Willibald Alexis
Die Hosen des Herrn von Bredow
Willibald Alexis

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Die Kammerherrn, die hereinstürzten, erschraken, wie er, auf die Stuhllehne gestützt, dastand und sie anstaunte.

»Wer hat die Wacht im Schlosse?«

»Der Ritter von Otterstädt.«

»Wo ist Otterstädt?«

Was wollte der Fürst mit dem strengen, irren Blicke? Als verlange er die Antwort nicht mehr, machte er eine abwehrende Bewegung, welche sie gehen hieß.

Der Geheimrat von Schlieben ward angemeldet. Zählte der Fürst auch dessen graue Haare, forschte er, ob der Verrat darunter verborgen sei? Er saß wie erschöpft im Armstuhl, und sein strenger Blick hieß den alten Diener seines Hauses an der Schwelle weilen.

»Durchlauchtigster Herr, ich komme zur ungewohnten Zeit –«

»Aber du findest mich wach. Das werden sie alle, sag's ihnen.«

»So wüßte mein gnädigster Herr schon –«

»Otterstädt ist ausgestrichen, wie aus meinen Diensten, aus dem Buche meiner Gnade. Man soll ihn fahnden, wo man ihn trifft. Man setze ihm nach auf der Stelle! Ich will ihn finden, wo er sich verberge, einen Preis auf seinen Kopf! Ich sage Euch, er soll es büßen, schwer, furchtbar, entsetzlich. Joachim läßt nicht mit sich spielen. Wehe dem, der sich erdreistet, mich für einen Knaben zu halten.«

»Wie, mein gnädigster Herr, was ich eben erst –«

»Zauderst du? Gehörst du auch zu ihnen? – Ja, du zitterst.«

»Den Otterstädt holen wir nicht mehr ein. Er flieht mit unterlegten Pferden nach der Lausitz zu seinem Verwandten, den Minckwitzen.«

»Die Rosse bestelltest du ihm. – O, auch ich kann Verwunderung heucheln. Wer noch! Ich frage lieber: Wer nicht? Deine Hände auf! Sind sie nicht auch weiß von Kreide?«

»Ich stehe hier und spreche, weil es meine Pflicht ist, weil mein Schwur als meines Kurfürsten Diener es mir gebietet. Erst in dieser Stunde ward ich von den schweren Dingen unterrichtet. Mißvergnügte hatten eine Anklage versucht gegen Eure Kurfürstliche Durchlaucht, was ich ein Erfrechen nenne, bei dem Freigericht. Die Sache blieb geheim bis diesen Abend, wo der Jähzorn einiger der Mißvergnügten über den Fehlschlag ihrer Hoffnung sie zu tollen, gefährlichen Reden verführte, die mir von Getreuen hinterbracht sind.«

»Das Freigericht will mich nicht richten?«

»Es soll sich erklärt haben für nicht kompetent.«

Joachim lachte häßlich auf: »Ich will mich für kompetent erklären, zu richten, wen und wer es sei, der in meinen Landen ein ander Gericht anruft, das nicht von mir Macht und Vollmacht erhielt; jeder und männiglich und das Gericht auch, wie es heißt und was es sei, das nicht vom Kaiser selbst Vollmacht und Freibrief hat. – Wollen sie mich nicht auch bei Kaiser und Reich verklagen.«

»Ich kenne nicht die Absichten der Mißvergnügten.«

»Aber sie selbst. Wer sind die Mißvergnügten? Nenne sie.«

Der Geheimrat zuckte die Achseln.

»Und das deine Pflicht, das dein Schwur! Damit soll ich zufrieden sein!« Joachim war aufgesprungen.

»Lindenbergs Hinrichtung hat vielen Schmerz bereitet.«

»Ist das alles? Hier siehst du einen, der an diesem Schmerze nagt.«

»Mehr als Schmerz. Daß ich mich unterstehe, es meinem Durchlauchtigsten Herrn zu sagen, viele haben es sehr mißbilligt, die Zahl der Mißvergnügten wurde sehr groß.«

»Heute erst! Warum wagtest du nicht früher es auszusprechen? Der stiehlt und raubt fast an meiner Seite, die lassen zu, daß ein ehrlicher Mann darum fälschlich angeklagt wird; der kritzelt mit seiner verruchten, majestätsverbrecherischen Hand an die Tür meines Schlafgemachs eine Todesdrohung, und du, mein erster Rat, geschworen, mir treu zu dienen, erprobst die Treue, daß du mir verschweigst, was mir zu wissen vor allem not tat. Verantworte dich, Herr von Schlieben!«

»Wenn alle gestraft würden, gnädigster Herr, welche anstehen, ihrem Fürsten zu berichten, was ihm unangenehm zu hören ist, hätten die Fürsten keinen Hof mehr, keine Räte und keine Minister.«

»Und doch wie bereitwillig seid ihr alle, zu hinterbringen, wenn es Dritte gilt. Welch Gaudium eurer Seelen, Verdacht auszustreuen, wo ihr zu ernten hofft. Nur diesmal alle einig, weil jeder die Schuld des andern trägt und verbirgt. Dieser Mann ist mir lieb, dieser Otterstädt. Er hat es doch gewagt. Die wüste Tollheit seines verbrecherischen Hirns brach wie die Flamme heraus, die sich nicht mehr zügeln läßt. Wenn sein Kopf auf der Stange steckt, werde ich ihm zunicken. Ich liebe warmblutige Menschen. Ihr andern seid der stille Brand, der fortglüht unter der Asche. Man kann nicht überall die Augen, nicht überall achthaben, wo er helle Lohe schlägt. Vor mir, da bin ich sicher; aber wer schützt mich vor denen hinter meinem Rücken!«

Der Geheimrat verneigte sich tief; er sprach die Bitte aus, da sein gnädigster Herr sein Vertrauen von ihm abwende, ihn seiner Dienste zu entlassen und einen würdigeren Rat zu wählen.

