Heinrich Zschokke
Die Rose von Disentis
Heinrich Zschokke

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46.
Die Erzählung am Wasserfall.

Sie führte ihren Begleiter zu einem Steinblock, der Beiden als Bank dienen konnte. Vor ihnen ergoß sich, über eine schroffe erhabene Felsenwand, in weitem Sprunge und mit eintönigem Brausen, der breite Wasserfall nieder. Vom ausgelösten Thonschiefergebirge silbergrau gefärbt, glich er einem ungeheuren glänzenden Bande aus flüssiggewordener Platina.

Der Hauptmann setzte sich, in höchster Spannung, neben Paulinen. Seine Augen hingen an dem seelenvollen Gesichte der Jungfrau, als wollte er ihre Gedanken heraushorchen, ehe dieselben noch Worte werden konnten.

Sie müssen vorläufig noch wissen, Herr Prevost, hob das Fräulein von Stetten an, daß ich Elfriede seit ihrer Kindheit kenne. Sie verlor früh ihren Vater; wenige Jahre später auch ihre Mutter, die sich in zweiter Ehe mit dem Baron von Grienenburg vermählt hatte. So war sie ganz Waise geworden. Sie hing mit kindlicher Zärtlichkeit an mir. Dies Verhältniß blieb zwischen ihr und mir bestehen, oder wurde vielmehr noch enger, als sich der Baron wieder verheirathete. Sie haben die Frau von Grienenburg gekannt. Mehr habe ich von ihr nicht zu sagen. Wir waren damals Nachbarn; Elfriede wohnte meistens bei mir, auf meinem kleinen Landsitz, unweit der Stadt Brünn. Das Gut ihrer Stiefeltern grenzte an das meinige. Nach dem Tode des Barons wurde sie von ihrer Stiefmutter mit nach Wien genommen; doch durfte sie mich zuweilen besuchen. Die übrige Zeit unterhielten wir einen fleißigen Briefwechsel. Sie hatte kein Geheimniß für mich; ich keines für sie. So erfuhr ich Malariva's Bewerbungen um ihre Hand; dann auch die erwachende Neigung des Kindes zu Ihnen, Herr Prevost. Ich hielt es für meine Pflicht, sie zu warnen. Das gute Mädchen begriff noch nicht, warum ich es that; die Unerfahrne kannte keine Gefahr. Allein das harmlose Wohlgefallen an dem jungen Hausfreunde flammte bis zur Leidenschaft auf. Ja, Sie wurden geliebt mit der schwärmerischen Gluth einer ersten und letzten Liebe; mit Trotz gegen das widerwärtigste Verhängniß; mit einer Entschlossenheit und Stärke, die nur der Tod überwältigen kann. Sie kennen ja Elfriede's entschiedenes Wesen.

Ein bitteres Lächeln überflog Flavian's Gesichtszüge, und leise murmelte er: O, ganz gut. Einmal so, ein anderes Mal so; immer entschieden!

Hören Sie weiter, und verdammen Sie nicht zu früh. Sie kannten auch Malariva, der mit der Baronin weitläufig verwandt war. Mit einer unglaublichen Verschmitztheit, die dem geschmeidigen, arglistigen Italiener zu Gebote stand, trat er überall, als Ihr Lobredner auf, während er anfing, Sie um das übergroße Vertrauen der Baronin zu beneiden, und Elfriede's Neigung zu beargwöhnen. Als er Sie am tödtlichsten haßte, und erfuhr, Sie wären durch Ihre Schwester mit dem Hause Schauenstein verbunden, wären von altem Adel; versprach er, nicht Zeit, nicht Mühe, nicht Geld zu schonen, Ihnen, Ihren Talenten angemessen, eine ehrenvolle Anstellung im kaiserlichen Dienste zu verschaffen. Es fehlte ihm nicht an Umgang mit einflußreichen, hochgestellten Personen. Elfriede und die Baronin waren ganz Dankbarkeit. Man wollte Sie eines Tages mit einer, ich weiß nicht, welcher Ernennung angenehm überraschen. Elfriede und die Baronin schwammen in den süßen Freuden der Hoffnung und erboten sich, jedes Geldopfer dafür zu bringen. Sie sehen, Herr Prevost, wie genau ich von Allem, was Sie betraf, unterrichtet bin, und es schon war, ehe ich die Ehre hatte, Sie persönlich zu kennen.

