Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel

 

4. Der Funker und die Indianerin. Lohnt es sich noch?

Es ist später Nachmittag. Vater Manuel hat schon morgens alle vier Efeuwände des kleinen Gärtnerhauses mit dem starken Wasserstrahl bespritzt. Trotz der Verdunstungskühle des Wassers und der Baumschatten läßt sich die Luft im Zimmer kaum atmen.

Kein guter Tag heute.

Dazu noch die Sache mit Beß. Sie bebt an allen Gliedern und wimmert leise vor sich hin. Vergebens hat der Alte ihr mit Nelkenöl die Stirn eingerieben und mit seiner braunen faltigen Hand über das helle Haar gestrichen: »Come estas, chica mia?« Das Stöhnen der Kleinen ist die einzige Antwort.

Adda, die etwas später aus der Direktion gekommen ist, hat sie auf die Couch gebettet, ihr einen Eisbeutel auf den Kopf gelegt und den Flakon Agua Florida auf sie gesprengt – ohne sonderliche Wirkung. Vater Manuel meint, es wäre gut, Beß für einige Zeit aus dem Büro zu nehmen; diese acht Stunden vor der Schreibmaschine müßten die Nerven austrocknen wie die Wurzeln eines Baumes, die an der Sonne lägen statt in der Erde. »Sie ist so durchsichtig und weißhäutig wie ihre Mutter«, meint der alte Carretero. »Auch Mutter konnte den Wind nicht vertragen; was hat sie nicht alles phantasiert vor ihrem Tode!«

Beß reißt den Eisbeutel vom Kopf und kniet auf der Couch; sie zeigt auf ihre rechte Hand, die von einem durchbluteten Verband umwickelt ist, und auf ihre Stirn, über der ein Mastixstreifen klebt. »Phantasiert? Das ist wohl phantasiert?« fährt sie los. »Und erst die andern hättet ihr sehen sollen, mit zerbrochenen Armen! Ein Kind lag zertrampelt am Boden, tot, ob ihr's glaubt oder nicht!« Sie rollt sich weinend zusammen.

»Wir glauben dir doch«, sucht Adda sie zu beruhigen; sie nimmt die Schwester in ihre Arme und drückt den Kopf der Schluchzenden an ihre Brust. »Aber das Ganze ist so sonderbar …«

»Und ich versichere euch, überall sprach man von den am Himmel fliegenden feurigen Monden und riesigen Untertassen, da fuhr durch den Waggon ein furchtbarer Blitz, dann war's finster, alles nur voller Rauch. ›Sie kommen!‹ schrie es, ›sie haben 'ne Bombe geworfen! Atombombe …‹«

»Wahnsinn, Beß!«

»Was weiß ich? Die Scheiben schlug man ein, einer trat den andern, stieß ihn nieder, alles stürzte übereinander …«

Nein, sie übertrieb nicht, die kleine Beß, trotz ihrer siebzehn Jahre und ihrer überreizten Nerven. Tatsächlich hatte es in der Untergrundbahn Kurzschluß gegeben, ein Funkenregen schoß durch den dunklen Tunnel; ein Kabel war in Brand geraten, unter Krachen und Zischen hatten sich die Waggons des überfüllten Zuges mit Rauch gefüllt. Um die folgende Panik zu verstehen, muß man wissen, daß gerade an diesem Tage vom Flugplatz die Nachricht über jene durch den Himmel sausenden feurigen Monde kam – manche sprachen von riesigen Raketenflugzeugen, andere wieder von ferngelenkten »Untertassenbomben«, welche die Russen in die Stratosphäre abgeschossen hätten und die jederzeit auf die großen Städte der USA niedergehen könnten – gerade also sprach man in dem Waggon, in dem die Stenotypistin Beß Montez von ihrem Büro heimfuhr, von dieser schrecklichen Möglichkeit, da setzte nach einem mächtigen funkensprühenden Blitz das Licht aus und ertönte der erste Schrei: »Die Bombe! Die Bombe! Die Russen!«

Es kam zu unmenschlichen Szenen. Das zur Ruhe mahnende Zugpersonal wurde beinahe gelyncht. Es gab Tote und viele Verletzte. Nein, die Stenotypistin Beß Montez hat nicht übertrieben. Aber mit dieser Feststellung ist niemand gedient.

Adda müßte zu ihrem Kurs in der Abendschule; sie will in einem Jahr die Prüfung als technische Assistentin ablegen; sie verwendet jede freie Stunde für dieses Studium. Aber kann sie Beß in diesem Zustand allein lassen? Ihr selbst und dem Vater würden so ein paar Rippenstöße nichts ausmachen; sie habe kein Herz unter den Rippen, behauptet ihr Freund Gene, sondern dort einen kleinen Felsbrocken der Sierra madre. Nun, Gene ist ein wenig ungeduldig wie alle heimgekehrten Helden des Weltkrieges und wie die Fliegermannschaften im besonderen. Aber »der Felsbrocken der Sierra madre« scheint ihn nicht abzuhalten, immer wieder Kurs auf sie zu nehmen; sie ist neugierig, wie lange er sich's nicht verdrießen läßt. Zudem ist er genauso vernarrt in technische Neuheiten wie sie selbst; oft sitzen sie stundenlang hier an dem mit Wachstuch bezogenen Tisch, zeichnen, konstruieren und »bauen« irgendein Modell. Gut, daß er ihre Art respektiert.

