachen und Hüten des Hauses und vertheidigt das ihm Anvertraute mit wirklich beispiellosem Muthe. Als Reisebegleiter in gefährlichen, einsamen Gegenden ist er gar nicht zu ersetzen. Man erzählt, daß er seinen Herrn gegen fünf bis sechs Räuber mit dem größten Erfolge vertheidigt hat, und kennt Geschichten, in denen er als Sieger aus solchen ungleichen Kämpfen hervorging, trotz unzähliger Wunden, welche er erhalten hatte. Auch als Wächter bei Rinderherden wird er verwendet und versteht es, selbst den wildesten Stier zu bändigen; denn er ist geschickt genug, sich im rechten Augenblicke in das Maul des Gegners einzubeißen und so lange sich dort fest zu hängen, bis sich der Stier geduldig der Uebermacht des Hundes fügt. Zum Kampfe gegen große Raubthiere, wie Bären und Wölfe, Wildschweine, Löwen etc., läßt er sich leicht abrichten und steht deshalb bei allen Völkern, welche mit derlei Raubgezüchte zu thun haben, in hohem Ansehen. In den alten Thierhetzen auf Auerochsen und anderes schweres Wild wurde er vielfach verwendet, und in Amerika wird er noch heutigen Tages bei den Stiergefechten benutzt. Anderen Hunden gegenüber beträgt er sich sehr anständig. Er sucht nur selten Streit und läßt sich besonders von kleineren Hunden viel gefallen. Auch erträgt er Neckereien lange Zeit; bei fortgesetzter Reizung aber greift er, ohne vorher zu warnen oder viel zu bellen und ohne zu irgend welcher List seine Zuflucht zu nehmen, von vorn an, begnügt sich jedoch gewöhnlich, seinen Gegner zu Boden zu werfen und ihn festzuhalten, falls dieser keinen ferneren Widerstand versucht. Gegen seinen Herrn ist er treu und anhänglich; gegen Fremde bleibt er immer gefährlich, er mag frei sein oder an der Kette liegen, und wenn er auf Leute gehetzt wird, ist er wahrhaft furchtbar.

Bullenbeißer (Canis familiaris molossus).

Ihm sehr nahe stehen die eigentlichen Doggen ( Canis familiaris molossus), sehr große und starke Thiere mit kurzer, dicker, vorn gerade abgestumpfter Schnauze, deren Oberlippen, obgleich sie an den Seiten herabhängen, vorn den Mund nicht schließen und so beständig das Gebiß sehen lassen. Die Nase ist nicht selten gespalten, der Pelz kurzhaarig und gewöhnlich von Farbe einfach roth, oft aber auch bunt. In früheren Zeiten, in denen das Land unsicherer war als gegenwärtig, hielt man die Doggen noch in ziemlicher Menge, gegenwärtig findet man sie nur bei Liebhabern. »Die Englischen Docken«, sagt von Flemming in seinem Vollkommenen teutschen Jäger, »welche große Herren anfänglich aus England und Irland mit vielen Unkosten bringen lassen, werden jetziger Zeit in Deutschland auferzogen. Und geben denen allergrößten und schönsten den Namen Cammer-Hunde, weil sie solche meistens des Nachts in ihrem Schlaff-Gemach bei sich haben, damit, wann Mörder einfallen sollten, diese solche Bösewichte niederreißen, ihren Herrn aber erretten möchten. Nächst diesen werden andere Englische Docken Leib-Hunde genennet, welche an Hirsche, Schweine und Wölfe gehetzt werden; sonderlich müssen dieselben angewiesen werden, daß sie ein wildes Thier ja nicht vor den Kopff anfallen, sondern zur Seite an die Ohren fassen und zu beiden Seiten sich anlegen. Denn sonst ein Bär sie zerreißen, ein Hirsch sein Gehörn vorwerffen und dieselben spießen, das wilde Schwein hauen, der Wolf aber stetig umb sich schnappen und herrumb beißen würde. Im Stall liegen sie ein jeder besonders vor sich an Ketten, und hat jeder seinen Fraß absonderlich vor sich stehen. Die Bären- oder Bollbeißer sind von dieser vorgemeldeten Art eine besondere Gattung, welche zwar dicke und schwer, zum fangen aber ungemein hitzig erbittert sind. Sie sehen böse und tückisch auf, und werden insgemein zur podolischen und ungarischen Büffel-Ochsen-Hatz, wie auch zuweilen die Bäre damit zu hetzen, gebraucht. Sie werden anfänglich an mäßige Sauen gehetzt, endlich an kleine Bären. Man muß dieselben, wenn sie sich fest einbeißen und verfangen, geschwind mit einer starken rauhen Gänsefeder in die Kehle kützeln, alsdann lassen sie selbst loß. Der Bär schmeisset mit Ohrfeigen umb sich, bis die Herrschaft überdrüssig wird, sodann werden die Hunde an sich angeruffen, und der Bär entweder in einen Kasten gethan, oder von der Herrschaft ihme mit dem Fang-Eysen der Rest gegeben, nachdem die Cammer- oder Leibhunde vorgerücket und denselben gefangen, darzu dann von anwesenden Jägern mit Wald- und Hüffthörnern geblasen wird.«

Mit diesen Worten sind die Doggen fast hinlänglich beschrieben. Bei uns sieht man gewöhnlich nur eine mittelgroße Rasse, welche höchstens die Größe eines mäßigen Hühnerhundes erreicht, oft aber nur halb so groß ist. Die Farbe dieses Thieres ist regelmäßig ein lichtes Isabellgelb; es finden sich aber auch, obwohl selten, Doggen, welche dunkler gefärbt sind. Die starken Knochen, die breite Brust und vor allem der ausgezeichnete Bau des Kopfes lassen die Doggen nie verkennen. Der Kopf ist hinten breit und dick, die Schnauze kurz, die Nase eingedrückt und deshalb häßlich, oder aber gespalten, so daß jedes Nasenloch fast für sich besonders zu liegen scheint; die Schneidezähne stehen oft unregelmäßig, z. B. einige hinter den anderen; die Spitze der Unterkinnlade tritt vor die der Oberkinnlade; Eck- und Backenzähne sind gewaltig; die großen Augen haben einen düsteren Ausdruck.

 

Der Bulldogg oder Boxer ( Canis familiaris molossus gladiator) wird zumal in England häufig gehalten. Man sieht ihn, mehr noch als den Bullenbeißer, für ein wüthendes, unzugängliches und stumpfsinniges Thier an, darf ihm diese Eigenschaften jedoch nur in beschränkter Weise zuschreiben. Seinem Herrn gegenüber zeigt der Bulldogg Treue und Anhänglichkeit; doch muß er denselben vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß dessen geistige Kraft seine leibliche unter allen Umständen unterjochen kann; denn sonst glaubt das Thier nicht selten, das auch an den Menschen versuchen zu dürfen, was es an allen Thieren sich zu Schulden kommen läßt. Ungemein bissig und herrschsüchtig, bekundet der Bulldogg eine wahre Freude, ein anderes Thier todtzubeißen. Dabei muß man rühmend anerkennen, daß sein Muth noch größer ist als seine wirklich furchtbare Stärke. Er wagt sich an jedes Thier, selbst an das gefährlichste: ein wüthender Ochse, ein hungeriger, gefährlicher Wolf, ein Löwe erscheinen einem Bulldogg noch keineswegs als unüberwindliche Gegner: er versucht wenigstens, auf irgendwelche Art ihrer Meister zu werden. Lenz erzählt mehrere Thatsachen, von denen ich nur die eine anführen will. »Im Jahre 1850 sah ich in Gotha eine Menagerie, bei der sich ein großer schöner Wolf befand. Am folgenden Tage zwängte sich der Wolf aus seinem Käfige und verbreitete unter den vielen Zuschauern großen Schrecken. Ein Bulldogg des Menageriebesitzers, welcher ruhig in einer Ecke gelegen, hatte alles beobachtet, sprang plötzlich aus eigenem Antriebe hervor und verbiß sich fest in die Kehle des Wolfes. So gewann der Mann Zeit, aus einem vom Zelte geschnittenen Stricke eine Schlinge zu fertigen, die er dann dem Wolf über den Kopf warf. Hund und Mann schafften nun gemeinschaftlich den Wolf nach dem Käfige hin; dort kam er aber todt an, die Dogge hatte ihn in ihrem Diensteifer erwürgt.«

Was der Boxer einmal gefaßt hat, läßt er so leicht nicht wieder los. Man kann ihn in einen Stock oder in ein Tuch beißen lassen und an diesem Gegenstände in die Höhe heben, auf den Rücken werfen und andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß er sein Gebiß öffnet.

Von der Mordlust des Thieres erzählt Lenz Folgendes: »Ich bekam ein erwachsenes Bulldoggweibchen kleinster Sorte, welches ein Fuhrmann von Köln mitgebracht, das vor Hunger ganz elend aussah und nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Ich bewillkommnete die am ganzen Leibe zitternde Jammergestalt und sprach ihr Trost zu, den sie auch, da er von gutem Futter begleitet war, ohne Bedenken annahm. Dann wollte ich sie in einem Stalle unterbringen, wobei ich mit ihr durch einen Raum mußte, in welchem ich eine Menge Kaninchen hielt. Sobald ich hineintrat, sprang die Bestie augenblicklich mit der Wuth eines Tigers auf ein großes Kaninchen und hatte es im Nu im Rachen. Im nächsten Augenblicke hatte ich das Ungeheuerchen mit der rechten Hand beim Kragen und in der Luft; mit der linken riß ich am Kaninchen, konnte es aber nur in Fetzen aus dem festgeschlossenen Maule zerren. Erst gab ich nun der schwebenden Sünderin einige tüchtige Ohrfeigen, die sie annahm, als ob sie gar nichts davon merkte, alsdann warf ich die bewußten Fetzen zur Thüre hinaus und setzte mein Bulldöggchen, umsomehr an Reue und Besserung glaubend, weil es wieder zu zittern und zu beben begann, zur Erde. Sowie es diese berührte, that es zwei Sätze und hatte wieder ein Kaninchen im Maule, dessen Knochen ich brechen hörte. Ich nahm sogleich die rückfällige Sünderin wieder beim Genicke, riß ihr die Beute weg, theilte einige Ohrfeigen aus und sorgte nun dafür, daß der Kaninchenstall verschlossen blieb. Meinem Geflügel that sie glücklicherweise nichts, und Katzen, gegen die sie, wie ich später sah, sehr feindlich gesinnt war, hatte ich damals nicht. Mit mir vertrug sie sich übrigens vortrefflich, sah bald bei gutem Futter ganz behäbig aus und zog mit mir zu Bekannten und Verwandten auf Rattenfang. In diesem Geschäfte zeigte sie einen wüthenden Eifer, wie z. B. aus folgender Thatsache zu ersehen: Ich hatte ein großes, tiefes Faß mit Falldeckel aufgestellt und bald war eine gewaltige Ratte darin. Das Faß brachte ich auf einen freien Platz; es sammelte sich ein Kreis von Zuschauern, und ich holte eilig meinen Hund. Diesen mußte ein Zuschauer beim Halsbande fassen. Indeß ging ich ans Faß, nahm leise den Deckel ab, warf ihn weg und wollte es nun so senken, daß die Ratte plötzlich zur Freude der Umstehenden hervorspringen sollte. Sowie ich aber das Faß zu senken begann, hatte der Hund den Braten gemerkt, sich losgerissen, sauste an meinem Kopfe vorbei, hoch empor und hinab ins Faß, tumultuirte dort eine Zeitlang mit der zwischen seinen Beinen herumrasenden Ratte und erlegte sie, während eine Menge Köpfe herbeigeeilt waren und verwundert in den Abgrund des Fasses schauten.

»Noch gröber triebens zwei große Bulldoggs, welche einem meiner ehemaligen Schüler, als er preußischer Reiteroffizier war, von einem Freunde als Geschenk zugesandt wurden. Sie langten zusammengekoppelt an und waren von einem Steckbriefe begleitet, welcher besagte, »ihr bisheriger Herr könne sie nicht zum Guten bringen und wolle sie los sein«. Der Offizier wollte die wüthend aussehenden Bestien auch nicht haben, stieg gleich am anderen Morgen zu Pferde und ließ die Hunde frei umherlaufen, um sie einem entfernt wohnenden Gutsbesitzer anzubieten. Unterwegs begegnete der Zug einer Schweineherde. Die Hunde fielen über diese her, wollten ein Stück erwürgen, aber die Leute sprangen zu, schlugen den einen todt, den anderen halbtodt. Der Offizier verweilte einige Zeit, verhandelte mit den Leuten über den angerichteten Schaden, ritt dann weiter und freute sich, seine scheußlichen Begleiter los zu sein. Indeß war der Halbtodte wieder auf die Beine gekommen, fühlte sich an dem Orte, wo er die Niederlage erlitten, nicht ganz sicher und zog seinem Herrn nach. Dieser ritt aus Mitleid langsam. Dem Hunde wurde es dennoch schwer, mitzukommen; er legte sich daher quer vor das Pferd, um es zum Stehen zu bringen. Der Herr ritt um ihn herum und langsam weiter. Das wiederholte sich einige Male. Endlich bekams der Hund satt, sprang, wie das Pferd um ihn herum wollte, an dessen Schnauze und biß sich da fest ein. Der Herr zog eine Pistole und schoß ihn todt.«

Die Eigenschaften der Doggen waren schon den Römern bekannt und sie deshalb außerordentlich geschätzt, weil sie sich mehr als alle übrigen Hunde eigneten, eine Hauptrolle in den blutigen Spielen des Cirkus zu übernehmen. Nachdem England römische Provinz geworden war, gab es daselbst besondere Beamte, denen die Erziehung und Auswahl der nach Rom zu sendenden Doggen oblag. Dort kämpften letztere zur Freude des Volks mit zahlreichen wilden Thieren, und diese römische Belustigung erbte sich auch auf spätere Zeiten fort, indem in England noch zu Zeiten Elisabeths und Jacobs I. große Thierkämpfe angestellt wurden. Stow schildert ein Gefecht, welches drei Doggen einem Löwen lieferten. Der erste Hund wurde sogleich am Nacken gepackt und herumgeschleppt; dem zweiten ergings nicht besser; der dritte aber erfaßte den König der Thiere an der Lippe, hielt ihn fest, bis er durch Krallenhiebe abzulassen genöthigt wurde, überlebte auch, obgleich schwer verwundet, allein den Sieg über den Gegner, welcher, sobald er sich frei fühlte, erschöpft und zu fernerem Kampfe ungeneigt, über die Hunde wegsprang und in dem geeignetsten Winkel seines Käfigs Schutz suchte.

Nicht alle Doggen sind angenehme Gefährten des Menschen. Man kennt Beispiele, daß sie ihren eigenen Herrn in Belagerungszustand erklärten und ihn nicht von der Stelle ließen. Eine Geschichte, welche erzählt wird, ist ergötzlich. Ein einsam wohnender Junggesell hatte eine große Bulldogge gekauft und brachte sie hoch erfreut mit Hülfe ihres früheren Besitzers auf sein Zimmer. Am anderen Morgen will er sich aus dem Bette erheben, in demselben Augenblicke aber springt die Dogge auf ihn zu, stemmt trotzig beide Füße gegen das Bett und droht ihm mit ihrem furchtbaren Gebisse so verständlich, daß er augenblicklich einsieht, nur die größte Ruhe könne ihn vor dem Viehe schützen. So oft er den Versuch erneuert, sich anzukleiden, wiederholt sich dieselbe Geschichte, und so ist er gezwungen, ruhig liegen zu bleiben. Nun will aber der Zufall, daß ihn gerade an diesem Tage Niemand besucht, und er hat das Vergnügen, seinem schönen Hunde zu Liebe den ganzen Tag hungernd und durstend im Bette zu verweilen. Der frühere Herr errettet ihn endlich von dem ungeschlachten und gefährlichen Thiere.

Man begreift, weshalb die Bulldoggen gegenwärtig wenig gehalten werden. So geistesarm, als man gewöhnlich glaubt, sind sie nicht; es gibt im Gegentheile einzelne, welche an Verstand fast mit dem Pudel wetteifern. Ich kannte einen solchen Hund, welcher durch seine Verständigkeit viel Vergnügen bereitete. Er war auf alles mögliche abgerichtet und verstand, sozusagen, jedes Wort. Sein Herr konnte ihn nach mancherlei Dingen aussenden, er brachte sie gewiß. Sagte er: »geh, hole eine Kutsche!« so lief er auf den Warteplatz der Lohnfuhrwerke, sprang in einen Wagen hinein und bellte so lange, bis der Kutscher Anstalt machte fortzufahren; fuhr er nicht richtig, so begann der Hund von neuem zu bellen, lief auch wohl vor dem Wagen her bis vor die Thüre seines Herrn. Derselbe Hund trank bayerisches Bier leidenschaftlich gern und unterschied es von anderen Biersorten mit untrüglicher Sicherheit. Hatte er nun eine gehörige Menge zu sich genommen, so wurde er betrunken und ergötzte Jedermann durch tolle Streiche aller Art. Ein anderer Boxer, welchen ich neuerdings kennen lernte, ist nicht allein der Liebling seines Herrn, sondern auch das Schoßthier der Herrin, welcher er mit unwandelbarer Treue anhängt, und ebenso ein geliebter und liebender Freund der Pferde seines Gebieters. Scheinbar unerschütterlich ernst, liebt er doch Spiel und Scherz außerordentlich, geht auf Neckereien harmlos ein und wird nur durch die Plumpheit seiner Späße zuweilen beschwerlich. Er bewacht das ihm anvertraute Gut mit Eifer und Gewissenhaftigkeit, geht bei Tage ungemein gern mit dem Herrn aus, läßt sich des Nachts aber unter keiner Bedingung von seinem Posten, als Beschützer der Herrin, weglocken, ist kleiner Kinder zärtlicher Spielkamerad, trägt auf Befehl dem befreundeten Pferde Zwieback oder Zucker zu und bekundet überhaupt eine Menge guter Eigenschaften. Hieraus geht für mich unwiderlegbar hervor, daß das Wesen auch dieses so ingrimmig erscheinenden Hundes ein gutartiges und daß es die Erziehung ist, welche ihn zu einem vortrefflichen wie zu einem gefährlichen Genossen des Menschen machen kann.

Zu den Doggen gehört das Zerrbild der Hunde, wenn ich so sagen kann, der Mops ( Canis familiaris molossus fricator), eigentlich ein Bullenbeißer im kleinen, mit ganz eigenthümlich abgestumpfter Schnauze und schraubenförmig gerolltem Schwanze. Sein gedrungener kräftiger Bau und das mißtrauische, mürrische Wesen macht ihn den Bulldoggen außerordentlich ähnlich.

Mops ( Canis familiaris molossus fricator).

Früher sehr verbreitet, ist der Mops gegenwärtig fast ausgestorben, zum Beweise dafür, daß Rassen entstehen und vergehen. Heutzutage soll das Thier besonders in Rußland noch in ziemlicher Anzahl vorkommen; in Deutschland wird es nur hier und da gezüchtet und dürfte schwerlich wieder zu allgemeinem Ansehen gelangen; denn auch hinsichtlich dieses Hundes hat sich der Geschmack gebessert. Der Mops war der echte Altejungferhund und ein treues Spiegelbild solcher Frauenzimmer, bei denen die Bezeichnung »Alte Jungfer« als Schmähwort gilt, launenhaft, unartig, verzärtelt und verhätschelt im höchsten Grade, jedem vernünftigen Menschen ein Greuel. Die Welt wird also nichts verlieren, wenn dieses abscheuliche Thier sammt seiner Nachkommenschaft den Weg alles Fleisches geht.

 

Eine große Bullenbeißerrasse benutzte man in früheren Zeiten in der scheußlichsten Weise. Man richtete sie ab, Menschen einzufangen, niederzuwerfen oder sogar umzubringen. Schon bei der Eroberung von Mejiko wandten die Spanier derartige Hunde gegen die Indianer an, und einer derselben, Namens Bezerillo, ist berühmt oder berüchtigt geworden. Ob er zu der eigentlichen Cubadogge gehört hat, welche man als einen Bastard von Bullenbeißer und Bluthund ansieht, ist nicht mehr zu bestimmen. Er wird beschrieben als mittelgroß, von Farbe roth, nur um die Schnauze bis zu den Augen schwarz. Seine Kühnheit und Klugheit waren gleich außerordentlich. Er genoß unter allen Hunden einen hohen Rang und erhielt doppelt soviel Fressen als die übrigen. Beim Angriffe pflegte er sich in die dichtesten Haufen der Indianer zu stürzen, diese beim Arme zu fassen und sie so gefangen wegzuführen. Gehorchten sie, so that der Hund ihnen weiter nichts, weigerten sie sich aber, mit ihm zu gehen, so riß er sie augenblicklich zu Boden und erwürgte sie. Indianer, welche sich unterworfen hatten, wußte er genau von den Feinden zu unterscheiden und berührte sie nie. So grausam und wüthend er auch war, bisweilen zeigte er sich doch viel menschlicher als seine Herren. Eines Morgens, so wird erzählt, wollte sich der Hauptmann Jago de Senadza den grausamen Spaß machen, von Bezerillo eine alte, gefangene Indianerin zerreißen zu lassen. Er gab ihr ein Stückchen Papier mit dem Auftrage, den Brief zu dem Statthalter der Insel zu tragen, in der Voraussetzung, daß der Hund, welcher nach dem Abgehen der Alten gleich losgelassen werden sollte, die alte Frau ergreifen und zerreißen werde. Als die arme, schwache Indianerin den wüthenden Hund auf sich losstürzen sah, setzte sie sich schreckerfüllt auf die Erde und bat ihn mit rührenden Worten, ihrer zu schonen. Dabei zeigte sie ihm das Papier vor und versicherte ihm, daß sie es zum Befehlshaber bringen und ihren Auftrag erfüllen müßte. Der wüthende Hund stutzte bei diesen Worten, und nach kurzer Ueberlegung näherte er sich liebkosend der Alten. Dieses Ereignis erfüllte die Spanier mit Erstaunen und erschien ihnen als übernatürlich und geheimnisvoll. Wahrscheinlich deshalb wurde auch die alte Indianerin von dem Statthalter freigelassen. Bezerillo endete sein Leben in einem Gefechte gegen die Karaiben, welche ihn durch einen vergifteten Pfeil erlegten. Daß solche Hunde von den unglücklichen Indianern als vierbeinige Gehülfen der zweibeinigen Teufel erscheinen mußten, ist leicht zu begreifen.

Zur Schande der Neuzeit benutzte man noch im Jahre 1798 diese Hunde zu gleichen Zwecken, und zwar waren es nicht die Spanier, sondern – die Engländet, welche die Menschenjagd vermittels der Hunde betrieben. In englischen Naturgeschichten findet man freilich den Bluthund von Cuba kaum erwähnt: das großprahlerische Volk schämt sich, seine eigenen schmachvollen Sünden zu bekennen. Dennoch ist es nur zu wahr, daß auch die Engländer, welche gegenwärtig vorgeben, die Sklaverei zu bekämpfen, ihre eifrigsten Anhänger waren. Die Maronneger aus Jamaica hatten sich empört und waren mit gewöhnlichen Waffen nicht zu besiegen; der Aufstand wurde immer drohender und der Krämergeist zagte: da ließ die englische Regierung aus Cuba Negerjäger mit ihren Hunden kommen. Schon die Ankunft derselben genügte, um die gegenüber jeder anderen Bekämpfung furchtlosen Neger zur Unterwerfung zu veranlassen!

In Cuba gebraucht man die fürchterlichen Thiere heute noch ebensowohl zur Verfolgung entlaufener Neger oder Räuber und Verbrecher wie zur Bewältigung wilder Ochsen und als Hatzhunde bei Stiergefechten. Man wendet auf die Erhaltung der reinen Rasse viel Aufmerksamkeit und bezahlt besonders tüchtige mit außerordentlich hohem Preise. Ihre Farbe ist gelblichbraun, schwärzlich um die Schnauze.

Eine andere den Römern ebenfalls schon bekannte Dogge ist die von Tibet ( Canis familiaris molossus tibetanus), ein herrliches, schönes und großes Thier von wahrhaft ehrfurchteinflößendem Aeußeren. Der Leib und alle seine Glieder sind stark und kräftig; der Schwanz, welcher gewöhnlich aufwärts getragen wird, ist buschig; die Ohren hängen herab; die Lefzen schließen vorn den Mund nicht, hängen aber zu beiden Seiten der Schnauze tief herunter. Eine am Außenwinkel des Maules entspringende, bis zur Schnauze reichende Hautfalte, welche mit einer anderen in Verbindung steht, die über die Brauen schief herabhängt, verleihen dem Gesichte ein furchterweckendes Ansehen.

Tibetdogge (Canis familiaris molossus tibetanus).

