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Viertes Kapitel.
König Alkohol

Es ist eine ziemlich weit verbreitete, aber irrige Ansicht, daß der Alkohol eine gewisse Gemütsverfassung sozusagen selbsttätig hervorbringt. In Wirklichkeit ist es so, daß der Einfluß des Alkohols die Stimmung, in der sich der Trinkende befindet, höchstens festhält und vertieft. Wer beim ersten Glas lächelt, bei dem endet es gewöhnlich in dröhnendem Gelächter. Bei dem, der beim ersten Schluck die Stirne runzelt, endet es gewöhnlich mit Zank und Streit. Vic Gregg runzelte nicht die Stirne, als er das Glas an die Lippen brachte, aber seine Lippen kräuselten sich verächtlich in ätzender Ironie. Sein Blick glitt musternd über die Gesichter im Schankraum und machte bei jedem Augenpaar, das ihm begegnete, etwas zu lange halt. Er haßte die Menschheit im allgemeinen und sich an erster Stelle. Der billige Whisky, der in seiner Kehle brannte, gab diesem bitteren Haß nur etwas mehr Farbe. Wenn sich ihm irgendein geringfügiger Anlaß für eine Boxerei, ja bloß für einen ordentlichen Fluch geboten hätte, wäre alles gut gewesen. Das hätte sein Inneres so rein zurückgelassen wie eine neue Schiefertafel, und fünf Minuten später wäre er in überströmender Glückseligkeit bei Betty Neal gewesen. Statt dessen flossen alle Leute um ihn herum förmlich über von Freundlichkeit, gutgemeintem Geschwätz und interessierten Fragen nach seiner Arbeit. So konnte seine gefährliche Gemütsstimmung sich erst recht kristallisieren. Alles und alle waren ihm zum Ekel, und sein Hirn war damit beschäftigt, objektive Gründe dafür heranzuschaffen.

Um bei ihm selbst zu beginnen: war er nicht der dickköpfigste aller Esel gewesen? Wie konnte er so mit dem Mädel reden? Er verabscheute sich selbst dafür. Es war genau so gut, wie wenn man seinem Gaul eine Klette unter den Sattel legte und sich dann wundern wollte, wenn er durchging. Von sich selbst ging er mit nicht geringerer Gründlichkeit auf die anderen über. Dieser Captain Lorrimer war dreckig wie ein mexikanischer Schmierfink; und genau wie so ein mexikanischer Schmierfink war er unrasiert und hatte wulstige Lippen. »Chick« Stewart war ein geborener Idiot und hatte selbst noch einiges dazugefügt, wie sein ewiges Grinsen zur Genüge bewies. Lew Perkins saß in seiner Ecke auf einem wackligen alten Obstfaß, strich seinen langen Schnurrbart zurück, um besser nach dem Spucknapf zielen zu können – und natürlich spie er daneben. Wenn dies seine – Vic Greggs – Kneipe wäre, hätte er dem alten Landstreicher längst etwas mehr Treffsicherheit beigebracht oder ihm den Hals umgedreht.

»Wie geht's, Gregg?« knurrte jemand hinter ihm.

Er drehte sich um und sah Sheriff Pete Glass neben sich stehen. Pete streckte bereits die Hand über den Bartisch und verlangte zu trinken für zwei. Das war eine Eigentümlichkeit des Sheriffs; wenn es irgend zu vermeiden ging, gab er keinem Menschen die Hand. Gregg empfand in diesem Augenblick einen wahnwitzigen und sinnlosen Haß auf ihn. Natürlich hatte jedermann in der Kneipe gesehen, daß der Sheriff es vermieden hatte, Vic Gregg die Hand zu schütteln. Ein billiges Mittel, sich wichtig zu machen, dachte Gregg. Glass schob ihm die Flasche zu.

»Schenkt Euch doch ein«, sagte Gregg.

