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Was dem Lehrjungen träumte

Volkstümlich

In Rudolstadt in der Saalgasse hauste der biedere Schuhmacher Silge, der hatte einen Lehrjungen, dem es auf einen losen Streich mehr oder weniger am Tage nicht ankam. Als die beiden nun eines Morgens in der Werkstatt zusammensaßen und jeder von ihnen mit dem Hammer auf die Stifte schlug, fing der Junge auf einmal an zu lachen, daß er sich die Seiten hielt und sagte zum Meister: »Heute nacht, Meister, habe ich aber einen ganz pudelnärrischen Traum gehabt.« »Du wirst wohl wieder etwas Rechtes geträumt haben,« gab er mürrisch zurück, schaute den Bengel über die Brille an und wischte sich mit dem Hemdärmel die Nase ab. Als nun aber der Kleine schwieg und nur recht spitzbübisch vor sich hingrinste, wurde der Alte doch neugierig und fragte: »Nun, wie war es denn?« Nun fing der andere an und erzählte: »Das ging so zu, ich und der Meister, wir beide mußten über eine große steinerne Brücke, der Meister ging drüben, und ich ging hüben. Unten war aber kein Wasser, sondern wo ich ging, da sah man unten nichts als Schlamm und Morast, und wo Ihr gingt, Meister, da floß unten lauter Honig. Und auf einmal, als wir mitten auf der Brücke waren, um Gottes willen, da plumpsten wir beide herunter, ich in den Schlamm und der Meister in den Honig.« »Siehst du, Junge,« rief da der Meister und tat einen kräftigen Schlag auf die Stifte, »siehst du, so geht es solchen Galgenstricken, die nichts wie lose Streiche im Kopfe haben und ihrem Meister nicht folgen wollen.« »Halt!« lachte da der Junge, »ich bin noch nicht fertig mit meinem Traum, denn wie wir uns nun beide herausgearbeitet hatten und standen wieder auf der Brücke, da mußten wir uns gegenseitig ablecken!«


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