»Willst du nicht etwas essen?« fragt Adda die Schwester.

»Trinken!« bittet Beß. »Kaltes!«

Adda gießt Orangensaft ins Glas, wirft ein paar Stücke Eis hinein und spritzt aus dem Siphon Sodawasser hinzu. Sie setzt sich zu Beß, nimmt ihren Kopf und gibt ihr zu trinken wie eine Mutter ihrem kranken Kind; dabei streicht sie ihr das rötlichblonde Haar zurück. Beß ähnelt ganz der verstorbenen Mutter, einer Amerikanerin britischen Typs. Als der Vater wegen einer ernsten Sache, bei der das Buschmesser eine Rolle spielte, aus Mexiko verschwinden mußte und auf der Hazienda von Mrs. Clerk Aufnahme fand, hat er sehr bald Mary Lee, die Bedienerin, geheiratet – der Indio das hellhäutige, blauäugige Girl. Doch es ging gut. Der Indio ist seit uralter Zeit der beste Familienvater. So lebt die dreiköpfige Familie in dem einstöckigen Gärtnerhäuschen des Clerkschen Parkes wie auf einer fernen Insel. Die Ereignisse der stürmischen Welt dringen im Grunde nur durch zwei Menschen zu ihnen: durch den Funker Gene Stevens und durch Ohm Ernest, den Bruder der Mutter und Monteur in einer Autoreparaturwerkstatt. Grade Ohm Ernest, der in seiner Jugend auf See fuhr, bringt stets »eine Mütze voll Wind« mit. Er hilft kassieren bei der Automobilarbeitergewerkschaft und kann es sich nicht verkneifen, ab und zu Gene auf den Zahn zu fühlen. Der Besuch der beiden wirkt jedesmal wie das geräuschvolle Anlegen zweier Dampfbarkassen. Nach Ohm Ernests Weggang herrscht dann wieder »tropisches Schweigen auf der Insel«, wie es Gene nennt. Beß zieht sich nach dem Essen um und rennt zu ihren Freundinnen. Adda hockt mit hochgezogenen Knien auf der Couch, liest und zeichnet. Vater Manuel, falls es nichts im Park zu tun gibt, wirtschaftet still in der Küche oder in seiner kleinen Werkstatt. Dies ist die Ordnung nach dem Tode der Mutter, eine Ordnung, die allen gerecht wird.

Heute nun, da Beß auf der Couch liegt, hat Adda mit ihrem Zeichenheft sich an den Tisch gesetzt. Und gerade heute, da sie zur Berechnung der Kegelschnitte die stärkste Konzentration braucht, scheint es ihr, als schaue Beß von der Seite dauernd auf ihre Arbeit, mit der sie nicht zu Rande kommt. Sie blickt auf.

»Wie fühlst du dich, Beß?«

»Gut. Du könntest ruhig gehen.«

»Deshalb frag ich nicht, du Dummes.«

Jetzt wird sie natürlich grade bleiben. Die Luft im Zimmer ist unerträglich. Sie steht auf, stellt den Ventilator an und nimmt den großen Bastfächer vom Spiegel, Beß und sich Kühlung zu fächeln. Das alles sind ja bloß Zufälle, denkt sie; man muß auf eines sich sammeln und das tun!

In diesem Augenblick hört sie draußen das Rattern eines Motorrades, das sofort aussetzt. Sie hält den Atem an.

»Gene?« fragt Beß.

Adda beugt sich zur Schwester und bewegt den Fächer. Natürlich ist es Gene. Wer von den Erwachsenen fährt denn in diesem Lande sonst Motorrad? Aber Gene, der Fliegerfunker, hat die Leidenschaft für dies knallende, ratternde zweirädrige Ungeheuer noch vom Felde her mitgebracht, wo er mit einer schweren englischen und dann mit einer erbeuteten deutschen Maschine zwischen dem Flugplatz und anderen weniger kriegerischen Punkten zu pendeln liebte. Es ist sein Spleen, das Motorrad.

Jetzt tritt er ein. »Hallo, Kids! Beide in der Kabine? Fein!« rumort der lange, schlaksige Bursche im Dreß eines Funkers der Zivilflieger. »Aber was sieht mein Adlerauge bei der weißen Taube? Bist du durch den Liftschacht gesegelt oder hast du an einer Fliegenden Untertasse genippt?«

»Du kannst spaßen!« meint Beß zwischen Lachen und Weinen.