Die Griechen und Römer geben eine genaue Beschreibung von diesem Hunde und sprechen mit Bewunderung von seinen Leistungen gegen Auerochsen, wilde Eber und selbst Löwen. Neuere Nachrichten erhielt man in den letztvergangenen Jahrzehnten, und erst vor kurzem gelangte eine Tibetdogge lebend nach England. Man sieht aus der ganzen Gestalt, daß diese Dogge der Riese unter allen Hunden ist und sich gleichwohl durch ebenso große Schönheit der Gestalt wie der Färbung auszeichnet. Letztere ist zum größten Theile schwarz, die Schnauze und die Brauengegend gelblich, die Behaarung lang und rauh.

In seiner Heimat gilt dieses prächtige Thier für ebenso brauchbar als lenksam; man findet ihn deshalb in allen Gebirgsdörfern Tibets und zwar ebensowohl als Wächter des Hauses wie der Herden. Es geschieht sehr oft, daß ein tibetanisches Dorf ganz allein der Wachsamkeit dieser Hunde überlassen wird, während die sämmtliche männliche Bevölkerung entweder draußen bei den Herden in den Feldern oder auf der Jagd sich befindet. Dann dienen die Hunde zum Schutze der Frauen und Kinder und gewähren beiden eine vollkommene Sicherheit. Neuere Berichterstatter behaupten, daß der Muth des Thieres nicht im Verhältnisse mit seiner Kraft stünde, andere sagen, daß er als verständiges Thier bloß wirklich furchtbare Feinde mit voller Kraft anfalle.

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Eine von den Doggen sehr verschiedene Gruppe ist die der Dächsel ( Canis familiaris vertagus). Sie zählen jedenfalls zu den eigenthümlichsten und merkwürdigsten aller Hunde. Der lange, walzenförmige, nach unten gekrümmte Leib mit dem eingebogenen Rücken, welcher auf kurzen, verdrehten Ständern ruht, der große Kopf und die große Schnauze mit dem tüchtigen Gebisse, die hängenden Ohren, die großen Pranken mit den scharfen Krallen und das kurze, glatte, straffe Haar kennzeichnen sie. Die Beine sind sehr kurz, plump und stark; die Handgelenke der vorderen nach einwärts gebogen, so daß sich beide fast berühren, von da an aber plötzlich wieder nach auswärts gekrümmt; an den Hinterpfoten bemerkt man eine etwas höher gestellte, gekrallte Afterzehe. Der Schwanz ist an der Wurzel dick, gegen das Ende zu verschmälert, reicht ziemlich bis an das Fersengelenk hinab und wird hoch nach aufwärts gerichtet und stark nach einwärts gebeugt, selten gerade ausgestreckt getragen. Die kurze Behaarung ist grob, aber glatt und von ziemlich wechselnder Färbung, oben gewöhnlich schwarz oder braun, unten rostroth, nicht selten auch einfarbig braun oder gelblich, ja selbst grau oder gefleckt. In der Regel finden sich ein Paar hellrostrothe Flecken über beiden Augen; doch kommen solche auch bei anderen Hunden vielfach vor.

Dächsel (Canis familiaris vertagus).

Man ist darüber vollkommen im Unklaren, woher der Dachshund stammt, obgleich man ziemlich allgemein annimmt, daß seine ursprüngliche Heimat in Spanien gesucht werden müsse. Hiermit stimmt freilich die Thatsache, daß man gegenwärtig in Spanien keine Dachshunde mehr findet, schlecht überein. »Die von einem meiner Bekannten hier eingeführten Dächsel«, schreibt mir mein Bruder, »gingen bei bester Pflege binnen zwei oder drei Jahren zu Grunde, trotzdem sie anfänglich sich sehr wohl zu befinden schienen und auch sich fortpflanzten. Einen ersichtlichen Grund für solche Hinfälligkeit vermochte man bisher nicht zu finden.« Im Verhältnisse zu seiner geringen Größe ist der Dachshund ein außerordentlich starkes Thier, und hiermit steht sein großer Muth im besten Einklange. Aufs Jagen erpicht, wie kaum ein anderer Hund, würde er zur Verfolgung jedes Wildes verwendet werden können, besäße er nicht die Unarten, auf seinen Herrn wenig oder nicht zu achten und das Erjagte gewöhnlich anzuschneiden. Alle Dächsel haben eine sehr feine Spürnase und ein außerordentlich feines Gehör, Muth und Verstand im hohen Grade, Tapferkeit und Ausdauer und können daher zu jeder Jagd gebraucht werden, gehen selbst auf Schweine tolldreist los und wissen sich auch prächtig vor dem wüthenden Eber zu schützen, welcher sie ihres niederen Baues halber ohnehin nicht so leicht fassen kann wie einen größeren Hund. Sie sind klug, gelehrig, treu, munter und angenehm, wachsam und von Fremden schwer zu Freunden zu gewinnen, leider aber auch listig und diebisch, im Alter ernst, mürrisch, bissig und oft tückisch: sie knurren und fletschen die Zähne sogar gegen ihren eigenen Herrn. Gegen andere Hunde äußerst zänkisch und kampflustig, streiten sie fast mit jedem, welcher sich ihnen naht, selbst mit den größten Hunden, welche ihnen eine offenbare Niederlage in Aussicht stellen. Bei solchen Beißereien mit großen Hunden bekunden sie eine wahrhaft niederträchtige List; denn sobald der Gegner es versucht, sich zu vertheidigen, werfen sie sich auf den Rücken und versuchen ihn in die empfindlichsten Theile des Unterleibes zu beißen, um ihn hierdurch zu verscheuchen oder zu zwingen, von fernerem Kampfe abzustehen.

Bei der Jagd hat man seine liebe Noth mit ihnen. Der Dächsel nimmt die Verfolgung des Wildes mit einer unglaublichen Gier auf und begibt sich mit Hast in die ärgsten Dickichte, sie mögen aus einer Baumart bestehen, aus welcher sie wollen; er findet, Dank seiner vortrefflichen Sinne, auch bald ein Wild auf: nun aber vergißt er alles. Er mag früher wegen seines Ungehorsams soviel Prügel bekommen haben, als er nur will, – ganz gleichviel; der Jäger mag pfeifen, rufen, nach ihm suchen, – hilft alles nichts: solange er das Wild vor Augen hat oder dessen Fährte verfolgt, geht er seinen eigenen Weg mit einer Willkür, welche bei Hunden geradezu beispiellos ist. Stundenlang folgt er dem ausgescheuchten Hasen, stundenlang scharrt und gräbt er an einem Bau, in welchen sich ein Kaninchen geflüchtet hat; unermüdlich jagt er hinter dem Reh drein und vergißt dabei vollständig Raum und Zeit. Ermüdet er, so legt er sich hin, ruht aus und setzt dann seine Jagd fort. Erwischt er ein Wild, z. B. ein Kaninchen, so schneidet er es an und frißt im günstigsten Falle die Eingeweide, wenn er aber sehr hungerig ist, das ganze Thier auf. Er weiß, daß er dafür bestraft werden wird, er versteht genau, daß er Unrecht thut; doch das ist ihm gleichgültig: die Jagdbegierde überwindet alle Furcht vor Strafe, alle besseren Gefühle.

Aus diesen Gründen ist der Dachshund gewöhnlich nur zu einer Jagdweise zu gebrauchen: unterirdisch wohnende Thiere aus ihren Wohnungen zu treiben. Schon sein niederer Bau, die krummgebogenen Beine und die kräftigen Pranken mit den scharfen Zehen deuten darauf hin, daß er zum Graben und zum Befahren von Bauen unter Grund außerordentlich geeignet ist, und sein Muth, seine Stärke und seine Ausdauer sichern ihm bei solchen Jagden den besten Erfolg. Dächsel mit sehr gekrümmten Beinen haben geringeren Werth als solche mit mehr geraden Läufen. Sie sind unfähig, sehr zu laufen, oder ermüden wenigstens eher; die Jäger haben sie aber doch gern, wahrscheinlich, weil sie das Gepräge des Dachshundes am besten ausdrücken.

Einer Abrichtung bedarf der Dachshund nicht. Man sucht sich Junge von einer recht guten Alten zu verschaffen und hält sie im Sommer in einem freien Zwinger, im Winter in einem warmen Stalle, vermeidet auch alles, was sie einschüchtern könnte; denn der ihnen angeborene Muth muß unter allen Umständen gestählt oder wenigstens erhalten werden. »Für den Hauptzweck«, sagt Lenz, »zum Eindringen in Dachs- und Fuchsbaue, verwendet man den Dachshund nicht eher, als bis er ein Jahr alt ist. Das erste Mal führt man ihn an der Leine oder trägt ihn in einem Korbe im Mai an einen Fuchsbau, worin Junge sind, läßt einen guten alten Hund vorweg hinein und einen Jungen unter dem Zurufe: »faß das Füchschen« hinterdrein. Weigert er sich, darf man ihn nicht zwingen wollen; man nimmt ihn auf, macht einen Einschlag über dem Fuchsbau bis zu den jungen Füchsen und läßt ihn hinab, um sie zu erwürgen. Dies wiederholt man einige Male und braucht ihn erst dann allein. So oft er dabei aus dem Baue kommt, um nach seinem Herrn zu sehen, wird er schnell ein wenig aufgenommen. Dies macht ihn um so begieriger, wieder hineinzukriechen. Erst nach langer Zeit bringt man ihn an den alten Fuchs. In dem Baue muß der gute Dachshund den Fuchs in den Kessel treiben und dann in geringer Entfernung solange vor ihm liegen und laut sein, bis vor ihm eingeschlagen ist. Kann er den Fuchs nicht aus dem Kessel treiben, so muß er ihn aus dem Baue herausbeißen.

»Ich jagte sonst öfters mit zwei Dachshündchen, welche so klein waren, daß sie bequem neben einander in die Röhre des Fuchsbaues gingen. Sie waren aber so scharf, daß sie jeden Fuchs unbarmherzig austrieben. Einst brachten sie aus einem Loche, welches von dichtem Gebüsche umgeben war, einen hervor. Der Fuchs kam so vor mich zu stehen, daß die Mündung meiner Flinte nahe über seinem Kopfe war, konnte aber, von hinten durch die wüthenden Zwerge bedrängt, nicht rückwärts. Er hielt inne und sah mich starr an. Ich konnte mich nicht gleich entschließen, abzudrücken, sondern beobachtete ihn erst ungefähr anderthalb Minuten lang, wobei seine Blicke jeden Biß verriethen, den ihm die Hunde von hinten gaben. Endlich drückte ich ab und zerschmetterte ihm den Kopf. Ein andermal trieben dieselben Hündchen einen Fuchs heraus; der eine hatte sich so fest in den Schenkel gebissen, daß ihn der Fuchs eine Strecke und zwar so weit mit sich fortschleppte, bis er geschossen wurde.«

Vom Dachse oder Fuchse wird unser Hund oft sehr heftig gebissen; dies behelligt ihn aber gar nicht: er ist viel zu muthig, als daß er dergleichen ruhmvolle, im Kampfe erworbene Wunden beachten sollte, und brennt nachher nur um so eifriger auf die Verfolgung der ihm unausstehlichen Geschöpfe. Man muß es selbst mit angesehen haben, mit welcher Begierde er solche unterirdische Jagd betreibt, um den, trotz mancher ärgerlichen Eigenschaften liebenswürdigen Gesellen vom Herzen zugethan zu werden. Welche Ungeduld, wenn er nicht sogleich einschlüpfen darf, welcher Jammer, wenn er sehen muß, daß ein anderer seinesgleichen ihm bevorzugt und in den Bau gelassen wird! Am ganzen Leibe zitternd vor Jagdbegier, winzelt er kläglich aber leise, verhalten, verschwendet er an jeden ihm sich nähernden Jäger bittende Blicke und Zärtlichkeiten, um den gestrengen Gebieter zu erweichen, daß er ihm gestatte, wenigstens nachzusehen, ob der gehaßte Feind in seinem Daheim anwesend ist oder nicht. Wie will er ihn zwicken und beißen, wie unwiderstehlich auf den Leib rücken, wie fest ihn belagern, wie sicher ihn austreiben! Endlich am Ziele seiner heißen Wünsche, leckt er noch im Fluge dankbar die Hand des ihm Gewährenden, kriecht eilig in den Bau, und arbeitet mit Bellen und Kratzen, daß ihm der Athem zu vergehen droht. Das glatte schöne Fell bestäubt und eingesandet, Augen, Nasenlöcher und Lippen mit Schmutzrändern umgeben, die Zunge dürr und schlaff, erscheint er vor dem Baue, um frische Luft zu schöpfen: aber nur auf Augenblicke; denn flugs geht es von neuem in die Röhre, und dumpfer und dumpfer dringt sein lebendiges »Hau, Hau« bis zum Eingänge herauf. Hat er sich endlich bis zu dem zu Bau gefahrenen Dachse oder Fuchse durchgearbeitet, so gibt es für beide kaum noch Verteidigung. Ob auch der erste mit Gebiß und Pranke drohe, ob er sich zu verklüften suche, ob der letztere zum Kampfe sich stelle: solch ungestümen Anprall, solcher zähen Beharrlichkeit, solchem Kampfesmuthe widersteht auf die Länge weder Grimbart noch Reineke. Heraus an das Tageslicht müssen sie beide.

Nicht minder eifrig betreibt der Dachshund seine Jagd im Freien. Mit Weidmannslust gedenke ich wiederholter Jagden in den hessischen Bergen, welche nicht allein durch liebe und kundige Freunde verschönt und durchgeistigt, sondern auch durch diese Hunde zu besonders reizvollen wurden. Wie prachtvoll sind die Buchenwaldungen mit ihrem herbstlich gefärbten Gelaube an stillen Oktobertagen, wie fesselnd die Jagden trotz aller Wildarmuth der Gegend! Um eines elenden Lampe willen – wie laut werden die Wälder! Klangvoll ertönt das Geläut der jagenden Dachsmeute, bald sich nähernd, bald wieder entfernend, bald verstummend, bald von neuem aufjauchzend, je nachdem der bedrohte Hase, der schlaue Fuchs, das unwillig vor den kleinen Quälgeistern flüchtende Reh sich wendet und kehrt. Mit gespanntester Aufmerksamkeit lauscht man auf den Gang des Treibens, auf den ersten Schuß; mit wahrem Vergnügen folgt man mit Ohr und Auge den wackeren krummbeinigen Gehülfen, welche jeden Busch, jede Hecke durchstöbern und zehnmal eine Strecke durchsuchen, um ja nichts zu übersehen. Und wenn die Dächsel vollends, wie hier die Regel, nach beendetem Treiben zu ihren Führern zurückkehren und sich fesseln lassen, vergibt man ihnen gern alle Unarten, das Anschneiden des von ihnen abgefangenen, verwundeten oder aufgefundenen verendeten Wildes, das wüthende Zerzausen des werthvollen Fuchspelzes, das streckenweise Ueberjagen, ihre Streitlust, Zanksucht, ihre Misgunst und ihren Neid auf andere Hunde und sonstige unliebsame Eigenschaften mehr. Beruhen diese ja doch zum größten Theile auf unbändigem Jagdeifer, kaum oder nicht zu zügelnder Weidlust.

Wie neidisch Dachshunde sein können, erfuhr ich an einem, welchen mein Vater besaß. Der Hund war ein abgesagter Feind aller übrigen Geschöpfe, welche sich auf unserem Hofe befanden. Er lebte mit keinem Thiere in Frieden, und am meisten stritt er sich mit einem Pintscher herum, dessen erbärmliche Feigheit ihm freilich regelmäßig den Sieg sicherte. Nur wenn sich beide Hunde in einander verbissen hatten, hielt auch der Pintscher ihm Stand, und dann kam es vor, daß sie, förmlich zu einem Knäuel geballt, nicht bloß über die Treppen, sondern auch von da über eine Mauer hinabrollten, sich über die Gartenbeete fortwälzten und nun in Burzelbäumen den ganzen Berg hinunterkollerten, aber doch ihren Kampf nicht eher einstellten, als bis sie im günstigeren Falle von dem Zaune aufgehalten, im ungünstigeren Falle aber durch das Wasser des Baches, in welchen sie oft mit einander fielen, abgekühlt wurden. Dieser Todfeind sollte einmal die Arznei für den erkrankten Dächsel werden. Letzterer lag elend da und hatte schon seit Tagen jede Nahrung verschmäht. Vergeblich waren die bisher angewandten Hausmittel geblieben: der Hund näherte sich, so schien es, schnell seinem Ende. Im Hause herrschte, trotz des Gedenkens an seine vielen unliebenswürdigen Eigenschaften, tiefe Betrübnis, und namentlich meine Mutter sah seinem Hinscheiden mit Kummer entgegen. Endlich kam sie auf den Gedanken, noch einen Versuch zu machen. Sie brachte einen Teller voll des leckersten Fressens vor das Lager des Kranken. Er erhob sich, sah mit Wehmuth auf die saftigen Hühnerknochen, auf die Fleischstückchen: aber er war zu schwach, zu krank, als daß er sie hätte fressen können. Da brachte meine Mutter den anderen Hund herbei und gebot diesem, den Teller zu leeren. Augenblicklich erhob sich der Kranke, wankte taumelnd hin und her, richtete sich fester und gerader auf, bekam gleichsam neues Leben und – stürzte sich wie unsinnig auf den Pintscher los, knurrte, bellte, schäumte vor Wuth, biß sich in seinem Feinde fest, wurde von dem tüchtig abgeschüttelt, blutig gebissen und jedenfalls so erregt, erzürnt und erschüttert, daß er anfangs zwar wie todt zusammenbrach, allein von Stunde an sich besserte, und nach kurzer Zeit von seinem Fieber genas.

 

In Frankreich und Großbritannien züchtet man den Spießhund, Turnspit der Engländer ( Canis familiaris vertagus rectipes ), welcher sich von den bei uns gewöhnlichen Rassen hauptsächlich durch seine stämmigere Gestalt, den größeren Kopf, die kürzere Schnauze, die geraden Vorderbeine und den längeren und dünneren Schwanz unterscheidet. In Sein und Wesen ist er ein echter Dächsel: eifrig, lebhaft, heftig, streitsüchtig wie seine Verwandten. Man verwendet ihn seltener zur Jagd, als zur Bewachung von Haus und Hof und zum Drehen des Bratspießes. Zu diesem Behufe sperrt man ihn in eine als Drehrad dienende Trommel und läßt ihn hier arbeiten. In Gast- und Speisehäusern französischer Städte sieht man ihn oft bei seiner Arbeit. Er unterzieht sich dieser ohne Murren, wenn die Reihe an ihm ist, läßt sich aber weder durch aufmunternde Worte noch durch Strafe bewegen, länger als eine bestimmte, ihm zur Gewohnheit gewordene Zeit zu arbeiten.

 

Der Otterhund endlich, nach der Insel Skye Skye-terrier genannt ( Canis familiaris vertagus scoticus), nach Ansicht Einiger eine Kreuzungsform zwischen Spießhund und Zottelpintscher, steht dem letzteren näher als ersterem, ist kräftig gebaut, hat langen Kopf mit spitziger Schnauze und langen, hängenden Ohren, gestreckten Leib, gerade Beine und mittellanges, struppiges Fell von verschiedener Färbung.

Gegenwärtig benutzt man ihn hauptsächlich zu der Jagd, von welcher sein Name herrührt; früher wurde er auch wohl zur Hasenjagd gebraucht, und heißt deshalb noch heutzutage Welsh Harrier. Der Otterhund ist ein kühnes, muthiges, lebendiges Thier, und nur ein solcher ist zur Otterjagd zu gebrauchen. Bei der Verfolgung des Fischotters muß der Hund oft im Wasser jagen und deshalb im Schwimmen und Tauchen Meister sein; seinen Muth hat er von Nöthen, denn sein Gegner versteht sein scharfes und kräftiges Gebiß gehörig zu gebrauchen und bringt dem Verfolger oft schwerere Wunden bei als der Dachshund ihm. Zudem versteht es der Otter, der glatthaarigste von allen Mardern, selbst dann noch dem Hunde zu entgehen, wenn dieser ihn bereits gepackt hat. Aber der vortreffliche Hund ist mit allen Eigenschaften ausgerüstet, welche ihm einen glücklichen Erfolg sichern. Mit Ausnahme des Bullenbeißers und Bulldoggen soll es wenig Thiere geben, welche mit so hohem Muthe kämpfen wie er. Man versichert, daß ein Angriff von ihm, so klein und unbedeutend er auch scheint, gefährlicher ist als ein solcher vom Bulldoggen. Dieser läßt das, was er ergriffen hat, allerdings so leicht nicht wieder los und wird aus diesem Grunde gefährlich; der Otterhund aber beißt mindestens ebenso tief wie jener, jedoch außerordentlich oft und schnell hinter einander und soll deshalb nicht nur sehr viele, sondern auch sehr schlimme Wunden hervorbringen.

Der Otterhund kann das allerschlimmste Wetter und die Veränderung der Wärme aushalten und auch in der kältesten Jahreszeit wiederholt Bäder in dem eisigen Wasser ertragen. Sein hartes, rauhes und verwirrtes Kleid, welches den Einflüssen der Kälte sehr widersteht, leistet ihm allerdings vortreffliche Dienste; die Gewöhnung thut das ihrige dazu. Namentlich auf den Felsen der Hebriden, wo die Ottern sehr häufig sind, werden diese Hunde benutzt. Die Jäger landen in Kähnen an irgend einer kleinen Insel und lassen hier ihre Hunde frei. Diese klettern überall auf und in den Felsen herum und durchstöbern jede Höhle. Sobald ein Hund einen Otter findet, jagt er ihn aus seinem Schlupfwinkel hervor und packt ihn; die anderen Hunde eilen zur Hülfe: es entsteht eine wüthende, lärmende Balgerei; der Otter wehrt sich fürchterlich, wird aber doch zuletzt von der muthigen Schar todt gebissen und dann dem Jäger überliefert. Letzterer stellt sich übrigens schon von vorn herein in der Nähe des Meeres auf, um den zum befreundeten Elemente flüchtenden Thieren den Weg abzuschneiden.

Ueber die Abstammung dieser Hunde ist man noch keineswegs im Klaren, und auch die Ansicht, daß der Otterhund Dachshund sei, bedarf noch sehr der Bestätigung. Namentlich widerspricht die ziemlich bedeutende Größe des Thieres dieser Annahme: seine Höhe vom Fuße bis zur Schulter beträgt nicht selten 60 Centim.

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Weit zahlreicher an Rassen und Formen und sorgfältiger Erziehung ungleich zugänglicher als die Dächsel, nehmen die Jagdhunde unbestreitbar den höchsten Rang unter allen Haushunden ein. Sie stehen in keiner Weise zurück hinter dem verständigen Pudel, dem zierlichen Windspiele, dem niedlichen Seidenhunde, vereinigen vielmehr aller Schönheit und Eigenheit in sich und dürfen dreist als die edelsten bezeichnet werden. An ihnen hat der Mensch sich als Schöpfer erwiesen, auf sie einen Theil seiner eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften vererbt, sie für die verschiedenartigsten Abstufungen einer und derselben Dienstleistung gestaltet und gemodelt. Schon bei uns ist die Anzahl der Rassen oder Abarten eine erhebliche; weit mehr solcher Abänderungen aber kennt man in Großbritannien, wo man von jeher sehr viel für die Zucht dieser ausgezeichneten Geschöpfe gethan hat.

So schwierig es sein mag, allgemeine Kennzeichen der verschiedenen Jagdhunde aufzustellen, läßt sich doch Folgendes sagen: Sie sind schöne, mittelgroße Hunde, mit gestrecktem, eher schwachem als kräftigem Leibe, länglichem, auf der Stirn flach gewölbtem Kopfe, nicht sehr langer, nach vorn hin verschmälerter und abgestumpfter Schnauze, großen, klugen Augen, breiten hängenden Ohren, kräftigem, aber verhältnismäßig langem Halse, breiter und voller Brust, nicht auffallend eingezogenen Weichen, mittelhohen, schlanken, jedoch nicht mageren Beinen, wohlgebildeten Füßen, deren hinteres Paar eine gekrallte Afterzehe trägt, und ziemlich langem Schwanze. Die Behaarung ist bald kurz und fein, bald lang und grob, der Schwanz entweder kurz oder langfahnig, die Färbung ungemein verschieden, eintönig oder fleckig. Ueber jedem Auge befindet sich meist ein kleiner, rundlicher, lichterer Flecken.

Alle Jagdhunde sind geborene Jäger, und wenn dies nicht der Fall, taugen sie eben nichts. Mehr als bei jedem anderen Hunde kommt es bei ihnen auf die Rasse oder Unterrasse an, und regelmäßig findet man hier, daß gute Mütter oder erprobte, geschickte Eltern auch vortreffliche Junge erzeugen. Alle sind kräftig, schnell und durch ihre ausgezeichneten Sinne, namentlich durch den überaus feinen Geruch, vor den übrigen Hunden zur Jagd befähigt. Sie besitzen ein so starkes Spürvermögen, daß sie die Fährte eines Wildes noch nach Stunden, ja sogar nach Tagen durch den Geruch wahrnehmen können. Deshalb bedient man sich ihrer zum Aufspüren und Aufsuchen des Wildes und namentlich des Haarwildes und richtet sie zu diesem Zwecke besonders ab.

