Georg Wegener
Erinnerungen eines Weltreisenden
Georg Wegener

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6. Das Land im Himmel

Der Zug hat unweit Kansas-City auf langer Eisenbahnbrücke den Missouri gequert und rollt nun über die ungeheuren, flachgewellten Ebenen, die ganz langsam, für das Auge unmerklich, gegen den Fuß der Felsengebirge ansteigen. Weit zerstreut liegen einzelne Farmen, umgeben von kleinen Wäldchen im ersten Frühlingsgrün und rotblühenden Mandelbäumen. Zwischen ihnen dehnen sich, quadratmeilenweit ununterbrochen, Stoppelfelder von Mais und Korn, Spuren eines üppigen Fruchtsegens vom vorigen Jahr. Wo die Erde frisch umgepflügt ist, in unabsehbar langen Furchen von einer Regelmäßigkeit, wie sie nur der Dampfpflug herstellen kann, glänzt sie dunkelschwarzbraun, schwer und fett, neuen Reichtum im kommenden Sommer verheißend.

Das sind die Strecken der ehemaligen Prärien, die der Unternehmungsgeist des amerikanischen Volkes dem Anbau bereits gewonnen hat.

Langsam jedoch ändert sich das Landschaftsbild, je weiter wir gen Westen kommen. Spärlicher und spärlicher wird ja hier der Niederschlag: nur noch an den Rändern der Flußläufe, die, von dem Schnee der seinen Gebirge genährt, als einsame Wasserfällen durch die Ebenen ziehen, ist ein Anbau möglich: die Flächenkultur hört auf, die Bebauung in einzelnen Oasenstreifen tritt an ihre Stelle. Dazwischen breitet sich, unbesiegt bis heute, die alte Prärie. Flach, unabsehbar wie ein Meer, dehnt sie sich jetzt um uns, mit grauer Oberfläche, bis zum kreisrund geschlossenen Horizont. Noch haben die Frühsommerregen sie nicht mit dem Zauber ihres Gras- und Blumenteppichs geschmückt; kugelige, einzeln stehende Büschel verdorrten Grases, Wacholdersträucher und Kletten überziehen den dürren Boden. Die Grenzenlosigkeit des Blickes aber gibt der Landschaft etwas Ernstes, Großes. Wie ein einsames Schiff gleitet unser Zug mit seiner kleinen fremden Welt voll moderner Bequemlichkeit über die ungeheure Fläche dahin. Die Sonne, die heut früh am Missouri hinter uns im Osten aufstieg, sinkt vor uns im Westen unter den glatten Himmelsrand, ohne daß sich ein Ende der Prärie ankündigt.

Auch der nächste Morgen findet uns noch auf der Prärie, aber nahe dem Randabfall des großen Hochlands. Lang hingezogene niedrige Bergwälle liegen am Horizont, von der wieder um den Erdball herumgewanderten östlichen Sonne rosig angehaucht; auf einigen ferneren, kegelförmigen Bergspitzen schimmert Schnee in blendendem Weiß. In einer weithin sichtbaren Paßeinsattelung, einer derjenigen, über die in früheren Jahrzehnten die langsamen Karawanen der Squatters in monatelanger, mühevoller Wanderung zum »fernen Westen« zogen, nimmt unser Zug seinen Aufstieg zu den großen Plateaus. Zwei Riesenmaschinen schleppen keuchend den Wagenzug die Schlangenwindungen des Schienenweges hinan, so langsam, daß man daneben hergehen könnte, stundenlang. Malerische Felsbildungen zur Seite; dann ein Tunnel, und die Höhe ist gewonnen.

Für mehr als tausend Kilometer, auf einer Strecke wie durch ganz Deutschland, werden mir nun auf Hochflächen dahingleiten, die nirgends unter tausend, vielfach aber über zweitausend Meter hoch sind, durch die Gebiete von Neu-Mexiko und Arizona. » The land in the sky«, das »Land im Himmel«, nennt der Amerikaner diese Gegend. Nicht etwa wegen ihrer paradiesischen Üppigkeit; denn öder noch und dürrer als die Prärien, eine oft jahrelang unter furchtbarem Wassermangel leidende Hochwüste ist sie. Tagereisen weit nur mit niedrigen Salbeisträuchern, Wacholder oder Zwergzedern bestanden, die so dünn gestellt sind, daß sie den nackten Boden nur wie die Tupfen auf einem Leopardenfell sprenkeln; ungeheure Fichtenwälder wechseln in den höheren Teilen damit ab. Er meint es wegen der Nähe des Himmels, in den das Land gleichsam selbst hineinragt.

