Achim von Arnim
Gedichte
Achim von Arnim

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Frühlingsnacht

Geraubet war ihm das Fräulein sein,
Er sucht es in Morgen und Abend,
Er sucht es in Sonn- und Mondenschein
Auf glänzendem Rosse trabend:
»Wohin, wohin, mein wildes Herz?«
So ruft er, es sausen die Wälder von Schmerz.

Er suchet in seinen Gedanken auf
Die Blicke voll Lust und voll Liebe
Und drücket die Augen fest zu im Lauf,
Taucht Sonne ins Wasser so trübe;
Wie weit, wie weit bringt Frühlingstag
Das weite Land, wie's keiner vermag.

Er lernet der Sprachen Mannigfalt,
Zu fragen nach ihr in allen,
Er lernet auch eine, die keinem schallt,
Der stummen Blumen Gefallen:
Woher, woher der deutende Strauß?
Er fiel zum Fenster des Turmes hinaus!

»O Schicksal, du spielest mit Blumen bunt,
Sie will in die Arme mich fassen!«
Da drückt er die Blumen an seinen Mund
Und kann sich selber kaum fassen:
Wozu, wozu nun alle der Schmerz,
Sie sinket im Mondenschein an sein Herz!

Und als der Mond den Bogen hell
Spannt über dem Turme und zielet
Und schießet die silbernen Pfeile schnell
In Augen, die brennend gefühlet:
Wie weit, wie weit bringt Liebesmacht
Zwei liebende Herzen in einer Nacht!

Er spannet die Arme zum Turme aus:
»O fülle die Arme, du Liebe,
Wie du mir versprochen im bunten Strauß.«
Sie hört es und folget dem Triebe:
Woher, woher? Vom Turme herab
Sie stürzt in die Arme ihm – beider Grab!

Am Morgen, da stiegen zwei Lerchen auf,
Die überfliegen einander,
Wohin, wohin der schnelle Lauf?
Sie singen es jubelnd einander:
Warum, warum viel liebe Not?
Aus Armen der Nacht steigt Morgenrot


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