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Drittes Kapitel.

Asperula odorata.
Ein Hexenprozeß.

Im schlesischen Herzogtume Teschen liegt ein kleiner Kurort Namens Ustron. Seine Häuserreihen sind in eine Schlucht der Beskiden geklemmt und von der Rownitza und der Tschantori überragt. Wer Komfort sucht, der wende seine Schritte nach einer andern Richtung; das Gasthaus ist eine finstre hölzerne Baracke, und die Wohnungen in den Bauerhäusern, die von außen allerdings recht malerisch aussehen, haben auch vielerlei Unangenehmes. Ustron ist nur ein Aufenthalt für Brustkranke, die Schafmolke und Schlackenbäder brauchen wollen, oder für Freunde einer schönen Natur. Diesen beiden Gattungen von Menschen ist aber viel und Bestes geboten.

Die Physiognomie der Gegend ist eine durchweg eigentümliche, die weder in der Schweiz noch in Tirol Analogien findet. Die Beskiden sind die Vorberge der Karpathen, und die Umgebung von Ustron eine Vorstudie des ungarischen Gebirgscharakters, d. h. einer trotz Ritter und L. v. Buch noch fast gänzlich unbekannten Welt. Erst der Rassenkampf, der Ungarn in den letzten Jahren zerfleischte, hat das Land dem Westen wieder lebhaft genug in Erinnerung gebracht, um kühne Taucher in das Meer seiner Geschichte, seiner Entwickelung, seiner Verhältnisse und seiner grandiosen Natur hinab zu locken. Die gesamte zivilisierte Welt nahm teil an jener Tragödie, und als der Verrat gesiegt hatte und der aus purpurnen Mantelfetzen gottgnädiger Henker zusammengeflickte Vorhang die grauenhaften Metzeleien beschönigend zu verhüllen suchte, fiel dort eine Thräne des Mitleids, da krampfte sich eine Faust zusammen, und da machte sich ein Schrei der Wut, ein Schwur der Rache Luft, – überall aber blieb der Wunsch, mehr zu wissen von einem Lande, von einer Nation, die eine Kraft zu zeigen vermocht, wie sie sonst nur als Sage längstvergangner Zeiten in unsre Tage herüberklingt. Es war nicht die Leiche eines Gladiatoren, der noch zuletzt die Zuschauer um emporgestreckte Daumen angebettelt, es war der totwunde Körper eines ganzen Heldenstammes, der blutig und verstümmelt in der Arena lag. – An dies Ungarn grenzt das Gebiet von Teschen, die Berge um Ustron lassen von ihren Gipfeln tief in die Karpathenwelt blicken, deren Spitzen und Felsstirnen von der Tschantori aus gesehn einem schaumumspritzten, gischtumflognen, wildbewegten Meere gleichen. Sind es Berge, Schneefelder oder Wolken? Man kann es oft nicht unterscheiden, wenn man von der Vermessungspyramide aus mit seinem Frauenhofer nach der Lomnitzer Spitze hinüberäugt.

Es gibt anderwärts so gut Buchen, Fichten und Felsen wie hier, blauduftige Schluchten und zerrißne Wolken, die über Baumwipfel hinschleifen oder plötzlich einen ganzen Berg verhüllen, gehören überall zu den Requisiten einer Gebirgslandschaft, das Besondre liegt also in etwas anderem, in der Mischung des von der Natur gegebnen Form- und Farbstoffes und in den Werken der Bewohner.