Seltsam, fremdartig sind die Formen der Landschaft. Wir weilen auf ungeheuren Plateaus, gebildet von wagerecht lagernden Felsschichten, deren oberste im Lauf der Jahrmillionen von den atmosphärischen Einflüssen ungleichmäßig abgetragen sind und ihre Reste überall in Form von Felsstufen oder Inselbergen haben stehen lassen. Senkrechte, oben horizontal abgeschnittene Bergwände dehnen sich unabsehbar dahin, einzelne, kastellförmige Kuppen mit jähen Steilwänden sind nah und fern verstreut. In ungeheure Weiten fliegt zwischen und über ihnen in der reinen Atmosphäre der Blick hinaus. Hier und da erhebt sich ein in seiner Bildung von diesen rechtwinkligen Terrassenformen abweichendes Berghaupt in jäher Kegelgestalt hoch über die Ebene empor. Das sind dann Vulkandome, deren Gesteine einst in Feuergluten aus der geborstenen Erdschale emporgequollen sind und das Land mit Strömen schwärzlicher Lava überzogen haben. Jetzt ragen sie still und schweigend in den Äther. Heut, in diesen Frühlingswochen, noch von unten bis zu ihren dämmernden Spitzen in ein kristallreines Schneegewand gekleidet, das mit köstlicher Zartheit in der lichten Bläue des Himmels schwebt.

Wer dieses Land mit seinen zahllosen, aus weiten Ebenen aufsteigenden Mesas sieht – mesa, d. i. Tisch, bedeutet im Mexikanischen einen einzelnstehenden Tafelberg –, erkennt sofort, daß es die gegebene Gegend für Bergfestungen sein muß. Und wirklich hat die indianische Urbevölkerung diese Form der Siedelung und Sicherung ihres Daseins hier schon lange vor Ankunft der Europäer entwickelt. Noch heute sind zahlreiche dieser kastellartigen Felsgebilde von Eingeborenen indianischer Rasse bewohnt.

Es gibt zwei Arten von Indianern in diesen Gegenden, die seit alters eine getrennte Lebensweise führen. Die einen sind Jägerstämme, wie die Apachen und Comanchen, die ehedem unbedrückt in wilder Freiheit, ohne festen Wohnsitz, zu Jagd, Raub und Krieg über das Land umherschweiften. Solche Gewohnheiten konnte eine vorschreitende Kultur nicht mehr dulden. Sie wurden daher von den Truppen der Vereinigten Staaten, oft in blutigen Kämpfen, allmählich versprengt oder in kümmerlichen »Reservationen« zusammengetrieben. Die Apachen hier erst vor kurzer Zeit. Diese Art von Indianern ist unweigerlich bestimmt, zugrunde zu gehen; nur einem ganz kleinen Teil von ihnen gelingt es, zu einem ansässigen Leben sich umzuformen.