In der That, gnädiges Fräulein, erwiederte Flavian, in dessen Gesicht sich, bei diesem Rückblick auf das Vergangene, Hohn und Aerger abspiegelten, in der That, ich vernehme von Ihnen mehr, als mir selbst bekannt war.

Aber das Blatt wendete sich bald, fuhr Pauline fort. Eines Abends erschien der Graf bei den Damen, finster, verdrießlich und zerstreut; murmelte Verwünschungen gegen die Verleumdungssucht der Wiener und reizte die Neugierde der Frauen, die nicht aufhörten zu bitten, ihnen zu sagen, was ihn quäle, auf's Höchste. Endlich und wie halb gezwungen, gab er nach, und sprach er von den niederträchtigen Verleumdungen, die man gegen Sie, Herr Prevost, ausgesprengt habe.

Prevost zuckte die Achseln und setzte hinzu: die der Unhold selbst ausgebrütet hatte. Ich weiß! Und die beiden Damen glaubten dem Schelmen sogleich auf's Wort.

O nein, es war ja zu arg, zu unglaublich! Denken Sie nur, er erzählte, wie er von einer vornehmen Person am Hofe, bei der er sich für Sie, Herr Prevost, verwendet hatte, höchst übel empfangen worden sei. Diese habe ihn mit allen ferneren Gesuchen kurz abgewiesen, weil sich aus den eingezogenen Erkundigungen ergäbe, der in Wien studirende junge Bündner sei der Polizei längst verdächtig; mit den Franzosen in geheimer Verbindung; in demagogische Umtriebe verwickelt, fabrizire und verbreite Revolutionslieder; führe sogar einen sittenlosen Wandel; habe eine junge Bürgerstochter verführt, mit der er in verbotenem Umgange lebe u. s. w. Die hohe Person habe sich endlich mißfällig über Frau von Grienenburg geäußert, daß sie mit einem Abenteurer solcher Art ihr eigenes Haus verdächtig mache; und noch ungehaltener über den Grafen Malariva, daß er gewagt habe, einen Menschen zur Anstellung in kaiserliche Dienste zu empfehlen, der nächstens in der Burgvogtei, oder über die Grenzen wandern müsse.

Ich weiß, ich weiß, mein Fräulein, grollte Flavian bei diesen Worten. Warum schwieg man aber gegen mich? Warum hörte man mich nicht an?

Man wollte Sie nicht kränken, Sie nicht zu übereilten Schritten reizen. Sie können sich vorstellen, Herr Prevost, mit welchem empörten Gemüthe Elfriede und ihre Stiefmutter dieses anhörten. Doch empörter, als sie Beide, war ja der Graf selbst. Die Ruchlosigkeit, die Lüge, sagte er, sei zu offenbar. Er halte es für Pflicht, die Ehre und den guten Namen eines unschuldigen Mannes zu retten. Hier sei es um seine eigene Ehre und Rechtfertigung zu thun. Hier sei die Büberei eines Dritten, ein Irrthum, oder eine Namensverwechselung vorhanden. Er wolle selbst Aufklärung bei der Polizei suchen; wolle selbst die Wohnung der erwähnten Weibsperson erfragen. Bis dahin beschloß man, nichts gegen Sie, mein Lieber, zu äußern.

Gar kluge Unklugheit, fiel Flavian ein. Hätte man mich angehört – – – Und weiter?

Folgenden Tages kam der Graf wieder, aber mit unglückweissagendem Gesichte. Er war außer sich, konnte lange nicht Worte finden, das Schrecklichste zu berichten. Im Polizeibüreau hatte man ihm Aufruhrlieder von Herrn Prevost's eigener Hand, und mehrere Zeugenverhöre vorgelegt, welche die erhobenen Anschuldigungen bestätigten. Er hatte auch den Namen des Mädchens erfahren; diese Person sogleich in der Leopolds-Vorstadt aufgesucht. Es war eine gewisse Jungfer Nannette Schröter, Tochter einer Schneiderswittwe. Nach vielen vergeblichen Vorstellungen, Bitten und endlich Drohungen, hatte sie dem Grafen ihre Schuld eingestanden, aber auch, daß sie von Herrn Prevost die Zusicherung habe, er werde sie heirathen. Die Baronin hörte Malariva's Bericht mit stummem Entsetzen. Elfriede hingegen trat mit zornglühendem Gesichte zum Grafen und – – –

Elfriede? Wirklich? Konnte sie doch? murrte der Schützenhauptmann mit ungläubigem Lächeln.