Den besten Blick hat man von einem Abhange der Rownitza, unfern eines Steges über die Weichsel, die hier noch ein Bach ist, der Forellen hegt und mit zappelnden Wellen über breite, plattgeschliffne Kiesstücke schlüpft, aber seine Kraft und Bestimmung schon durch sein weites Inundationsbette verrät. Dicht unter uns also das Wasser mit dem langen, wackelnden Balkenstege, zur Seite eine einsame sehnsüchtig winkende Trauerbirke und jenseits der Ort, den der Schmelzturm des Hochofens und das Glockengehäuse der katholischen Kirche überragt. Die Häuser, die aus übereinandergefugten Föhrenbalken bestehen und graue Schindeldächer tragen, die fast bis zur Erde hinunter gehen, zeichnen sich durch Nettigkeit und Festigkeit in der Konstruktion aus; man erstaunt über die Mannigfaltigkeit der Form, die für dasselbe Bedürfnis und denselben Zweck gefunden ist. Brennholz, in kleine Stücke zerspalten und mit der Schneideseite nach außen gestellt, dehnt die Gebäude unten und macht, daß die langen Dächer sonderbar knapp aufgesetzt scheinen. Ein paar zigeunerhaft vergilbte alte Weiber, die, einen Gipsstummel schmauchend, irgendwie beschäftigt an den Hausthüren hocken, und als Gegensatz zu ihnen junge Frauen und Mädchen, die vom Scheitel bis zur Sohle in große, blendendweiße Linnentücher gehüllt sind, neben Männern mit der ungarischen Bonda und den breitrandigen Gorallenhüten, bilden die Staffage. Kommen sie des Sonntags reihenweise von den Bergen herab zur Kirche und ziehen langsam an den Abhängen hin, irgend eins ihrer wehmütigen Lieder singend, so kann man sich kaum etwas Gespenstigeres denken als diese beweglichen weißen Gestalten. – Von dem Platze am Fuße der Rownitza, von dem ich vorhin sprach, übersieht man das ganze Dorf, das sich scharf von der hinter ihm aufsteigenden Tschantori abhebt. Die Farben sind überall klar und weich abgetont, die Lichtblitze vom Wasserspiegel auf den Lufttinten reflektiert und in sie verwaschen: man sieht das ganze bunte Spiel mit an den Berg hinan und hat so eine immer wechselnde, fächernde Beleuchtung, die durch den blaugrünen Waldhintergrund, aus dem zerstreute Salaschen hervorsehn, wohlthuend und freundlich wirkt.

Es standen und stehen vielleicht noch dort, isoliert auf einem hart an die Weichsel vorgeschobnen Hügel, einige Dutzend uralter Buchen, die oben ineinander greifen, während die Wände des obligaten Pavillons von Haseln und Rüsternachschuß abgeschlossen werden, so daß der Ort Schutz und Schirm gegen Sturm und Wetter bietet, zugleich aber durch schmale mit grünem, geschmeidigem Golde umrahmte Fenster die eben geschilderte Aussicht frei läßt. Hier hatte sich vor Jahren eine kleine, aus den verschiedensten Elementen zusammengemischte Männergesellschaft niedergelassen, deren Glieder weder Kurgäste noch wissenschaftliche Entdeckungsreisende, ja nicht einmal Naturenthusiasten waren. Es galt eine Partie für einen Fremden zu arrangieren, und man hatte Ustron zum Ziele gewählt, obgleich es im ganzen für diese Gegend noch etwas früh im Jahre war. Der Fremde, für den es keiner Personalbeschreibung bedarf, war ich, den andern müssen wir notgedrungen etwas mehr Aufmerksamkeit schenken.

Die gewichtigste Erscheinung war ein kleiner, rasierter Mann, rund, rund und abermals rund; man kann ihn nicht genauer schildern, denn es war in der That alles an ihm rund, und die schwarzen, südlichen Augen blitzten mit ihrer Schlauheit sonderbar genug aus dem behäbigen Gesichte, so sehr sie auch sonst mit seinem Wesen verwachsen waren. Er hatte sich, um für alle Fälle durch den Einfluß der rollsüchtigen Kugelfläche nicht zu Schaden zu kommen, beide Seiten und den Rücken zu schützen gewußt, so daß er denn – freilich mit horizontal vorkugelnden Beinen – wie in einem Lehnstuhle versunken saß. Man muß zur Steuer der Wahrheit allerdings nachtragen, daß das ganze Sitzinstitut weiland aus einem ungeheuren Reisighaufen bestanden hatte, so daß einige Hoffnung vorhanden gewesen, auch seine Beine in einer bequemeren Lage zu sehn; allein eine unzeitige Wirkung des Gesetzes der Schwere drückte die dürren Blätter hinunter und auseinander, so daß er sank, als hätte er sich auf Wasser setzen wollen, und nicht eher zur Rast kam, bis er festen Grund unter sich hatte. Dieser Herr, der Kaufmann, Besitzer verschiedner Titel und Ehrendosen wie auch des Keimes zu irgend einem Orden war, hieß Giovanni Pesaro und bildete den guten Geist, den Geist des heiteren Lebensgenusses unter uns, sowie entschieden den Mittelpunkt des Kreises, da wir andern insgesamt ihm gegenüber mehr oder minder halbmesserhaft aussahen.