Daneben gab es aber von je eine zweite Gruppe von Indianern, die seit alter Zeit Körner- und Obstbau getrieben und feste Dörfer und Städte gebaut haben. Die Nachbarschaft ihrer räuberischen Vettern ließ sie von selbst dazu kommen, für ihre Ansiedlungen jene natürlichen Felsenfestungen zu wählen. Man nennt im Lande solche, auf steilwandigen Felsbergen liegenden Indianer-Ortschaften mit dem spanischen Namen »Pueblos« ( pueblo == Dorf) und faßt die in ihnen lebende Bevölkerung als »Pueblo-Indianer« zusammen. Sie selbst belegen sich mit verschiedenen Stammesnamen: Navaho, Hopi (fälschlich auch Moki genannt) u. a. Ihre Anstellungen sind meist höchst eigentümlich angelegt; so, daß die ganze Ortschaft ein einziges Gebäude bildet, in dem die einzelnen, Wand an Wand liegenden Wohnungen gemeinsame Dächer haben und terrassenförmig übereinander aufsteigen. Nach einer Seite, wohl der Hauptwindrichtung zu, pflegt die Ortschaft eine geschlossene Wand zu zeigen. Sie sind also ganz ähnlich gestaltet wie zahlreiche Ansiedlungen in dem kalten und windigen Hochland von Tibet. Man betritt auch die Häuser nicht durch Türen zu ebener Erde, sondern vom Dache aus, auf das man mittels einer Leiter hinaufsteigt. Hühner und Hunde sieht man ebenso wie die Menschen munter die Leiter auf- und abklettern. Auf den Dächern kann man die ganze Ortschaft durchwandern. Im Fall eines feindlichen Angriffes werden die Leitern heraufgezogen, und so wird die schon auf steilen Felsen liegende Stadt noch mehr zu einer Festung umgeschaffen. In diesen Pueblos lebt die alte indianische Bevölkerung friedfertig und in einer ganz beachtenswerten Kultur dahin, die seit vielen Jahrhunderten fast unverändert zu sein scheint. Die Männer bebauen ihre Felder am Fuß des Felsens, die Frauen machen geschickte Töpfereien und weben buntgefärbte Decken von vorzüglicher Beschaffenheit, die an den Eisenbahnstationen mit fünfzig Dollar und mehr bezahlt werden. Wer von den Weißen als Gast zu ihnen kommt, wird freundlich, mit ruhiger Würde, in ihren sauberen Wohnungen aufgenommen und erhält unschwer Gelegenheit, die Fülle eigenartiger Sitten kennenzulernen, die sie sich erhalten haben. Am merkwürdigsten darunter ist der Schlangentanz, eine religiöse Vorstellung, die alle zwei Jahre einmal in jeder Ortschaft unter großen Feierlichkeiten aufgeführt wird und zu den nervenerregendsten Schauspielen gehören soll, die man sehen kann. Priester und Gaukler in bizarrem Festschmuck arbeiten dabei unter aufregenden Gesängen mit Massen von lebendigen, frischgefangenen, ihrer Giftzähne nicht beraubten Klapperschlangen in einer Weise, daß dem weißen Zuschauer das Blut in den Adern stockt. –

Ich verließ den Zug in Williams, einer etwa fünfzehn Jahre alten Minenstadt in zweitausend Meter Meereshöhe, die jetzt gegen zweitausend Einwohner zählt. Von hier aus, so hatte ich gehört, sei seit Beginn des Jahres eine Kleinbahn nach den soeben in Erschließung begriffenen Kupferminen in den Wäldern des Nordens in Betrieb, die schon gegenwärtig bis auf zweiunddreißig Kilometer sich dem Rande des großen Colorado-Cañons nähere. Von ihrem derzeitigen Endpunkte aus habe man dann Gelegenheit, mittels einer stage, einer Art Omnibuswagen, zu dem unmittelbar am Cañon errichteten » Bright Angel Hotel«, d. h. dem »Gasthof zum strahlenden Engel«, zu kommen.

In der Nacht – ich fand im Hotel Hayward ein unerwartet sauberes und angenehmes Unterkommen – sauste ein wilder, noch ganz winterlicher Sturm über die Dächer, der Hagel prasselte gegen die Scheiben, und glucksend rann das Regenwasser vom Dach. Am andern Morgen war daher der Zustand der städtischen Straßen ungeheuerlich; knietiefer, schwarzer Schmutz machte sie einfach unpassierbar, einzig die Bretterstege längs der Häuser ermöglichten einen Verkehr zu Fuß.

Ein vierspänniger Wagen – zwei Pferde hätten es in dem Morast nicht fertiggebracht – führte mich vom Hotel zu dem eine Viertelstunde von der Stadt gelegenen kleinen Bahnhof der neuen Linie. Während unten das schlammige Pfützenwasser um die Räder der Karosse spritzte und zu den Löchern des Fußbodens hereindrang, fiel vom Himmel großflockiger, halbgeschmolzener Schnee, und durch die schlecht aus Brettern zusammengenagelte Decke rann auch von oben die Feuchtigkeit stromweise auf mich herunter. Ich war mit der wissenschaftlichen Kenntnis hierhergekommen, daß die Hauptschwierigkeit für die Entwicklung Arizonas sein großer Wassermangel sei, aber ich habe wirklich nie eine nassere Gegend gesehen als diese.