Sie schalt ihn einen ehrlosen Lügner, dessen schlechtverhehlten Haß gegen den Freund ihres Hauses sie schon lange errathen habe. Der Graf zuckte mitleidig die Schultern, verzichtete großmüthig auf jede Selbstvertheidigung; er habe sich am Ende nur noch zu Gunsten der Frau von Grienenburg verwenden können, daß man wenigstens ihres unbescholtenen Rufes schone. Er übergab dann der in Schmerz und Furcht verlornen Baronin ein Billet. Es waren wenige Zeilen, von einem ihr sehr wohlbekannten Staatsbeamten geschrieben, des Inhaltes: die Frau Baronin möge, um sich Unannehmlichkeiten zu ersparen, den Studiosus aus Graubünden, Flavian Prevost, ohne Zeitverlust aus ihrem Hause entfernen.

Aha! – bemerkte Flavian mit gerunzelter Stirn, nun wird's deutlicher, wie die Sache zusammenhing.

Lieber Herr Prevost, das Billet, dann Ihre bald darauf erfolgte Verhaftung bekräftigten natürlich die Befürchtungen. Die Baronin stand durch Rang und Verwandtschaft in so achtenswerthen Verhältnissen, daß ihr die Ungnade des Ministeriums, oder des Hofes, unmöglich gleichgültig sein durfte.

Versteht sich, gnädiges Fräulein. In den sogenannten höheren Ständen hat man nothwendig auf Dinge Rücksicht zu nehmen, die an sich keinen Papierschnitzel werth sind, und denen man doch Lebensglück, Tugend und die edelsten Gefühle des Herzens aufopfern muß. Der gute Ton erfordert das zuweilen. Nicht so? und das Histörchen mit dem Mädchen nahm man auch ohne Bedenken als baare Münze an?

Nicht so blindlings, wie Sie meinen. Hören Sie nur. Zwar hatte man im Anfange offenbar den Kopf ziemlich verloren; Elfriede jedoch ermannte sich am ersten zu einiger Besonnenheit; hielt es zwar nicht für unmöglich, daß der Argwohn der Polizei durch unbedachtsame Aeußerungen über politische Angelegenheiten erregt sein könne; aber, Herr Prevost, an eine sittliche Verworfenheit Ihres Charakters, mit welcher man Sie hingestellt hatte, wollte und konnte sie durchaus nicht glauben. Auch die Baronin fing an, ihr darin beizustimmen. Malariva gerieth in Verlegenheit. Man wollte die berüchtigte Nannette selbst sehen und verhören. Der Graf wurde genöthigt, eine Zusammenkunft zu veranstalten. Das Mädchen sträubte sich, wie er sagte, einige Tage heftig dagegen; endlich jedoch gelang es ihm, die Tochter des Schneiders zu überreden und eines Abends herbeizuführen. Da erkannte sie weinend ihre Schuld, ihren Leichtsinn; doch mehr, als um das, jammerte sie über die Verweisung des Herrn Prevost aus den österreichischen Staaten; denn sie fühle die Folgen des verbotenen Umganges. Die Baronin war bei diesem Geständnisse einer Ohnmacht nahe. Elfriede, in Zorn aufflammend, schalt die schluchzende Dirne eine schamlose, freche Betrügerin, die einen abwesenden Ehrenmann als Urheberin ihrer Schande anklagen zu dürfen glaube.

Soviel galt ich also ihrem Herzen doch noch, äußerte Flavian mit einer gewissen Zufriedenheit. Warf man die Metze nicht zum Hause hinaus?