Und Adda: »Sie glaubten, in der Untergrund sei Gott weiß woher eine Bombe eingeschlagen; sie machen sich selbst verrückt.«

»Natürlich, du wärst ruhig geblieben, du Heldin«, legt Beß jetzt los, »auch wo es plötzlich stockdunkel wurde und alles voller Funken und Feuer war und die Leute grad vorher von glühenden, fliegenden Monden erzählten …«

»Glühende Monde, na ja …«

»Moment!« sagt Gene. »Jetzt tritt der Fachmann in Erscheinung; was Baby behauptet, ist gar nicht so dumm; denn heute sah unsre Beobachtung in 9000 Meter Höhe drei jener Fliegenden Untertassen von Osten nach Westen über den Himmel fegen, und das mit einer Geschwindigkeit von 800 bis 900 km die Stunde.«

»Bitte!« triumphiert Beß.

»Hast du es selbst gesehen?« fragt Adda den Freund.

»Nur den letzten Moment, als diese unheimlichen Vögel im weißen Dunst der Sonne verschwanden; aber die Funker von der Versuchsstation F.8 gaben durch, daß Major Clerk mit seiner Maschine zur Verfolgung gestartet sei.«

»Donald?« fragt Adda.

»Er kam zu spät; bis er 9000 Meter erreicht hatte, war das spaßige Ding längst weg.«

»Und was ist mit Donald?«

»Er trudelte wieder zu seiner Station. – Übrigens, nennst du den Major auch sonst mit Vornamen?«

»Wir sind Schulkameraden.«

»Ich vergaß.«

»Hatten die Dinger denn keine Abzeichen?«

»Unsinn! – Verzeih!«

»Aber irgendwoher müssen sie doch kommen?«

»Setz dich, Adda … ah, Konusse?« Er schaut auf die Zeichnung der Kegelschnitte im Heft und dann auf ihren ernsten dunklen Kopf. »Alles bloß Vermutungen«, wirft er hin, »nichts Solides, wenn niemand so 'n Vogel funkisch anpeilen oder zum Landen zwingen kann … ja, dann beginnt man Geister zu sehen, Marspiloten, sogar Russen.«

Beß kniet wieder auf der Couch und starrt mit weiten Pupillen auf den Funker; sie zittert wie im Schüttelfrost.

»Genug jetzt, Gene!« sagt Adda; sie nimmt die kleine Schwester mit einem energischen Ruck hoch, beugt den Kopf flüsternd über sie und trägt sie wie ein Kind hinauf in die Schlafkammer.

 

Gene sitzt unschlüssig da. Er liebt keine komplizierten Probleme, wenigstens nicht in seinem persönlichen Leben. Entweder eine Bekanntschaft lohnt sich, oder sie lohnt nicht. Er hat nie mit den Mädels gespielt. Er nahm, was ein junger Mann von einer Frau erwarten kann, und er selbst war nicht knauserig im Geben. Doch in seiner Beziehung zu Adda wollte diese einfache Gleichung nicht aufgehen. Er hat Adda bei den Abendkursen kennengelernt. Bei dem Unterricht zeigte es sich, daß Gene in der Mathematik und Maschinenkunde alle anderen Teilnehmer weit übertraf, während Adda im technischen Zeichnen vorne lag. Natürlich verliebte sich Gene prompt in das gesunde, kräftige Mädchen, wobei er die neue Erfahrung machte, daß er bei Adda als Mann vorerst nicht zum Zuge kam; vielmehr war zwischen ihnen beiden eine gute Arbeitskameradschaft, höchstens daß sie ihn öfters mit seinem technischen Wissen herausforderte und ihn dabei bis an die äußerste Grenze seiner Leistung drängte; dann blieb ihr zuletzt noch die Überlegenheit des logischen Fragens, vor der er meist kapitulieren mußte. Einmal brachte sie ihm zum Abendkurs die Lösung einer Aufgabe der sphärischen Trigonometrie, um die sie beide das letztemal sich vergebens bemüht hatten; sie gab freimütig zu, daß Major Clerk hier der Helfer war.

Natürlich, Clerk hatte schon als junger Fliegeroffizier das Technikum beendet, während Gene damals mit seiner Einheit an der Afrikafront lag, den Ärmelkanal forcierte und dann in den Ardennen abgeschossen wurde. In diesen letzten Monaten kam auch der Leutnant Clerk mit seiner Bomberstaffel zur Front, gerade rechtzeitig, um einige Städte noch in Trümmer zu werfen und zum Oberleutnant zu avancieren mit dem Vorpatent zum Friedenscaptain. Dagegen konnte Gene trotz seiner drei Kriegsauszeichnungen natürlich nicht antreten; auch sein Lungenschuß und der Pneumothorax mit Rippenresektion zählten längst nicht mehr.

Nichts für ungut! Die Chancen der Menschen sind verschieden. Man muß dort, wo man steht, das Mögliche nehmen. So hat Gene den Posten eines Funkers 1. Grades der Eastern Airlines inne. Er hofft, durch sein Abendstudium seinen Pflock an die äußerste Grenze seines gesellschaftlichen Spielraums stecken zu können. Das ist es, was ein ehemaliger Sergeant der Luftwaffe kann. Eine junge Frau hat natürlich andere Chancen.