»Die Runde zahle ich, Vic.«

»Ich hab's im allgemeinen lieber, wenn ich das erste Glas zahl'.«

Pete Glass wandte langsam den Kopf nach ihm. Er nahm sich bei allen Bewegungen viel Zeit, und wenn man ihn sah, wunderte man sich unwillkürlich über die Geschichten, die über die blitzgleiche Schnelligkeit im Umlauf waren, mit der er zu handeln wußte, wenn es galt. Ein unbehagliches Gefühl kroch über Vic Gregg hin. Vielleicht war die Erinnerung an die beinah legendären Taten daran schuld, die man seinem Nachbar zuschrieb. Vielleicht waren die sonderbaren haselnußbraunen Augen des Mannes, die mit kleinen roten Flecken gesprenkelt waren, die Ursache. Sie blickten im allgemeinen sehr sanft, diese Augen, aber man konnte ihnen allerlei zutrauen. Sonst wies Glass äußerlich keinerlei Besonderheiten auf, ja er war kaum so groß wie der Durchschnitt. Ein sehniger Hals, der gekrümmt war, als hätte ihn der Zwang, zu hochgewachseneren Leuten hinaufzusehen, verbogen, trug ein ausgemergeltes Gesicht. Und trotzdem war es vorgekommen, daß Leute, die verfolgt wurden, aus freien Stücken in die nächste Ortschaft geritten kamen und sich selbst freiwillig dem Gesetz stellten, weil sie erfahren hatten, daß Sheriff Pete Glass auf ihrer Fährte sei.

»Wie's Euch beliebt, Partner«, meinte der Sheriff auf Vics Bemerkung. Seine Stimme war leise und ein bißchen heiser.

Er schenkte sich Whisky ein, und zwar kaum so viel, daß es den Boden des Glases bedeckte. Das war auch eine von Petes Eigentümlichkeiten. Er konnte es sich nicht leisten, die Sicherheit seiner Hand und seines Auges durch Alkoholgenuß zu schwächen. Auch jetzt hatte er sich seitlich an den Schanktisch gestellt, so daß er Gregg und alle anderen im Raum unter den Augen hatte. Vic fühlte sich von all diesen Vorsichtsmaßregeln herausgefordert. Er goß sein eigenes Glas bis zum Rande voll, hob es, sich in seiner ganzen Größe aufrichtend, dem anderen entgegen: »Hier, auf Euer Wohl!« und herunter war das Zeug.

Gewöhnlich erhitzte der Whisky ihm das Blut und brachte sein Gehirn zum Drehen, gewöhnlich löste er ihm die Zunge und lähmte ihm zugleich die Lippen; heute aber spürte er nichts als kühle Gelassenheit, Selbstvertrauen, ja, der Whisky schärfte seinen inneren Blick, bis er das Gefühl hatte, er könne jedem in der Kneipe bis ins Innerste sehen. Er durchschaute jetzt auch Betty Neal. Sie hatte mit voller Absicht Blondy gegen ihn ausgespielt, um sie beide eifersüchtig zu machen.

»Nehmt Ihr nicht auch 'nen Schluck, Alter?« sagte der Sheriff zu Lew Perkins. Vic lächelte. Er verstand, worauf das hinauswollte. Der Sheriff brauchte einen Vorwand, um noch eine Runde zu schmeißen, weil er es sich in den Kopf gesetzt hatte, Vic betrunken zu machen. Vielleicht führte Glass etwas gegen ihn im Schilde, vielleicht bildete der alte Bluthund sich ein, daß Vic bei der Geschichte in Wilsonville vor zwei Jahren die Hand im Spiele gehabt habe. Natürlich, das war die Sache! Der Kerl wollte ihn, wenn er betrunken war, zum Reden bringen.

»Soll mir nicht drauf ankommen«, erwiderte Lew auf die Einladung und stemmte seine beiden Pfoten auf den Schanktisch, als wäre das sein Privatbesitz. Und während er wartete, bis ihm eingeschenkt wurde, fragte er: »Was werden sie mit Swain anstellen?«

Der stammelnde Idiot! Swain war der letzte Mann, den Glass gefangengenommen hatte. Lew Perkins konnte doch wirklich wissen, daß der Sheriff niemals über die Dinge, die er verrichtete, zu reden pflegte. Lew, dieser alte Esel, war wirklich drauf und dran, in seinen alten Tagen wieder kindisch zu werden.