Ach, nein! Das Mädchen gerieth vielmehr über die Vorwürfe in eine wahre Wuth; vertheidigte die Wahrheit ihrer Worte; sprach von Briefen, schriftlichen Versprechungen, Geschenken des landesverbannten Liebhabers, hatte aber nichts vorzuweisen; zuletzt jedoch zog sie die Geldbörse mit Elfriede's eigenhändiger Stickerei hervor, und hielt sie dem Fräulein von Marmels unter die Augen. Elfriede nahm, untersuchte eine Zeit lang stumm und still, erkannte das Ihnen, Herr Prevost, gegebene Andenken, und schleuderte es, wie eine giftige Natter, dem Mädchen voll Entsetzen in's Gesicht. Sie that einen lauten Schrei und fiel besinnungslos zu Boden.

Hier sprang Prevost mit dem Rufe: Höllisches Geschmeiß! vom Steinsitze auf. Das war Malariva's eigene Zuhälterin. Der Bösewicht hatte das feile Geschöpf abgerichtet!

Beruhigen Sie sich, sagte Pauline, und zog ihn wieder zu sich nieder, vernehmen Sie nur noch den Ausgang der unheilvollen Geschichte; doch erlassen Sie mir die Schilderung der Tage, die jenem Abend folgten. Elfriede lag mehrere Wochen im Fieber. Die arme Baronin erkrankte noch gefährlicher, erholte sich nie ganz wieder; sie zehrte langsam ab und ging freudenlos ihrem Grabe entgegen. Ich eilte von Brünn nach Wien. Elfriede genas bei sorgfältiger Pflege; allein die ehemalige Heiterkeit ihres Gemüthes kehrte nicht wieder. Letzten Sommer begleiteten wir die Baronin in die böhmischen Bäder. Dort fand die Unglückliche ihre Erlösung durch einen sanften Tod. Noch auf dem Sterbebette wünschte sie die Verbindung ihrer Stieftochter mit dem Grafen, dieser Wunsch blieb jedoch unerfüllt. Elfriede gedachte ihrer ersten Liebe mit empörtem Herzen und mit Gram, und bewahrte sie dennoch stets treu in ihrer Brust. Sie beschloß, ihre übrigen Tage in einem Kloster zu vollenden.

Wie? rief Prevost erschrocken, in's Kloster ging sie?

Noch nicht, denn ich verhinderte sie daran; wir Beide lebten jedoch zu Wien fast klösterlicher, als in einem Kloster. Der Graf hatte sich nach Tyrol zur Armee begeben. Selten besuchten wir das Konzert, Schauspiel oder eine Freundin; desto öfter Armen- und Krankenanstalten. Eines Morgens, es war wenige Tage nach dem letzten Neujahrsfest, als wir im Spital weiblicher Kranken längs den Betten derselben hingingen, um Trost zu spenden, wurde Fräulein von Marmels mit schwacher Stimme angeredet. Stellen Sie sich Elfriede's Schrecken vor. Da lag jene Nannette Schröter, ein Opfer ihrer Ausschweifungen und Laster, im Gesichte bis zur Unkenntlichkeit entstellt, und erwartete das Ende ihrer Leiden. Sie bat das Fräulein, welches sie erst erkannte, nachdem sie selbst ihren Namen genannt hatte, um Gnade und Verzeihung, sich so schwer an ihr versündigt zu haben. Sie wäre, sagte sie, schon damals der leichtsinnigen That, zu der sie vom Grafen Malariva überredet worden, reuig geworden, als sie den unerwarteten Eindruck des boshaften Spieles auf die beiden Damen wahrgenommen. Sie hätte niemals einen Herrn von Prevost gekannt. Die Börse wäre Eigenthum des Grafen gewesen. Die arme Elfriede fiel beim Anhören dieser unerwarteten Beichte auf einen Stuhl krampfhaft zusammen. Ein Arzt kam ihr zu Hülfe, und ich führte sie zurück. Sie zerfloß in Thränen, und klagte nun verzweiflungsvoll sich selbst der sinnlosesten Unbarmherzigkeit gegen einen Unschuldigen an.

Nein, nein! rief Flavian bewegt, sie that sich Unrecht. Durch die Gaukelspielerei des Satans hätte, wie sie, auch der Scharfsichtigste geblendet werden müssen.