»Während der Carretero denkt, sieht er nicht den Weg«, sagt Vater Manuel, der zwei Flaschen Porter aus dem Keller geholt hat; er gießt Gene und sich ein Glas ein. Schweigend trinken die Männer das starke dunkelbraune Bier.

Gene wollte sich eigentlich gar nicht lange hier aufhalten. Ihn drängte es, nach diesem heißen Tag den Abend mit Adda auf dem Fluß zu verbringen in einem Boot oder in einer der Ufercafeterias. Doch jetzt scheint ihm der Abend verloren.

Er steht auf. Da spürt er Vater Manuels Hand auf seiner Schulter. Der sonst auf seine Gartenarbeit bedachte Alte fragt mit einem aufmerksamen Blick in seinen dunklen Augen: »Sage, Gene, gibt es Krieg?« Ganz einfach klingt die Frage des früheren Carretero, etwa so: Wie weit ist der Weg übers Gebirge?

Gene, der sonst die Antworten nicht lange im Munde herumdreht, schaut den Alten unwillig an; dann meint er: »Schiet darauf! Ich habe von dem einen genug. Wenn aber jemand mich weiterplagen will mit diesen am Himmel fliegenden Pfannkuchen, dem reiße ich gottverdammt ein Bein aus und schlage ihn damit zu Krümeln! Lohnt sich's denn überhaupt noch, wenn man immer …«

Er kann nicht weitersprechen. Adda, die leise die Treppe herabkam, hat ihn mit der einen Hand an der Schulter zu sich gedreht und mit der andern ihm den Mund verschlossen. »Beß schläft«, sagt sie, »wir können gehen.« Sie nimmt ihren hellen Staubmantel und ihr Barett.

*

Wie Gene draußen das Motorrad antreten will, zieht sie ihn fort: »Laß das!«

»Nicht zur Schule?«

»Nein.«

Sie fahren mit der Untergrund bis zur Endstation ans große Wasser. Adda bleibt vor einem Magazin mit Strandbedarf stehn; sie hat ihr Badetrikot vergessen und will ein billiges kaufen; doch im Laden bemerkt sie, wie Gene zögert; es ist ihm peinlich, seinen von Geschoß- und Operationswunden entstellten Körper zu zeigen.

»Der Strand ist so voll«, sagt sie, »der Wald ist heute besser. Ja?«

»Ja.«

Sie gehen vom Ufer weg durch einen anfangs mageren Nadelwald, der im Unterholz von goldgelb blühendem Ginster, von Zwergkiefern und stacheligem Gesträuch durchwachsen ist. Gene bleibt öfters hinter Adda zurück; es macht ihm Freude, ihren weiten Schritt zu sehen, ihren geschmeidigen, muskulösen Körper, der kaum irgendwo einen Zweig berührt. Es gehört nicht allzuviel Phantasie dazu, sich hundert Jahre zurückzudenken, da diese Indianerin mit dem blauschwarzen Haarschopf lautlos durch das Dickicht streifte. Es müßte wunderbar sein, mit solch einem Menschen in voller Kraft und ohne Lüge zu leben – denkt er für eine Sekunde und lacht sofort über sich selbst.

»Was hast du?« wendet sich Adda.

»Ich stellte mir eben vor, wie du vor hundert Jahren mir am Marterpfahl mit dem Dolch den Skalp heruntergesäbelt hättest.«

Sie schaut ihn an und fährt mit ihrer kräftigen, bronzefarbenen Hand durch sein helles Haar. »Ein guter Skalp«, meint sie, »wahrscheinlich hätte ich ihn immer an meinem Gürtel getragen.«

Sie klettern noch einen Hügel hinauf und sitzen dann in einer kleinen Sandmulde zwischen den Ginsterbüschen. Gleich hinter ihnen, wo der Kiefernwald jäh abbricht, ist ein Lupinenfeld, das nach Honig duftet. Vor ihnen liegt die große See unter einem leichten dunstigen Schleier, der dem Wasserspiegel einen perlmutternen Schein gibt.

Dies ist ein Tag wie jeder. Es ist auch nichts Ungewöhnliches, daß Gene mit seiner Freundin abends aus der staubigen Schwüle der Stadt hinausfährt. Ungewöhnlich ist höchstens, daß Adda – eine der gewissenhaftesten Studentinnen – heute den Abendkurs versäumt. Doch die Sache mit Beß beschäftigt sie mehr, als sie erst dachte. Ist es die Bestätigung von Gene, daß wirklich solche fragwürdigen Scheiben über den Himmel fliegen? Oder daß Gene einschnappte, weil sie den Major Clerk mit Vornamen nannte? Überall scheinen die Nerven zu vibrieren. Sie schaut von der Seite auf Gene, der mit einem abgerissenen Ästchen Figuren in den Sand zeichnet. »Hast du Beß beobachtet?« fragt sie den Freund.

