Willibald Alexis
Die Hosen des Herrn von Bredow
Willibald Alexis

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Siebentes Kapitel

Ein böser Rat

»Ein Stündlein noch, Gestrenge, dann wacht er auf«, sprach der Knecht Kasper, der an seines Herrn Tür Wache hielt und wenig Umstände machte vor der Edelfrau, welche, so schien es, ohne den Wächter wohl Lust gehabt hätte, ein wenig aufzuklinken und hineinzuschauen. Er aber saß auf einer Bank, die er vor die Tür geschoben, den Rücken gegen diese gelehnt, eine Stellung, in der er auch dann und wann die Augen zugedrückt haben mochte. Ein treuer Knecht dient seinem Herrn auch, wenn er für ihn schläft. Jetzt aber schnitt er Scheiben umschichtig von einer großen Rübe, einem Käse und einem Haferbrot zum Abendimbiß.

»Kasper, ich höre ihn schnarchen.«

»Tut nichts. Vorhin grunzte er, dreimal stöhnte er, und dann hat er geflucht. Das geht immer voraus.«

»Aber er hat sich gewiß auf die andere Seite gelegt. Dann schläft er nur immer fester ein.«

»Wenn er erst bis zum lauten Fluchen kam, dann flucht's in ihm fort, und dann wacht er auf.«

»Das ist einmal –«

»Allemal, Gestrenge, wie die alte Wanduhr. Erst knickt sie, brummt, schnarrt, dann nach einer Weile schlägt sie.«

»Es ist ein vornehmer Herr, Kasper!«

»Weck meinen darum nicht auf.«

»Des Markgrafen Freund.«

»Und wenn alle Markgrafen in eigner Person kämen.«

»Kasper, du bist ein guter und treuer Knecht, aber du weißt nicht, was es gilt. Ich muß dabei sein, wenn er aufwacht.«

»Kann mir wohl denken warum. Ich habe nichts mit der Wäsche zu tun.«

»Kasper, ich bin deine Frau, wollte sagen deines Herren Frau. Du wirst doch nicht –«

»Plaudern werd ich nicht, was mich nichts angeht, und wenn er's merkt, nun da mag jeder sorgen, den's trifft, aber –«

»Meinst du, ob er poltern wird, oder –«

»I nu, Gestrenge, das kommt darauf an. Trank er zuletzt süßen, dann geht's; aber Landwein, dann ist's schlimmer, besonders von dem dicken aus Stettin. Wenn das Gewürz im Blut zurückschlägt! Recken und Strecken muß er sich allemal ein bißchen, und da muß ihm keiner in den Wurf kommen, der es nicht versteht. Ich fühl's immer gleich am ersten Schlag, ob er nur verdrießlich ist oder ein Gewitter losgeht. Das ist nun meine Sache allein, gestrenge Frau, und dabei tun Weiber niemals gut.«

Unten schien es zu gewittern, ein Schlag oder Klang war's, der die Aufmerksamkeit der Hausfrau in Anspruch nahm. Während Kasper wieder unbekümmert an seinen Käse und Rettich ging, hatte sie sich über das Treppengeländer gelehnt.

Der Dechant kam herauf, etwas gerötet im Gesichte, schneller als seine Art war. Das Zusammentreffen mit der Edelfrau schien ihm nicht ganz angenehm; die eine Hand fuhr schnell unter sein Habit.

»Ihr habt wieder gespielt.«

Der Geistliche zuckte die Achseln.

»Und gewonnen?«

»Kann ich dafür!«

»Die toben nun.«

»Laßt die Heiden toben, ich tat's ja nur aus Gefälligkeit.«

»Das ist 'ne Aufführung, das ist 'ne Wirtschaft! Und ein Geistlicher dazu! Was soll das Gesinde dazu sagen! Im Freien, nun ja, zum Zeitvertreib, im Lager, da hab ich ein Auge zugedrückt. Aber Ihr wißt, daß ich im Schlosse ein für allemal –«