»Swain hat sich als Kronzeuge hergegeben«, erwiderte Pete, kurz angebunden. »Zur Belohnung werden sie ihn wohl laufen lassen. Gießt Euch ein, Partner.« – Dann sagte er zu Vic: »Ich seh's Euch an, daß Ihr noch Durst habt.«

Gregg hatte sich absichtlich genau so wenig Whisky ins Glas gegossen, wie der Sheriff zu nehmen pflegte. Er wollte feststellen, ob es Glass auffiel. Die Bemerkung des Sheriffs bestärkte ihn in seinem Verdacht. Für ihn war es jetzt klar, daß der alte Bluthund hinter ihm her war, aber aus Trotz nahm er die Herausforderung an und goß sich noch nachträglich einen ordentlichen Schluck ein.

»So ist's richtig«, nickte der Sheriff. »Ihr habt kein Bündel zu schleppen, Ihr könnt Euch gehen lassen, Vic. Manchmal wünschte ich –« er seufzte –, »manchmal wünschte ich, ich könnt' es ebenso machen.«

Du schleichender Fuchs, dachte Gregg, du willst mich nur ködern.

»Kronzeuge ist er geworden!« quäkte der alte Perkins. »Well, 's gibt viele von der Sorte, denen das Herz in die Hosen fällt, wenn sie mal erwischt werden. Wenn ich dran zurückdenke, damals, wie Bannack noch mit Volldampf wirtschaftete ...«

Warum brachte nicht einer den alten Idioten dazu, den Mund zu halten, ehe er richtig loslegte? War der einmal im Gang, dann klapperte er endlos weiter wie eine Windmühle bei stetiger Brise. Denn Lew war alt – fünfundsiebzig, achtzig, fünfundachtzig Jahre, genau wußte er es selbst nicht –, er hatte mindestens zwei Generationen der alten Westmänner miterlebt und kannte ungezählte Tausende von Anekdoten über sie. Endlos reihten sich in seinem Gedächtnis all die blutigen Geschichten aus früheren Zeiten, und mit besonderer Vorliebe erzählte er von der Schreckensnacht von Newton; er hatte noch die Vigilanz-Komitees in San Franzisco erlebt und die ersten Ansiedlungen hier in der Alderschlucht.

»Von Plummer hätte auch keiner gedacht, daß er ein feiger Hund ist, aber zuletzt hat es sich herausgestellt«, schwatzte er in seinem eintönigen Singsang weiter. »Man hätte meinen können, ein kaltherziger Teufel wie der würde wenigstens sterben wie ein Mann, aber das war weit gefehlt. Auf die Knie ist er geplumpst und hat geheult und hat zu Gott gefleht um Hilfe. Dann hat er gebettelt, wir soll'n ihm Zeit lassen zu beten, aber einer von den Jungs war nicht faul und sagte ihm, er könnt' beten, wenn er oben hängt. Und das war Henry Plummer, der hundert Menschen auf dem Gewissen hatte, er und seine Bande!«

»H–m–m«, murmelte der Sheriff und blickte unbehaglich umher. Vic benutzte die Gelegenheit, als er die Augen abgewandt hatte, um ihn in Ruhe zu betrachten, und war erstaunt, daß dieser berühmte Menschenjäger so klein war. Angenommen, man könnte ihn einmal zwischen die Finger bekommen, so mußte es ein leichtes sein, ihn zu ...

»Wir sehn uns noch, Boys«, warf Glass hin und schlenderte aus der Kneipe.

Lew Perkins stieß einen tiefen Seufzer aus, als auf diese Art der hervorragendste seiner Zuhörer verschwand, aber er war nun einmal in Schwung. Seine umflorten Augen hefteten sich jetzt auf Vic Gregg, und er setzte seinen Singsang fort.

»Aber sie haben nicht alle so ein Ende genommen wie Plummer, die Teufelskerle. Nein, Meister! Keine Spur! Da war Boone Helm zum Beispiel.«

»Von dem hab' ich schon gehört«, knurrte Vic, aber der Alte hörte ihn nicht. Sein Blick war weit in die Vergangenheit zurückgewandert. Ein Lächeln der Erinnerung schwebte um seinen Mund, und seine Stimme wurde leiser, als käme sie aus der Entfernung all der vielen Jahre.

»Weiß Gott, Junge, Helm war ein böses Luder. Die Sorte wächst heutzutage nicht mehr. Der tolle Bill war ein Säugling im Vergleich zu Helm, und Slade war überhaupt kein Kerl, selbst wenn man all die Lügen für bare Münze nimmt, die über ihn im Umlauf sind. Du lieber Himmel, Junge, Helm, der war ein richtiggehender Tiger in Menschengestalt ...«

»Wie Barry?« warf Lorrimer ein, der sich näher heranschob.

