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Die betrogenen Zecher

J. P. Hebel

Zwei Zechbrüder besuchten oft, eine Stunde weit, einen Freund aufs Mittagessen, weil er guten Neuen hatte und nicht geizig damit war. An seinem Geburtstage, als sie wiederkamen, hatte jeder vorher einen Hering gegessen, wegen dem Durst, und schwitzten Tropfen wie Haselnüsse; denn es war am 8. August, Zyriak hieß er, da dachte der Herr Zyriak: »Ich will doch einmal sehen, ob ich der gute Freund bin, oder mein Wein.« Also nahm er den einen vor dem Essen auf die Seite und sagte: »Gevatter, tut mir den Gefallen, und helft mir den Apotheker (das war der andere) unter den Tisch trinken. Wir wollen gelbgefärbtes Wasser trinken, und Ihr müßt fleißig mit ihm anstoßen auf den Zyriak, immer einen Ganzen!« Das war dem Gevatter recht. Drauf nahm er den Apotheker auf die Seite und sagte: »Helft mir heute meinen Gevattermann zudecken!« und tat ihm den nämlichen Vorschlag. Dem Apotheker war's auch recht, und jeder dachte, das gibt einen Spaß. Also tranken sie miteinander sieben Maß Wasser, Durlacher Eich, über der Mahlzeit und noch drei Maß stehenden Fußes auf viel nachfolgende. Als er ihnen die vierte einschenken wollte, sagte der Gevattersmann: »Ich kann nimmer, er ist mir zu stark!« Der Apotheker sagte: »Ich kann auch nimmer. Ich muß noch Süßholz kochen, wenn ich heimkomme!« Doch nahmen sie noch eins zur schuldigen Danksagung. Unterwegs sagte der Gevatter des Zyriak: »Apotheker, heut' habt Ihr ein Meisterstück gemacht, ich kann nicht begreifen, wie Ihr noch aufrecht gehen könnt!« Der Apotheker sagte: »Mich wundert, daß Ihr nicht blindhagelvoll seid!« »So,« sagte der Gevattersmann, »drum hab' ich Wasser getrunken!« Da gingen dem Apotheker die Augen auf, und er sagte: »Ich auch!« Da gingen dem Gevattersmann auch die Augen auf.


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