Durchmesserhaft muß es allerdings mit Bezug auf einen endlos in die Länge gezognen Justizrat heißen, der einen wunderlich viereckigen Kopf, kleine, gerötete Augen und einen Mund hatte, der eigentlich nur wie eine Korrektur mit roter Tinte auf einem vielbekritzelten Bogen grauen Konzeptpapiers aussah. Wie bei Herrn Pesaro alle Formen sphärisch waren, erschien Herr Werner als eine Mustersammlung von Parallelepipeden.

Ein blonder Jüngling, der sich in seinen zwanzig Jahren noch nicht an seine Nase gewöhnt zu haben schien, so viel machte ihm der kleine Flaschenkürbis zu schaffen, und eine breitschultrige stumme Person, ein verunglückter Gelehrter, den als Kandidaten einst eine reiche Witwe geheiratet, vervollständigte die Kompanie. Der letzte hatte in dankbarer Anerkennung des Geschmackes und der Verdienste seiner Ehehälfte alle Gelehrsamkeit an den Nagel gehängt und erstarb nun, da er, wie gesagt, geheiratet worden, in stummem Erstaunen über die Dampfnudeln und Fischsulzen seiner Frau. Er aß, der Blondin flog und war dumm, das Parallelogramm trank, die Kugel schlürfte, und ich war müde und darum munter. Es wäre auch nicht möglich gewesen, in solcher Gesellschaft einzuschlafen, hätte man auch außer den Augen keinen gesunden Sinn gehabt. Pesaros Stöhnen, das in Wellenlinien über seinen ganzen Körper lief, – Werner, an dem man die Friktion der überflüssigen Ecken sah und unwillkürlich das Knarren der Gelenke hinzudenken mußte, – der Zarte mit den geschwätzigen Fingern und seinen verhimmelten Augen, und endlich die schwammige Serviettenphysiognomie des Exgelehrten, – die Zusammenstellung war ja zu reich, als daß man sie hätte undurchblättert lassen können.

Ustron liegt in jener unglücklichen Gegend, in der man ein verzweifeltes Ding trinken muß, das zwar unter dem Namen Wein aufgetischt wird, aber gewiß einer reell verdünnten Mischung von Schwefelsäure und Bleizucker ähnlicher sieht als irgend einer Weingattung. Pesaro hatte denn auch vorsorglich ein Flaschenfutter großartigen Umfangs und in jeder Beziehung seines Herren würdig mitgenommen und den Inhalt durch unsern Stummen und den Blonden an Ort und Stelle tragen lassen. Ich selbst war mit einem großen Gefäße, weder Topf noch Kübel, gewiß aber ein Mittelding zwischen beiden, belastet; Pesaro führte in jeder Tasche seines Rockes eine Tüte Zucker, und Werner besorgte fünf Gläser nebst einer Kelle, deren Stiel durch sein Knopfloch gezogen war. Wir betrieben eine Idylle, frei nach Vossens Luise, wie der Blonde behauptete, der große Belesenheit besaß und vorhatte, sich nach Voß, Klopstock und Uz zum Universaldichter des neuen Jahrhunderts zu bilden.

Nachdem wir den Platz wohnlich gefunden und uns in aller Form installiert hatten, ergab es sich, daß ich gezwungen war den Steward zu machen, da außer mir nur der einmal festgerollte Pesaro jenes langstielige, quirlblättrige, aromatische Kraut kannte, das zur Erfüllung unsres Zweckes unentbehrlich war. – » Asperula odorata?« hauchte der Blonde schmelzend und zog dabei ein Gesicht, als fürchte er, man könne glauben, er sei vierzehn Tage kürzer von Schulbank und Bakel emanzipiert, wenn ihm noch irgend ein botanischer Name bekannt klänge. – »Das ist eine Art Spargel, wie der Name zeigt!« meinte der Justizrat und riß, indem er seinen Kopf durch eine Seitenbeugung in eine Raute verwandelte und ihn so auf leichte Weise mit der Spitze vor zwischen mir und Pesaro durchkeilte, einige arme Feldspargel ab, die er in unsre improvisierte Terrine werfen wollte. – Ein Schrei des Entsetzens, gefolgt von tiefem Aufstöhnen, entfuhr Pesaro; der Gelehrte machte sich durch einen unartikulierten Laut Luft, in den er auf bewundernswürdig konzinne Weise eine Reminiszenz seines ehemaligen Wissens, eine Bemerkung über Assonnanz von Asperula und Asparagus, Schadenfreude über den Mißgriff des Juristen und Beruhigung über meine Erklärung dem Übel durch eigne Werkthätigkeit abzuhelfen, zusammenpreßte. Es ist meine Überzeugung, daß er an all diese Dinge dachte, denn er zog während des musikalischen Halters über seinem Schrei hintereinander all die Gesichter, die zu obigen Texten gehören. Er dachte das alles, aber seine Zunge war wegen Mangels an Nachfrage in seinem eignen Hause fest eingerostet; er brachte es nicht mehr bis zum Sprechen, weil auch seine studiertesten Reden gewohnt waren, wie ein protestierter Wechsel, wie einer der berüchtigten E-Sechser als wertloses Gut zurückgewiesen zu werden.