Der aus einem einzigen Wagen und der Maschine bestehende Kleinbahnzug war angefüllt mit jungen Burschen, Eisenbahnern und Minern. Ein großer Mann in nachlässiger Haltung, den Hut im Nacken, sammelte mit einer Hand – die andere hatte er in der Hosentasche – die Tickets ein, ein anderer heizte in derselben Weise einen qualmenden eisernen Ofen, und wir setzten uns in Bewegung.

Zwei Stunden lang lief der Zug durch eine unsagbar öde, nur mit vulkanischem Geröll und verdorrten Salbeibüscheln überstreute Gegend.

Endlich hielten wir auf freiem Felde am Rande eines Waldes, wo die Bahn vorläufig zu Ende war. Einige Haufen Eisenbahnschwellen und Schienen waren aufgeschichtet, ein paar Zelte für die Bahnarbeiter standen daneben; eins war Küche und Speiseraum, in dem ein vergnügt schmunzelnder Chinese mit Töpfen und Pfannen hantierte. Zur Seite in einem Gehege standen an Trögen etwa acht bis zehn Pferde, Tag und Nacht jedem Wind und Wetter preisgegeben, die Gespanne für die Stages.

Während der Regen ruhig weiter vom Himmel fiel, wurden für mich zwei Gäule vor einen kleinen, dünnrädrigen, federlosen Planwagen gespannt, meine Sachen hinaufgebracht, ich selbst nahm Platz, den kümmerlichen Kragen meines leichten Sommerüberziehers hochgeklappt; ein weißblondes, schweigsames Individuum mit ungeheurem Schlapphut ergriff die Zügel, und wir rollten in den naßkalten Sand hinein. Je tiefer die Sonne sank, um so empfindlicher wurde die Kälte auf der Hochfläche, deren Höhenlage ja diejenige der Schneekoppe um mehrere hundert Meter übertrifft. Der Weg über Wurzeln und Felsbrocken war fürchterlich. Aber trotz alledem war die Fahrt an Eindrücken so reich, daß ich von all diesen Unbilden wenig empfand.

Hier war ich nun in einem Gebiet, wo die ersten Vorposten der Kultur soeben erst in die Wildnis eindrangen. Anzeichen erster menschlicher Tätigkeit waren überall im Urwalde zu sehen. Anfangs kreuzten wir mehrmals die Strecke der geplanten Bahn, auf der schon einige Meilen voraus die Bäume weggeschlagen und Arbeiter beschäftigt waren, den Damm aufzuschütten. Weiterhin hörte das auf, aber es zeigten sich doch noch vielfach die Spuren der Miner in Gestalt kleiner Steinhalden und der Löcher im Felsboden, wo geschürft worden war. Gelegentlich trafen mir auch ein Blockhaus, aus großen, lehmverklebten Baumstämmen gefügt, oder eine rasch geschaffene Waldschmiede unter einem von Ästen gestützten Reisigdach, mit urtümlichem Blasebalg. Ja sogar Briefkästen fanden wir zweimal am Wege. Das heißt, einfache viereckige Holzkisten, an einen Baum genagelt, an deren einer Seitenwand die obere Hälfte offen war. Mein Kutscher griff in den Kasten, entnahm ein paar Briefe, legte sie unter seinen Wagensitz und tat ein paar andere hinein. Die Miner kommen im Laufe des Tages je nach Gelegenheit vorbei, holen sich ihre Briefschaften selber heraus oder legen solche ein.

Drei Stunden war ich gefahren, die Sonne war am Untergang, als plötzlich unter den dämmernden Bäumen ein paar weiße Zelte sichtbar wurden: daneben ein kleines dunkles Blockhaus und ein Gatter mit Pferden – wir waren an dem »Hotel« mit dem strahlenden Namen angelangt. Ein kleiner Mann kam uns entgegen, um uns als der Wirt zu begrüßen. Kaum hatte er aber mein erstes Wort Englisch gehört, als er mir auf Deutsch, mit dem schönsten Leipziger Akzent, entgegnete:

»Ei scheenen guten Abend, seien Sie willkommen!«

Es war ein vielgewanderter Sachse, der hierher verschlagen war und an dieser Stelle im Dienst der Eisenbahngesellschaft eine große Herberge einrichten sollte. Vorläufig bestand es noch aus einem alten Blockhaus und einigen Zelten. Reichlich durchfroren betrat ich mit dem Wirt das Gebäude.