»Ich kann mir vorstellen, was sich da tat. Es braucht heute bloß ein Ziegel vom Dach zu fallen oder ein Fenster zu klirren, gleich heißt's: Atombombe!«

»Aber die fliegenden Monde hast du selbst gesehen?«

»Was sieht man nicht alles, Adda, wenn die andern einem Tag für Tag die Ohren vollschwatzen. Weshalb? meinst du. Manche wollen sich wichtig machen, manche geben gern an, manche haben auch andere Gründe.«

»Und welche?«

Gene zögert. Hat er zuviel gesagt? Aber dieser Donald ist da Hals über Kopf gestartet, damit es schon heute abend in der Presse steht: Major Clerk ist mit seiner Spezialmaschine sofort zur Verfolgung des gespenstischen Scheibenflugzeuges aufgestiegen; er erreichte in zwölf Minuten eine Höhe von 9000 Metern.

»Mir scheint«, sagt Adda, da sie keine Antwort erhält, »das alles sind wildgewordne Seifenblasen in den Gehirnen unsrer unbefriedigten Flieger.«

»Ausgezeichnet.«

»Ich finde es gar nicht so ausgezeichnet, Gene, wenn man die Menschen wegen irgendeines Gerüchts in Panik versetzt und es in der Subway Tote gibt.«

»Haben wir denn die Nachricht verbreitet?«

»Ihr oder die Presse!«

»Sag mal, Adda, sind wir eigentlich hier hinausgefahren, uns wegen dieser fliegenden Pfannkuchen zu streiten?« Er nimmt ihren Kopf zwischen seine Hände und lächelt gutmütig; er hat sie bisher eigentlich nie zornig gesehen, auch nie so sprechfiebrig. Eine dunkle Röte schlägt durch den Bronzeton ihrer Stirn und Wangen. In einer Welle der Zuneigung möchte er sie an sich ziehen; doch er sagt nur: »Ich weiß nicht, Adda, ob sich das alles noch lohnt? Für mich wäre eine ruhige Stunde mit dir wichtiger als der ganze Rummel um die Raketenflugzeuge, die Flüge zum Mars und die künstlichen Monde und fliegenden Untertassen; denn wenn es morgen wieder losgeht …«

»Mein Gott, sei still!«

Er ist schon still. Er hat sich langgestreckt, die Arme unter dem Kopf verschränkt und schaut durch die Kiefernäste in den abendlichen grüngelben Himmel. Diese Farbe erinnert ihn an eine ähnliche Situation – oder war sie entgegengesetzt –, wie er nach dem Abschuß ausgeblutet in einem Wald der Ardennen lag, im Schnee. Es war auch so ruhig, so menschenfern, so schien es ihm damals. Damals hatte er auch nur den einen Wunsch, daß dieser Augenblick nie aufhöre, am besten, daß er mit ihm hinübergehen könne. Doch dann hörte er im Wald einen Hilferuf, den Ruf des verwundeten Majors Kennedy, seines Geschwaderchefs; er kroch zu ihm hin, und sie beide – der Major mit dem zerschmetterten Arm und er mit dem Lungenschuß –, sie schleppten sich zwei Tage und Nächte durch den Wald bis zu belgischen Bauern, sinnlos vor Durst, Augen und Mund von Dreck und Schaum verklebt, todmatt. Und wenn das morgen wieder losgehen sollte, alles noch einmal, als sei das gestern gar nicht gewesen, aber heute noch hundertmal schlimmer – lohnt das noch?

»An was denkst du, Gene?« Adda beugt sich über ihn. Ihre Augen sind im Schatten, die Iris ist dunkel. »Sag mir nur eins, Gene, daß es ein Irrtum ist, was die Zeitungen phantasieren.«

»Na ja, die Zeitungen …«

»Sag es mir, Gene!«

Er richtet sich auf, er hockt auf den Fersen, so wie es die Matrosen und Eingeborenen machen. »Die Zeitungen, was wissen denn die? Aber es gibt andere Berichte, über die man nicht so hinwegkann.« Es scheint, als ob Gene nun auf dem Punkt ist, Adda ernsthaft zu antworten. »Es sind ja nicht diese läppischen Zeitungsenten, sondern – na, du weißt, als Funker hört man Dinge, die andre nicht hören. Und wenn von den verschiedensten Punkten unsres Landes über tausende Meilen hinweg von verschiedenen Menschen ähnliche Beobachtungen kommen …«

»Genauere als eure heute?«

»Genauere und ungenauere, wie du es nimmst. Denn die Angaben übersteigen meist unsre Vorstellung. Was sagst du zum Beispiel dazu, wenn die ganze diensttuende Mannschaft von Godman Base, dem Flugplatz von Fort Knox in Kentucky, voran der Befehlshaber Colonel Hix, zwanzig Flieger, Offiziere, Funker und Bodenpersonal; um 15 Uhr, also am hellen Tage sahen, wie solch ein Ungetüm von mindestens 170 Meter Durchmesser am Osthimmel auftauchte; es handelte sich um den Untertassentyp, der explosionsartig rote Flammen ausstieß und schließlich in 8000 Meter Höhe hinter einer Wolkenwand verschwand.«

