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Prinz Ferdinand

Es war einmal ein junger Prinz; der war glücklich.

Er war glücklich, denn – ich sagte es schon – er war jung. Und schön, reich und berühmt dazu. Sein Vater, der König, gewann jeden Tag neuen Ruhm, nur, weil er auf einem Thron saß.

Seine Mutter, die Königin, die ganz ihren dichterischen Neigungen lebte, glaubte fest an ihre geniale Begabung. Die Lobeshymnen ihres vornehmen Leserkreises und der Kritiker, großer Meister ihres Faches, bestärkten sie in ihrem Glauben. Den jungen Prinzen fesselte die Literatur überhaupt nicht; er zog es vor, lasterhaft zu leben.

So wahrte er viel entschiedener die Tradition seiner Ahnen; und damit erteilte er eigentlich seiner hohen Mutter einen diskreten Verweis.

Wie oft bereiten die politischen Interessen eines Erbprinzen den erhabenen Eltern, den Regisseuren und Handwerkern der Dynastien, Diplomaten und Minister genannt, arges Kopfzerbrechen. Unser Prinz verzichtete auf jede politische Betätigung zugunsten eines ausschweifenden Lebens.

Man könnte einwenden, daß es ja noch manch andere geistige Tätigkeit gäbe, die durchaus standesgemäß wäre. Oder auch, daß es nützliche Arbeit gäbe. Aber man müßte ja ein ausgemachter Narr sein, um an so etwas Gefallen zu finden.

Jedenfalls liebte unser Prinz nur die Ausschweifungen. Zwischen Ausschweifung und Ausschweifung gibt es Unterschiede. Der Prinz liebte die gemeinsten, die es gibt: er verstand es, die Mädchen und jungen Frauen durch seine berückende Erscheinung und sein gutes Aussehen zu blenden. Hatte er sie dann verführt, ließ er sie links liegen. Aber jedem dieser armen Geschöpfe, die nichts besaßen als ihren jungen Körper und ihre unverbrauchten Sinne, schwur er zunächst ewige Liebe. Er jagte den Frauen nach, wie andere wilden Tauben; er genoß sie flüchtig, eine nach der anderen, und erlebte die Befriedigung eines Feinschmeckers. Nicht nur an den Damen des Hofes und der guten Gesellschaft übte er sein Waidwerk. Er liebte auch die schönen Töchter des Volkes. Herablassend geruhte er, die Arbeiterquartiere der Hauptstadt unerkannt zu durchstreifen. So machte es auch Harun al Raschid, wird uns in den Geschichten der Tausendundeinen Nacht erzählt, der ging gern verkleidet durch die Straßen von Bagdad, um die Meinung der Leute über ihren Herrscher kennenzulernen. Doch der Prinz wandte sich nur an Frauen und seine Wißbegierde entsprang durchaus persönlichen Interessen.

So pflückte er viele Blumen, die er dann verwelken ließ. Das betrieben früher die Herren von Rang ganz öffentlich. Heute geschieht es geheim. Weil die Demokratie Fortschritte gemacht hat.

In einer Vorstadt wohnte eine junge schöne Frau, auf die sein prinzlicher Blick fiel. Und ein neues Idyll erblühte auf den Trümmern der vielen anderen. Diesmal dehnte sich das Abenteuer ein wenig aus, auf mehrere Tage. Der Mann, Fleischer seines Zeichens, schöpfte Verdacht und kam bald hinter den Betrug. Der Prinz wieder, der Abenteuer liebte, verschmähte jede Vorsicht, in dem Bewußtsein, daß ihm, dem Erbprinzen, ja nichts geschehen könnte.

Der Mann war ein einfacher Arbeiter, der sein Weib liebte und den fremden Eindringling als gemeinen Räuber ansah. Er nahm sich vor, dem vergnügten jungen Mann recht bald eine gehörige Tracht Prügel zu verabfolgen.

Der Prinz hätte eine sehr schwere Viertelstunde erlebt, wäre er nicht eben ein Prinz gewesen. Man kann sich das Bild sehr gut vorstellen: ein enges viereckiges Zimmer; die unglückliche Frau kauert in einer Ecke und schluchzt in sich hinein und der einfache Arbeiter steht da als Rächer, als Richter.

Doch bekanntlich ist eine so wertvolle Persönlichkeit wie eine Königliche Hoheit niemals auf sich allein angewiesen; es könnte ihr ja etwas zustoßen. Also begleiteten zwei schweigsame vierschrötige Männer – richtige Bulldoggen – ihren Herrn wie Schatten. An diesem Tage standen beide einige Schritte von der Tür und waren auf der Hut, das Ansehen der herrschenden Dynastie im Fall von Schwierigkeiten um jeden Preis zu retten.

Als sie das Stimmengewirr hörten, stieß einer mit einem einzigen Stoß seiner Schulter die Tür wie einen Vorhang beiseite, beide stürmten in die Stube und schlugen mit den Fäusten auf den Arbeiter ein.

Als der niedergeworfen und unschädlich gemacht war und der Prinz sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, brannte er sich eine Zigarre an. Dann lachte die Hoheit laut auf.

Ihn amüsierte das laute Schimpfen des Mannes, der sich in den eisernen Pranken der Polizeileute wand.

Bald aber kränkten ihn die bitteren Wahrheiten, die ihm voll Wut ins Gesicht geschleudert wurden, in seiner erbprinzlichen Würde.

Er nahm die Zigarre aus dem Munde und hielt die glimmende Seite dem gefesselten Arbeiter an die Nase – ganz überlegt und langsam. Die Polizeiathleten hielten ihren Gefangenen trotz seines Gebrülls fest.

Dann ging der Erbprinz ruhig in sein Palais zurück.

Der junge Prinz hieß Ferdinand. So heißt er heute noch. Aber er ist heute nicht mehr jung und kein Prinz. Er ist der König von Rumänien.

... Als diese Geschichte schon geschrieben war, ist Ferdinand von Hohenzollern, Rumäniens König, gestorben.


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