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Bauer und Edelmann

Ludwig Auerbacher

Ein Bauer kam vom Markt und hatte eins über den Durst getrunken. Zu Hause erzählte er seiner Frau, er habe unterwegs auch den Gutsherrn angetroffen.

»Was wollte er von dir?«

»Er fragte, ob ich vom Markt komme. Und dann, ob der Markt groß gewesen sei. Da sagte ich, ich hätte ihn nicht gemessen. Ich meine, sagte er, wieviel Käufer und Verkäufer auf dem Markt waren. Ich hab' sie nicht gezählt, versetzte ich. Wohin geht denn nun der Weg? fragte er, und ich sagte: der Weg geht nicht, er liegt.«

»O weh,« rief die Frau, »das wird uns eingetränkt werden. Hat der Herr weiter nichts gesagt?«

»Ja, er fragte noch, was ich auf dem Markt getan habe, und ich sagte: eins über den Durst getrunken.«

»Das ist noch schlimmer,« jammerte die Frau. »Denkst du gar nicht an dein Weib und deine Kinder. Dein böses Maul bringt uns noch an den Bettelstab. Ich will zufrieden sein, wenn morgen nichts darauf kommt.«

Der Bauer ließ sich kein graues Haar wachsen, ging zu Bett und schlief den Rausch aus. Die Frau aber konnte vor Angst keine Ruhe finden.

Am andern Morgen in aller Frühe klopfte schon der Büttel an die Tür und beschied den Bauern aufs Schloß.

Der Bauer blieb in guter Ruhe liegen und stand erst um elf Uhr auf, damit er die angesagte Stunde nicht versäume. Die Bäuerin hatte bedacht, wie sie wohl den Zorn des Herrn beschwichtigen könnte. Sie hatte ein Häslein aufgezogen, steckte es jetzt dem Mann unter den Kittel und sagte: »Bring' es dem gnädigen Herrn zum Geschenk. Vielleicht läßt er Gnade vor Recht ergehen.« Der Bauer brummte, ließ es sich aber gefallen und ging nach dem Schlosse.

Der Herr hatte schon auf ihn gewartet. Er lag im Fenster und sah den Bauern kommen.

»He! Bist du endlich da?« rief er ihm zu.

»Zu dienen, Euer Gnaden,« sagte der Bauer.

Als er aber in den Schloßhof kam, hetzten die Diener die Hunde auf ihn. Da, als sie ihn fassen wollten, ließ er, wie vor Schreck, das Häslein fallen; sogleich jagten die Hunde dem Hasen nach und krümmten dem Bauern kein Haar. – »Der Kerl kann mehr als Brot essen,« dachte der Edelmann.

Der Bauer trat in die Stube, wo der Tisch gedeckt stand, und der Herr schenkte eben ein Glas Wein ein. »Bauer, kennst du auch Wein?« fragte er, und der Bauer fagte »Nein, Herr.«

»Nun, dann mußt du ihn kennen lernen.«

Er rief zwei Diener herbei, ging mit ihnen zur Seite, wo er ihnen etwas ins Ohr flüsterte, und schickte sie mit dem Bauern in den Keller. Da lagen die Weinfässer nebeneinander in einer langen Reihe. Die Diener drehten am ersten Faß den Hahn auf, füllten ein Glas und ließen den Bauern kosten; es war der geringste Wein. Dann gaben sie ihm ein Glas aus dem nächsten Faß, und der Bauer sprach dem Wein kräftig zu. Doch als sie zum letzten Fasse kamen, entging es ihm nicht, daß hinter ihm in der Ecke zwei Peitschen standen, die er wohl auch kosten sollte. Darum zog er schnell mit aller Kraft den Kran aus dem Faß, daß der Wein in den Keller schoß. Die bestürzten Diener sprangen hinzu und hielten die Daumen gegen das Kranloch, konnten aber doch dem Verlust nicht völlig wehren. Der Bauer sah sich inzwischen im Vorteller um, schob einen Schinken und eine Speckseite unter den Kittel, ging die Treppe hinauf und schlich, schwer gekrümmt, über den Schloßhof.

»Nun hast du es doch einmal gekriegt,« rief ihm der Herr aus dem Fenster Zu.

»Ja, Herr,« sagte der Bauer, »ich habe es schwer genug gekriegt. Wenn ich und meine Frau das Brot dazu hätten, könnten wir ein halbes Jahr davon leben.«

Also schritt er zum Schloßtor hinaus.


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