»Und was meinten der Colonel und die Flieger dazu?«

Gene stockt. »Adda, ich bin entschieden wahnsinnig«, sagt er, »nicht weil die Sache nicht stimmt, sondern weil ich gequatscht habe; diese Dinge sind geheim und liefen als Chiffre.«

»Nun, Gene, du weißt ja, wie gern ich plaudere, besonders um dich hineinzulegen. – Aber wenn das Ganze doch eine Täuschung war?«

»Eine Täuschung? Angenommen. Schön. Und wie steht es damit: Am 1.Februar wurde im Staate Arizona von der Bevölkerung von Tucson ein scheibenförmiger Flugkörper mit riesigem Feuerschweif beobachtet, der über die Stadt dahinfegte. In diesem Augenblick startete grade eine B.29 Maschine. Der Funker des Kontrollturms bat den Piloten, die Verfolgung aufzunehmen. Aber die fliegende Scheibe verschwand mit mindestens 800 Stundenkilometern.« Gene hat sich ganz heiß geredet. »Es gibt viele, die über das Scheibengemunkel sich lustig machen. Zu ihnen gehörte auch Captain Robert Adikes von unsrer Linie. Adikes sagte einmal zu mir: ›Gene, wenn mir solch ein Vogel begegnen sollte, werde ich ihm vor den Bug fliegen, ihn mit dem Lasso fangen und im Schlepptau hierherbringen!‹ – Aber Ende April kam er sehr verschlossen von einem Flug zurück.«

»Er hatte auch …«

»Als er am 28. April wie gewöhnlich seine Verkehrsmaschine flog, fand er unterwegs einen unheimlichen Begleiter, den sowohl sein Mitpilot und Funker wie auch die neunzehn Fahrgäste sahen. Über fünf Minuten raste solch riesige feuerspeiende Scheibe neben ihm her, meist in Rauch gehüllt, in etwa 1000 Meter Abstand. Adikes versuchte, näher an das Ding heranzukommen; aber da verdreifachte es seine Geschwindigkeit auf etwa 1500 km die Stunde und ließ mit einem wahren Teufelssprung das Flugzeug mit seinen Insassen zurück.«

»Aber dann müßte das Ding ja bemannt gewesen sein«, bedrängt ihn Adda, »gab es denn kein Zeichen? Wohin flog es? Und zu welchem Zweck? Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen!«

»Ach, du kluges Kind! Was glaubst du, wie wir uns schon den Kopf darüber zerbrochen haben? Bloß haben diese Vögelchen auf unsre Funkzeichen bisher nicht zu antworten geruht. Auch scheint es höchst zweifelhaft, ob so ein Ding bei der gewaltigen Geschwindigkeit und dem enormen Druck, der auf dem Körper lasten würde, überhaupt bemannt sein kann?«

»Doch es ist euch ausgewichen? Geflohen?«

»Weiß der Teufel, ob es ferngelenkt war.«

»Von wem? Wozu? Das Ganze muß doch einen Sinn haben?«

»Müßte, Adda. Bloß wenn du heute anfängst, nach dem Sinn von all dem zu fragen, oder wenn du dich mit diesen sogenannten Geheimwaffen beschäftigst, dann kann's dir blühen, daß du eines Tages überschnappst; und mit dem Ruf: ›Die Russen kommen!‹ wie unser ehemaliger wackerer Kriegsminister Forrestal aus dem Fenster der zehnten Etage springst, und der hätte es doch wissen müssen.«

Die Historie liebt oft solche Treppenwitze voll grausiger Logik wie diesen des an seiner eigenen Panikmacherei wahnsinnig gewordenen Kriegsministers der USA. Aber auch im winzigen Maßstab gibt es solche Fehlzündungen, bei denen eine überlastete Situation sich zwangsmäßig falsch entlädt.

So springt Adda plötzlich hoch. Sie ist sonst durchaus nicht schreckhaft. Aber da rollt ein schwarzes rundes Etwas vom oberen Rand der Sandkuhle herunter und bleibt vor ihr liegen. Mit starren Blicken schaut sie auf die schwarze Kugel.

»Hinlegen!« ruft Gene.

Blitzschnell wirft sich Adda zu Boden. In der furchtbaren Stille hört man bloß das kaum unterdrückte Kichern von Gene, das schließlich in einer Lachsalve explodiert; dann ist's wieder totenstill.

Adda hebt etwas den Kopf. Sie bemerkt, wie Gene auf die schwarze Kugel schaut und den Finger auf den Mund legt. Jetzt reckt sich aus der stachligen Kugel etwas vor wie ein langer Daumen, und daran sitzt das Köpfchen des neugierigen Igels, der oben aus dem Lupinenfeld zum abendlichen Jagdgang sich aufmachte, Stimmen hörte und neugierig zum Rand der Sandkuhle kam, von wo er herunterkugelte. Er hebt sein kluges Köpfchen und dreht es wißbegierig nach allen Seiten.