Unter den verschiedenen Rassen wollen wir die bekanntesten, die Hühnerhunde, zuerst betrachten. Sie sind mittelgroß und ziemlich stark gebaut; ihre Schnauze ist lang und dick, die Nase zuweilen gespalten, das Ohr breit, lang und hängend, ein »Behang«; das Haar kurz bei den Vorstehhunden, länger bei den eigentlichen Hühnerhunden, ziemlich lang bei den sogenannten Wasserhunden; die Färbung bei uns zu Lande gewöhnlich weiß mit braunen, seltener mit schwarzen Flecken; doch gibt es auch ganz weiße, braune, schwarze oder gelbe. Die Ruthe wird gewöhnlich in der Jugend gestutzt, weil der Hund sie später, wenn er vor dem Wilde steht, bewegt und das Wild leicht verscheuchen würde, wenn man sie ihre volle Länge erreichen ließe.

Die Hühnerhunde sind ganz ausgezeichnete, kluge, gelehrige, folgsame und jagdbegierige Thiere und zur Jagd auf allerlei Wild geradezu unentbehrlich. Sie spüren das Wild weniger durch scharfe Verfolgung der Fährte auf als vielmehr durch Wittern desselben, und zwar gibt es Hühnerhunde, welche schon aus einer Entfernung von sechszehn bis achtzehn Schritten mit aller Sicherheit ein Jagdthier durch den Geruchssinn wahrnehmen. Bei der Jagd selbst gehen alle höchst verständig zu Werke.

 

»Ich habe mich«, sagt Diezel, »seit einer langen Reihe von Jahren fortwährend damit beschäftigt, die Fähigkeit der bei uns vorkommenden Thiere zu vergleichen, und mich immer fester überzeugt, daß sie alle bei weitem von einem übertroffen werden, nämlich von dem gewöhnlichen Begleiter des Jägers, von dem Vorstehhunde ( Canis familiaris avicularius oder C. sagax venaticus ).

»Dieser Hund muß jedoch, wenn meine Behauptung auf ihn anwendbar sein soll, von ganz reiner Abkunft sein und alle seine natürlichen Anlagen, namentlich einen sehr scharfen Geruch besitzen. Er muß ferner nicht vereinzelt erzogen werden, sondern unmittelbar unter den Augen seines Führers aufgewachsen sein, damit er gleich von Jugend an jedes Wort und jeden Wink verstehen lernt. Endlich muß auch sein Herr alle Eigenschaften eines guten Lehrers, worunter die Geduld keine der geringsten ist, im vorzüglichen Grade besitzen, ja er muß sogar ein sicherer Schütze sein; denn nur wenn alle Erfordernisse mit einander vereinigt sind, kann der Lehrling jenen bewunderungswürdigen Grad von Folgsamkeit, Selbstbeherrschung und Geschicklichkeit erreichen, welchen ich hier in einigen kurzen Sätzen zu schildern versuchen will.

»Ein vollkommen abgerichteter, stets zweckmäßig geführter Hund, im Alter von drei bis vier Jahren, sucht, seinem natürlichen Triebe folgend, mit immer dem Winde entgegengehaltener Nase das Wild auf, indem er bald rechts bald links sich wendet. Auch bleibt er von Zeit zu Zeit einmal stillestehen und sieht sich nach seinem Gebieter um, der nun durch eine Bewegung dem Hunde die Gegend bezeichnet, welche er absuchen soll. Diese Winke werden auf das genaueste befolgt. Kommt ihm nun die Witterung irgend eines bedeutenden Wildes in die Nase, so hört auf einmal die sonst unaufhörliche Bewegung des Schweifes auf. Sein ganzer Körper verwandelt sich in eine lebende Bildsäule. Oft auch schleicht er nach Katzenart und mit leichten Tritten dem Gegenstande näher, ehe er ganz feststeht. Nach wenigen Augenblicken wendet er nun den Kopf nach seinem Herrn, um sich zu überzeugen, ob dieser ihn bemerkt hat oder nicht, und ob er sich nähert. Es gibt sogar Hunde, welche, wenn der Oertlichkeit nach solches nicht möglich ist (z. B. im Walde oder im hohen Getreide, wo man es nicht sehen kann), das gefundene Wild auf kurze Zeit verlassen, um ihren Herrn aufzusuchen und an Ort und Stelle zu führen. Doch thaten dies von den vielen Hunden, welche ich in meinem Leben besessen und geführt, nur einige, und nicht schon in der ersten Zeit, sondern sie lernten es erst in späteren Jahren.

Vorstehhund ( Canis familiaris avicularius).

»Eine der schönsten Gelassenheitsproben für junge, feuerige Hunde ist die, wenn sie das dicht vor Ihren Augen von dem Jäger getroffene Flugwild flattern und dann fallen sehen, dasselbe aber nicht greifen dürfen. Und auch dieser großen Versuchung lernt ein folgsamer Hund bald widerstehen und wagt es nicht eher, zu apportiren, als bis er von seinem Herrn die Erlaubnis dazu erhalten hat.

»Ein ebenso schwieriger und fast noch schwierigerer Punkt ist die tief in des Hundes Natur liegende Begierde, jedem ihm ins Gesicht kommenden Hasen zu verfolgen. Hier hat er einen um so schwereren Kampf zu bestehen, als es ja unstreitig die Bestimmung des Hundes ist, das Wild zu verfolgen und zu fangen. Es muß augenscheinlich der Hund seine Natur hier verleugnen, und er verleugnet sie auch wirklich. Denn nachdem er eine Viertelstunde lang vor dem Lager des Hasen gestanden hat, darf er, wenn dieser endlich aufsteht und entflieht, ihm dennoch keinen Schritt nachfolgen, viel weniger noch im Lager selbst oder im Augenblicke des Entweichens ihn ergreifen oder tödten. Er darf es sogar dann nicht thun, wenn ein in voller Flucht begriffener Hase sich seinen Zähnen gleichsam freiwillig darbietet und, sozusagen, in den Rachen hineinlaufen würde.

»Der unkundige Zuschauer, welcher Zeuge eines solchen Auftrittes ist, kann nicht anders glauben, als daß ein solcher Hund ganz gleichgültig und ohne alle Leidenschaft sei, daß der Hase für ihn gar keinen Reiz habe. Aber wie sehr trügt hier der Schein! Nicht Gleichgültigkeit, nicht Mangel an Lust, anders zu handeln, wenn ich so sagen darf, ist es, was ihn davon abhält, sondern der Gehorsam, das Gefühl der Unterwürfigkeit, die Furcht vor der Strafe. Die Natur scheint hier unter den Händen der Kunst gleichsam untergegangen zu sein; allein sie ist es nicht, sie schlummert nur, oder vielmehr sie schweigt, weil sie schweigen muß, weil ihre Stimme nicht laut werden darf.

»Man beobachte denselben Hund, welcher unmittelbar unter den Augen seines Führers diesen hohen Grad von Selbstbeherrschung zeigte, wenn er allein oder sich selbst überlassen ist, oder wenn er einen Führer hat, den er nicht achtet. Er wird sich dann der Begierde zu jagen so gewiß überlassen als jeder andere auch. Daher kommt es dann auch, daß in der ersten Zeit der Abrichtung selbst Hunde, welche in der Nähe ihres Herrn schon ziemlich folgsam sind, noch manchen Fehler begehen, sobald man ihnen gestattet, sich weit zu entfernen. Es sei mir vergönnt, einige Beispiele davon anzuführen, wie groß der Hang dieser Hunde ist, das Wild zu verfolgen. Schon viele Hunde wurden mit Schrotschüssen verwundet, weil sie, auf mehrmaliges Rufen und Pfeifen nicht achtend, sich der Begierde gleichsam blindlings überlassen hatten. Sie schrieen im Augenblicke der Verwundung laut auf, ließen sich aber dadurch doch nicht von der Fortsetzung der Verfolgung abhalten. Andere wurden so stark getroffen, daß sie sogleich umkehren mußten. Aber kaum war eine Stunde verflossen, kaum hatten sie sich ein wenig wieder erholt, als sie auch wieder jedem vorkommenden Hasen ebenso leidenschaftlich nachsetzten wie zuvor.

»Der merkwürdigste Fall dieser Art, welcher mir vorgekommen ist, war folgender: Eine Vorstehhündin, welche aber nicht von mir erzogen und abgerichtet, sondern bloß meiner Führung auf einige Zeit anvertraut war, stand am Rande eines ziemlich breiten Grabens dicht vor einer Rebhühnerkette. Als ich mich näherte, um zu schießen, stand unfern von uns ein junger Hase auf. Den Hund durchzuckte die Lust, hinter ihm herzujagen, wie ein elektrischer Schlag, und gewiß würde er es augenblicklich gethan haben, hätte nicht meine Näherung und ein lauter Warnungsruf ihn noch nothdürftig zurückgehalten. Er blieb daher in seiner früheren Stellung, wandte aber, den zuerst gefundenen Gegenstand gleichsam ganz aufgebend, den Kopf immer nach der Seite hin, wo der Hase lief, und zitterte dabei sichtlich am ganzen Leibe. Jetzt stiebten die Rebhühner auf, und ich schoß davon zwei. Allein anstatt wie gewöhnlich diese mit dem größten Eifer zu apportiren, sprang der Hund, ohne im geringsten auf die herabfallenden Vögel zu achten, augenblicklich über den Graben und setzte dem schon längst entflohenen Hasen nach. So sehr hatte dieser schon vom ersten Augenblicke an seine ganze Seele beschäftigt. Man berechne, welchen Kampf, welchen Grad von Selbstüberwindung es ihm gekostet haben mag, einer so reizenden Versuchung zu widerstehen!

»Einen höchst anziehenden Anblick gewährt es dem Zuschauer, sogar dem, welcher nicht selbst Jäger oder Jagdkenner ist, wenn er die Vorsicht wahrnimmt, mit welcher sich der Vorstehhund dem aufgefundenen Federwilde nähert. Wenn er z. B. bei Mangel an günstigem Winde nicht ganz sicher weiß, nach welcher Seite hin die Rebhühner gelaufen sind, kehrt er schnell um, umkreist in großen Bogen, wo er sie vermuthet, und jede große Annäherung sorgfältig vermeidend, spürt er auf diese Weise endlich den Platz auf, wo sie festliegen, und hier erst bleibt auch er selbst augenblicklich feststehen. Beim Absuchen der Getreidestücke läuft der erfahrene Hund nicht etwa in die Frucht selbst hinein, sondern bloß an der Seite des Ackers hin, jedoch so, daß ihm der Wind von dem Wilde her entgegenweht; denn auf der entgegengesetzten Seite wird er den Zweck des Auffindens nicht so sicher erreichen.

»Den höchsten Grad von Verstand dieser Art sah ich einst, als ich mit einigen Bekannten zu Anfang des Sommers einen Spaziergang machte, um deren Hunde, welche im Rufe vorzüglicher Befähigung standen, mir vorführen zu lassen. Sämmtliche Felder waren mit Frucht bedeckt; ich war daher nicht wenig gespannt darauf, wie man es anfangen werde, um hier Gelegenheit zu haben, die drei Hunde, welche wir bei uns hatten, arbeiten zu sehen. Bald aber überzeugte ich mich, daß dieser Zweck ganz gut erreicht wurde; denn diese Hunde, einer wie der andere, suchten im sogenannten Sommerbau, nämlich den Gersten-, Hafer- und Kartoffeläckern, deren Frucht noch weiter zurück war, ganz unbefangen hin und her; sobald sie aber an einen Roggen- oder Weizenacker kamen, änderten sie alsbald ihr ganzes Wesen und ihre Bewegungen; denn sie setzten jetzt nicht mehr hin und her, wie sie es zuvor in der noch niedrigen Frucht gethan hatten, sondern es unterstand sich keiner mehr, einen solchen Acker mit hohem Getreide zu betreten. Vielmehr suchten sie jetzt nur noch im langsamen Trabe, und zwar immer nur in der äußersten Furche, auf der Seite, wo sie den besten Wind hatten, um das Wild in die Nase zu bekommen. Als ich meine Verwunderung über diese Vorsicht äußerte und zugleich den Wunsch aussprach, zu erfahren, auf welche Weise man sie dazu gebracht hatte, die Fruchtstücke so genau zu unterscheiden, erwiderte man, daß dies sehr leicht und bald dadurch bewerkstelligt worden wäre, indem man sie zwar sehr oft zu einem Spaziergange mitgenommen, ihnen aber nie gestattet habe, einen Acker mit schon hohem Getreide zu betreten, sowohl um jeden Verdruß mit den Feldbesitzern zu vermeiden, als auch um die Hunde stets im Auge zu behalten.

»Ich besaß einst einen Hund, welcher fast menschliche Ueberlegung zeigte, und ich will nur einen einzigen Fall davon hier mittheilen. Wenn ich in Dienstgeschäften aus dem Walde zurückkam, führte mich mein Weg gewöhnlich an einem kleinen, sumpfigen Weiher vorüber, wo in der Strichzeit, d. i. in den Frühlings- und Herbstmonaten, fast immer Heerschnepfen ( Telmatias gallinago) zu liegen pflegten. Dies wußte mein Hund wohl. Er eilte darum schon in der Entfernung von mehreren tausend Schritten vor mir voraus, suchte einen solchen Vogel auf und blieb vor demselben stehen, drehte aber sogleich seinen Kopf nach mir, um sich zu überzeugen, ob ich rechts ab die Straße verlassen und mich nach dem Weiher wenden oder meines Weges gehen würde, da letzteres jedesmal geschah, wenn ich entweder keine Lust oder keine Zeit zum Schießen hatte. So lange nun dem Hunde noch Hoffnung übrig blieb, daß diese von ihm angezeigte Schnepfe von mir werde aufgesucht werden, blieb er fest und unbeweglich mit immer nach mir gerichteten Augen stehen. Sobald ich aber, ohne mich zu nähern, vorübergegangen war, stieß er sie heraus und verließ sogleich den Sumpf, ohne weitere aufzusuchen. Dies Verfahren hat er mehr als dreißigmal wiederholt, und viele meiner Bekannten waren Augenzeugen davon.

»Schon mehrmals ist mir auch der Fall vorgekommen, daß, während meine Hunde im vollen Suchen begriffen oder doch überhaupt in lebhafter Bewegung waren, plötzlich innehaltend, sie sich flach auf den Boden niederwarfen und in dieser Stellung liegen blieben. Wenn ich nun der Richtung ihrer Blicke folgend nachforschte, was wohl die Ursache ihres Benehmens sein möge, so war es regelmäßig irgend ein Wild, meistens ein Hase, den ich oft noch in sehr großer Entfernung laufen oder vielmehr auf uns zukommen sah; denn nur in dem einzigen Falle, wenn er in gerader Linie sich uns näherte, nicht aber, wenn er seine Richtung seitwärts vorbei nahm, legten sich die Hunde nieder, wie ein Raubthier, welches auf die Annäherung seines Opfers lauert, um dasselbe, wenn es nahe genug herangekommen, sicherer zu erhaschen, zuvor aber sich vor dessen Augen soviel als möglich zu bergen sucht.

»Ein Hühnerhund, welcher einem meiner Freunde gehörte, bemerkte einst, während er von weitem eine Jagd auf einer Insel von geringem Umfange mit ansah, daß einer von den hin- und hergesprengten Hasen sich über eine schmale Brücke, dem einzigen zu der Insel führenden Eingange, in das Freie gerettet hatte. Als er nun abermals jenseits des Wassers einen Hasen erblickte, eilte er, auf jede Art der Verfolgung verzichtend, in vollem Laufe nach der Brücke hin, legte sich dort flach auf den Boden und erwartete in dieser Stellung den nächsten Flüchtling, um sich desselben so recht auf dem kürzesten Wege zu bemächtigen. Um zum Schlusse zu kommen, erwähne ich bloß noch, daß derselbe Hund, welcher die gesunden Hasen vor sich sieht, ohne sich zu rühren, die angeschossenen halbe Stunden weit unermüdet verfolgt, sobald sein Herr es ihm befiehlt oder vielmehr es ihm erlaubt; denn der innere Trieb fordert ihn dazu auf, jede Schweißfährte so weit als möglich zu verfolgen. Durch die Abrichtung hat er aber gelernt, das endlich gefangene oder aufgefundene Thier ohne die geringste Verletzung herbeizubringen. Auch als aufgestellter Wächter entspricht er jeder Erwartung; denn halbe Tage lang bleibt er unbeweglich neben dem Gewehre oder der Jagdtasche seines Herrn im Walde liegen. Kein Unbekannter darf es wagen, sich zu nahen oder sie zu nehmen.«

Wie fest manche Hühnerhunde vor dem Wilde stehen, mag aus folgender Thatsache hervorgehen, welche Lenz erwähnt. In England hatte man ein prachtvolles Gemälde verfertigt, welches einen schwarzen Vorstehhund, Namens Pluto, und einen weiblichen, Namens Juno, darstellt, wie beide vor einem Rebhuhne stehen. Der Maler zeichnete fünfviertel Stunden lang, und beide standen während dieser Zeit wie versteinert.

Der Hund lernt alle diese Jagdbegriffe allerdings erst nach langer Abrichtung; aber wohl bei keinem anderen Thiere sieht man besser, wie viel es leisten kann, wenn der Mensch es lehrt und gut behandelt, als bei dem Hühnerhunde. Ein wohl abgerichteter Jagdhund ist ein wirklich wunderbares Thier und verdient seinen lateinischen Namen, Canis sagax, in vollem Maße. Auch er ist ein Menschenhund, wie Scheitlin sagt; denn er beweist wahren Menschenverstand. Er weiß genau, was er zu thun hat, und ein schlechter Jäger, welchen ein gut geschulter Jagdhund begleitet, wird von diesem nicht selten in der allerempfindlichsten Weise getadelt. So kannte ich einen Hühnerhund, Namens Basko, welcher wohl alles leistete, was man jemals von einem seiner Art verlangen konnte. Sein Herr war ein ganz vorzüglicher Schütze, welcher gewöhnlich unter zwanzig Schüssen auf fliegendes Wild keinen oder nur einen Fehlschuß that. Einst kommt der Sohn eines Freundes unseres Weidmanns zu ihm, ein junger Aktenmensch, welcher die Feder allerdings besser gebrauchen konnte als das Gewehr, und bittet um die Erlaubnis, ein wenig zu jagen. Der Förster gewährt ihm dies mit den Worten: »Gehen Sie, aber schießen Sie gut, sonst nimmt es Basko gewaltig übel«. Die Jagd beginnt; Basko wittert nach kurzer Zeit eine Kette Hühner aus und steht wie ein Marmorbild vor derselben. Er erhält Befehl, sie aufzutreiben. Die Hühner fliegen, der Schuß knallt, aber kein Stück von dem Wilde stürzt herab. Basko sieht sich äußerst verwundert um und beweist augenscheinlich genug, daß seine gute Laune verschwunden sei. Er geht aber doch noch einmal mit, findet eine zweite Kette Hühner, und es geht wie das erste Mal. Da kommt er dicht an den Schützen heran, wirft einen Blick der tiefsten Verachtung auf ihn und eilt spornstreichs nach Hause. Noch nach Jahr und Tag war es demselben Jäger unmöglich, den Hund, welcher ein für die Jagd begeisterter war, mit sich auf das Feld zu nehmen: die Verachtung gegen den Schützen war zu tief in seinem Herzen eingewurzelt.

»Ich besaß«, schreibt Oskar von Loewis, »eine Vorstehhündin, welche im Apportiren das erstaunlichste leistete. Verlor ich ein Stück Wild aus der Jagdtasche, hieß ich sie der Rückspur suchend folgen, und niemals kehrte das zuverlässige Thier mit leerem Maule zurück. Junge Birkhühner, welche bekanntlich nach öfterem Aufscheuchen während der Mittagshitze sehr fest liegen, hat sie mir oft auf Befehl lebend zu Füßen gelegt. Sie verstand jeden meiner Winke, jedes Wort: ich konnte mich mit ihr unterhalten wie mit einem Menschen. Jedes Ding, welches man ihr zeigte und zu beschaffen befahl, wußte sie zu erlangen. Sie schleppte Pfeifen, Dosen, Schlüssel, Tücher, Brodstückchen, Stöcke, ja sogar übelriechende Gegenstände, wie Cigarren und dergleichen, zart und vorsichtig herbei, letztere freilich unter Grimassen, nahm mir oder anderen auf den Zuruf die Mütze vom Haupte, zog Tücher aus den Taschen hervor und bediente mich besser als mancher Mensch. Einst handelten mir befreundete Damen mit einem hausirenden Juden, welcher endlich wegging. Nachdem er sich bereits mindestens fünfhundert Schritte weit entfernt hatte, wünschte eine der Damen noch eine Kleinigkeit zu kaufen. Der Handelsmann vernahm meinen Zuruf nicht mehr; folglich mußte meine Hündin helfen. »Minni, hole die Mütze jenes Mannes«, sagte ich zu ihr, auf den Hausirer deutend. Wie ein Pfeil schoß sie dem Juden nach, sprang ihm zu seinem größten Entsetzen auf den Rücken, zog ihm die Mütze vom Kopfe und lief mit derselben vor dem jammernden Manne her, bis er ihn glücklich zurückgebracht hatte, und Itzig zu seiner Freude erfuhr, es habe sich nicht um einen Ueberfall, sondern nur um ein Geschäftchen gehandelt.«