»In Ihrem Schlosse sollen doch meiner gütigen Wirtin edle Gäste nicht über Langeweile klagen. Die Frau war fort, der Herr kam nicht, verwundert sich da meine Frau von Bredow, daß der Gast sich selbst nach einer Unterhaltung umsah. Billigen, was er tat, ei behüte, daß mir das in den Sinn käme, aber er ist den Leidenschaften unterworfen, gleich uns allen. Ich für meine Person hätte auf einen Dank gerechnet, nicht auf einen zornigen Blick, noch weniger –«

»Ich darauf, daß mein Beichtvater meine Gäste ausziehen sollte.«

»Ausziehen! Ei, was ein harter Ausdruck aus so freundlichem Munde! Ist der ein Räuber, der wider Willen annimmt, was man ihm aufdringt? Ich sehe auch darin –«

»Nur nicht wieder einen Fingerzeig. Den lieben Gott laßt mir beim Spiele aus dem Spiel. Das sage ich Euch. Gebt dem Teufel, was des Teufels; Ihr werdet Euch schon mit ihm vertragen. Aber macht 'nen Knoten in Eure glatte Zunge, wenn Ihr krumm gerade reden wollt. Denen ist's schon recht, i ja, auch dem Herrn von Lindenberg, Satan steckt auch in ihm, wenn er sein glatt Kleid verrück; wär's nur nicht bei uns geschehen. Aber –«

Dem Dechanten war es gelungen, seine Hand frei zu machen; vermutlich war der Beutel, der dem Herrn von Lindenberg vorhin gehört, in seine Tasche sacht geglitten. Er hob einen Arm.

»Frau von Bredow spricht nur meine Gedanken aus. Es nimmt's, ich sage nicht der Herr, aber das launische Glück denen oft, was sie nicht zu nutzen verstehen, um es denen zu geben, die einen besseren Gebrauch davon zu machen wissen. Als ich so wider meinen Willen an das böse Brett gerissen ward, dacht ich im stillen, wie das Altartuch in unserem Chor wohl eine neue Verbrämung verdient. Wenn nun von dem sündigen Golde durch den Zufall, sei es mir erlaubt, so zu sprechen, in deine Hände fiele, ei du könntest schöne Goldfransen dafür in Magdeburg einlösen, das dachte ich. Ich sage nicht, daß dies eine Eingebung war, behüte mich vor jeder Lästerung; aber es ist doch sonderbar, daß immer, wenn ich an die Fransen dachte, der Wurf mir gelang.«

»Glückliche Reise, ehrwürdiger Herr. Seht Euch nur in Magdeburg vor, daß die Fransen echt sind. Kaufleute und Goldsticker betrügen gern.«

»Ich habe seitdem anders gedacht. Das Jungfrauenkloster Unserer lieben Frauen bei Spandow ist schlecht ausgestattet. Wenn wir unser liebes Fräulein Agnes dahin brächten und zu Ehren der heiligen Agnes einen Altar stifteten, würde das ein gefälliger Dienst sein, sowohl für die Heilige, da wir eine gnädige Fürsprecherin im Himmel gewönnen, als auch für die Familie. Die Arnims, die Bardeleben, die Jagows, auch die Kerkows haben da großen Einfluß, die Bredows zur Zeit nur geringen. Und Eure Vettern in Friesack rühren sich für uns, wie Ihr am besten wißt, nicht viel. Ein kleiner, mäßiger Altar nur; ich habe es so überschlagen, Silberstickerei, ein Kruzifix von Messing, die heilige Agnes kann ein Maler konterfeien, der bei uns im Schuldturm sitzt; der arme Schlucker ist mit wenigem zufrieden. Es sind ja überall schlimme Zeiten. Aber meine gnädige Frau gibt mir zu, wenn wir unsere Agnes mal als Äbtissin sehen wollen, müssen wir etwas tun.«

Die Hausfrau hob die Hände und zeigte ihre zehn Finger dem Dechanten:

»Nun ist's genug. Ich soll teilen das sündige Spielgeld, damit ich schweige! Mein Kind soll ich ausstatten damit! Die heilige Agnes mag nehmen, was sie verantworten kann, denn sie ist eine Heilige und weiß es besser als ich; aber meine Agnes soll Äbtissin werden durch deinen Würfelraub! Und wenn sie dienende Magd ihr Lebtag bliebe, sie soll lieber Pförtnerin, Küchenschwester, Scheuermagd bleiben, als durch das Teufelsgeld Äbtissin. Herr Dechant, wenn Ihr nicht mein Beichtvater wäret und wir alte Freunde! So spricht die Schlange. Mir das! Seht Euch ja nicht um, mäuschenstill; er steht hinter Euch, der Verführer, riesengroß. Der Menschenfeind spricht aus Euren Lippen, und Ihr wißt es vielleicht selber nicht. 's ist doch ein Jammer, daß der Verderber selbst Macht hat über die Geweihten des Herrn. Wo soll denn ein sündiges Menschenkind sich Trostes holen.«

»Bleibt still stehen«, rief sie ihm nach, als er ihr folgen wollte. »Für die Nacht graust mich vor Euch. Morgen früh – nun morgen früh ist ein anderer Tag; wir haben's vielleicht beide vergessen und halten's für einen Traum. Das wäre das beste.«

Zur ebenen Erde sah es derweil wüst aus. Der Becher, den der Gast dem Dechanten nach dem letzten Wurfe an den Kopf geworfen, rollte noch auf der Diele. Die Würfel lagen zerstreut, und keiner schien Lust zu haben, sie aufzulangen. Der Herr von Lindenberg aber ging, wie sehr erhitzt, im Zimmer auf und ab, bis er sich auf den Lehnstuhl des alten Götze warf. Den gespornten Fuß legte er auf die Bank und stützte den Kopf auf den Ellenbogen. Peter Melchior saß am Tisch in ähnlicher Stellung; die beiden Junker, Hans Jürgen und Hans Jochem, standen an der Wand.

»Ich hab's gesagt, hütet Euch vor dem Pfaffen«, sprach Peter Melchior. »Was in des Pfaffen Sack kommt, ist verloren. Jeden anderen kann man kitzeln, aber die tote Hand gibt nichts wieder raus.«

»Eine verfluchte Geschichte!« brummte der Gast. »Wiederhaben muß ich's. Seine Kurfürstlichen Gnaden gab mir auf der Jagd ihren Beutel, um bei der Rückkehr die Almosen auszuwerfen.«

»Die Glatzen sind auch arme Leute!« sagte höhnisch der andere.

»Daß der alte Götz grad heut schlafen muß.«

Peter Melchior lachte:« Sein Korn ist noch nicht verkauft.«

»Mein's schon auf dem Halm, und das Geld zum Schornstein hinaus«, fiel der Gast ein. »Ist hier keiner in der Nähe? Der Stechow hat nichts, der Holzendorf auch nicht; der Arnim gibt nichts raus. Ist kein Jude herum? Nur bis morgen, bis übermorgen soll's, der Kurfürst ist darin ängstlich wie eine alte Jungfer um ihren Ruf.«

Es fand sich kein Jude, kein reicher Mann.

»Blitz!« rief der Junker Peter Melchior. »Der Krämer Hedderich! Hätten wir den nicht gehen lassen. Der könnte die Ehre haben, für einen Edelmann ein paar Tropfen zu lassen. Und der Mann ist's wert. Als ich so ein bißchen in die Kisten und Kasten hineinfühlte, klimperte eine sehr verdächtig.«

Der Herr von Lindenberg spitzte die Ohren und fragte weiter, etwa wie ein Mautbeamter, welcher einem Schleichhändler auf der Spur ist, der ihm zum Schabernack die Grenze passiert hat. Auch die beiden Junker wurden ins Gespräch gezogen und wie Zeugen vernommen.

»Hedderich!« Der Gast strich sich über die Stirn. »Den Henker auch, wer kann alle Namen behalten. Wo zog er des Weges.«

»Sprach, daß er wollte nach Kölln an der Spree.

»Was wollte er in Kölln?«

»Deucht mich«, sagte Hans Jochem, »wenn ich recht gehört, eine Restzahlung im Schlosse einkassieren.«

»Waren Grauschimmel vor seinem Karren?«

Die anderen bejahten es.