Ein böses Lächeln schwebte um Joachims Lippen: »Wo ich hingreife, ist's derselbe Stoff. Ein Toter sagt's, hörst du, die Toten lügen nicht. Es lohnt sich nicht ändern, wo man nicht bessern kann. Du bleibst. Wer ritt mit Otterstädt?«

»Man riet auf den und jenen. Bestimmtes weiß niemand.«

»Der und jener – man rät – niemand! – Ich will diesen Niemand finden, diesem Ratenden ein Rätsel aufgeben. – Wer bezog die Schloßwache?«

»Konrad Burgsdorf.«

»Wenn er Brandbriefe an die Mauer schreibt, soll er Handschuhe anziehen. Die Kreide an seinen Fingern könnte ihn verraten.«

»Mein Gott, was soll daraus werden!« entfuhr es dem von Schlieben. So in krankhafter Aufregung hatte er seinen Fürsten noch nie gesehen.

»Nur ein Hochgericht, Schlieben! Wenn meine Mannen und Diener zu verschlafen sind, einem Verbrecher nachzusetzen, wird Gott andere Rächer einem beleidigten Fürsten erwecken. Es gibt Gerichte auch drüben in Sachsen. Nicht rasten will ich, noch ruhen, bis Otterstädts Haupt auf einer Stange über dem Tore von Berlin schwebt. Ich bin's mir, ich bin's einem andern schuldig, der mir lieber war. Zur Warnung euch allen, so hoch der Verbrecher stehe, so stark sein Arm ist, so viele Freunde für ihn sprechen.«

»Gnädigster Herr! welche entsetzliche Wahnbilder beunruhigen Euer Durchlaucht. Euer Volk, ich darf es sagen, ist ein gutes und treues Volk, und wenn unter Eurem Adel Mißvergnügte sind –«

»So sind sie's mit Recht. Nun bist du auf guter Fährte. Sprich dich aus, gieß aus den verhaltenen Unmut, so liebe ich's. Klage mich offen, herzhaft an. Auf dieser Stelle sprach so ein anderer Mann zu mir. Er hielt mich nicht mehr für ein Kind, als der Tod vor seiner Tür stand. Mann gegen Mann hat er mich angeklagt, und ich hörte ihm mit Lust zu. Seine Lippen sind nun bleich, sein Atem ist ihm vergangen, sein Herz ist kalt. Der kann nicht mehr sprechen. Nun tritt du für ihn auf, du setze fort die Rede. Sprich wie ein Anwalt, dessen Mund, ein Vulkan, Feuer sprüht, zeihe mich der Grausamkeit, der Eigenmacht, des Leichtsinns, verteidige den Adel gegen deinen Fürsten, beschwöre aus den Grüften die unverjährbaren Rechte, die ich brechen, zertreten will, überzeuge mich von meinem Unrecht. Dir soll kein Haar gekrümmt werden, wenn du deinen Groll in tausend Verwünschungen gegen mich ausschüttest; nein, ich will auf jedes deiner Worte lauschen, wie ein Liebender auf das Geflüster seiner Geliebten.«

»Herr! Allerdurchlauchtigster Kurfürst, mein gnädigster Gebieter, möge die Zunge erstarren, die sich dessen erfrecht. Ich bin fern davon –«

Höhnisch lachte der Fürst auf: »Warum stehst du dann noch da! Geh nach Haus. 's ist späte Nachtzeit. Sieh in der Kinderstube nach, ob das Deckbett nicht von den Kleinen gerutscht ist. Die Nacht wird kalt.«

»Er redet im Fieber«, sagte der Geheimrat, als er das Zimmer verließ. »Man muß nach dem Leibphysikus senden, daß er in der Nähe des Zimmers wacht.«

Aber Joachim sandte nicht nach dem Leibphysikus, sondern bald nachdem der Minister gegangen, stand Hans Jürgen von Bredow in seinem Zimmer und schien auf einen Auftrag zu harren, während der Fürst an seinem Tische schrieb.

Die Briefe waren geschrieben, versiegelt und ruhten in der ledernen Tasche auf der Brust des Edelknappen. Er hatte aufmerksam und ehrerbietig den Aufträgen des Fürsten gehört. Da legte Joachim die Hand auf seine Schulter:

»Du dienst nicht gern?«

»Ich war frei.«

»Auch das Dienen«, sprach Joachim, »wird zur Lust, mein ich, wenn man wirklich frei wird. Davon ein andermal, wenn wir uns näher kennen. Aber nicht wahr, im Grund des Herzens grollst du mir eigentlich noch?«

»Wär ein Schelm, wenn ich lüge.«

»Mehr wollt ich nicht. Nun reite, Hans Jürgen. Aber eile, daß du wiederkommst, denn ich brauche dich in meiner Nähe.«

Als er fort war, sah ihm der Fürst nach: »Gebenedeite Himmelskönigin, ein Fürst ist nicht verloren, der noch einen wirklichen Menschen um sich weiß. Die Klugen sind alle Verräter, ich will's nun mit – mit dem will ich's versuchen.«


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