Es versteht sich von selbst, daß ein so gut erzogener Hund auch einen vortrefflichen Erzieher haben muß, wenn aus ihm etwas werden soll. Die Abrichtung ist ein sehr schwieriges Geschäft und wird bloß von wenigen Erwählten verstanden. Geduld, Ernst und Liebe zum Thiere sind Haupterfordernisse eines Erziehers, und deshalb läßt sich wohl mit voller Bestimmtheit behaupten, daß eine Frau nun und nimmermehr einen Jagdhund würde erziehen können. Nach Dietrich aus dem Winckell erzog man früher den Jagdhund in gewaltsamer Weise, mit Peitsche und Korallenhalsband; nicht wenige Abrichter bedienen sich noch heutigen Tages dieser Schablone. Einsichtsvollere Lehrer verfahren anders. Ich will die »Methode« der einen wie der anderen hier wiedergeben: der gewaltige Unterschied wird sich Jedermann bemerklich machen. Wenn der junge Hühnerhund ein Jahr alt geworden war, begann man mit der Abrichtung, am liebsten im Februar, und wenn dies nicht anging, im Juli oder August. Während der ganzen Lehrzeit mußte er an einem ganz ungestörten Orte eingesperrt oder angebunden werden und durfte durchaus keine Gelegenheit zu Zerstreuung oder Spielerei haben, dort auch von Niemandem als von seinem Herrn besucht, gefüttert und getränkt werden. Eine Stunde vor jedem Unterrichte erhielt er eine mäßige Mahlzeit, dann nahm man das Thier an eine drei Meter lange Leine, deren Ende zugleich ein Halsband bildete, versah sich mit einer kurzen Peitsche und lehrte dem Hunde zunächst den Dressurbock (ein fest mit Bindfaden umwickeltes Strohbündel) aufnehmen. Man legte ihm zuerst die Leine an, zog ihn unter dem Zurufe »hierher!« und mit einem bestimmten Pfiffe an sich, lobte und streichelte ihn, wenn er von selbst kam, oder schaffte ihn mit Gewalt herbei, wenn er sich störrisch zeigte. Sobald er auf den Ruf folgte, wurde er noch ein wenig herumgeführt, und zwar, indem man sich bald rechts, bald links wendete und dabei »herum!« rief. Dann wurde er nach seinem Wohnplatze zurückgebracht und ihm Gelegenheit gegeben, das Gelernte ordentlich durchzudenken. In einer anderen Stunde begann das Apportiren. Man legte den Dressurbock auf die Erde, zog den Hund an der Leine dicht herbei, drückte seinen Körper platt auf den Boden und hielt ihn dort in liegender Stellung, schob ihm mit der anderen Hand den Bock ins Maul und rief »Faß!« griff ihm dabei von oben herab hinter die Eckzähne, öffnete ihm die Kinnlade und schob ihm den Bock bis unter die Fänge, rief nochmals »Faß!« und schloß mittels der Hand das Maul. Nach kurzer Zeit ließ man ihn los, und indem man »Aus!« rief, nahm man ihm den Bock wieder ab. Wenn er das Maul nicht selbst öffnete, reibte man ihm den Bock gegen das Zahnfleisch oder drehte ihm das Halsband derart zusammen, daß er unwillkürlich das Maul aufsperrte. In einer späteren Lehrstunde ließ man ihn, während er den Bock im Maule hatte, aufstehen und einige Schritte weit gehen und nahm ihm denselben unter dem Zurufe »Aus!« wieder ab. Nach und nach hörte man auf, ihm das Maul zuzuhalten, während er den Bock faßte, und ließ ihn denselben aus immer größeren Entfernungen herbeiholen, wobei man immer » Apportez!« sagte. Wollte er etwas nicht thun, so wurde er jedesmal dazu gezwungen und dies solange, bis er es gern ausführte. Später nahm man anstatt des Bockes Stücken Holz und andere Dinge, endlich einen Hasenbalg und schließlich Hasen, Rebhühner, zuletzt auch Raubthiere, Raubvögel, Elstern und Krähen, kurz, lauter Thiere, welche er nur höchst ungern aufnahm und trug. Nachdem er diese Kunst begriffen hatte, wurde ihm das Verlorensuchen beigebracht. Man ging mit dem Winde und ließ unbemerkt etwas fallen, was er gern apportirte, wendete nach einigen Schritten mit dem Zurufe: »Such verloren!« um, und leitete ihn auf demselben Wege gegen den Wind zu dem Gegenstände hin, indem man ihm denselben zeigte und » Apportez!« rufte. Diese Uebung wurde weiter und weiter ausgedehnt, bis er auch dieses begriffen hatte. Hierauf mußte er das Vorstehen lernen, wieder mit seinem Bocke, welchen man vor ihm auf den Boden warf, während man den Kopf ihm zur Erde drückte und » tout beau!« oder, wenn er es nach einiger Zeit ergreifen sollte, » Avancez!« ausrief. Alles dies wurde in einem umschlossenen Raume vorgenommen, erst mit, später auch ohne Leine. Hatte nun der Hund die Sache gut begriffen, so nahm man ihn mit sich auf das Feld hinaus, immer noch an der Leine und mit der Peitsche in der anderen Hand. Hier ließ man ihn an einem freien Orte, wo Wild war, gegen den Wind suchen, und schwenkte ihn dabei abwechselnd rechts und links, indem man »herum!« rief. Durch die Worte »Such, such!« feuerte man ihn an, durch ein leises »Sachte, sachte!« beruhigte man ihn, wenn er zu hitzig wurde, und durch einen starken Ruck an der Leine bezeichnete man ihm seine Unzufriedenheit, wenn er nicht gehorchen wollte. Suchte er nach Mäusen, Lerchen und anderen kleinen Thieren, wurde er unter dem Zurufe »Pfui!« abgehalten, und niemals schoß man ein solches Thier vor ihm. War er bei der Suche folgsam geworden, so brachte man ihn dann an Orte, wo es Rebhühner, aber wenig Hasen gab, und ließ ihn an der Leine unter dem Winde suchen, rief ihm, sobald er etwas in die Nase bekommen hatte, zu »Such!« und ließ ihn, sobald er festlag oder stand, kreisen, bis man die Hühner erblickte. Hierauf ging man zurück, führte ihn unter dem Zurufe »Hierher!« ab, ließ ihn nochmals vorgehen, wieder kreisen und stieß endlich die Hühner, ohne zu schießen, auf, gestattete aber ihm das Nachfahren durchaus nicht. Fielen die Hühner wo anders ein, so verfuhr man wie vorher und suchte endlich eins im Sitzen oder, wenn es aufstand und der Hund nicht hinterdrein fuhr, im Fluge zu schießen, wobei man sich aber sehr vor einem Fehlschusse zu hüten hatte. War das Huhn gefallen, so ließ man es sich bringen und sah streng darauf, daß er es nicht schüttelte oder zerbiß. Nach dem Schusse durfte er nie schwärmen, sondern wurde gleich herangerufen und mußte, bis der Jäger geladen hatte, ruhig neben ihm sitzen. Auf Hasen lehrte man ihn in ähnlicher Weise. Im Walde brachte man ihm zunächst bei, daß er sich nie weit von dem Schützen entfernen dürfe, und ging deshalb zuerst in buschreiche Orte, wo man ihn immer übersehen konnte. Zum Schluß endlich führte man ihn an das Wasser und ließ ihn hier zuerst in ganz seichtem Wasser apportiren und veranlaßte ihn, später immer tiefer und tiefer in dasselbe hineinzugehen; niemals aber durfte man einen jungen Hund in das Wasser werfen, weil er sonst leicht zu große Scheu davor bekam.

Gegenwärtig gehen wenigstens viele Lehrer des Jagdhundes von anderen Grundsätzen aus. Sie sehen in ihrem Zöglinge keinen Sklaven, sondern einen verständigen Gehülfen, und behandeln ihn darnach, und zwar von Jugend auf. Das Thier, lehrt Adolf Müller, muß nicht allein in einem stets reinlich gehaltenen, luftigen, weder zu warmen, noch zu kalten Stalle hausen, sondern auch frei sich bewegen können, frei von der Last und dem Drucke der Kette; denn nur der frei sich bewegende und entwickelnde Hund wird ein gesundes, gewandtes, vielseitiges und gehobenes Wesen. »Man bringe ihn freundlich an seine Seite, leite und unterrichte ihn als Freund, um ihn zu demjenigen Hausthiere heranzubilden, welches unseres Verkehrs am würdigsten ist, und jede Mühe, welche wir an seine Ausbildung verwenden, belohnt sich reichlich und nutzbringend.

»Die erste Grundlage der Erziehung des Hundes bildet frühzeitige, unausgesetzte und freundliche Beschäftigung mit ihm. Schon bei seiner Geburt walte das aufmerksame Auge des Pflegers über dem kleinen Wesen; er unterstütze die Fürsorge der Mutter durch warmes und trockenes Betten der Jungen, helfe der Alten an Körperkraft auf durch gute und reichliche Nahrung, um so mittelbar die Ernährung der Jungen zu befördern. Gut genährt und von plagenden Schmarotzern gereinigt, entwächst das Hündchen gesund und kräftig den Säuglingswochen und tritt nunmehr in die Pflege seines Erziehers. Dieser beginnt in der achten oder neunten Woche die belehrende Beschäftigung mit dem jungen Schüler. Indem er den Kern aller Erziehung, welcher in dem Sprichworte: »Jung gewohnt, alt gethan«, liegt, vernünftig ausbeutet, sichert er sich fernerhin einen unfehlbaren Erfolg dadurch, daß er dem Schüler alles, auch das Schwierigste, spielend beibringt. Dem jungen Hunde Appell lehren oder beibringen, heißt nichts anderes, als ihn durch menschlichen Umgang vertraulich, willig und folgsam machen.

»Nichts unsinnigeres kann erdacht werden als der alte Gebrauch der Schultyrannen. Man ließ den Hund dreiviertel oder ein Jahr in völliger Zügellosigkeit zu einem wahren Tölpel voller Unarten heranwachsen, und nun brachte man ihn plötzlich in das Fachwerk einer Dressur hinein, deren Pedanterie und Schablonenmäßigkeit jedem einsichtsvollen Thierkundigen geradezu lächerlich erscheinen muß. Wer kennt nicht das kriechende Avanciren und abwechselnde » Couche tout beau« vor dem Dressirbock, diesem Popanz der Hühnerhundschule, wer nicht das pedantische Lenken an langer Dressirleine im Felde nach der sogenannten Stubendressur, wo dem oft mit Korallen und Peitsche mishandelten Thiere die »graue Theorie« so recht exemplarisch alle Lust zur Jagd, alle Anhänglichkeit und Liebe an den Herrn auf ewig austrieb? Solche Miserzieher sind auch die Urheber der traurigen Erscheinung verschlagener und handscheuer Hunde, dieser Armensünder des Prügelsystems, welche bei dem Pfiffe oder Rufe ihres Tyrannen zusammenschrecken und sich verkriechen, durch deren ganzes Leben sich sozusagen der brennende Faden der Furcht und des Zagens zieht! Dank der unverwüstlichen Natur unseres ebenso klugen als geduldigen Thieres gingen selbst aus dieser traurigsten aller Schulen zuweilen vortreffliche, brauchbare Hunde hervor; aber bei weitem die meisten wurden für ihr Leben verpfuscht, und viele talentvolle kamen nicht zur vollen Entwickelung ihrer Eigenthümlichkeiten.

»Kehren wir dieser düsteren Knechtung den Rücken und beschauen wir uns die heitere Unterweisung auf menschwürdiger Grundlage. Durch häufigen Verkehr und dadurch, daß wir ihn selbst füttern, haben wir uns des kleinen Zöglings Zuneigung bereits in hohem Grade erworben. Wir haben ihn an Ruf und Pfiff und nach und nach auch an die Leine gewöhnt. Nun führen wir ihn, mit uns spazierend, ins Freie, anfangs nur kurze Strecken, allmählich weiter. Schon in der zwölften Woche kann eine fleißigere Lehre im Apportiren beginnen. Indem man schon frühe vor dem Hündchen spielend etwa einen Ball hinrollt, wird es eifrig darnach springen, ihn Haschen, aufnehmen und dem freundlich es zu sich Lockenden auch bringen. In kurzem werden Wiederholungen dieser Spielübungen, welche den Schüler jedoch niemals ermüden, wohl aber beleben sollen, ihm zur Gewohnheit, welche er bei allmählich ernsterer, aber immer milder Behandlung, wie durch Belobungen und Schmeicheleien, stets lieber gewinnt. Auf dieser Grundlage baut man nun leicht weiter. Man beginnt alsdann die Lehre, das Verlorene und Versteckte zu suchen. Zuerst verbirgt man das vom Hunde Herbeizubringende vor seinen Augen, so daß er es sogleich auf den Zuspruch: »Such verloren!« ohne Mühe hervorholen kann. Allmählich geht man weiter, und hat bei einem einigermaßen gelehrigen Thiere bald die Freude, außerordentlich schnelle Fortschritte zu bemerken. Nach jedem gelungenen Versuche belobt man den Hund oder reicht ihm zeitweise nach dem Zustandebringen besonders schwieriger Aufgaben einen Leckerbissen. Von entschiedenem Erfolge bei den Hebungen mit meinen Hühnerhunden war immer die Weise, daß ich einen mit Heu ausgestopften Kaninchenbalg, welchen ich bei dem Größerwerden des Hundes mit einem Hasen und zuletzt mit einem beschwerten Fuchsbalge vertauschte, eine immer vergrößerte Strecke bis zu einem verborgenen Orte auf dem Boden hinschleifte und sodann den im Stalle oder an der Leine liegenden Hund mit dem beschriebenen Zurufe auf die Spur desselben hetzte. Alle meine Zöglinge begriffen, und zwar schon im ersten Vierteljahre ihres Lebens, nachdem sie erst einmal ohne Anstand apportirten, daß sie das Versteckte zu suchen und zu bringen hatten. Bei mehreren habe ich die Freude erlebt, daß sie weite Strecken nach dem Verlorenen zurückgingen; ja ich habe einen besonders begabten Hühnerhund herangezogen, welcher halbe Stunden Wegs weit dies immer willig und mit sicherem Erfolge that. Keine bessere Vorübung, eine Wildfährte zu verfolgen, das gefundene oder gefangene Wild oft von fernher herbeizubringen, gibt es für den Zögling als die beschriebene.

»Jeder Hund wird bei der angedeuteten Behandlung ohne alle Gewaltmaßregeln alles das begreifen und willig lernen, was er überhaupt zu lernen fähig ist. Denn durch einseitiges kurzsichtiges Meistern wird alles das nur irre geleitet, ja unterdrückt und verdorben, was aus der Naturgabe des Hundes heraus sich in der Schule der Erfahrung mit den verschiedensten Zügen der Eigenthümlichkeit oft so überraschend entfaltet.«

Dem glatthaarigen Hühnerhunde ähnelt am meisten der Hirschhund ( Canis familiaris acceptorius), wie man sagt, ein Abkömmling von dem Bluthunde und Windhunde deren beider Eigenschaften er in sich vereinigen soll. Er zeichnet sich aus durch sein scharfes Spürvermögen und seine außerordentliche Schnelligkeit. Gegenwärtig befinden sich nur noch wenig Ueberreste im Besitze der Königin von England. Früher war es anders. Georg III. war ein leidenschaftlicher Liebhaber der Hirschhetze, an welcher er oft persönlich theilnahm. Nicht selten hetzte man mit solchem Eifer, daß von den hundert berittenen Jägern, welche anfangs hinter dem Hirsche drein ritten, zuletzt nur noch zehn oder zwanzig übrig waren, wenn das flüchtige Wild von den Hunden gepackt wurde. Man durchritt in Windeseile unglaubliche Entfernungen und setzte die Jagd oft so lange fort, daß ein großer Theil der Pferde und selbst viele Hunde dabei zu Grunde gingen. Fünfzig englische Meilen hinter einem Hirsche herzureiten war keineswegs ein seltener Fall. Gegenwärtig ist es freilich anders, da die Bebauung des Bodens dieser Jagd viel zu große Hindernisse in den Weg legt.

 

Ein ungleich wichtigeres Thier als der Hirschhund ist der ihm nahe verwandte Fuchshund. Berühmte Männer haben sich mehr mit ihm als mit anderen Dingen beschäftigt, dicke Bücher sind über ihn geschrieben worden, und noch heutigen Tages erwecken Fuchshundmeuten bei den Großen Englands weit mehr Theilnahme als ganze Völkerschaften. Auf die Zucht, Veredlung und Erhaltung von Fuchshunden verwendet man Summen, mit denen man Tausende von verarmten, im Elende verkommenden Menschen zu glücklichen und nützlichen Staatsbürgern machen könnte; ihnen errichtet man Ställe, welche die gerade in Großbritannien so tiefstehenden Schulen weit in Schatten stellen; für sie hält man Abrichter und Erzieher, die mehr als doppelt so viel Gehalt bekommen als Lehrer, welche das im Schmutze der Unwissenheit und Lasterhaftigkeit liegende Volk der »Fuchsgegenden« zu Menschen erwecken und bilden könnten, wären sie vorhanden, hätte man für menschliche Untergebene ebensoviel Theilnahme als für die thierischen Unterthanen. Der Jagdfreund mag den Fuchshund mit Entzücken betrachten: dem Menschenfreunde, welcher seinen Blick von den jagenden Hunden auf die durchjagten Gegenden und ihre Bewohner schweifen läßt, kommen Gedanken wie die vorstehend angedeuteten.

Hirschhund ( Canis familiaris acceptorius).

Eine Meute Fuchshunde zu pflegen und sie auf gleicher Höhe zu halten, gilt, so viel Geld das Vergnügen auch kosten mag, als Ehrensache in den Augen des reichen Grundbesitzers. Der gewöhnliche Preis für eine Meute von etwa sechszig Hunden schwankt zwischen 500 bis 1000 Pfund Sterling; besonders schöne, auserwählte Thiere gleicher Anzahl werden mit 2000 Pfund und darüber bezahlt. Ungefähr ebensoviel, wenn nicht mehr, beansprucht die Einrichtung der Ställe, welche mit allen erdenklichen Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten ausgerüstet sind; kaum weniger beträgt der jährliche Aufwand für Erhaltung und Ersatz der Hunde, Besoldung ihrer Abrichter und dergleichen. Die Ställe sind wahre Paläste, geräumig, hoch, luftig, warm und sauber wie Putzzimmer; zu ihnen gehören außerdem wohl umhegte, stets reinlich gehaltene Vorhöfe, Tummelplätze für die Hunde, auf denen sie unter Aufsicht ihrer Pfleger Luft und Licht genießen dürfen, eigens hergerichtete Küchen, in denen das Futter bereitet wird, sowie endlich die Wohnungen der Beamten. Der Boden der Ställe ist mit verglasten Fließen gepflastert, von denen jede Unreinlichkeit abläuft oder leicht entfernt werden kann; die Lager befinden sich auf erhöhten, stets mit frischem Stroh belegten Pritschen; für fließendes Wasser hat man im Stalle und auf dem Erholungsplatze, für Baumschatten auf letzterem Sorge getragen. Es fehlt an nichts, was zum Wohlsein der Thiere beitragen könnte.

Obgleich der Fuchshund schon seit vielen Geschlechtern ausgebildet und zu dem gemacht wurde, was er ist, arbeitet man doch ununterbrochen an seiner Vervollkommnung. Zur Nachzucht wählt man nur die ausgezeichnetsten Hunde, sorgt auch gebührend für Erneuerung des Blutes, um alle nachtheiligen Folgen der Inzucht möglichst zu vermeiden. Die jungen Fuchshunde werden unter häufiger Anwendung der Peitsche von eigenen Lehrmeistern in besonderer Weise abgerichtet, schlechte, d. h. ungelehrige oder störrische, vielleicht durch die Erziehung selbst verdorbene Hunde, unnachsichtlich entfernt, in der Regel sogar getödtet. Vorbild und Unterweisung älterer, eingeschulter und erfahrungsreicher Hunde thut das übrige, um den Unterricht des jungen Nachwuchses zu vollenden.

Der Fuchshund ( Canis familiaris sagax vulpicapus) ist mittelgroß und wohlgebaut, am Widerrist etwa 55, höchstens 60 Centim. hoch, sein Kopf klein, das Ohr oder der Behang, welcher meistens gekürzt wird, sehr groß, breit und lappig, der Hals dünn, der Schultertheil zurücktretend, die Brust weit, der Rücken breit; die Läufe oder Beine sollen gerade sein »wie Pfeile«; der ziemlich dichtbehaarte Schwanz muß »anständig« getragen werden. Die Färbung wechselt: weiße Grundfarbe mit mehr oder weniger dunkelbrauner Fleckung, welche die Ohrgegend einschließen muß, scheint am beliebtesten zu sein.

Der Ursprung des Fuchshundes ist ungewiß. Man nimmt an, daß er von dem alten englischen Jagdhunde abstammt und durch verschiedene Kreuzungen, an denen eine große Menge anderer Hunde theilnahmen, zu der Vollkommenheit gebracht worden ist, welche er zeigt. Er besitzt die Schnelligkeit des Windhundes, den Muth des Bulldoggen, die Feinheit des Geruchs vom Bluthunde, die Klugheit des Pudels, kurz, vereint gleichsam alle guten Gaben der Hunde in sich. Seine Schnelligkeit ist wirklich unglaublich. Bei einem Wettrennen durchlief ein Hund, Blaumütze genannt, eine Länge von fast 4½ englischen Meilen in acht Minuten und wenigen Sekunden, und das bereits erwähnte Rennpferd Flying-Childres, welches auf demselben Grunde lief, erreichte das Ziel kaum eine halbe Minute früher als er. Wenn man dabei die körperliche Beschaffenheit beider Thiere in Rechnung zieht, muß man wahrhaft über die Schnelligkeit des Hundes erstaunen; denn sie ist verhältnismäßig eine ungleich größere als die jener unübertrefflichen Pferde. Aber nicht allein die Schnelligkeit, sondern auch die Ausdauer der Fuchshunde ist außerordentlich. Eine gute Meute folgt dem Fuchse halbe Tage lang und darüber mit gleichem Eifer; die Hunde des Herzogs von Richmond z. B. fanden, wie Bell erwähnt, den Fuchs morgens dreiviertel auf acht Uhr und erlangten ihn erst nach zehnstündigem »harten Rennen« zehn Minuten vor sechs Uhr abends. Mehrere von den Jägern wechselten dreimal ihre Pferde, verschiedene von diesen rannten sich zu Tode: von den Hunden aber waren beim Ende der Jagd dreiundzwanzig zur Stelle.

Fuchshund ( Canis familiaris sagax vulpicapus).

Gegenwärtig beginnt man erst vormittags um elf Uhr mit der Jagd. Kundige Jagdgehülfen haben in dem zu besagenden Gebiete des Nachts alle Röhren der verschiedenen Fuchsbaue verstopft und Reineke gezwungen, sich im Freien zu bergen. An versprechenden Stellen sucht man ihn auf. Die Hunde werden gelöst, und durchstöbern eifrig, sich vertheilend und zerstreuend, Wälder und Dickichte. Ein guter Hund darf nur dann »sprechen, wenn er etwas zu reden hat«; die Suche geschieht also lautlos. Endlich läutet ein Hund auf, die übrigen stimmen ein: der Fuchs ist gefunden! Tally ho (ho, halloh) ruft der »Einpeitscher«; der »Hundsmann« stößt ins Horn; die Reiter sammeln sich, und die wilde Jagd beginnt – ein prachtvolles Schauspiel! Durch Busch und Hecken, über Zäune, Gräben und Mauern geht es dahin, die Hunde in dicht geschlossener Meute, angefeuert durch ununterbrochenen Zuruf des »Hundsmannes«, welcher jeden einzelnen kennt und nennt, dicht hinter Reineke her, welcher seinerseits, um zu entkommen, alle Schnelligkeit, Behendigkeit, Gewandtheit, List und Ausdauer anwendet, vor keinem Hindernisse zurückbebt, jedes nimmt und überwindet, so lange es geht. Selten gelingt es dem armen Schelm, sein Leben zu retten; in der Regel holt ihn die blutgierige Meute binnen zwei bis drei Stunden ein, und wenn der »Hundsmann« nicht unmittelbar zur Stelle, um die Lunte, das Ehrengeschenk des Jägers, welcher Reineke zuerst gesehen, zu retten, ist dieser wenige Augenblicke später ergriffen, erwürgt, zerfetzt und aufgefressen.

Stöberhund ( Canis familiaris sagax irritans).

Ein allerliebstes Thier ist der Stöberhund, Beagle der Engländer ( Canis familiaris sagax irritans ), von den Braken hauptsächlich dadurch unterschieden, daß er im wesentlichen die Merkmale des glatthaarigen Vorstehhundes zeigt, während jene uns als Zwitter von Jagdhund und Dächsel, ihren vermeintlichen Stammeltern, erscheinen. Die Schulterhöhe des Stöberhundes soll 35 Centim. nicht übersteigen. In Gestalt, Behang und Behaarung ähnelt er dem Fuchshunde; doch sind seine Läufe stämmiger und niedriger, und es scheint deshalb die Annahme, daß er eine Kreuzungsform vom Fuchshunde und Dächsel ist, nicht unbegründet zu sein.

Man gebraucht den Stöberhund in voller Meute zur Hasenhetze und erfreut sich hauptsächlich an seiner wohlklingenden Stimme, welche, wenn die Meute stark ist, ein herrliches Geläute gibt. Sein Geruchssinn ist so fein, daß er einen einmal verfolgten Hasen immer wieder auffindet und auftreibt, und er läuft so ausdauernd, daß er Lampe trotz seiner Schnelligkeit und seiner Kreuz- und Quersprünge doch einholt und niedermacht. Berühmt war die Meute des Obersten Hardy. Sie bestand aus zweiundzwanzig Hunden, welche sämmtlich das angegebene Maß noch nicht einmal erreichten. Man trug sie zur Jagd hin und von derselben wieder zurück in Körben, welche auf Pferde geladen wurden. Bei der Hetze liefen sie regelmäßig in Reih und Glied. In einer schönen Nacht wurden sie ihrem Eigentümer gestohlen, und derselbe hat nie wieder erfahren, was mit ihnen geschehen ist. – Gegenwärtig sind auch diese Hunde selten geworden.

Ganz das Gegentheil von diesen kleinen, zierlichen Thieren ist der Blut- oder Schweißhund ( Canis familiaris sagax sanguinarius), welchen man jetzt ebenfalls nicht oft mehr sieht. In den guten, alten Zeiten wurde das Thier häufig als Diebesfänger benutzt und diente dem Lande zur Sicherung vor Räubern, welche in jenen Tagen überall ihr Unwesen trieben. Er war so klug, daß er die Fährte eines Diebes selbst dann verfolgte, wenn derselbe seinen Weg in einem Bache oder Flüßchen fortgesetzt hatte, um den Hund zu täuschen. Dieser suchte dann beide Ufer des Flusses so lange ab, bis er die Fährte des nach dem Lande zurückgekehrten Diebes von neuem auffand und verfolgen konnte.

Schweißhund ( Canis familiaris sagax sanguinarius)

Auch im Kriege wurden Bluthunde angewandt, so noch in den Kriegen zwischen England und Schottland. Heinrich VIII. brachte sie auf seinen Kriegszügen mit nach Frankreich, und Graf Essex hatte allein achthundert von ihnen bei seinem Heere in Irland. Gegenwärtig dienen sie zum Aufsuchen eines angeschossenen Wildes und nehmen den Schweiß allerdings besser auf als alle übrigen Jagdhunde. Die Farbe der echten Bluthunde ist lohbraun und auf dem Rücken fast schwarz. Sie haben 70 Centim. Schulterhöhe oder darüber, sind stark gebaut und zeichnen sich namentlich durch die breite und lange Schnauze aus, an welcher die Oberlippe über die Unterlippe herabhängt. Die Ohren sind breitlappig, der Scheitel ist hoch und gewölbt, der Blick ernst, klug und edel. Man sagt, daß sie heftigen Gemüthes wären und deshalb als gefährliche Thiere angesehen würden. Ihr Blutdurst soll so groß sein, daß sie selbst auf ihren eigenen Herrn losgehen, wenn sie einmal eine Beute niedergemacht haben. Die Stimme des Thieres ist so eigenthümlich langgezogen, laut und tief, daß man sie niemals vergessen kann, wenn man sie nur einmal gehört hat. Ueber seine Abkunft ist man völlig im Unklaren.