»Wer ist Barry?«

»Hast du nie was vom Pfeifenden Dan gehört? Von dem Kerl, der Jim Silent umgebracht und seine Bande in alle Winde gejagt hat? Man erzählt sich von ihm, daß er 'nen Wolf bei sich hat, mit dem er redet wie mit 'nem Menschen.«

Der Alte stieß ein leises, glucksendes Lachen aus.

»Die Leute erzählen viel, wenn der Tag lang ist«, nickte er. »Aber ich sag' dir, ein Wolf ist ein Wolf, und es gibt nichts, was ihn zahm macht. Laß dir nicht solche faustdicken Lügen aufbinden, Lorrimer. Aber Helm, sag' ich dir, Helm war eine böse Nummer. Der brachte die Leute um aus reiner Freude am Blutvergießen. Aber wenigstens ist er gestorben wie ein Kerl. Wie die Boys ihn erwischt hatten, schwört er auf die Bibel, er hätte nie einen Menschen umgebracht, und die Jungens ließen ihn den Schwur wiederholen, bloß um zu sehen, ob er die Frechheit so weit treiben würde. Und weiß Gott, er tat's und zuckte nicht mit der Wimper.«

Vic dachte, was das für wilde Zeiten gewesen waren. Freie Männer waren das gewesen, die über Gesetz und Recht nur gelacht hatten. Gewaltige Männer, unbeugsame Burschen. Was hätte einer von denen getan, wenn das Mädel, das er heiraten wollte, ihn wie einen Narren behandelt hätte?

»Und dann machten sie ihn fertig zum Baumeln«, fuhr inzwischen Lew Perkins unbeirrbar fort. »Sagt Helm: ›Ich bin einigermaßen oft dabei gewesen, wenn einer abfahren mußte,‹ sagt er, ›ich hab' keine Angst davor.‹ Es waren so Stücker sechstausend Mann zusammengekommen, nur um Boone Helms Ende zu sehen. Einer fragte ihn, ob er noch 'nen Wunsch hätte. Sagt Boone: ›'nen Schluck Whisky‹, sagt er, und den bekam er auch.«

Der Rest der Geschichte ging Vic Gregg verloren. Er hatte einen schweren Schritt auf der Veranda gehört, der ihm bekannt vorkam. Gleich darauf schoben sich Blondy Hansens breite Schultern, alles verdunkelnd, in die Türöffnung. Blondy Hansen hatte für den Tanz Toilette gemacht. Er hatte sein schwarzseidenes Halstuch umgeknüpft, darüber leuchtete ein Kragen aus weißem Zelluloid. In der Kneipe war es verhältnismäßig finster, und Blondy Hansen, der von der hellen Straße kam, hatte vielleicht Vic nicht gesehen. Jedenfalls trat er ans andere Ende des Schanktisches. Drei Gestalten tanzten in Vics Gehirn in tollem Wirbel – Betty, Blondy und der Sheriff. Die ungewohnte und seltsame Klarheit seines inneren Blicks nahm noch zu. Er durchschaute jetzt mühelos die ganze Angelegenheit. Betty hatte Hansen, der sich noch dazu absichtlich erst in seinen Feststaat geworfen hatte, zu Lorrimer geschickt, um sich an Vics Niedergeschlagenheit zu weiden. Und der Kerl hatte natürlich nichts Besseres gewußt, als sich sofort ans Werk zu machen.

»Hast dich schon für den Tanz in Staat geworfen, Blondy, was? Gehst mit 'nem Mädel hin?« fragte Lorrimer.

»Mit Betty Neal«, antwortete Blondy.

»Den Teufel auch! Wieso denn?« erkundigte sich Lorrimer hinter der Bar mit einigen Anzeichen des Erstaunens. »Ich dachte doch – na, Vic ist doch jetzt hier! Wißt ihr das nicht?«

»Na und? Der ist doch nicht auf das Mädel abonniert!«

Jetzt erst wurde Hansen durch einen Seitenblick Lorrimers auf Vics Anwesenheit aufmerksam. In seiner Verlegenheit nahm er erst recht eine trotzige Haltung an. Vic aber glaubte jetzt das letzte Glied zu haben, das die Beweiskette schloß. Hansen wollte zum Tanz – trotzdem aber schleppte er einen Revolver mit herum, und das konnte nur eine Bedeutung haben: Betty hatte ihn hierhergeschickt, um den Schlußpunkt unter die Affäre zu setzen.