Bisher hatte ich zu meinem Erstaunen noch nicht das geringste Anzeichen der Nähe des großen Colorado-Cañons gespürt. Jetzt schritt ich nun, von hinten in das Blockhaus eingetreten, einen Augenblick zu seiner Vordertür hinaus, um mich umzuschauen, und – prallte jäh zurück! Nicht zwanzig Schritt vom Hause tat sich unvermittelt der ungeheure Abgrund auf. Stockenden Pulses stand ich vor dem düster-grandiosen Bilde, dessen Einzelheiten bereits in einer mystischen Dämmerung verschwammen. – –

Nach einigen Minuten riß ich mich für heute von dem in Nacht versinkenden Riesenschlunde los und wandte mich der kleinen, an seinem Rande klebenden Menschenwohnung zu. Im Gastraum des Blockhauses loderte ein mit gewaltigen Holzkloben genährtes Kaminfeuer, und ich genoß jetzt zunächst das unsägliche Behagen, vor ihm im bequemen Stuhl die erstarrten Glieder mit belebender Wärme durchrieseln zu lassen. Außer dem Wirt und mir sind noch ein paar Gäste hier. Ein älterer Herr, eine bemerkenswerte Erscheinung mit weißem Haar und sein und kühn geschnittener Nase, der fast die ganze Welt gesehen hat und fesselnd darüber zu plaudern weiß. Er war schon im Cañon und gibt mir gute Ratschläge für seinen Besuch. Auch der Wirt erzählt trefflich von Land und Leuten dieser Wildnis. Ferner ein junger, blasser Mensch in bescheidener städtischer Kleidung, mit überarbeitetem Gesicht, ein Schullehrer aus einer Stadt des Ostens, der seine Ferien und seine kleinen Ersparnisse zu einem langersehnten Besuch des Cañons benutzt. Er will morgen mit mir zusammen in den Cañon hinab. Flackernd spielen die Lichter des Feuers über uns und tanzen auf den rohen Balken der Wände; das Gespräch wandelt dahin über die Dinge, die hier uns alle interessieren: über die Pueblo-Indianer und ihre seltsamen Sitten; über die Mesa encantada, den »verzauberten Berg«, einen der wunderlichsten jener Inselberge, dessen senkrechte Wände bis vor kurzem für unersteiglich galten, auf dessen Höhe die ersten Besucher aber doch merkwürdige Spuren von Bewohnern gefunden haben wollen: über das Leben der Waldleute, ihre wilden Räuberneigungen und ihre eigentümliche Ehre daneben; über die Art, wie Eigentum hier erworben wird und die leidenschaftlichen Rechtskämpfe der ersten Pioniere der Wildnis mit den später nachrückenden staatlich bevorrechteten großen Gesellschaften. Wie schön war es, daß ich gerade noch in diesen Tagen hier weilen konnte, ehe ein richtiges Hotel mit flegelhaften Niggerboys hier stand; ehe die Eisenbahn die Scharen von blasierten Touristen ausschütten wird: ehe »Blookers Kakao« mit Riesenbuchstaben an den Felsenwänden des Cañons angeschrieben ist.

Dann suchte ich draußen mein Lager in einem der zwischen dem frischen weißen Schnee stehenden, aber wenigstens gedielten Zelte auf. Der Schneefall selbst hatte aufgehört; am entwölkten Himmel strahlten die Sterne groß und glänzend in der frostklaren Luft. Es war eisig kalt unter dem dünnen Zeltdach; die Luft fühlte sich bei jeder Bewegung, die man machte, wie kalter Stahl an. Der Wind war eingeschlafen, und lange noch still und wach zwischen meinen Decken liegend empfand ich das tiefe, große, vollkommene Schweigen des Urwaldes, das nach all dem wochenlangen unablässigen Brausen des Atlantischen Ozeans, dem Lärm der Städte, dem Rollen der Eisenbahn seinen Mantel über mich breitete.


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