Die Engländer unterscheiden ihre Jagdhunde sehr genau, während unter uns die Bezeichnungen vielfach verwechselt werden. So nennt man beispielsweise auch die Vorstehhunde oft Hühnerhunde und umgekehrt, während zünftige Weidmänner unter ersteren mit Recht nur die kurzhaarigen, unter letzteren dagegen die langhaarigen Rassen verstehen. Allerdings leisten beide Gruppen, wenn gut geschult, so ziemlich dasselbe, wie sie sich überhaupt in ihren wesentlichen Eigenschaften, welche ihnen ja doch zum größten Theile anerzogen wurden, in hohem Grade ähneln.

Wasserhund ( Canis familiaris hirsutus aquatilis).

Der Hühnerhund ( Canis familiaris hirsutus) erreicht in der Regel 60 Centim. Schulterhöhe, hat gerade, ziemlich starke Läufe und mäßig große Füße, ist überhaupt kräftig, keineswegs aber plump gebaut, sein Kopf groß und lang, auf der Stirn mäßig gewölbt, die Schnauze mittellang, nach der Spitze zu merklich verschmälert, vorn jedoch gerade abgestuft, das Auge groß und mild, das Ohr breitlappig und hängend, die Oberlippe seitlich über die untere herabgezogen, der Leib gestreckt, in den Weichen nicht wesentlich verengt, die Fahne lang und buschig, das Haar fein, weich, aber meist etwas gekräuselt, das reiche Fell daher etwas zottig. Neben Braun kommt Schwarz, Weiß, Rothgelb als Färbung des Pelzes vor; auch gibt es weißbunte und reinweiße Hühnerhunde.

Der Wasserhund ( Canis familiaris hirsutus aquatilis) ist unter allen Rassen der am stämmigsten gebaute, sein Kopf stark und hoch, die Schnauze kurz, breit und stumpf, der Hals dick, der Leib voll und gedrungen, die Fahne lang und buschig; die Beine sind stark und sehr kräftig, die Füße breit. Ein zottig gekräuseltes Fell von meist eintöniger und dunkler Färbung bekleidet den Leib. An Höhe steht das Thier dem Hühnerhunde etwas nach, an Gewicht übertrifft es ihn. Das bereits von den Jagdhunden überhaupt und von den Vorstehhunden insbesondere Mitgetheilte gilt auch für die Hühnerhunde. Sie besitzen dieselben leiblichen und geistigen Begabungen, in der Regel aber ein sanfteres Gemüth, bekunden daher meist noch größere Anhänglichkeit an ihren Herrn und wissen sich Jedermanns Freundschaft zu erwerben. Alle trefflichen Eigenschaften des Haushundes vereinigen sich in ihnen. Nicht alle, aber doch die meisten, sind für den Jäger noch brauchbarer als die Vorstehhunde, weil sie nicht allein auf festem Boden, sondern auch im Wasser sich bewähren. Hier leistet zumal der letztgenannte außerordentliche Dienste.

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Mehrere sehr verschiedenartige Hunde Pflegt man unter dem Namen der Seidenhunde zusammenzufassen. Der Seidenhund ( Canis familiaris extrarius) ist ein sehr schönes Thier, von 80 Centim. Leibeslänge, mit langer Fahne und etwa 50 Centim. Höhe am Widerrist. Der Leib ist etwas gedrungen und gegen die Weichen eingezogen, der Rücken nicht gekrümmt, die Brust breit und kaum vorstehend, der Hals kurz und dick, der Kopf länglich und ziemlich erhaben, die Schnauze nicht sehr lang, nach vorn etwas verschmälert und zugespitzt. Die Ohren sind lang, breit, gerundet, vollständig hängend und mit sehr langen Haaren besetzt, die Lippen kurz und straff, die Füße von mittlerer Länge, nicht dick, aber ziemlich stark, die vorderen vollkommen gerade, die Hinterfüße ohne Afterzehen. Der mittelstarke und mittellange Schwanz reicht etwas unter das Fersengelenk und wird stark nach rückwärts gebeugt und aufwärts getragen. Die Behaarung ist lang, zottig, aber seidenartig; Schnauze und Vorderseite der Füße sind kurz behaart, die Hinterseite derselben aber, der Kopf, der Bauch und der Schwanz, besonders an der Unterseite, mit langen, zottigen Haaren bedeckt. Die Obertheile des Körpers sind gewöhnlich schwarz, Brust, Bauch, Füße, die Lippen und Wangen bräunlichgelb, und auch über den Augen findet sich ein bräunlicher Flecken. Außerdem kommen aber auch röthlichbraune, schwarz und weiße und sehr häufig gefleckte mit gelbbraunen, rothbraunen oder schwarzen Flecken auf weißem Grunde vor. Diese Kennzeichen gelten für die ganze Gruppe, welche wieder in eigentliche Seidenhunde, Wachtelhündchen und Pudel zerfällt. Die ersteren sind bei uns die seltensten, und zumal den großen Seidenhund sieht man wenig, eher den Malteserseidenhund, welcher seiner Kleinheit wegen oft als Schoßhündchen gehalten wird.

Alle Seidenhunde sind leicht und schnell, aber nicht ausdauernd. Sie haben feinen Geruch und großen Verstand, ohne jedoch besonders gelehrig zu sein. Zur Jagd auf kleines Wild und namentlich auf Federwild werden einige und vor allen die Wachtelhunde vielfach benutzt; doch bedürfen sie einer sehr sorgfältigen Erziehung, weil ihre ursprüngliche Jagdbegierde so groß ist, daß sie häufig durch Dick und Dünn gehen und kaum durch Zurufe sich bändigen lassen. Selbst bei der besten Erziehung zittern sie vor Begierde bei Auffindung einer Spur und sind nicht im Stande, ihre Freude oder ihren Eifer zu verbergen, sondern kläffen und bellen fast fortwährend. Aus diesem Grunde werden sie häufiger in der Stube gehalten als zur Jagd benutzt. Die Engländer haben sich große Mühe mit ihrer Zucht gegeben und deshalb auch eine Menge von Spielarten erzielt, welche sie in Jagd- und Tändelhunde trennen. Unter den Wachtelhunden unterscheiden sie Springer, d. h. solche, welche lustig durch Dick und Dünn und namentlich durch niederes Dorngestrüpp hindurchjagen, und Schnepfenhunde, welche hauptsächlich zur Jagd auf Waldschnepfen verwendet werden. Letztere sind kleiner als die Springer und wiegen selten mehr als zwölf, sehr oft nur neun oder zehn Pfund. Außerordentlich lebendig und thätig, verrichten sie ihre Arbeit mit einem geradezu unerschöpflichen Grade von Selbstbewußtsein und Vergnügen. Dabei sind sie sehr muthig und behalten auch in anderen Klimaten ihre ursprüngliche Kühnheit bei, selbst in dem heißen Indien, welches die besten nordischen Hunde bald verdirbt. Kapitän Williamson erzählt, daß eines dieser kleinen tolldreisten Thiere einstmals sogar einem Tiger muthig entgegenging. Das gewaltige Raubthier schaute den kleinen Kläffer anfangs verwundert an, dann aber stand es auf, von dem Gebelfer des zudringlichen Naseweis gestört, und flüchtete! Der Erzähler versichert, daß es einen unbeschreiblichen Anblick gewährt habe, die beiden in Größe und Kraft so verschiedenen Thiere hinter einander zu sehen, den großen, gewaltigen Tiger mit gehobenem Schweife voran und den muthigen kleinen Hund zankend und bellend hinterdrein. Und dies ist nicht der einzige Fall, welcher den Muth dieser niedlichen Thiere erprobte. Ein anderer Offizier von dem bengalischen Geschützwesen jagte in der Nähe eines Rohrdickichts nach Trappen und Pfauen, als plötzlich ein Tiger hervorbrach. Augenblicklich wurde derselbe von den Hündchen gestellt, und obgleich die muthigsten und kühnsten mit zwei Tatzenschlägen niedergelegt wurden, hielten die anderen doch so lange Stand, bis sich der Tiger zurückgezogen hatte.

Die kleinen Wachtelhündchen werden König-Karlshündchen, die kleinsten Blenheimshündchen genannt, jene aus dem Grunde, weil König Karl II. von England sie außerordentlich liebte und stets einige bei sich hatte. Ihre dunkle Farbe, welche übrigens oft ins Bräunliche spielt, die weiße Vorderbrust, das seidenweiche, lange Haar und das große lange Behänge zeichnen sie aus. Die allerbesten und geschätztesten von ihnen wiegen bloß fünf, die größten nicht mehr als sieben Pfund. Sie sind als Stubenhunde außerordentlich beliebt, weil schmuck, munter und gelehrig, wenn sie richtig behandelt werden, und die unterhaltendsten Gesellschafter, welche man sich denken kann. Ewig auf lustige Streiche bedacht, lassen sie sich mit sehr geringer Mühe erheiternde Kunststücke lehren. Unangenehm ist, daß ihre Augen beständig thränenfeucht sind, und ihnen von einem Winkel aus diese Thränen ohne Unterlaß über die Wangen herablaufen.

Während wir die letzterwähnten Rassen die Zwerge der Gruppe nennen können, müssen wir den Neufundländer (Canis familiaris terrae novae) als den Riesen unter den Seidenhunden ansehen. Das gewaltige, prächtige Thier soll ein doppelter Bastard des großen Pudels mit dem französischen Fleischerhunde sein und in Neufundland seine Rasse bis zur Stunde in ihrer ursprünglichen Reinheit erhalten haben. Es ist sehr ungewiß, um welche Zeit sich diese Rasse in Neufundland gebildet und wer hierzu Veranlassung zunächst geboten hat. Man weiß gewiß, daß die Engländer bei ihrer ersten Niederlassung in Neufundland im Jahre 1622 diese Hunde noch nicht vorfanden, und nimmt deswegen mit großer Wahrscheinlichkeit an, daß die Stammeltern, jedenfalls vortreffliche und ausgezeichnete Hunde, nach der Ansiedlung gebracht worden sind. »Der Neufundländerhund«, sagt Fitzinger, »trägt wie alle Bastarde die Kennzeichen seiner elterlichen Abstammung unverkennbar an sich. Er vereinigt mit der Gestalt, Größe und Stärke des französischen Fleischerhundes, welcher selbst ein Bastard des großen Windhundes und Jagdhundes ist, zum Theil die Behaarung und Gestalt der Ohren, welche zu den klimatischen Abänderungen des großen Seidenhundes gehört. Es ist ein gewaltiges, starkes und kräftiges Thier mit breitem, langem Kopfe, etwas verdickter Schnauze, mittelgroßen, hängenden, zottig behaarten Ohren, starker Brust, kräftigem Halse, mit ziemlich hohen, starken Beinen, mit dichter, langer, zottiger, krauslicher, weicher, fast seidenartiger Behaarung, mit ziemlich langem, zottigem Schwanze und mit stark ausgebildeten Schwimmhäuten zwischen den Zehen. Seine Färbung ist sehr verschiedenartig. Viele sind schwarz mit einem lebhaften, rostgelben Flecken über jedem Auge und rostgelben Flecken an der Kehle und an den Fußgelenken. Etwas weniger häufig ist er schwarz und weiß, oder braun und weiß gefleckt, oder einförmig schwarzbraun und weiß.«

Mit Recht gilt der Neufundländer für eine der schönsten Rassen und wird sehr gesucht; denn auch seine Eigenschaften stehen mit seiner äußeren Schönheit im Einklange und verkünden den guten Stamm, von welchem er herrührt. Seinem Herrn ist er im höchsten Grade treu und anhänglich, dabei verständig und außerordentlich gelehrig. Selbstverständlich muß man darauf sehen, seine natürlichen Begabungen bei der Abrichtung auszubilden, um das Thier zu dem in seiner Art vollkommensten zu machen. Der Neufundländer ist der beste aller Wasserhunde; das Wasser scheint sein eigentlich heimisches Element zu sein. Er schwimmt leidenschaftlich gern und mit der größten Leichtigkeit, taucht wie ein Seethier und kann stundenlang im Wasser aushaltcn. Einmal fand man einen dieser Hunde in einer weiten Meeresbucht, Meilen vom Lande entfernt, und mußte wohl annehmen, das er viele Stunden lang im Meere herumgeschwommen war. Dem Neufundländer ist es vollkommen gleichgültig, in welcher Weise er schwimmen muß; denn er geht ebensogut gegen den Strom oder Wellenschlag als mit beiden. Ohne irgendwelche vorausgegangene Abrichtung holt er unermüdlich jeden Gegenstand aus demWasser, selbst bei der strengsten Kälte, und bringt ihn seinem Herrn. Der Mensch kann ihm überhaupt nicht mehr Vergnügen bereiten, als wenn er ihm Gelegenheit gibt, sich viel im Wasser aufzuhaltcn. Geht man mit ihm ins Wasser, so erhöht man sein Vergnügen noch bedeutend. Der Hund scheint außer sich vor Freude zu sein, daß auch der Mensch gleich ihm mit dem Wasser vertraut ist, und bemüht sich nach Kräften, diese Freude an den Tag zu legen. Er schwimmt bald vor seinem Herrn, bald hinter ihm her, taucht unter ihm weg, thut, als wolle er ihn ein Stückchen tragen oder stützen, kurz, spielt förmlich im Wasser. Und wenn endlich der Herr ermüdet sich nach dem Ufer wendet, bemüht sich der Hund, ihn noch zum neuen Wettschwimmen aufzufordern.

Neufundländerhund (Canis familiaris terrae novae).

Diese außerordentliche Befähigung des Neufundländers für das Wasser macht ihn zu einem sehr nützlichen Thiere an allen Seeküsten. Man kennt Hunderte von Beispielen, daß durch den Muth und die Kraft des vortrefflichen Geschöpfes ertrinkende Menschen gerettet worden sind. Viele Schiffer haben ihn stets bei sich, weil er vorkommenden Falls die ganze Mannschaft zu retten im Stande ist. Bei Schiffbrüchen ist er oft mit einem Seile im Maule ans Land geschwommen und hat so die Rettung der Mannschaft vermittelt, oder aber er ist vom Lande aus in die See gegangen und hat einen der Schiffbrüchigen nach dem anderen herüberbugsirt. In Ortschaften, welche in der Nähe tiefer Gewässer liegen, macht er sich als unübertrefflicher Kinderwärter sehr verdient. Man darf dreist das kleinste Kind seiner Wachsamkeit und Treue anvertrauen, weil man sicher ist, daß dem Kinde, solange der Hund sich bei ihm befindet, nicht das geringste zu Leide geschieht. Die Beispiele, in denen er sich bei diesen Geschäften bewährt hat, sind nicht zu zählen. Sobald er einen Menschen im Wasser in Gefahr sieht, stürzt er sich augenblicklich in das ihm befreundete Element, eilt zu jenem hin, schiebt ihm die Schnauze unter die Achsel und hebt ihn mit derselben über den Wasserspiegel empor. Auch halberfrorene Leute hat er mehrmals vor dem sicheren Tode bewahrt, indem er ganz nach Weise der Bernhardinerhunde handelte. Das Land wittert er von Schiffen aus in großer Entfernung, zuweilen auf mehr als zehn englische Meilen, und gibt dies durch Bellen zu erkennen. Zu diesen vortrefflichen Eigenschaften kommt noch seine große Gutmüthigkeit und Sanftheit, sowie die unauslöschliche Dankbarkeit für empfangene Wohlthaten; – ebenso bewahrt er freilich auch erlittene Unbill und Strafe in seinem Gedächtnisse auf und wird Leuten, welche ihn mit Absicht quälen, manchmal gefährlich.

In Neufundland wird das edle Thier sehr schlecht behandelt. Man spannt ihn vor einen kleinen Wagen oder Schlitten, läßt ihn Holz schleppen und beladet seinen breiten Rücken mit Eselsbürden, nährt ihn auch nur mit dem erbärmlichsten Futter, welches es geben kann, mit alten, halbverfaulten oder verdorbenen Fischen und dergleichen. Viele der schönen Thiere gehen unter der elenden Behandlung zu Grunde, und andere lassen sich, wenn sie einmal von ihren Tyrannen sich befreien können, mancherlei Vergehen zu Schulden kommen, indem sie die Herden überfallen und sonstwie Schaden anrichten. Außer zu jenen Arbeiten benutzt man sie in Neufundland auch noch zur Vertreibung des amerikanischen Wolfes, und zwar mit dem besten Erfolge, weil das starke Thier jenen feigen und erbärmlichen Räuber mit leichter Mühe bewältigt und gewöhnlich im Kampfe todtbeißt.

Gegen andere Hunde benimmt er sich mit sehr großer Würde und läßt sich erstaunlich viel gefallen; doch spielt er den kleinen Kläffern, wenn es ihm zu bunt wird, manchmal einen schlimmen Streich. So erzählt man, daß ein Neufundländer einen kleinen Hund, der ihn beständig ärgerte, plötzlich beim Kragen faßte, mit ihm ins Meer sprang und ihn wohl eine halbe Meile weit hinausschleppte, ihn dann aber in das Wasser warf und es ihm überließ, sich mit Mühe und Noth selbst wieder an das Land zu haspeln. Noch schlimmer erging es einem kampflustigen Bulldoggen, welcher den Neufundländer eines Schiffers ohne Ursache angriff und sich in dessen Kehle verbiß. Vergebens versuchte der Große, das wüthende Vieh abzuschütteln. Da kam er auf einen guten Gedanken. Er lief mit ihm nach dem Theerkessel, dessen Inhalt gerade lustig brodelte, und tauchte den Bulldoggen gelind mit den Hinterbeinen dahinein. Daß dieser augenblicklich losließ, kann man sich denken, und schwerlich hat er jemals wieder einen Neufundländer angegriffen, nachdem ihn der erste, an dem er seinen Uebermuth versuchen wollte, für sein Leben gezeichnet hatte.

 

Mit dem Neufundländer hat der Bernhardinerhund (Canis familiaris extrarius St. Bernardi) Aehnlichkeit. »Die Bernhardiner Doggen«, sagt Tschudi, »sind große, langhaarige, äußerst starke Thiere, mit kurzer, breiter Schnauze und langem Behang, von vorzüglichem Scharfsinn und außerordentlicher Treue. Sie haben sich durch vier Geschlechter rein fortgepflanzt, sind aber jetzt nicht mehr rein vorhanden, nachdem sie bei ihrem treuen Dienste durch Lawinen umgekommen sind. Eine nahverwandte Rasse wird nachgezogen und ein junges Thier zu sechs bis zehn Louisd'or verkauft. Die Heimat dieser edlen Thiere ist das Hospiz des St. Bernhard, 7880 Fuß über dem Meere, jener traurige Gebirgssattel, wo in der nächsten Nähe ein acht- bis neunmonatlicher Winter herrscht, indem das Thermometer sogar bis – 27º R. steht, während in den heißesten Sommermonaten und im ganzen Jahre kaum zehn ganz helle Tage ohne Sturm und Schneegestöber oder Nebel kommen, wo, um es kurz zu sagen, die jährliche Mittelwärme niedriger steht als am europäischen Nordkap. Dort fallen bloß im Sommer große Schneeflocken, im Winter dagegen trockene, kleine, zerreibliche Eiskrystalle, die so fein sind, daß der Wind sie durch jede Thür- und Fensterfuge zu treiben vermag. Diese häuft der Wind oft, besonders in der Nähe des Hospizes zu 30 bis 40 Fuß hohen, lockeren Schneewänden an, welche alle Pfade und Schlünde bedecken und beim geringsten Anstoße in die Tiefe stürzen.

»Die Reise über diesen alten Gebirgspaß ist nur im Sommer bei ganz klarem Wetter gefahrlos, bei stürmischem Wetter dagegen und im Winter, wo die vielen Spalten und Klüfte vom Schnee verdeckt find, dem fremden Wanderer ebenso müh- als gefahrvoll. Alljährlich fordert der Berg eine kleine Anzahl von Opfern. Bald fällt der Pilger in eine Spalte, bald begräbt ihn ein Lawinenbruch, bald umhüllt ihn der Nebel, daß er den Pfad verliert und in der Wildnis vor Hunger und Ermüdung umkommt, bald überrascht ihn der Schlaf, aus dem er nicht wieder erwacht. Ohne die echt christliche und aufopfernde Thätigkeit der edlen Mönche wäre der Bernhardspaß nur wenige Wochen oder Monate des Jahres gangbar. Seit dem achten Jahrhundert widmen sie sich der frommen Pflege und Errettung der Reisenden. Die Bewirtung der letzteren geschieht unentgeltlich. Feste, steinerne Gebäude, in denen das Feuer des Herdes nie erlöscht, können im Nothfalle ein paar hundert Menschen beherbergen. Das Eigenthümlichste ist aber der stets gehandhabte Sicherheitsdienst, den die weltberühmten Hunde wesentlich unterstützen. Jeden Tag gehen zwei Knechte des Klosters über die gefährlichsten Stellen des Passes: einer von der tiefsten Sennerei des Klosters hinauf in das Hospiz, der andere hinunter. Bei Unwetter oder Lawinenbrüchen wird die Zahl verdreifacht und eine Anzahl von Geistlichen schließen sich den »Suchern« an, welche von den Hunden begleitet werden und mit Schaufeln, Stangen, Bahren und Erquickungen versehen sind. Jede verdächtige Spur wird unaufhörlich verfolgt, stets ertönen die Signale; die Hunde werden genau beobachtet. Diese sind sehr fein auf die menschliche Fährte dressirt und durchstreifen freiwillig oft tagelang alle Schluchten und Wege des Gebirges. Finden sie einen Erstarrten, so laufen sie auf dem kürzesten Wege nach dem Kloster zurück, bellen heftig und führen die stets bereiten Mönche dem Unglücklichen zu. Treffen sie auf eine Lawine, so untersuchen sie, ob sie nicht die Spur eines Menschen entdecken, und wenn ihre feine Witterung ihnen davon Gewißheit gibt, machen sie sich sofort daran, den Verschütteten freizuscharren, wobei ihnen die starken Klauen und die große Körperkraft Wohl zu statten kommen. Gewöhnlich führen sie am Halse ein Körbchen mit Stärkungsmitteln oder ein Fläschchen mit Wein, oft auf dem Rücken wollene Decken mit sich. Die Anzahl der durch diese klugen Hunde Geretteten ist sehr groß und in den Geschichtsbüchern des Hospizes gewissenhaft verzeichnet. Der berühmteste Hund der Rasse war Barry, das unermüdlich thätige Thier, welches in seinem Leben mehr als vierzig Menschen das Leben rettete.«

Diesen Hund hat ein Dichter verherrlicht, und Tschudi führt das Gedicht in seinem Werke auch an; ich aber weiß ein noch besseres Gedicht, wenn es gleich nicht in gebundener Rede geschrieben wurde: die Beschreibung, welche Scheitlin von Barry gibt. »Der allervortrefflichste Hund, den wir kennen«, sagt er, »war nicht derjenige, welcher die Wachmannschaft der Akropolis in Korinth aufgeweckt, nicht derjenige, der als Bezerillo Hunderte der nackten Amerikaner zerrissen, nicht der Hund des Henkers, der aus den Befehl seines Herrn einen ängstlichen Reisenden zum Schutze durch den langen, finsteren Wald begleitete, nicht Drydens »Drache«, der, sobald sein Herr ihm winkte, auf vier Banditen stürzte, etliche erwürgte, und so seinem Herrn das Leben rettete, nicht derjenige, der zu Hause anzeigte, des Müllers Kind sei in den Bach gefallen, noch der Hund in Warschau, der von der Brücke in den Strom hinabsprang und ein kleines Mädchen dem Tode in den Wellen entriß, nicht Aubry's, der wüthend den Mörder seines Herrn anpackte und im Kampfe vor dem König zerrissen hätte, nicht Benvenuto Cellini's, der die Goldschmiede, als man Juwelen stehlen wollte, sogleich aufweckte: sondern Barry, der Heilige auf dem St. Bernhard! Ja Barry, du höchster der Hunde, du höchstes der Thiere! Du warst ein großer, sinnvoller Menschenhund mit einer warmen Seele für Unglückliche. Du hast mehr als vierzig Menschen das Leben gerettet. Du zogst mit deinem Körblein und Brod und einem Fläschlein süßer, stärkender Erquickung am Halse aus dem Kloster, in Schneegestöber und Thauwetter Tag für Tag, zu suchen Verschneite, Lawinenbedeckte, sie hervorzuscharren oder, im Falle der Unmöglichkeit schnell nach Hause zu rennen, damit die Klosterbrüder mit dir kommen mit Schaufeln und dir graben helfen. Du warst das Gegentheil von einem Todtengräber, du machtest auferstehen. Du mußtest, wie ein feinfühlender Mensch, durch Mitgefühl belehren können, denn sonst hätte jenes hervorgegrabene Knäblein gewiß nicht gewagt, sich auf deinen Rücken zu setzen, damit du es in das freundliche Kloster trügest. Angelangt, zogst du an der Klingel der heiligen Pforte, auf daß du den barmherzigen Brüdern den köstlichen Findling zur Pflege übergeben könntest. Und als die süße Last dir abgenommen war, eiltest du sogleich aufs neue zum Suchen aus, auf und davon. Jedes Gelingen belehrte dich und machte dich froher und theilnehmender. Das ist der Segen der guten That, daß sie fortwährend Gutes muß gebären! Aber wie sprachst du mit den Gefundenen? Wie flößtest du ihnen Muth und Trost ein? Ich würde dir die Sprache verliehen haben, damit mancher Mensch von dir hätte lernen können. Ja, du wartetest nicht, bis man dich suchen hieß, du erinnertest dich selbst an deine heilige Pflicht, wie ein frommer, Gott wohlgefälliger Mensch. Sowie du nur von fern die Ankunft von Nebel und Schneewetter sahst, eiltest du fort.