»'s ist richtig!« sprach der Herr von Lindenberg, sich auf die Lenden schlagend. »Dacht ich mir's doch gleich. So pfiffig sind die Spitzbuben. Wißt, der Kerl, der zerloddert aussieht wie ein Lazarus aus dem Pracherland, unter seinen Lumpen und Bändern für Bauerndirnen und Stallmägde führt Wollenzeuge, wie man sie zu Lande nicht sieht. Aus Böhmen und Wien her kriegt er sie von den Türken, gewebte, bunte Tücher aus Indien und Schmarkand. Die führt er an den Höfen umher; Fürsten nur können so was kaufen. In Saarmund am Zoll trafen wir auf ihn. Hatte da auspacken müssen, Seine Gnaden sah es und kaufte ein gut Stück von den Decken und Tüchern für seine Verlobung, und, wie er ist, zahlt er sogleich den halben Kaufschilling; oh, es waren an die zwanzig Mark, die der Kerl einsteckte. Den Rest sollte er sich im Schloß zu Kölln holen. Ewald Köckeritz und die drei Lüderitze fragten ihn, wann er nach Berlin käme, sich das Geld holen? Solches Volk riecht aber gleich Lunte, und er band ihnen ein Märlein auf, daß er über Ziesar nach Magdeburg wolle unterm Geleit des Erzbischofs. Dann, glaube ich, über Havelberg nach Stettin und auf dem Rückwege erst nach Kölln. Trau du dem Pack! Das ist uns nun verloren.«

»Die Lüderitz und der Ewald treiben's auch zu dreist«, fiel Peter Melchior ein. »Ihr wißt ja, wie die Krämer beten:

Behüt uns, lieber Herre Gott,
Vor Köckeritze, Lüderitze,
Vor Krachte und vor Itzenblitze!«

Der Gast warf ihm einen strengen Blick zu: »Zügle deine Zunge, auch die Wände haben Ohren.«

Aber Peter Melchior sah die Jungen an: »Duldet ihr das! Ihr seid adlig Blut.«

»Wer zweifelt daran!« sprach der Fremde und reichte Hans Jürgen die Hand, »aber man kann nicht vorsichtig genug sein.«

»Er ist ja nicht sein Vater, Hans Cicero, der die Weisheit mit Löffeln fraß und uns den Schmachtriemen um den Bauch schnallte.«

»Wißt ihr's, was er wird!« sprach ernst der Gast und winkte ihnen, sich ihm näher zu setzen. Das Gespräch ward leiser fortgeführt.

»Ihr seid junge Leute«, sprach er zu Hans Jürgen und Hans Jochem, »aber vor euch steht ein schlimmes, trübes Leben, wenn – wenn es nicht besser wird.«

»Ein klein Vergnügen fällt doch wohl ab, dann und wann«, lächelte Peter Melchior.

»Nicht, wenn ihr's so anfangt wie jetzt, nicht, wenn ihr nicht klüger werdet. Ich sag's euch, die Mark wird werden ein Hundestall, nicht für den Adel, die Edelleute sind die Hunde drin. Die Fürsten, die Pfaffen, die Gelehrten, Himmel und Hölle, ich glaube gar, das Bürgerpack wird das Regiment führen und die Peitsche.«

»'s klingt sonderbar, wenn der Herr von Lindenberg so spricht, unseres Kurfürsten Liebling und Rat.«

»Ich bin ein Edelmann, ein Ritter, meine Freiheit ist mir lieber als alles« – er schlug sich an die Brust – »weiß Gott, dafür wach ich, denk ich, träum ich, aber mit Holzblöcken verkehren müssen! Diese Köckeritze, Itzenblitze, Krachte, statt zu helfen, verderben sie's. So richtet man's nicht aus, so arbeitet man nicht für die Zukunft. Es ist so viel verdorben, seit der Segen aus Nürnberg ins Land geschneit kam, hundert Jahre haben sie an unseren Rechten gefeilt und gebohrt, unsere Festen sind gefallen, der Block und die Verließe haben unsere Wackersten hingerafft, und nun meinen die Dummköpfe, weil er ein Knabe ist, könnten sie ihm auf der Nase herumspielen. Mit solchen einfältigen Neckereien, solchen Strauchdiebereien ist's nicht getan. Mit 'nem Laternenpfahl gebt ihr ihm einen Wink, und glaubt mir nur, er ist nicht auf den Kopf gefallen; er versteht ihn.«


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