»Siehst du, so ist es«, meint Gene, während der Igel sich schnell wieder zusammenrollt.

»Natürlich, du bist ein Held!« sagt Adda lächelnd, um über ihren etwas blamablen Schreck hinwegzukommen.

Gene fährt mit dem abgebrochenen Zweig unter den Sand und sucht den Igel am Bauch zu kitzeln. »Ich schenke dir den Helden, Adda«, knurrt er. »Was habe ich denn von der Geschichte im Ardenner Wald? Meinen verstümmelten Brustkorb und – was entschieden das Unangenehmste ist – mit der Erinnerung an die Vergangenheit das Gefühl, daß wir schlechten Schüler das gleiche Pensum noch einmal durchmachen müssen. Und doch müßte man endlich einmal zur Ruhe kommen. Gewiß, ich hab meinen Lungenschuß, meinen Jagdschein, ich brauche nicht mehr mit; aber die andern sind ja auch wer, und wenn dann jene weiß der Henker mit welchem kosmischen Mist geladenen Untertassen über uns fliegen und sie streuen ihren Atomdreck über uns wie übern Feld mit Kartoffelkäfern, dann ist von der radioaktiv gewordenen Luft ja alles vergiftet, deine Haut, dein Atem, dein Blut, deine Lunge …«

Er kommt nicht weiter. Adda hat ihn zu sich gezogen, sie preßt seinen Kopf an ihre Brust; er spürt ihren schnellen, warmen Atem, er spürt die Wärme ihres Körpers und den leisen Druck ihrer Hände gegen seine Stirn; langsam beruhigt er sich.

Ein Luftzug weht von der See herauf. Die Dämmerung ist angebrochen. Gut, er wird sich nicht rühren. Es ist lächerlich, wie still er plötzlich geworden, wie ein Kind an der Brust der Mutter … lächerlich, und doch ist es so. Keine Erregung wie bei einer Geliebten; nein, keine Erregung … es lohnt nicht mehr.

Weshalb klingt ihm dieser unheimliche Satz heute sooft im Ohr? So beruhigend, so verführerisch, allen Lärm zudeckend, wie der Ton einer dunklen weiblichen Stimme, dieses: es lohnt nicht mehr …

»Wie du so redest!« flüstert Adda.

Hat er geredet? Er hat nur gedacht, halb im Traum gedacht.

Adda drückt sein feuchtes Gesicht an ihre Brust. »Man hat auch uns vernichtet«, sagt sie leise. »Ihr habt uns ausgerottet, so gut ihr konntet, damals … nein, du warst es nicht, du würdest es auch niemals tun, Gene, weder heute noch damals; du hast eine zu empfindliche Haut, dein Herz schlägt durch die Haut und wird zu stark getroffen … hör mich, Gene, ja, man hat den Indianer vernichtet, mit Kugeln, mit Feuerwasser, mit Verträgen, mit List und Betrug … meine Väter wurden von ihren Wäldern getrennt, von ihren Herden, von der Steppe, auf ein sehr schmales Territorium, wo sie von euch gerade genug empfingen, um als Ochsentreiber zu leben oder auszusterben …«

Gene greift ihre kräftigen Hände: »Bist du nicht stärker als all die dünnblütigen bleichen Fratzen?«

»Stimmt! Wir haben dennoch euer Gesetz nicht angenommen«, fährt Adda fort, »wir haben uns nicht darum gekümmert, ob es dem weißen Mann gelingen wird, uns zugrunde zu richten; wir haben nach unserm Gesetz gelebt, wir haben die Tiere gepflegt, und – wie mein Vater mir erzählt – wir haben auch gelernt, die Mais- und Bohnenfelder zu bebauen; aber immer haben wir das Gesetz der Familie geehrt.«

»Ihr habt einen Panzer um euch gelegt, Adda, einen edlen und starken Panzer; doch mit diesem Panzer haben die Herren ohne Panzer mit viel Betrug aus euch gemacht, was sie wollten.« Er richtet sich auf und schaut in ihr ernstes, dunkles Gesicht, das in der Dämmerung ihm noch fremder erscheint, so wie der Kopf einer indianischen Frau aus den Wäldern. »Darf ich dir etwas ganz offen sagen, Adda, nicht als meiner Liebsten, sondern als einer Freundin; das ist ein kleiner Unterschied, nicht wahr?«

»Sag!«

»Es ist sogar ein ziemlich großer Unterschied, Adda; ich meine es so: mit der Freundin will man zum Beispiel gute Gespräche führen und Schulter an Schulter fühlen; aber von seiner Liebsten, so wie ich's verstehe, möchte man Kinder haben. Das ist vielleicht grob gesagt, und du brauchst nicht zu fürchten, daß ich gleich Ernst mache …«