Bernhardinerhund ( Canis familiaris extrarius St. Bernardi).

»So thatest du unermüdlich, ohne Dank zu wollen, zwölf Jahre. Ich hatte die Ehre, auf dem Bernhard dich kennen zu lernen. Ich zog den Hut, wie sichs gebührte, ehrerbietig vor dir ab. Du spieltest soeben mit deinen Kameraden, wie Tiger mit einander spielen. Ich wollte mich mit dir befreunden: aber du murrtest, denn du kanntest mich nicht. Ich aber kannte schon deinen Ruhm und deinen Namen und seinen guten Klang. Wäre ich unglücklich gewesen, du würdest mich nicht angemurrt haben. Nun ist dein Körper ausgestopft im Museum zu Bern. Die Stadt that wohl daran, daß sie dich, da du all und schwach geworden und der Welt nicht mehr dienen konntest, ernährte, bis du starbst. Wer deinen Körper wohl ausgestopft nun in Bern sieht, ziehe den Hut ab und kaufe dein Bild daselbst und hänge es in Rahmen und Glas an die Wände seines Zimmers, und kaufe dazu auch das Bild des zarten Knaben auf deinem Rücken, wie du mit ihm vor der Klosterpforte stehst und klingelst, und zeige es den Kindern und Schülern und sage: gehe hin und thue desgleichen, wie dieser barmherzige Samariter that, und werfe dafür von den Wänden die Bilder von Robespierre, Marat, Hannickel, Abellino und andere Mörder- und Raubbildnisse zum Fenster hinaus, auf daß das junge Gemüth von Hunden lerne, was es beim Menschen verlernte.«

Auch auf dem Gotthard, dem Simplon, der Grimsel, Furka und allen anderen Hospizen werden, nach Tschudi, vorzügliche Hunde gehalten, welche eine äußerst feine Witterung des Menschen besitzen, öfters Neufundländer oder Bastarde von solchen. Die Hospizbewohner versichern überall, daß diese Thiere besonders im Winter das Nahen eines Wetters schon auf eine Stunde vernehmen und durch unruhiges Umhergehen untrüglich anzeigten. So hoch berühmt aber wie Barry ist kein anderer Hund von ihnen allen geworden. Gegenwärtig sollen die Bernhardinerhunde vollständig ausgestorben und durch andere ersetzt worden sein, welche mehr den Doggen als den Neufundländerhunden ähneln. Soweit die mir zugänglichen Mittheilungen erkennen lassen, stehen sie hinsichtlich ihrer Leistungen nicht hinter ihren Vorgängern zurück.

Unsere Abbildung stellt nicht den eigentlichen St. Bernhardshund, sondern denjenigen vor, welcher in Deutschland Bernhardiner genannt zu werden pflegt.

 

Ein Seidenhund ist auch der allbekannte Pudel ( Canis familiaris genuinus). Ihn zu beschreiben erscheint unnöthig, da er so ausgezeichnet ist, daß Jedermann ihn kennt. Der gedrungene Körperbau mit den langen, wolligen, zottigen Haaren, welche hier und da förmliche Locken bilden und den ganzen Hund dicht einhüllen, die langen und breiten Ohren kennzeichnen ihn vor seinen übrigen Verwandten. Ein schöner Pudel muß ganz weiß oder ganz schwarz sein, oder darf höchstens bei ganz schwarzer Farbe einen weißen Stirn- oder Brustflecken haben.

Der Pudel bekundet durch seine Liebe für das Wasser seine Verwandtschaft mit den übrigen Seidenhunden. Er schwimmt gut und gern und kann wohl auch zur Jagd abgerichtet werden. Weit mehr eignet er sich zum Gesellschafter des Menschen, und als solcher leistet er das größte, was überhaupt ein Thier zu leisten vermag. Um ihn zu kennzeichnen, borge ich mir die Worte Scheitlins, eines seiner wärmsten Verehrer.

»Der Pudel ist unter allen Hunden am besten gebaut. Er hat die schönste Kopfform, den wohlgebildetsten Leib, die schönste Gestalt, eine volle, breite Brust, wohlgebaute Beine, ist nicht hoch und nicht niedrig, nicht lang und nicht kurz und stellt sich am würdigsten dar. Schon körperlich ist er zu allen Künsten vorzugsweise geeignet. Tanzen kann er von selbst lernen; denn seine halbmenschliche Natur treibt ihn, sich an seinem Herrn aufzurichten, auf zwei Beine zu stellen und aufrecht zu gehen. Bald genug merkt er, daß er es könne, und er thut es sehr oft von selbst, wenn er will.

»Sein Geschmacksinn ist fein; er unterscheidet zwischen Speisen sehr genau; er ist ein Leckermaul. Sein Geruchsinn ist berühmt. Er kennt die Kinder seines Herrn durch ihn und findet mit Hülfe derselben seine verlorene Spur. Gibt man ihm von einem verlorenen Kinde einen Schuh oder sonst etwas zu riechen, so kann er durch die Festhaltung des Eindrucks dieses Geruchs das verlorene Kind von selbst finden. Kaum jemals täuscht er sich: ihm ist der Geruch als Erkennungsvermögen angewiesen. Er fühlt auch fein. Für körperliche Schmerzen ist er sehr empfindlich; er ist wehleidig. Sein Gehör ist vortrefflich. Von weitem kennt er die Stimme, unterscheidet sie auch dem Sinne nach, kennt den Unterschied der Glocken und Klingeln, kennt die Art und Weise und den Ton des Schrittes seiner Hausgenossen. Aber sein Gesicht ist zurückgeblieben: er sieht nicht gut, er kennt seinen Herrn durch das Gesicht nur, wenn er ziemlich nahe ist.

»Der Ortssinn ist im Pudel ausgezeichnet, Er findet den Weg nach Hause Stunden und Tage weit her. Er läuft in der Stadt oder auf dem Lande willkürlich herum und besucht, mit der Gewißheit zu finden, irgend ein Haus, in welchem er mit seinem Herrn, sei es auch nur einmal, gewesen, in welchem ihm wohlgethan worden ist. Deshalb kann er abgerichtet werden, Brod beim Bäcker, Fleisch in der Fleischerei zu holen. Sein Zeitsinn ist merkwürdig; er merkt an den Tagen, daß der Sonntag kommt; er kennt, wie der hungerige Mensch, die Mittagsstunde und die Schlachttage im Schlachthause. Die Farben kennt er genau und unterscheidet die Dinge mit Hülfe derselben deutlich. Sonderbar ist der Eindruck der Musik auf ihn: manche Werkzeuge kann er wohl leiden, andere gar nicht.

Pudel ( Canis familiaris genuinus).

»Der Pudel hat ein außerordentlich scharfes Wahrnehmungsvermögen. Nichts entgeht ihm, und darum heißt er gescheit. Er ist ein vollkommener Beobachter und lernt deshalb nicht bloß die Worte, sondern auch die Mienen und Blicke seines Herrn ausgezeichnet verstehen. Sein Gedächtnis ist in hohem Grade treu. Jahrelang bleibt ihm die Form und die Farbe seines Herrn in der Seele; jahrelang verliert er den Weg irgend wohin nicht. Man nennt den Hund schon wegen seines unterscheidenden Geruchsinns gescheit: wie viel mehr wird man ihn wegen seines getreuen Gedächtnisses gescheit nennen, da man ja im täglichen Leben jedes Kind mit gutem Gedächtnisse und selbst einen dummen Gelehrten, d. h. Vielwisser, für gescheit hält. Dieses Gedächtnis ist eine Hauptursache zur Gelehrigkeit des Pudels. Doch bedarf er auch dazu Geduld, Gutmütigkeit und Folgsamkeit. Er kann wirklich trommeln, Pistolen losschießen, an Leitern hinaufklettern, frei mit einer Schar Hunde eine Anhöhe, die von anderen Hunden vertheidigt wird, erstürmen und mit Kameraden eine Komödie spielen lernen. Wir wissen, daß man auch Pferden und Elefanten ( aber bloß diesen!) ähnliches und gleiches lehren kann. »Zwei Dinge kommen noch dazu: des Pudels Nachahmungssucht und sein Ehrgefühl, d. h. seine Eitelkeit. Immer schaut er seinen Herrn an, immer schaut er, was er thut, immer will er ihm zu Diensten stehen. Er ist der rechte Augendiener; er denkt, wie ein Kind vom Vater, was dieser thut, sei recht, er müsse oder dürfe es ebenfalls thun. Nimmt der Herr eine Kegelkugel, so nimmt er zwischen seine Pfoten auch eine, will sie anbeißen und plagt sich, wenn es ihm nicht gelingen will. Sucht jener Steine behufs wissenschaftlicher Behandlung, so sucht auch der Pudel Steine. Gräbt der Herr irgendwo, so fängt auch der Pudel mit den Pfoten zu graben an. Sitzt jener im Fenster, so springt auch dieser auf die Bank neben ihn, legt beide Tatzen aufs Gesimse und guckt ebenfalls in die schöne Aussicht hinaus. Er will auch einen Stock oder Korb tragen, weil er den Herrn oder die Köchin einen tragen sieht. Er trägt ihn sorgfältig, stellt ihn vor die Leute hin, geht von einer Person zur anderen, um zu zeigen, wie geschickt er sei, und wedelt mit dem Schwanze selbstgefällig. Während des Tragens bekümmert er sich gar nicht um andere Hunde; er scheint sie als Taugenichtse zu verachten, sie aber scheinen ihn zu achten.

»Der Pudel ist der geachtetste (aber nicht der gefürchtetste) und auch beliebteste Hund, weil er der gutmüthigste ist. Kindern ist er ganz besonders lieb, weil er auf jede Weise sich necken und auf sich reiten, sich zupfen und zerren läßt, ohne zu knurren, zu beißen und ungeduldig zu werden. So gefräßig er ist, so kann man ihm doch das Fressen oft aus seinem Rachen wieder hervorholen, was sehr wenige Hunde zulassen. Den, welcher ihn einmal geschoren, kennt er für sein ganzes Leben und schaut ihn darum an, wo er ihn trifft. Kommt er nach Jahresfrist wieder ins Haus, um ihn zu scheren, so rennt er augenblicklich weg und verbirgt sich: er will nicht geschoren sein. Aber seinen Mann kennend, läßt er sich willig aus dem Winkel und Dunkel hervorziehen und fügt sich ohne Widerspruch in die Nothwendigkeit. Wird er von einem tollen Hunde gebissen und kommt der Henker ihn zu holen, so weiß er augenblicklich, was ihm droht. Er verbirgt sich, sein Auge wird sogleich trübe und erschrocken, doch wehrt er sich nicht. Den Todesstich oder Schlag empfängt er, wie die Pferde, mit ruhigem Herzen. Wird er krank und einem Arzte übergeben, so unterzieht er sich der Kur sehr gutwillig, und wie der Orang merkt er schnell, was ihm dienlich sei. Kein Thier erkennt so schnell die Meisterschaft des Menschen, daß es ihm gehorchen solle und müsse, und daß der Gehorsam das beste für ihn sei.

»Sehr artig ist zu sehen, wie er seinen Herrn sucht. Er läuft mit gesenktem Kopfe die Straße lang, steht still, besinnt sich, kehrt wieder um, bleibt an der anderen Ecke der Straße wieder still stehen, denkt mehr, als er schaut, beschreibt Diagonalen, um schneller irgendwo zu sein etc. Artig zu sehen ist auch, wenn er ausgehen will und nicht soll, seinen Herrn überlisten will, wie er ihn zu überschleichen sucht, thut, als wenn er nicht fort wolle, wenn man ihn nicht anschaut, plötzlich den Reißaus nimmt oder mit füchsischer, überhündischer List an der Wand ein Bein aufhebt, als ob er pissen müsse, damit man ihn hinausjage, und wenn man ihn hinausjagt, augenblicklich, ohne zu pissen, zum Schlachthause oder zu einer von seinen Buhlen läuft, wenn man ihm aber nicht glaubt, endlich alle Hoffnung entwischen zu können aufgibt, mit vollkommener Entsagung sich unter den Tisch legt und das Pissen läßt und vergißt. Er hat vollkommen wie ein Mensch gelogen.

»Es darf uns nicht Wunder nehmen, wenn viele Beobachter dem Pudel menschliche Verstandsgeschicklichkeit zuschreiben. Und wirklich ist kein Mensch in Beobachtungsumständen geschickter, keiner äußert seine Ungeduld, wenn man ihn nicht berücksichtigt, besser als der Pudel. Er prüft vorher sorgfältig, ehe er entscheidet, und er will sich nicht täuschen lassen und auch nicht ausgelacht werden.

»Mit Prügeln kann man den Pudel nichts lehren; er ist nur ängstlich, verwirrt, thut immer weniger, ganz wie ein Kind, welches weinend lernen muß. Doch listig thut er auch bisweilen ganz dumm. Mit gutem kann man ihm sogar an widriges gewöhnen und Dinge essen oder trinken lehren, welche er sonst verschmäht. Manche Pudel werden und sind so recht eigentliche Kaffeefraubasen und ziehen dieses Getränk unbedingt jedem anderen vor.

»Sonderbar ist es, daß der Pudel, je gutmüthiger und verständiger, umso weniger ein guter Hauswächter ist, desto minder auf den Menschen abgerichtet werden kann. Er liebt und schätzt alle Menschen; will man ihn gegen einen Menschen reizen, so schaut er nur seinen Herrn und dessen Gegner an, als ob er denke, es könne seinem Herrn nicht möglich sein, ihn auf einen seinesgleichen zu Hhetzen. Man könnte seinen Herrn morden, ohne daß er sich für ihn wehrte. Gegen seinen Herrn ist er stets unterwürfig im höchsten Grade, er fürchtet nicht nur die Schläge, sondern schon den Unwillen, das Wort, den drohend verweisenden Finger.

»Pferde und Hunde scheinen unter allen Thieren am ersten erschreckt werden zu können, der Pudel kann sogar erstaunen, d. h. es kann seine Beurtheilungskraft plötzlich stillgestellt werden. Ein Pudel verfolgte einen Raben auf einer Wiese. Der Rabe stellt sich gegen ihn, auf einmal ruft er den Hund an: »Spitzbube, Spitzbube!« – erschrocken fährt der Hund zurück, sein Verstand stand ihm still: ein Thier, ein Vogel und – eine Menschenstimme!

»Der Pudel ist nie gern allein; immer sucht er Menschen auf. Die ersten sind ihm die besten. Er gibt sich nicht gern mit Hunden anderer Art ab, und will er spielen, so thut er es mit Pudeln, wenigstens vorzugsweise. Mit solchen erfreut er sich dann sehr. Andere Hunde scheint er zu hassen oder sie ihn, wahrscheinlich, weil sie ihn als einen besonderen Menschenfreund und vorgezogenen oder als den höchstbegabten unter den Hunden ansehen und ihn darum nicht leiden mögen.

»Der Pudel liebt die Freiheit ungemein. Er kommt und geht wieder. An der Kette ist kein Hund gern, am allerwenigsten der Pudel, er versteht, sich davon auf alle Weise loszumachen, und erprobt darin seine Künste, Stricke zu zerreißen und zu zerbeißen. Aus Schleifen zieht er den Kopf; er kann gerade so wie ein Mensch jauchzen, wenn er entkettet wird, und vor Freude ganz unsinnig thun.«

Von seinen Erfindungsgaben, um sich frei zu machen, erzählt Giebel eine anmuthige Geschichte. »In einer der Hundesteuer unterworfenen, großen Stadt fing der Abdecker, wie üblich, alle markenlosen Hunde ein und steckte Groß und Klein, Alt und Jung, Schön und Häßlich in einen weiten Schuppen, wo sie ihr unverschuldetes Unglück in dem lautesten Jammergeheul beklagten. Der verständige Pudel allein saß ruhig, in sein Schicksal ergeben, im Winkel des Gefängnisses und sah bald, auf welche Weise die Thüre geöffnet wurde. Der Weg zur Freiheit war ihm damit gezeigt. Er ging flugs an die Thür, zog mit der Pfote den Drücker nieder, öffnete die Thür, und auf seinen Wink folgte die ganze Schar der Gefangenen. Im Sturmschritte und lärmend eilte sie, im Thore die Wache unter das Gewehr rufend, in die Stadt hinein, und jeder kehrte zu seinem Herrn vergnügt zurück.«

Doch was ließe sich nicht über den Pudel noch alles sagen! Man könnte über ihn allein ein ganzes Buch schreiben!

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Wenden wir unsere Aufmerksamkeit einer anderen, sehr merkwürdigen Gruppe zu, den Pintschern ( Canis familiaris Gryphus) nämlich. Mehrere Naturforscher zählen sie noch zu der vorigen Abtheilung, und in der That haben wenigstens einige wegen ihres Haarkleides und der Bildung der Schnauze, der Ohren und des Schwanzes, wegen ihrer Gutmüthigkeit und Treue, ihrer Munterkeit und Spiellust vieles mit dem Pudel gemein; der Bau des Schädels und des Gerippes weicht jedoch entschieden ab und läßt sie als eigenthümliche Hunde erscheinen. Man unterscheidet hauptsächlich die glatthaarigen und stachelhaarigen oder die Ratten- und Affenpintscher. Erstere ähneln in ihrem Gesammtbau dem Dachshunde, unterscheiden sich von ihm aber durch die höheren und geraden Beine und die ganz aufrechtstehenden oder nur mit der Spitze überhängenden Ohren. Die meisten sind dunkelfarbig; gefleckte kommen schon seltener vor. Ihr Körper ist ziemlich schlank, der Kopf stark, die Schnauze lang und gerade abgestumpft, der Schwanz, welcher nach rückwärts oder vorwärts gekrümmt getragen wird, glatt, die Beine sind mittelhoch und gerade. In der Jugend schneidet man den Pintschern gewöhnlich den Schwanz und die Ohren ab und verhäßlicht hierdurch die Thiere in unverantwortlicher Weise.

Alle Pintscher sind äußerst kluge, höchst muntere und über alle Maßen jagdbegierige Hunde. Sie fangen mit der größten Liebhaberei Ratten, Mäuse, aufwühlende Maulwürfe, und sind geradezu unermüdlich in der Verfolgung dieser Thiere. Als Hausgenosse des Menschen können sie nicht immer empfohlen werden, weil sie wegen ihrer steten Unruhe ihrem Herrn oft mehr Verdruß als Freude machen; dagegen eignen sie sich vortrefflich für Leute, welche reiten oder mit schnellen Pferden fahren: denn am allerliebsten begleitet der Pintscher seinen Herrn, wenn er tüchtig rennen und laufen muß. Doch selbst bei den schnellsten Ritten macht er sich noch immer Zeit, jedes Mauseloch zu untersuchen und jeden Maulwurf im Aufwerfen seiner Haufen zu stören. Die Nase hoch gegen den Wind getragen, späht er nach allen Seiten hin, und wo etwas raschelt, naht er sich vorsichtig und leise, steht eine Zeitlang unbeweglich, thut plötzlich einen Sprung, schlägt mit den Vorderfüßen in die Erde und hat im nächsten Augenblicke das unterirdisch lebende Geschöpf im Maule. Genau auf dieselbe Weise jagt er Maulwürfe, und zwar mit solchem Eifer, daß er bei einem längeren Spaziergänge, wie Lenz sagt, regelmäßig vier bis fünf und zuweilen vierzehn und mehr Stücke fängt. Die Maulwürfe frißt er nicht, sondern begräbt sie; von den Mäusen dagegen frißt er soviel, bis er vollkommen gesättigt ist, die übrigen wirft er weg.

Die Fähigkeit im Fangen von Ratten hat natürlich die Aufmerksamkeit der Engländer besonders auf ihn gezogen, und so sind sie frühzeitig darauf verfallen, große Rattenjagden abzuhalten und dabei ihre Hunde in Thätigkeit zu setzen. Damit die Sache doch auch nach etwas Klang hat, werden dabei außerordentlich hohe Wetten gemacht, und das Vergnügen bekommt hierdurch das Gepräge des Glückspiels. Man kreuzt den Pintscher noch mit dem kleinen Bulldoggen und erhält dann den wahren Rattenpintscher, welcher unter dem englischen Namen » Bullterrier« oder Bulldoggpintscher bekannt geworden ist. Dieser leistet allerdings unglaubliches im Fangen und Todtbeißen der Ratten; denn seine Ausdauer und Geschicklichkeit ist wirklich bewunderungswürdig. Gewisse Leute der City Londons übernehmen es, für die vornehmen jungen Nichtsthuer die nöthige Anzahl von Ratten herbeizuschaffen. Mit diesen Thieren begibt man sich in eine alte Niederlage, in einen Keller oder andere derartige Orte, stellt sich ringsum an den Wänden auf, um dem Wilde und seinen Verfolgern größtmöglichen Spielraum zu gewähren, und läßt nun die Ratten zu Dutzenden, oft zu Hunderten auf einmal laufen. Eine bestimmte Anzahl von Hunden, gewöhnlich aber doch nur zwei, werden hierauf ausgesetzt. In einigen verrufenen Stadtvierteln Londons gibt es förmliche Kampfbühnen für diese Ratten: Sandplätze, ringsum mit Planken umhegt, hinter denen die Zuschauer sich aufstellen. Der Besitzer derselben gehört regelmäßig den untersten Volksschichten an und empfängt von den Zuschauern außer einem gewissen Eintrittsgeld auch noch eine Summe für jeden Rattenkopf. Sobald sich eine Anzahl von Zuschauern gesammelt hat, bringt er seine Rattenkäfige herbei und läßt die Thiere laufen. Es gibt zunächst ein unerhörtes Durcheinander; die unglückseligen Ratten durchstöbern den ganzen Raum des Sandplatzes, in der Hoffnung einen Ausweg zu finden, rennen schreckerfüllt an einander und geberden sich, als empfänden sie eine Vorahnung ihres gräßlichen Endes. Sobald sie sich einigermaßen beruhigt haben, bringt der Vorsteher der Arena die Pintscher herbei und läßt sie laufen. Und nun beginnt ein Schlachten und Morden ohne Gleichen. Wood berichtet, daß er einen dieser Bulldoggpintscher gekannt habe, welcher unter dem Namen Tiny wahrhaft berühmt geworden ist. Derselbe wog bloß 5 1/2 Pfund, und gleichwohl war er der allerärgste Feind der Ratten, den man sich denken konnte. In einem Zeitraume von 28 Minuten 5 Sekunden – mit solcher Gewissenhaftigkeit beobachteten die Zuschauer das großartige Schauspiel! – hatte er fünfzig Ratten erbissen, und man berechnet, daß dieses ausgezeichnete Thier während seines Lebens über fünfzigtausend Ratten erlegt habe, eine Menge, welche, wie mein Berichterstatter hinzufügt, anderthalb Tonnen an Gewicht gehabt haben mag. Er konnte nicht zurückgescheucht werden, weder durch die Anzahl, noch durch die Größe seines Wildes, und freute sich am meisten, wenn er recht starken Ratten zu Leibe konnte. Seine Jagd betrieb er in einer sehr regelrechten und klugen Weise. Zuerst suchte er sich die stärksten und kräftigsten Ratten aus, um so die schwierigste Arbeit zu verrichten, während seine Kräfte noch frisch waren; dann wurde es ihm leicht, die übrigen zu vertilgen, selbst wenn er schon etwas angegriffen von seiner Arbeit war. In seinen jungen Jahren rannte er mit solch außerordentlicher Behendigkeit auf dem Sandplatze herum, daß es hieß, man könne den Schwanz von seinem Kopfe nicht unterscheiden; in seinen alten Tagen saß er jeden Abend an günstigen Stellen, wie eine Katze, lauernd an den Rattenlöchern und paßte an ihnen mit großer Sorgfalt auf. Selten blieb seine Jagd erfolglos. Die Jagdbegierde auf sein Wild wurde der Grund zu seinem Tode. Er war in einem Zimmer eingesperrt und hörte in einem anderen Raume eine Ratte nagen, welche er nicht bekommen konnte. Dies versetzte ihn in solche große Aufregung, daß er schließlich ein hitziges Fieber davon trug und daran zu Grunde ging.

