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Der Bauer und die Fliegen

Ludwig Auerbacher

Ein Bauer hatte in einem Städtlein Honig feil auf dem Markte. Sowie er aber den Honigtopf öffnete, flog ein Schwarm von Fliegen herbei und bedeckte über und über das Gefäß, und es half kein Abwehren und Verscheuchen, und die Leute, welche kaufen wollten, wendeten sich mit Ekel ab und gingen weiter. Da beschloß der Bauer in seinem Ärger, die Fliegen zu verklagen beim Bürgermeister, und er tat's. War das dumm? Nein. Dumm wär' es gewesen, wenn er den Bürgermeister verklagt hätte beim Bürgermeister, daß er das Städtchen vom Unrat nicht säubern ließe, und so das Fliegengeschmeiß hegte und pflegte, zum Schaden der Verkäufer, die doch ihren Marktpfennig zu bezahlen hatten. – Also mußte dem klagenden Bauern der Bürgermeister Recht verschaffen, er mochte wollen oder nicht. Und er sprach: »Ich erkläre hiermit alle Fliegen in der Stadt für vogelfrei, und du magst sie totschlagen, wo du sie nur triffst.« Der Bauer war mit dem Urteilsspruch zufrieden; und da soeben eine Fliege dem Bürgermeister auf der Nase gesessen, so schlug sie der Bauer sogleich tot von Rechts wegen. War das grob? Nein. Grob wäre es gewesen, wenn er die Nase des Bürgermeisters gemeint hätte und nicht die Fliege. So aber konnte er noch um Verzeihung bitten, was er auch tat. Und da er einmal, sagte er, das Recht erhalten habe über Leben und Tod aller Fliegen, so wolle er nur gleich damit anfangen, das Rathaus zu säubern von dem Geschmeiß. Und in demselben Augenblick hatte auch der Schreiber seine Maulschelle, der ihn ausgelacht. – Kurzum, wollten sie nicht alle die Faust des Bauern fühlen, so mußten sie ihm den Honig abkaufen, um seiner los zu werden. Weiteres wollte eben der Bauer nicht, und er dankte für die gute Bezahlung.


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