»Da müßte ja auch ich dabei sein.«

»Richtig. – Mich erstaunt nur, daß ich dich sehr liebhabe, Adda, bitte, laß mich es dir sagen, daß ich nichts Schöneres kenne, als so in deinen Armen zu liegen, deinen stolzen dunklen Kopf zu betrachten, deinen Gang zu sehen, deinen unverdorbenen Körper; all das macht mich glücklich, und doch habe ich nicht den Wunsch weiterzugehen, daß ein Kind von uns werden könnte, so wie ich früher zu den Mädels stand.«

»Ist das so furchtbar?«

»Furchtbar oder nicht; es ist nicht in Ordnung! Es ist erst seit kurzem so!« Er ist erregt wie ein Junge, der unerwartet vor seinem ersten Pubertätsproblem steht; es ist ja das tiefste und dunkelste Rätsel auf unserem Weg. »Ich möchte nie einem Kind zum Leben verhelfen«, stößt er hervor, »selbst nicht mit der schönsten und klügsten Frau! Jahrelang würde über dem Kind das Schwert hängen, das ihm einen Arm oder ein Bein abschlägt, seine Brust verstümmelt oder es ganz in Stücke reißt. Still, Adda, ich weiß das besser. Hinter jeder Bodenwelle liegt heute bei uns ein Flugfeld. Jede Woche braust ein neues Bombengeschwader nach Europa oder Afrika zu neuen Stützpunkten. Und glaubst du, der andere wartet bloß? Diese ferngelenkten gespenstischen Flugkörper, die jetzt immer häufiger über uns dahinbrausen …«

Adda dreht seinen Kopf jetzt sich zu, daß sie seine Augen sehen kann; ruhig sagt sie zu ihm: »Ich glaube, diese fliegenden Dinger haben wirklich vieles durcheinandergebracht. Aber das mit dem Kind glaube ich nicht. Dann würden wir ja vor dem Wahnsinn davonlaufen. Doch wohin willst du denn laufen? Selbst unter der Erde wird das Leben immerzu neu geboren. Höre, Gene, auch ich habe über die drohende Zeit nachgedacht. Vielleicht gibt es unter dem Bombenregen nur eine einzige Chance unter tausend; für diese eine Chance aber werde ich leben, diese Chance werde ich zu ergreifen suchen, und um dieser Chance willen werde ich nicht den Mut haben, zu sagen: Es lohnt sich nicht.«

Wieviel Zuversicht kann eine Stimme geben und ein gutes Gesicht. Wie leicht verzweifelt der Mensch; wie schnell wird er getröstet. Vielleicht ist diese Erde doch noch nicht verloren? denkt Gene, und bemerkt: »Nicht schlecht, Adda, wenn wenigstens einer auf diese Chance setzt.«

 

Es ist kühl geworden.

Sie stehen auf, schütteln den Sand aus den Schuhen und klopfen einander ab. Da liegt die See spiegelklar. Der halbe Mond schaut vom Himmel und zugleich von unten aus dem Wasser empor. Wie sie schon gehen wollen, sieht Adda seitwärts den Igel; er hat sich vergebens bemüht, die Sandkuhle hochzuklettern.

»Du armer kleiner Kerl!« sagt Adda; sie nimmt ihre Baskenmütze, ihn damit fortzutragen. Aber die Stacheln piken hindurch. Gene wickelt ihn in seine Jacke. Sie bringen den stachligen Burschen hinauf zu seinem Lupinenfeld und warten, bis er sein neugieriges Köpfchen vorschiebt, den Mond anblinzelt und dann ruhig in das Feld tapst.

Adda schaudert vor der feucht heraufziehenden Luft. Gene hilft ihr in den Mantel; eine Sekunde will er sie an sich reißen und küssen. Doch er nimmt nur ihre Hand und schlittert mit ihr den Sandhügel hinab.

Unten auf der breiten Straße, die um die See zur Station führt, rollt ein Auto hinter dem andern. Tausende pilgern zu Fuß. Die Luft ist dick von Staub und Menschenstimmen. Vom Seerestaurant klingt laut der neue Broadwayschlager: »Forget the trubbles – be happy!« Plötzlich singt die ganze tausendköpfige Karawane den Schlager mit; es klingt wie ein Marschlied gegen das, was alle bedroht, und für das, was sein könnte … für das Glück: be happy!

*

In dem Gärtnerhäuschen brennt noch Licht. Bevor Gene das Motorrad anwirft, legt Adda ihre Hand auf seine Schulter, lächelt und meint: »Ob es sich nicht doch ein bißchen lohnt?«

Er streicht ihr übers Haar. Wie er jetzt das Motorrad antritt, kommt der Vater Manuel. »Kinder, Kinder«, sagt er, »es ist ja schon Nacht. Der junge Herr war da und hat sich nach Beß erkundigt.«

»Donald?«

»Ja, und Señora läßt Adda bitten, über Sonntag mit ihnen nach der Hazienda zu fahren, zu einer Party.«

Gene hat den Motor angetrieben. Er gibt Adda schnell die Hand. »Ein gutes Weekend!« sagt er und braust davon.


 << zurück weiter >>