Dieser Hund gehörte einem Reichen und hatte es deshalb verhältnismäßig gut, während es den gewöhnlichen Schaustellerhunden oft, nachdem sie ihre Pflicht und Schuldigkeit im vollsten Maße gethan haben, ebenso zu ergehen pflegt, wie es den Ratten durch sie erging. Die biederen Engländer sind nämlich noch nicht zufrieden, die Mörderei unter den Ratten mit angesehen zu haben, sondern verlangen noch mehr und kaufen am Ende des Schauspiels regelmäßig dem Besitzer seinen Hund ab, verschaffen sich einen größeren Bulldoggen und lassen durch diesen nunmehr den kleinen Hund zerreißen. Daß an solcher Barbarei nicht gewöhnliche Leute, nicht bloß die niederen Volksklassen, sondern zumeist die Vornehmen und Hochstehenden besonderen Gefallen finden, versteht sich von selbst; denn gerade sie pflegen der Barbarei und Unmenschlichkeit nach besten Kräften Vorschub zu leisten.

Die geistigen Fähigkeiten aller Pintscher sind sehr beachtenswerth. Sie zeigen einen hohen Verstand, viel Selbstüberlegung und Geschicklichkeit, sich in alle Lagen möglichst gut zu finden. Man kennt Beispiele, daß solche Hunde den Werth des Geldes zu würdigen und sich daher Münzen zu verschaffen wußten, um dafür Eßwaaren zu kaufen. Ein Hund mit Namen Peter stahl kleine Geldmünzen, wo er sie nur finden konnte, und lief damit zum Bäcker hin, um sich dort Gebäck zu kaufen. Als ihm einmal der Bäcker, dessen eifriger Kunde er war, einen angebrannten Zwieback hinlegte, verließ er ihn im Augenblick und besuchte fortan einen auf der anderen Seite der Straße, welcher seinen neuen Kunden nach Verdienst ehrte.

Der Muth der Pintscher ist wirklich großartig, und zumal der Bulldoggpintscher beweist sich hierin ganz als echter Abkömmling des Bulldoggen. Anderson erzählt in seinem Werke über den See Ngami einige sehr anziehende Thatsachen. Einer dieser Hunde, Namens Venus, wagte sich sogar an ein verwundetes Nashorn, welches fliehen wollte, und verbiß sich so geschickt in dessen Oberlippe, daß der gewaltige Riese nicht im Stande war, den kleinen Kläffer abzuschütteln, und so den Jägern zu einem zweiten Schusse, welcher tödtlich wurde, Gelegenheit geben mußte. In einer sehr jagdreichen Gegend, in welcher es namentlich viele Schakale gab, erlegte dieser kleine Hund einen seiner wilden und bedeutend stärkeren Vettern auf sehr listige Art. An demselben Orte, welchen er sich zum Baden und Trinken auserkoren hatte, streifte eines Tages ein Schakal vorbei und erblickte den kleinen Hund. Dieser verkroch sich augenblicklich vor ihm und sah so kläglich aus, daß dem Schakal der Gedanke kommen mochte, hier sei mit leichter Mühe eine Mahlzeit zu gewinnen. Er nahte sich also kühn seiner vermutheten Beute, mußte aber sehr bald einsehen, daß er es mit einem Wesen zu thun hatte, das ihm nicht nur gewachsen, sondern überlegen war. Denn kaum war er nahe genug, als Venus ihm mit einem geschickten Satze an die Gurgel sprang und sich hier so fest verbiß, daß der Schakal nach wenigen Minuten erstickend verendete.

 

Sehr verschieden von dem gewöhnlichen Pintscher ist einer der sonderbarsten Hunde, was Gestalt und Aussehen anlangt: der Affenpintscher ( Canis familiaris Gryphus hirsutus). Ihn macht seine Häßlichkeit schön, und deshalb wird er von Liebhabern eifrig gesucht und hochgeachtet. Bei einem Affenpintscher von guter Rasse ist der Körper außerordentlich lang im Verhältnisse zu seinen Gliedern, und das Thier erscheint fast dachshundartig gebaut. Der Hals ist sehr stark, der Leib verlängert, sodaß die ganze Länge die Höhe um das Dreifache übertrifft, das Haar lang und straff, fällt auch über den ganzen Körper und die Glieder sowie dick und verworren über das Gesicht herab, sodaß die Augen und die Nase unter der üppigen Bedeckung kaum sichtbar sind. Bei gewissen Rassen ist das Haar allerdings weicher, immer aber bleibt diese eigenthümliche Verworrenheit und Ungleichmäßigkeit. Bei uns zu Lande findet man diese echte Rasse seltener, sondern sieht zumeist Affenpintscher, welche ebenso hochbeinig sind als die Rattenpintscher; das struppige Gewand der eigentlichen Affenpintscher haben sie jedoch ebenfalls.

Affenpintscher ( Canis familiaris Gryphus hirsutus).

Wenn ich sagte, daß die Häßlichkeit diesen Hund schön mache, meine ich natürlich bloß die des Leibes; denn geistig betrachtet, muß der Hund als einer der besten angesehen werden. Es ist ein munteres und unterhaltendes Thier, dem Menschen im höchsten Grade zugethan, schmeichelnd und liebkosend gegen seine Freunde und sehr brav im Kampfe mit anderen Hunden. Auch er eignet sich vortrefflich zur Rattenjagd und wird sogar hier und da zur Kaninchen- oder Wachteljagd mit Erfolg verwendet.

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Die letzte Gruppe der Hunde, welche wir betrachten wollen, umfaßt diejenigen, welche dem Menschen am treuesten dienen und am meisten von ihm geknechtet werden, die Haushunde.

Zu dieser Gruppe gehört der Pyrenäenhund, der Pommer, der Spitz, der ungarische Wolfshund, der Hund der Lappen, der Kamtschatkdalen, der Hasenindianer, der

Eskimos und der Hund von der Baffinsbai, ebenso auch der Zigeunerhund, der chinesische, der isländische der sibirische Hund und andere. Als allgemeine Kennzeichen gelten die folgenden: der Leib ist etwas gedrungen, ziemlich dick, nur gegen die Weichen ein wenig eingezogen, der Rücken leicht gekrümmt, die Brust kaum vorstehend, der Hals ziemlich kurz und dick, der Kopf länglich, wenig erhoben, die Stirn schwach gewölbt, die Schnauze nicht sehr lang, nach vorn ziemlich stark verschmälert und zugespitzt; die Füße sind von mittlerer Höhe, dick und stark, die vorderen vollkommen gerade; der Schwanz ist nicht sehr dünn, oft sogar buschig, ziemlich lang, reicht etwas unter das Fersengelenk und wird entweder gerade nach rückwärts gestreckt oder nach links geringelt aufwärtsgebogen getragen; die Ohren sind kurz, nicht sehr schmal, zugespitzt und aufrechtstehend mit mittellangen Haaren besetzt, die Lippen kurz und straff; an den Hinterpfoten ist keine Afterzehe vorhanden. Eine zottige, lange und grobe Behaarung, welche auf der Schnauze und der Vorderseite der Beine sich bedeutend verkürzt, ist noch Gemeingut aller hierhergehörigen Hunde. Die Färbung ist natürlich sehr verschieden, bei allen dunkleren aber befindet sich über dem Auge jederseits ein rundlicher, bräunlichgelber Flecken. Als mittlere Größe des Körpers gilt etwa eine Länge von 50, die Höhe am Widerrist beträgt 75, der Schwanz mißt etwa 30 Centim.

Der Haushund (Canis familiaris domesticus) wird als einer von den Hauptstammrassen aller Hunde angesehen und von einigen Naturforschern als ursprünglich in Frankreich heimisches Thier betrachtet. Er ist ein starker aber keineswegs besonders schwerer Gesell, in seinem Laufe ziemlich rasch und ausdauernd, besitzt viel Verstand und zeichnet sich ebenso durch seinen Scharfsinn und seine Klugheit wie durch seine Wachsamkeit, Anhänglichkeit, Treue oder seinen Muth und seine Tapferkeit aus. Alle diese Eigenschaften stempeln ihn ganz von selbst zu dem, was er ist. Man verwendet ihn mit dem größten Vortheile als Wächter des Hauses wie als Hüter und Lenker der Herden oder aber auch als Zugthier, und jede seiner Aufgaben weiß er zur größten Zufriedenheit seines Herrn zu lösen. Er ist derjenige Hund, welcher vielen Völkerschaften geradezu unentbehrlich ist und die Leistungen der verschiedenartigsten Hausthiere in sich vereinigt. Einige Völker halten ihn wie ein Kind, andere mishandeln ihn auf die schnödeste Weise, und gleichwohl bleibt sich seine Treue und sein Diensteifer überall gleich. Er lernt alle seine Fertigkeiten von selbst, ohne seinem Herrn besondere Mühe zu machen, und zeigt dabei Geduld, Ausdauer, Lust an seinen eigenen Fortschritten und hohen Muth.

Von allen diesen Hunden verdient der eigentliche Schäferhund (Canis familiaris pecuarius) besonders erwähnt zu werden. Er zeichnet sich vor anderen Haushunden dadurch aus, daß nur die Spitzen seiner Ohren überhängen, ist auch in der Regel schlank gebaut, dürrleibig, hochbeinig und sehnig wie ein Wolf, dem er an Größe freilich bedeutend nachsteht. Der längliche Kopf mit der spitzigen Schnauze, die mageren, geraden Beine, die mittellange Ruthe, welche etwas eingezogen zu werden pflegt, das dichte, krause, manchmal zottige Fell von graubräunlicher Färbung sind anderweitige Kennzeichen, welche zur Vervollständigung des Bildes dienen mögen.

»Wenn irgend eine Hunderasse«, sagt Adolf Müller treffend und wahr, »ein Verdienst um die Menschheit sich erworben, also ein Anrecht auf das Gefühl der Anerkennung und Liebe hat, so ist es der kluge, treue, wachsame und nimmermüde Schäferhund, der Hund, von welchem Buffon nicht mit Unrecht das beredte Wort gesprochen, daß er der wahre, unverfälschte Hund sei, welcher als der Stamm und das Muster des ganzen Geschlechts betrachtet werden muß.

»Jede Hunderasse verliert bei aller Beharrlichkeit ihrer Natur unter verschiedenen Himmelsstrichen mehr oder weniger von ihrer körperlichen und geistigen Charakteristik: der treue Leiter und Beschützer der Herden ist sich überall in den bedeutendsten Zügen seines Leibes und Geistes gleichgeblieben. So viel auch Laune und Unkenntnis durch unpassende Kreuzung am Aeußeren und Inneren des Thieres verändert und verschlechtert haben mögen, immer und immer kehrt seine zähe, kräftige Natur zu ihrer urwüchsigen, sprechenden Wesenheit zurück.

»Wie der Spitz stellt der Schäferhund die Wachsamkeit gleichsam über sich selber. Den leisesten Tritt eines den Feldweg Wandernden vernimmt sein feines Gehör; der geringste Luftzug bringt der scharfen Nase die Witterung des der Herde sich Nahenden, und ebenso entschieden als sicher ist die Fremdes ankündigende Stimme. Zu dieser Wachsamkeit gesellt sich auf der Grundlage einer rauhen, derben Natur ernster Muth, welcher das Thier aber niemals auf die Abwege des Raufboldes führt. Auch die Tugend der Genügsamkeit besitzt unser Hund in hohem Grade, und die Unempfindlichkeit gegen Nässe, Kälte und Hitze theilt er mit seinem Gebieter. Immer beweist er sich verständig, aufmerksam und im Hüteramte von morgens bis abends unverdrossen thätig. Dabei ist er ernsten, ruhigen Wesens, karg im Lautgeben und Bellen, treu und voll Anhänglichkeit an seinen Herrn.« Ohne ihn würde es unmöglich sein, Vieh zu hüten; ein Schäfer richtet mit ihm mehr aus als zwanzig Hirten ohne Hund.

Schäferhund (Canis familiaris pecuarius).

Man verwendet den Schäferhund gewöhnlich schon im ersten Jahre seines Alters als Wächter der Herden. Mit der Zeit lernt er seinen Wirkungskreis vollständig ausfüllen. Es ist keineswegs gleichgültig, welches Vieh er zu hüten hat; denn er muß nach den verschiedenen Hausthieren sein Betragen einrichten. Der Hund des Kuhhirten muß stets seinen Herrn beobachten und aufmerken, was dieser befiehlt. Rinder, welche nicht sogleich gehorchen, muß er wirklich beißen; denn sonst haben sie keine Furcht vor ihm. Treibt er die Kuh vor sich her, so darf er ihr nur nach den Hinterbeinen beißen, nie nach dem Schwanze oder an die Seiten, am allerwenigsten nach dem Euter. Schlägt eine Kuh nach ihm aus, so muß er sich gut in Acht nehmen, aber dennoch beißen; widersetzt sich ein Ochse oder eine Kuh geradezu mit den Hörnern, so trägt er, wenn er seinem Amte gewachsen ist, dennoch den Sieg davon, indem er das Thier in die Schnauze beißt und sich daran festhängt. Die spanischen Hirten benutzen während des Hütens auch noch die Schleuder und wissen sie mit

unfehlbarer Sicherheit zu gebrauchen. Ein Ochse, welcher einigemal durch einen ihm an den Kopf geworfenen Stein vom Hirten gestraft worden ist, darf sich vor dem Hunde in Acht nehmen; denn dieser merkt sich den störrischen sehr bald und erlaubt ihm schon nach kurzer Zeit bloß die allerbeschränktesten Bewegungen innerhalb eines gewissen Kreises. Starke Hammel muß der Schäferhund auch beißen, jedoch bloß in die Hinterbeine; Lämmer, trächtige oder säugende Schafe aber darf er niemals beißen, sondern er muß dann bloß so thun, als ob er beißen wollte.

Wie bei jedem Hunde erkennt man in ihm das Spiegelbild seines Herrn. Der Hirtenhund Spaniens ist ebenso wüthend, der Schäferhund Deutschlands ebenso gutmüthig wie sein Herr. Ist dieser ein Wilddieb: sein Hund thut es bald dem tüchtigsten Jagdhunde gleich; bestrebt sich jener, sein kärgliches Brod durch Sammeln von Schwämmen und dergleichen zu verbessern: der Hund hilft sie ihm suchen; muß der Gebieter zwei- und vierbeinigen Räubern entgegentreten: der Hund übernimmt den Löwenantheil an entstehenden Kämpfen; lebt der Schäfer friedliche Tage: ein sanfteres Wesen gibt es nicht, als seinen Hund. Beide gleichen, beide unterhalten sich. Es gibt Schäferhunde, welche wirklich jedes Wort ihres Herrn verstehen. Ein glaubenswürdiger Beobachter erzählte mir, daß er selbst gehört habe, wie ein Schäfer seinem Hunde befahl, den »Raps« besonders in Acht zu nehmen. Das Thier stutzte einen Augenblick, wahrscheinlich, weil er das Wort früher noch nicht gehört hatte. Weizen und Roggen, Gerste und Hafer, Wiese und Feld waren ihm bekannte Dinge, vom Raps jedoch wußte er noch nichts. Nach kurzer Ueberlegung machte er die Runde um die Herde, untersuchte die einzelnen Felder und blieb endlich bei demjenigen stehen, dessen Frucht sich von den ihm bekannten Getreidearten unterschied: das mußte das Rapsfeld sein, und dem war auch wirklich so!

Solche Erzählungen beruhen nicht auf Einbildung, sondern sind buchstäblich wahr: man braucht nur einen Schäferhund zu beobachten, um sie zu glauben. »Wie erwacht in mir«, erzählt Müller, »immer aufs neue die Erinnerung so mancher glänzenden That der Wachsamkeit, Ueberlegung und Charakterstärke, wenn ich des besten Vertreters der Rasse, den ich je gekannt, gedenke, wie er beim Eintreiben der Herde in die Stoppelfelder ohne jegliches Geheiß sich vor die hin und wieder noch stehen gebliebenen Fruchthaufen stellte, ernst und würdig im Bewußtsein seines Amtes, und die ganze Herde vorüberwandeln ließ. Mit derselben umsichtigen Ruhe beschützte er lautlos die Gemüseäcker, an denen seine Herde vorüberzog. Man sah den Schafen an, daß sie wohl inne waren, welcher Meister des Hüters ihre Flanken bewachte. Da war kein starrköpfiges Schaf, welches aus der Reihe sprang, selten ein Leckermaul, welches über die Grenze wegnaschte, aber auch kein Thier der Herde, alt wie jung, welches vor dem lockigen Gesellen zurückschreckte oder gar angstvoll in Flucht gerieth. Ruhig und stetig, wie an einer Schnur geleitet, zog die Herde durch die Flur dahin, und wenn sie an einem Hag oder an einer Hute stille hielt und lagerte, umstanden Gruppen von Schafen den Hund, wie ein zu ihnen gehöriges Glied der Herde.«

Gewiß, ein wohlerzogener Schäferhund ist eines der edelsten Glieder seiner Sippschaft!

Was der Schäferhund für die Herden, ist der Spitz oder Pommer (Canis familiaris domesticus pomeranus) für das Haus. Klein oder höchstens mittelgroß, kräftig und untersetzt, spitzköpfig und spitzschnauzig, als müßte man auf Reineke den Verdacht der Vaterschaft werfen, kurzbeinig und langschwänzig, ausgerüstet mit mäßig großen Ohren und eben solchen klugen und lebhaften Augen, dicht eingehüllt in ein bald grobes und langes, bald feines und kurzes Fell von rein weißer, gelber, fuchsrother, grauer, ausnahmsweise auch schwarzer Färbung, höchstens noch mit lichter Stirnblässe und weißen Abzeichen an den Füßen, tritt er uns entgegen, so daß man ihn schwerlich verkennen kann.

Dieser in seiner Art ebenfalls ganz vortreffliche Hund wird in vielen Gegenden Deutschlands, zumal in Thüringen, als Wächter auf Bauerhöfen zum Bewachen des Hauses und Hofes oder von Fuhrleuten als Hüter ihrer Wagen benutzt. Bei letzteren fehlt er wohl selten und übernimmt hier zugleich noch eine andere Rolle: er erheitert und erfreut durch sein munteres Wesen den in gleichmäßiger Weise seinen Tag verbringenden Mann bei dem schwierigen Geschäfte. Der Pommer gilt für die beste Rasse, weil er bei unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit besonders aufmerksam und lebhaft ist, dabei weder Regen noch Kälte scheut, ja gewöhnlich im Hause oder Hofe dort am liebsten zu liegen pflegt, wo der Wind am stärksten pfeift. Uebrigens zeigen alle Spitze einen großen Hang zur Freiheit und taugen deshalb nicht als Kettenhunde, während sie als umherstreifende Wächter ihrer Treue und Unbestechlichkeit wegen unersetzbar sind.

Spitz ( Canis familiaris domesticus pomeranus).

In seinem Wesen und Betragen unterscheidet sich der Spitz wesentlich vom Schäferhunde. Abgesehen von der unermüdlichen Wachsamkeit, welche beide mit gleichem Eifer ausüben, und seiner Freundschaft gegen Hausthiere ist er das gerade Gegentheil von diesem, immer in Bewegung, soviel wie möglich laut, ein oft höchst unangenehmer Kläffer sogar, heftig, reizbar und bissig. Weder im Gehöfte, noch auf dem Wagen kann er in Ruhe bleiben. Dort lockt ihn jeder Vorübergehende an die Straßenthüre, jedes ängstlich gackernde Huhn in den Hintergarten; hier setzt er mit geschickten Sprüngen von der Ladung auf den Bock, vom Bocke auf den Rücken des Pferdes, oder aber herab auf die Straße und von dieser wieder auf den Wagen. Wie der Schäferhund liebt er Hausthiere ganz ungemein, am meisten aber doch die Pferde, mit denen er sich förmlich verbrüdert; wie seinem Verwandten geht ihm das Wohl und Wehe seiner Pflegebefohlenen, unter welche er selbst das Federvieh rechnet, sehr zu Herzen: aber während jener seine Arbeit still und gemessen verrichtet, tobt er ununterbrochen im Hause und Hofe umher, und sein beständiges Gebell gewinnt den Anschein des Keifens eines ewig schlecht gelaunten Wesens. Und doch ist er keineswegs übermüthig, sondern nur eifrig und über die Maßen geschäftig. Alles Mistrauen, welches er gegen Fremde jeden Standes an den Tag legt, wurzelt einzig und allein in dem Bestreben, seinem Gebieter voll und ganz zu dienen. Zunächst sieht er in jedem Geschöpfe einen Dieb, mindestens einen Lästigen oder Störenfried, dem gegenüber er Haus und Hof, Vieh und Geräth zu vertheidigen hat. Der Besuchende wird übel empfangen, der fechtende Handwerksbursche nicht viel schlimmer, der Bettler kaum mit größerem Ingrimm; aber während er ersterem, sobald er ins Haus getreten, freundlich begegnet, knurrt er den Handwerksburschen noch an, nachdem er sich von dessen Ungefährlichkeit überzeugen mußte, und verfolgt er den Bettler noch bellend, nachdem dieser bereits Haus und Hof verlassen hat. Zwei- und vierbeinige behaarte und gefiederte Räuber und Diebe mögen sich vor dem Spitz in Acht nehmen: gegen sie ist er mit Bewußtsein heftig, zornwüthig, unerbittlich. Er verbeißt sich, und ob es ihm das Leben kosten möge, in der Wade des Diebes, kämpft ingrimmig mit dem Fuchse, weicht selbst dem Wolfe nicht, und tödtet den Habicht, welcher sich auf die Henne stürzte, falls dieser nicht durch schleunige Flucht sich rettet.

Eskimohund.

Alles Beschützen, alles in Ordnung halten, das ihm Anvertraute mit unbestechlicher Treue hegen und pflegen, scheint Lebenszweck des Spitzes zu sein. »In der Nähe eines vielbesuchten Badeortes mit schöner Umgebung«, so erzählte mir eine geistreiche und sinnige Frau, »lernte ich einen der wackersten Spitze kennen, welcher mir jemals vorgekommen ist. Wir wünschten einige der nächsten Aussichtspunkte zu besuchen und verlangten vom Wirte Weg und Steg zu wissen. »Ich will Ihnen einen Führer mitgeben, auf welchen Sie sich verlassen können«, bemerkte der Mann, und rief seinen Hund herbei. »Spitz«, sagte er, »Du führst diese Herrschaften und zeigst ihnen alles, – alles hörst Du!« Spitz antwortete durch Wedeln des Schwanzes, machte die Runde von einem Mitgliede der Gesellschaft zum anderen und setzte sich in Bewegung. Unter seiner Führung stieg man den Berg hinauf. Einige Gesellschaftsmitglieder blieben zurück. Spitz wartete, ruhig am Wege sitzend, bis sie herangekommen waren; eine andere Gesellschaft, welche Tags vorher denselben Führer benutzt hatte, kam von oben herab, erkannte den Hund und lockte ihn an sich: Spitz wedelte freundlich dankend, blieb sich aber seines Auftrags bewußt und verließ die neuen Bekannten nicht. Rechts und links ab vom Wege führte er die ihm Anbefohlenen; auf jedem Aussichtspunkte blieb er sitzen, bis man sich zum Weitergehen anschickte; endlich kehrte er um. Er hatte seine Aufgabe glänzend gelöst, nichts versäumt, keinen schönen Punkt übergangen, kein Mitglied der Gesellschaft verloren. Sichtlich erfreut nahm er, zu Hause angelangt, das Lob seines Herrn und die Liebkosungen der von ihm Geführten entgegen.«

 

Nicht minder nützlich als die letztgenannten beiden macht sich der Eskimohund (Canis familiaris borealis), welcher im ganzen Norden der Erde von den hier hausenden ungesitteten Völkerschaften als das wichtigste aller Hausthiere angesehen werden muß. Er übertrifft unseren Schäferhund meist an Größe, unterscheidet sich von ihm auch sofort durch sein wolfsähnliches Ansehen, die aufrechtstehenden Ohren, den dicken Pelz, welcher im Winter förmlich wollig erscheint, und den listigen Gesichtsausdruck. Sein Auftreten bekundet Ungebundenheit und ein gewisses Maß von Freiheit, obgleich er diese nur zeitweilig genießt, da er andererseits auch in der allerschändlichsten Knechtschaft lebt, welche man sich denken kann. Der Eskimohund hat im ganzen Norden der alten Welt höchst ähnliche Verwandte und wird ebenso zum Hüten des Viehes wie zum Ziehen von Schlitten benutzt. Bei seinen Arbeiten als Renthierhirt wollen wir uns nicht aufhalten, sondern mehr auf letztere Beschäftigung Rücksicht nehmen.

Der Eskimohund bringt fast sein ganzes Leben unter dem Joche zu; denn entweder muß er Schlitten ziehen oder Lasten tragen. Im Norden von Amerika und seinen benachbarten Inseln ist er wirkliches oder einziges Jochthier, welches der Mensch dort sich zu eigen gemacht hat. Nur während der kurzen Sommerzeit gestattet ihm sein eigennütziger Herr eine gewisse Freiheit, während des Winters ist er vollendeter Sklave.