»Hab' dich gar nicht gesehn, Vic«, sagte Blondy indessen. Er war rot geworden und wirkte noch röter durch den Kontrast, den sein Gesicht zu dem flachsblonden Haar abgab. »Nimmst du 'nen Schluck?«

»Ich trinke nicht«, antwortete Gregg. Im gleichen Augenblick aber goß er sich langsam, damit nur ja niemand sich über die Bedeutung seiner Handlung im unklaren sein könne, selbst ein Glas Whisky ein und leerte es, die Augen fest auf Hansen gerichtet. Als er das Glas niedersetzte, war sein Hirn klarer als je zuvor. Er wußte mit größter Deutlichkeit, mit einer Ruhe, die nichts erschüttern konnte, daß er Blondy Hansen umbringen würde. Er wußte sogar schon, wo ihn seine Kugel treffen sollte. Es war eine Sache, die er innerlich bereits hinter sich hatte. Eine Vision hatte ihm schon gezeigt, wie Hansen getroffen niederstürzte, und er lächelte.

Plötzlich war es totenstill in der Kneipe. Inmitten dieser Stille hörte Vic ein dumpfes, tickendes Geräusch. Es war sein eigener Herzschlag. Er hörte, wie der alte Perkins sachte, langsam aus der Schußlinie schlich, er hörte die stoßweisen Atemzüge Captain Lorrimers, der leichenblaß, mit hilflos aufgerissenem Mund hinter seinem Schanktisch stand. Er hörte, wie Blondy Hansen mit den Zähnen knirschte. Blondy war nicht gesonnen, die Demütigung auf sich sitzen zu lassen.

»Vic,« sagte er, »ich glaub', du willst 'nen Streit vom Zaun brechen. Jedenfalls bist du mir eine Erklärung schuldig für das, was du eben getan hast.«

Er stand aufgerichtet und stramm da wie ein Soldat, nur die Finger seiner rechten Hand zuckten, zuckten, zuckten, und die Hand stahl sich langsam zum Gürtel hinauf. Gelassen suchte Vic nach den Worten, die er brauchte, und fand sie:

»Ein Viehdieb ist ein übler Patron«, verkündete er. »Ein Pferdedieb ist noch viel übler, aber du bist ein erbärmlicherer Patron als die ganze Bande zusammen, Blondy.«

Wieder die allgemeine Stille, die nur von hämmernden Herzschlägen erfüllt war. Vic fühlte förmlich das eisige Grauen, das alle gelähmt hielt. Nur er war frei davon.

Captain Lorrimers Unterkiefer klappte herunter. Stoßweise, flüsternd würgte er heraus: »Gott der Allmächtige!« Dann fuhr Blondy mit der Hand nach dem Revolver. Vic, die Hand am Kolben seiner Waffe, wartete in kühler, gelassener Sicherheit auf das, was kommen mußte, hörte Blondy ächzen, weil dessen Waffe einen Augenblick im Halfter festhakte, sah den Lauf aufblitzen, als er sie dann doch herausriß, zog seinen eigenen Revolver und feuerte gleich von der Hüfte aus. Blondy taumelte, aber im Fallen packte er mit der linken Hand den Schanktisch und hielt sich daran aufrecht. Mit dem Handrücken der Rechten, die noch immer den Revolver umklammert hielt, fuhr er sich wieder und wieder über die Stirn, wie ein Schläfer, der plötzlich geweckt wird. Kein Laut. Vic betrachtete die dünne Rauchspirale, die sich von der Mündung seines Revolvers emporschlängelte, dann fiel Blondys Revolver polternd zu Boden. Auf Hansens Hemdbrust erschien ein roter Fleck und wurde rasch größer. Jetzt beugte sich Blondy vor, als wolle er etwas aufheben, statt dessen glitt er vornüber und fiel aufs Gesicht. Vic trat zu ihm hin und stieß ihn mit dem Fuß an. Der Körper gab nach wie ein schlaffes, lebloses Ding.


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