Achim von Arnim
Gedichte
Achim von Arnim

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Jung und alt im Frühling

1

Aus der Berge dunklen Klüften
Braust nicht mehr die kalte Flut,
Fenster öffne ich den Lüften
Und das Tor dem Jugendmut;
Springend geht's zum Tale nieder,
Leicht beflügelt ist das Herz,
Frühling breitet das Gefieder,
Luft erklingt wie edles Erz.

Neue Vögel sind erschienen,
Fort ins Freie, in die Luft,
Neues Schauspiel, grüne Bühnen,
Nachtigall so sehnlich ruft:
Seht das Schauspielhaus geschmücket
Mit dem Dach aus Himmelblau,
Wolkenschäflein sehn entzücket
Nach dem hocherhabnen Bau.

Alle schweben im Verlangen
Nach des Tages Neuigkeit:
Ist der Vorhang aufgegangen?
Welches Schauspiel gibt man heut?
Soll ein Heldenspiel beginnen,
Rüstet sich die frische Kraft?
Soll die Lieb' in Lieb' zerrinnen,
Daß sich neues Volk erschafft?

Alles drängt sich nah zusammen,
Herz an Herz und Baum an Baum,
All' aus einer Erde stammen,
Flammend einer Liebe Traum:
Himmlisch Spiel, die frischen Kränze
Decken all' mit gleichem Grün,
Jenen, daß er siegend glänze,
Diese, daß sie drunter blühn.

2

Eine bange Reiselust
Weht in Frühlingstagen,
Füllt mit Wehmut unsre Brust,
Will zum Himmel tragen,
Wo die ganze Seligkeit
Schimmert in dem Lichte,
Und ein Bild der Ewigkeit
Wird des Jahrs Geschichte.

Erste Jugend stellt sich dar
Mit verwirrtem Leiden
In den Blättern, die so klar
Alles erst umkleiden,
Wie wir aus erschloßner Haft
In die Welt gedrungen,
Wie in neuer Schöpfungskraft
Vieles uns gelungen.

Öffnet dann die Blütenzeit
Des Triumphes Pforte,
Wird ihr Fall in Lust geweiht
Durch die schönsten Worte;
Jedes Wort, es dringt hinauf,
Eh wir es noch meinen,
Aufwärts zu dem Sonnenlauf,
Daß wir strahlend scheinen.

Ja, dies ist die Himmelfahrt,
Die wir heute feiern,
Bis die Wolken golden zart
Uns die Welt verschleiern:
Ach dann fraget wohl die Welt,
Wo wir sind geblieben,
Vieles dann von uns gefällt,
Manches lernt sie lieben.


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