Einen wohlgenährten Eskimohund darf man ein schönes Thier nennen; leider aber wird ihm die Nahrung, wenn er sich nicht selbst solche verschafft, von seinem Herrn so sparsam zugemessen, daß er viele Monate hindurch mehr einem Gerippe als einem lebenden Wesen ähnelt. Sein Verhältnis zu dem Menschen ist eigenthümlicher Art. Er weiß, daß er in Sklavenketten liegt, und versucht, diese Ketten zu brechen. Es ist etwas vom wölfischen Wesen in ihm, in leiblicher Hinsicht sowohl wie in geistiger. Dem arktischen Wolfe gleicht er so sehr durch seine dichte Behaarung, die aufrechtstehenden Ohren, die Breite des Oberkopfes und die spitzige Gestalt der Schnauze, daß beide, aus einiger Entfernung gesehen, gar nicht unterschieden werden können. Während Parry's zweiter Polarreise wagte einst eine Jagdgesellschaft nicht, auf einen Trupp von zwölf Wölfen zu feuern, welche einige Eskimos bedrohten, weil sie, über die Art der Thiere im Ungewissen, fürchteten, einige von den Hunden zu tödten, welche den einzigen Reichthum jener gutmüthigen Menschen ausmachen. Der Eskimohund raubt und stiehlt wie nur einer, ist auf der anderen Seite aber auch wieder so hündisch demüthig, wie nur ein von Furcht gepeinigter Sklave es sein kann. Vor den Schlitten wird immer ein ziemlich starker Trupp gespannt, welcher unter Leitung eines älteren und erfahrenen Hundes seinen Weg verfolgt; von einer Lenkung des Schlittens nach unseren Begriffen seitens des Menschen kann keine Rede sein. Jeder einzelne Hund ist an einen Lederriemen gespannt, welcher vermittels eines höchst einfachen Kummets an ihm befestigt wurde. Eine Weile geht alles gut. Plötzlich aber gerathen zwei von dem Gespanne aus irgend welcher Ursache in Feindschaft. Aus dem Knurren entsteht eine Beißerei; das ganze Gespann verwirrt sich in einen undurchdringlichen Knäuel; alles knurrt, bellt, beißt, wüthet durch einander, und nicht einmal die mit Macht geschwungene Peitsche des Schlittenführers bringt Ordnung in den Haufen. Endlich hat sich der Hundeballen so arg verwirrt, daß an keine freie Bewegung mehr zu denken ist, und nun liegt es dem Eskimo ob, die Thiere wieder zu entwirren und von neuem einzuspannen. Dann geht die Fuhre weiter, und die Peitsche wird etwas öfter gebraucht.

Ohne dieses Hausthier würden die Eskimos nicht bestehen können. Die Hunde leisten ihnen alle denkbaren Dienste. Mit einer Bürde von 30 Pfund beladen, begleiten sie ihre Herren, wenn diese zu ihren langdauernden Jagden aufbrechen. Ihrer sechs bis acht ziehen einen Schlitten, welcher mit fünf bis sechs Personen oder einem Gewichte von 600 bis 800 Pfund besetzt ist, acht bis zehn Meilen weit in einem Tage. Nach langer Ruhe und guter Fütterung vor einen Schlitten gespannt, sind sie kaum zu zügeln und durchlaufen auf ebener Bahn mehr als zwei geographische Meilen in einer Stunde. Spüren sie ein Ren unterwegs, so rennen sie wie rasend in der Richtung desselben und ruhen nicht eher, als bis sie den Jäger schußgerecht an das Wild gebracht haben. Außerdem helfen sie bei der Seehund-, Bären- und Otterjagd, halten Wache, vertheidigen ihren Herrn in Gefahr und leisten noch hundert andere Dienste. Und gleichwohl fühlen die Eskimos nicht die geringste Liebe zu ihnen, sondern betrachten sie höchstens als belebte Maschinen, welche einzig und allein zu dem Zwecke geschaffen wurden, ihnen Dienste zu leisten. Aus diesem Grunde sind sie auch die unnachsichtigsten und grausamsten Herren, welche die armen Thiere geradezu regelrecht quälen, sie Hunger und Durst leiden lassen, peitschen, mit Fußstößen behandeln und ihrer Geduld Dinge zumuthen, welche selbst einem Engel zu toll sein dürften. Daß die Hunde auch ihrerseits keine besondere Zuneigung zu ihrem Herrn zeigen, versteht sich ganz von selbst.

Wie gedachte Hunde und ihre Verwandten benutzt werden, hat trefflich schon Steller geschildert: »Unter den zahmen Thieren auf Kamtschatka gebührt den Hunden wegen Alterthums und Nutzens das Vorrecht, und machen sie allein die ganze Klasse der kamtschadalischen zahmen Thiere aus. Die Kamtschadalen behaupten, daß sich ihr Adam, Kuttka, vormals der Hunde nicht bedient, sondern den Schlitten selber gezogen habe. Damals hätten die Hunde wie Menschen geredet. Es sei aber einstmals geschehen, daß Kuttka's Nachkommen in einem Kahne den Fluß abwärts getrieben. Als sie nun am Ufer einige zottige Hunde erblickt und diese ihnen zugerufen: »Was seid ihr für Leute?« so hätten sie nicht geantwortet, sondern wären hurtig vorbeigeschwommen. Darüber hätten sich die Hunde dergestalt erzürnt, daß sie beschlossen, ins künftige kein verständiges Wort mehr mit irgend einem Menschen zu sprechen, welches sie auch bis zu dieser Stunde gehalten. Doch wären sie noch so neugierig, daß sie alle Fremden anbellten und befragen wollten, wer sie seien und woher sie kämen.

»Ohne diese Hunde kann so wenig Jemand als an anderen Orten ohne Pferd und Rindvieh leben. Die kamtschatkischen Hunde sind verschiedenfarbig, hauptsächlich aber dreierlei: weiß, schwarz und wolfsgrau, dabei sehr dick- und langhaarig. Sie ernähren sich von alten Fischen. Vom Frühjahre bis in den späten Herbst bekümmert man sich nicht im geringsten um sie, sondern sie gehen allenthalben frei herum, lauern den ganzen Tag an den Flüssen auf Fische, welche sie sehr behend und artig zu fangen wissen. Wenn sie Fische genug haben, so fressen sie, wie die Bären, nur allein den Kopf davon, das andere lassen sie liegen. Im Oktober sammelt Jeder seine Hunde und bindet sie an den Pfeilern der Wohnung an. Dann läßt man sie weidlich hungern, damit sie sich von dem Fette entledigen, zum Laufen fertig und nicht engbrüstig werden mögen, und alsdann geht mit dem ersten Schnee ihre Noth an, so daß man sie Tag und Nacht mit gräßlichem Geheul und Wehklagen ihr Elend bejammern hört. Ihre Kost im Winter ist zweifach. Zur Ergötzung und Erstärkung dienen stinkende Fische, welche man in Gruben verwahrt und versäuern läßt, weil auf Kamtschatka nichts stinkend wird (denn wenn auch die Itälmen und Kosaken solche Fische mit großem Appetite verzehren, die wie Aas stinken, bei welchen ein Europäer in Ohnmacht fallen oder die Pest besorgen möchte, sprechen sie, es sei gut sauer, und pflegen daher zu sagen, daß in Kamtschatka nichts stinke). Diese sauern Fische werden in einem hölzernen Troge mit glühenden Steinen gekocht und dienen ebensowohl zur Speise der Menschen als zum Hundefutter. Die Hunde werden zu Hause, wenn sie ausruhen, oder auf der Reise des Abends, wenn sie die Nacht über schlafen, mit diesen Fischen allein gefüttert; denn wenn man sie des Morgens damit füttert, werden sie von diesen Leckerbissen so weichlich, daß sie auf dem Wege ermüden und nur Schritt für Schritt gehen können. Das andere Futter besteht in trockener Speise, von verschimmelten und an der Luft getrockneten Fischen. Damit füttert man sie des Morgens, um unterwegs ihnen Muth zu machen. Weil nun das meiste daran Gräten und Zähne, die Hunde aber mit der größten Begierde darüber herfallen, verrichten sie mehrentheils die Mahlzeit mit einem blutigen Maule. Uebrigens suchen sie sich selber Speise auf und stehlen grausam, fressen Riemen und ihrer Herrn eigne Reisekost, wo sie dazu kommen können, steigen wie Menschen auf den Leitern in die Balagans oder Wohnungen und plündern alles, ja, was das Lächerlichste: Niemand ist im Stande, seine Nothdurft zu verrichten, ohne immer mit einem Prügel um sich zu schlagen. Sobald man seine Stelle verläßt, sucht einer den anderen unter vielem Beißen um das Depositum zu übervortheilen. Demungeachtet frißt kein kamtschatkischer Hund Brod, wo er auch noch so hungerig. Der Koth von den Hunden ist wegen der vielen, unter beständigem Ziehen ausgepreßten Galle gelb und auch an Beschaffenheit von dem menschlichen nicht zu unterscheiden, stinkt dabei aber so heftig, daß man sich kaum davor auf dem Schlitten erhalten kann. Von dem heftigen Ziehen und Anstrengen wird das Geblüt sowohl in den inwendigen als äußerlichen Theilen mit solcher Gewalt gepreßt, daß auch die Haut zwischen den Zehen der Füße röthlich wie Blut wird, und man kann daran einen guten Hund erkennen, daß sein After so hochroth wie das schönste Scharlach ist. Dabei sind die kamtschatkischen Hunde sehr leutescheu, unfreundlich, fallen keinen Menschen an und bekümmern sich nicht im geringsten um des Herrn Güter, gehen auch auf kein Thier oder Wild, aber stehlen, was sie bekommen, sind sehr furchtsam und schwermüthig und sehen sich beständig aus Mistrauen um, sie mögen thun, was sie wollen. Sie haben nicht die geringste Liebe und Treue für ihren Herrn, sondern suchen denselben allezeit um den Hals zu bringen; mit Betrug muß man sie an die Schlitten spannen. Kommen sie an einen schlimmen Ort, an einen steilen Berg oder Fluß, so ziehen sie aus allen Kräften, und ist der Herr genöthigt, um nicht Schaden zu nehmen, den Schlitten aus den Händen zu lassen, so darf er sich nicht einbilden, solchen eher wieder zu erhalten, bis sie an einen Ruheplatz kommen, es sei denn, daß der Schlitten zwischen den Bäumen stecken bleibt, wo sie jedoch keine Mühe sparen, alles in Stücke zu zerbrechen und zu entlaufen. Woraus man sieht, wie sehr die Lebensart unvernünftige Thiere verändert und welchen großen Einfluß sie auf die Hundeseele hat.

»Man kann sich nicht genug über die Stärke der Hunde verwundern. Gewöhnlich spannt man nur vier Hunde an einen Schlitten; diese ziehen drei erwachsene Menschen mit anderthalb Pud Ladung behend fort. Auf vier Hunde ist die gewöhnliche Ladung fünf bis sechs Pud. Leicht beladen kann ein Mensch in einem Tage auf schlimmen Wegen und bei tiefem Schnee 30 bis 40 Werst zurücklegen, auf gutem Wege 80 bis 100 Werst, und hat man sich sowohl an dem Pentschinischen See als Werchnoi Ostrog und an den Flüssen Kamtschatkas landeinwärts nimmermehr Hoffnung zu machen, daß man bei dem größten Ueberflusse von Pferden sich derselben auf Winterreisen werde bedienen können, obwohl im Sommer sich sowohl geschwinder als bequemer damit würde reisen lassen. Im Winter sind die Pferde nicht zu gebrauchen wegen des allzutiefen Schnees, über welchen die Hunde hinlaufen, ein Pferd aber bis an den Leib einfällt, wie auch wegen der vielen steilen Gebirge und engen Thäler, unwegsamen, dicken und grausen Wälder und vieler Ströme und Quellen, so entweder gar nicht zufrieren oder doch wenigstens nicht so hart, als daß es ein Pferd ertragen könne. Wegen der erschrecklichen und öfteren Sturmwinde hat man auch niemals oder selten auf einen gebahnten Weg zu hoffen. Allein auf dem Flusse Kamtschatka, so fest gefrieret, bleibet große Hoffnung übrig, daß daselbst die Pferde im Winter sehr nützlich können verwendet werden.

»Dieser Ursachen wegen werden die Hunde allezeit nöthige und nützliche Thiere bleiben und ihnen niemals bei aller Kultivirung die Last, zu ziehen, abgenommen werden. Man findet ebenso große Liebhaber von Hunden als anderswo von Pferden, und kann leicht Jemand an einen kamtschadalischen Schlitten für Hund und Hundegeschirr 60 bis 80 Rubel anwenden.

»Ungeachtet nun die Reise mit Hunden sehr beschwerlich und gefährlich und man fast mehr entkräftet wird, als wenn man zu Fuße ginge, und man bei dem Hundeführen und Fahren so müde wie ein Hund selber wird, so hat man doch dabei diesen Vortheil, daß man über die unwegsamsten Stellen damit von einem Orte zum anderen kommen kann, wohin man weder mit Pferden noch, wegen des tiefen Schnees, sonst zu Fuße kommen könnte. Sie sind außer dem Ziehen gute Wegweiser und wissen sich auch in den größten Stürmen, wo man kein Auge aufmachen kann, zurecht und nach den Wohnungen zu finden. Sind die Stürme so hart, daß man liegen bleiben muß, was sehr oft geschieht, so erwärmen und erhalten sie ihren Herrn, liegen neben demselben ein bis zwei Stunden ruhig und still, und hat man sich unter dem Schnee um nichts zu bekümmern, als daß man nicht allzutief vergraben und ersticket werde. Oft kommt es vor, daß ein Sturm einige Tage, ja eine ganze Woche fortwähret. Die Hunde liegen während dieser Zeit beständig still, wenn sie aber die äußerste Hungersnoth treibt, so fressen sie Kleider und alle Riemen vom Schlitten ab, und man kann sich nicht genug über ihre starke Natur verwundern, worin sie die Pferde bei weitem übertreffen. So hat man auch vor den Stürmen allezeit die sicherste Nachricht von dem herannahenden oder kommenden Ungewitter durch die Hunde; denn wenn sie im Schnee graben und sich dabei legen, mag man, wofern zu weit von Wohnungen entfernt, sicherlich einen Ort sich aufsuchen, wo man vor dem Sturme sich verbergen kann.

»Die kamtschatkischen Schlitten sind nach Kräften der Hunde und nach der gebirgigen Gegend dergestalt ausgedacht, daß solche der geschickteste Mechanikus nicht besser hätte erfinden können. Sie scheinen ihren Grund aus der Anatomie und Bildung des menschlichen Körpers zu haben. Oben ist ein länglichhohler Korb, der aus lauter gebogenen Hölzern und zwei dünnen, langen Stöcken besteht, daran dieselben mit Riemen festgebunden sind. Dieses Gegitter nun ist überall und auf allen Seiten mit Riemen umwunden und biegt sich alles daran, ohne zu zerbrechen; bricht auch ein Hölzchen, so lassen doch die Riemen den Korb nicht auseinanderfallen. In diesen Korb packt man fünf Pud schwer, und wenn ein Mensch darauf sitzt, kann man noch zwei Pud sehr bequem mit sich fuhren. Dieser Korb ist auf zwei krummgebogene Hölzer aufgebundcn, welche wiederum auf den Schlittenläufern festgemacht sind. Letztere sind nicht über ein Drittel Zoll dick, der ganze Schlitten aber wiegt nicht über sechszehn Pfund. Obgleich nun daran alles so dünn und biegsam ist, so widerstehen die Schlitten doch solcher Gewalt, daß man sich nicht genug darüber wundern kann. Man fährt damit öfters dergestalt an Bäumen an, daß sich der Schlitten fast doppelt zusammenbiegt und doch keinen Schaden leidet. Man fährt damit über die höchsten Gebirge und steilsten Klippen und behält allezeit soviel Kräfte, daß man den Schlitten erhalten oder vor allem Sturz und Fall bewahren kann. Man sitzt darauf mehrentheils auf einer Seite, um zugleich bei einer gefährlichen Stelle von demselben herabspringen zu können. Zuweilen setzt man sich auf mehreren Orten darauf wie auf ein Pferd. Die Hunde laufen ihren Weg, will man zur Linken, so schlägt man mit dem Stocke zur rechten Seite an die Erde oder an den Schlitten, will man zur Rechten, schlägt man an die linke Seite des Schlittens; will man still halten, steckt man den Stock vor den Schlitten in den Schnee; fährt man einen steilen Berg hinab, so steckt man den Stock in Schnee zwischen das Vorderbogenholz und hemmt dadurch ein. Ungeachtet man nun fährt, so wird man doch ebenso müde, als wenn man zu Fuß ginge, weil man die Hunde beständig zurückhalten, bei schlimmen Wegen vom Schlitten abspringen, daneben herlaufen und den Schlitten halten muß; fährt man einen Berg hinauf, so muß man ohnedies zu Fuße gehen. Außer den Sturmwinden werden die Hundereisen gefährlich und beschwerlich wegen der vielen Flüsse, welche selten in dem härtesten Winter zufrieren, oder bei gelinder Witterung aller Orten gleich wieder aufthauen, und hat man folglich immer zu befürchten, hineinzufallen und zu ertrinken, welches auch alle Jahre geschieht. Noch eine Beschwerde verursachen die dichten Wälder, durch welche man fahren muß. Selten trifft man einen geraden Baum an, sondern fährt zwischen den Aesten und Zweigen dahin, dabei man immer in Sorge steht, Arme und Beine zu zerbrechen oder die Augen aus dem Kopfe zu verlieren. Ueberdies haben die Hunde die schelmische Eigenschaft, daß sie aus allen Kräften ziehen und laufen, wenn sie an einen solchen Wald, Fluß oder steilen Abhang kommen, weil sie wissen, daß sie ihren Herrn herabwerfen, den Schlitten zerbrechen und aus diese Art von der Last, zu ziehen, befreit werden können.

»Der andere Hauptnutzen der Hunde, weshalb sie auch so häufig gehalten und gezogen werden, ist, daß man sowohl den abgelebten Schlittenhunden wie den zur Fahrt untauglichen die Häute abnimmt und zweierlei Kleider daraus macht, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und großem Werthe sind. Diese Kleider haben vor dem übrigen Pelzwerke folgende Vorzüge: erstens sind sie die prächtigsten Staats- und Feiertagskleider von uralten Zeiten her, und pflegt sich Einer gegen den Anderen, seine Ehre zu retten, also vernehmen zu lassen, wo es zu Rangstreitigkeiten und Rühmen kommt. »Wo warst Du Kerl, da ich und meine Vorfahren schon Hundskuklanken trugen? Was hattest Du dazumal für Kleider an?« Bis zur Stunde kann man allezeit einen Hundskuklanken für einen aus Fuchs oder Biber gemachten vertauschen. Zweitens sind die Hundefelle sehr warm, drittens sehr dauerhaft, da sie in den größten Strapazen wenigstens vier Jahre aushalten, während ein Renthier- oder Mufflonfell einen Winter dient und dann kahl wird; viertens brauchen diese Kleider nicht so sehr wie andere in Acht genommen zu werden: sie lassen die Haare nicht fahren und sind allezeit trocken.

»Je längere Haare die Hunde haben, je höher werden sie geschätzt. Diejenigen Hunde aber, so hohe Füße, lange Ohren, spitzige Nasen, ein breites Kreuz, unten breite Füße und nach den Ohren zu dicke Köpfe haben, stark fressen und munter sind, werden von Jugend auf zu Schlittenhunden auserlesen und auf folgende Art belehrt und abgerichtet. Sobald sie sehen, werden sie sammt der Mutter in eine tiefe Grube gelegt, daß sie weder Menschen noch Thiere zu sehen bekommen, und ernähren selbe dadrinnen. Wenn sie von der Hündin abgewöhnt sind, legen die Kamtschadalen solche abermals in eine Grube, bis sie erwachsen. Nach einem halben Jahre spannen sie dieselben mit anderen gelernten an den Schlitten und fahren mit ihnen einen kurzen Weg. Weil die jungen Thiere nun hunde- und leutescheu sind, so laufen sie aus allen Kräften. Sobald sie wieder nach Hause kommen, müssen sie wieder in die Grube, solange und soviel, bis sie von nichts anderem wissen, des Ziehens gewohnt werden und eine weite Reise verrichtet haben. Alsdann werden sie unter den Wohnungen neben andere gebunden und erhalten als Ausstudirte im Sommer ihre Freiheit. Aus dieser Erziehung sind hernach ihre mores herzuleiten.

»Der größte Verdruß bei der Hundefahrt ist der, daß sie, sobald sie angespannt werden, den Kopf gegen den Himmel erheben und erschrecklich zu heulen und zu wehklagen anfangen, nicht anders, als wenn sie den Himmel wegen ihrer harten Umstände anrufen wollten. Sobald sie aber in das Laufen kommen, schweigen sie auf einmal alle still. Darauf geht der andere Verdruß an, daß einer um den anderen zurückspringt, seine Nothdurft verrichtet, und während sie diese Zeit ausruhen, so brauchen sie hierin die List, daß allezeit einer nach dem anderen seine Nothdurft verrichtet, auch Wohl manchmal nur halb, und geben sie öfters umsonst dieses Geschäft vor. Kommen sie an Ort und Stelle, so liegen sie ermüdet da, als wenn sie todt wären.

»Diejenigen Hunde aber, welche die Kamtschadalen zur Hasen-, Zobel-, Fuchs- und Mufflonsjagd abrichten, füttern sie öfters mit Krähen, die man in Ueberfluß hat, wovon sie den Geruch bekommen und nach diesen wie nach allem Wild und Vögeln laufen. Mit solchen Hunden treiben die Kamtschadalen im Juli Enten, Gänse und Schwäne, wenn sie in die Felder fallen, und auch in den großen Inseeen in ziemlicher Menge zusammen.«

Im übrigen Sibirien werden die Hunde etwas besser behandelt. »Der sibirische Hund«, sagt Wrangel, »hat ausfallende Aehnlichkeit mit einem Wolfe, sein Gebell gleicht ganz dem Geheul desselben. Im Sommer bringt er, um gegen Stechfliegen in Sicherheit zu sein, die größte Zeit im Wasser zu, im Winter hat er sein Lager tief im Schnee. Das vollständige Gespann eines Schlittens besteht aus zwölf Köpfen. Ein besonders gut abgerichteter Hund befindet sich an der Spitze und leitet die übrigen. Hat dieses Thier nur ein einziges Mal einen Weg zurückgelegt, so erkennt es nicht nur aufs genaueste die zu nehmende Richtung, sondern auch die Orte, wo man zu verweilen pflegt, selbst wenn die Hütten tief unter dem Schnee verborgen sind. Er hält plötzlich auf der gleichförmigen Oberfläche still, wedelt mit dem Schwänze und scheint dadurch seinen Herrn einzuladen, die Schaufel zu ergreifen, um den engen Gang in die Hütte zu finden, welche einen Rastort gewähren soll. Im Sommer muß derselbe Hund Boote stromaufwärts ziehen; hindert ihn ein Felsen, weiter vorwärts zu gehen, so stürzt er sich ins Wasser und setzt seinen Weg am anderen Ufer fort. Dafür werden ihm täglich zehn halbverfaulte Häringe als Futter gereicht!

»Der Hund ist den Sibiriern unentbehrlich. Als im Jahre 1821 eine Seuche unter den Thieren wüthete und eine jukagirische Familie alles verlor, mit Ausnahme von zwei ganz kleinen Hunden, welche noch nicht sehen konnten, da theilte die Hausfrau ihre eigene Milch zwischen diesen beiden Hündchen und ihrem Kinde und hatte die Freude, daß diese beiden Hunde die Stammeltern einer sehr starken Rasse wurden. Im Jahre 1822 waren die Einwohner am Kolymaflusse, nachdem sie ihre meisten Hunde durch die Seuche eingebüßt hatten, in die traurigste Lage versetzt. Sie mußten ihr Brennholz selbst herbeischleppen; dabei fehlte ihnen sowohl Zeit als Kräfte, die an verschiedenen, weit entfernten Orten gefangenen Fische nach Hause zu bringen. Endlich waren sie gezwungen, während aller dieser Arbeiten, welche äußerst langsam von Statten gingen, die Jagd der Vögel und Pelzthiere fast ganz zu verabsäumen. Eine furchtbare Hungersnoth, welche viele Menschen hinraffte, war die Folge des Mangels an Hunden, welche hier nie ersetzt werden können, weil es bei dem rauhen Klima und kurzen Sommer ganz unmöglich ist, das nöthige Futter für die Pferde anzuschaffen, und endlich, weil der Hund ganz flüchtig über den Schnee hinwegläuft, wo das schwere Pferd beständig versinken würde.«

Von diesen Thieren kann man in Wahrheit das Wort Zoroasters anwenden: » Durch den Verstand des Hundes besteht die Welt«.

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