Und doch, fuhr das Fräulein von Stetten fort, und doch, als der erste Sturm verbraust war, erhoben sich wieder neue Zweifel, ob das verworfene Geschöpf die volle Wahrheit gesprochen habe? – Wie hätte sie, entstand die Frage, ohne Bekanntschaft mit Herrn Prevost, in den Besitz von dessen Börse gelangen können? Vielleicht hatte sie nachher von seinem Verhältniß zu Fräulein von Marmels gehört; vielleicht – – Genug, ich begab mich noch einmal in's Spital, um ganz befriedigende Aufklärung von der Kranken zu fordern. Ich erblickte die Elende aber nur noch als Leiche. Hätten wir damals gewußt, mein lieber Herr Hauptmann, wo Ihr Aufenthalt sei; ich würde damals eben diese Frage schriftlich an Sie gerichtet haben, die ich vor einer halben Stunde erst an Sie gerichtet habe. Uns war inzwischen die Adresse Ihrer Schwester bekannt geworden. Ich schrieb ihr, um zu erfahren, ob Sie noch und wo Sie lebten? Mein Brief blieb jedoch ohne Antwort.

Meine Schwester erwähnte nie eine Sylbe davon, rief Flavian unruhig.

Wir vermutheten Sie aber in Graubünden, wo ich noch einen theuren Freund meiner Jugend kannte, setzte das Fräulein die Erzählung fort, und senkte bei den letzten Worten die Augen. Sie kennen ihn wohl. Pater Gregorius stand noch in Briefwechsel mit mir; und hatte gegen mich den Wunsch geäußert, uns noch einmal auf Erden wieder zu sehen. Und ich – – Die arme Elfriede siechte im ewigen Grame dahin. Mein Trost und die Arzneien, welche ihr gereicht wurden, halfen nicht mehr. Sie bereitete mich auf ihren Tod vor.

Nein, um Gottes willen! Sie ist doch nicht gestorben? schrie der junge Mann erblassend, und ergriff mit Angst die Hände Paulinens.

Sie schüttelte den Kopf und sagte: Beruhigen Sie sich; die Unglückliche ist noch am Leben. Ich kannte jedoch ihr Leiden und langsames Hinwelken, ich mochte es nicht länger sehen. Ich entschloß mich zu einem Wagestück; zu einer Reise nach Graubünden. Die kaiserlichen Truppen hielten damals noch das Land besetzt, und mit Frankreich war noch Frieden. Und sollte ich den letzten Wunsch eines Jugendfreundes nicht erfüllen? – – Genug, Elfriede blieb in Wien zurück, aber ihre und meine liebe, treue Freundin Clara begleitete mich. Sie hoffte durch die Luftänderung, Bewegung, und die Zerstreuungen einer Reise, einige Hülfe bei ihrem Uebel. Ich wagte nicht zu widersprechen. Wir kamen, einer Frau von Salis empfohlen, glücklich nach Chur, aber ohne dort verweilen zu können. Zwei Tage nachher überfielen die Franzosen das Land. Wir flüchteten auf Gerathewohl nach Disentis, und trafen es da noch schlimmer. Nun, Herr Prevost, wissen Sie das Uebrige. Pater Gregorius führte mich bei der gütigen Frau von Castelberg ein, und nur wegen der verschlimmerten Zustände meiner lieben Clara mußten wir in Trons wohnen; wie hätte ich der Frau von Castelberg, bei welcher schon – – –.

Hier wurde die Erzählerin durch Uli Goin's weither, bis zum Wasserfall tönenden Ruf: Holla, He, Hollaho! unterbrochen. Er und die Führer, ungeduldig mit Tüchern winkend, gaben das Zeichen, man sei zur Abreise bereit.

Ein Mehreres nachher, sagte Fräulein von Stetten, indem sie vom Sitze aufstand, und den Arm des Schützenhauptmanns nahm, um den Rufenden zu gehorchen.

Aber Sie haben doch neuere Nachrichten von Elfriede? fragte Flavian, der eine Thräne von seinen Augen trocknete.

Sie befindet sich besser. Sie lebt von den schönen Hoffnungen, die ich ihr einflößte, antwortete Elfriedens Freundin, und auch ihre Augen wurden feucht, als sie die Thränen des jungen Mannes sah.


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