So ging ich denn allein aus und fand bald am Saume jüngeren Buchendickichts unser Maitrank-Requisit in Menge.

Ich hatte schon genug und mehr davon gesammelt, als mir ein einzeln stehender Stengel auffiel, der von Farrenfächern überwölbt war und schlank aus einem kleinen Kreise zarten Mooses emporstieg. Es war eine schöne, kräftige Pflanze, die eben ihre kleinen Blüten aus den Blattwinkeln streckte. Zwei schwarze Sphinxe mit roten Punkten auf den Flügeln hingen an ihr: es sah aus, als ob sie mit ihr flüsterten. Auf dem Moosfleckchen saß eine große braune Schnecke ohne Schale, die ihre Taster bald da- bald dorthin wendete; es blieb zweifelhaft, ob sie die Wächterin spiele, oder ob sie sich besinne, wo sie den Waldmeisterstengel zuerst annagen solle. Ich betrachtete die Gruppe einen Augenblick und langte dann mit der Hand nach der Pflanze, um sie, grade weil ich ein inneres Widerstreben fühlte, mitzunehmen. Sonderbar genug, in demselben Momente bog sie der Wind zur Seite, und ich faßte in die Luft. Ich griff zum zweitenmale nach ihr, da flog ein Rotkehlchen, recht als sollte meine Aufmerksamkeit mit aller Gewalt abgelenkt werden, dicht an mir vorüber und setzte sich kaum zwei Schritte abseits auf einen Zweig. In der That ließ ich mich für Sekunden bestechen, faßte dann aber doch wieder fest nach meiner Asperula und riß sie mit der Wurzel heraus. Die Sphinxe fielen herunter und lagen wie tot auf dem Rücken; das Mooskränzchen war zerstört, lose Erde rieselte darüber; die Schnecke setzte sich in Marsch, der Vogel pfiff wehmütig, sah mich noch einmal an und strich dann eilig in das Dickicht hinein.

Es war die einzige Pflanze, bei deren Tode ich mit Bewußtsein zu Werke gegangen war, ich steckte sie daher mit einer eigentümlichen Scheu recht mitten in mein Bündel hinein, um sie nicht mehr zu sehn. Gleichwohl drückte mich's, und meine Kräuter schienen durch den einen Stengel eine Bürde geworden. Ich war darum auch unzugänglich für die Lobsprüche Pesaros, der bei der Annäherung des Genusses auflebte und von Humor sprudelte, ja ich rechnete es mir nicht einmal zum Verdienste an, daß ich den Dichter der Zukunft zu dem Geständnisse zwang, einige botanische Kenntnisse seien mitunter nicht bloß für Schulknaben geziemend, sondern auch für Männer höchst vorteilhaft und sogar eine gesellige Tugend, – wie der vorliegende Fall deutlich bewies.

Ich rupfte, von dem Stummen unterstützt, die Kräuter zurecht und erzählte bei diesem Geschäfte obenhin, daß mir soeben wieder eine Ammenstubensage eingefallen sei, die grade so aussieht, als hätten die patentierten Kindererzieherinnen eine Ahnung von der geheimen Bedeutung des Tier- und Pflanzenlebens gehabt. Sie gehört in die Reihe der Feen-, Elfen- und Hexengeschichten. Die höher begabten Wesen müssen, jener Sage nach, gewissermaßen zur Sühne für den Genuß übermenschlicher Kraft alle Jahre einen Tag Tier- oder Pflanzengestalt annehmen und sich allen Zufälligkeiten, allem Mißgeschick, das den untergeordneten Reihen droht, aussetzen. An solchem Tage können sie leiden und sterben. Geht er glücklich vorüber, so leben sie wieder verjüngt auf und ihre Blumenperiode, ihre tierische Hülle liegt wie ein Traum hinter ihnen. Ist die Sache erfunden, um den Zerstörungstrieb der Kinder, das wilde Abreißen von Blumen und das Quälen kleiner Tiere durch eine Appellation an ihre angeborne Gutmütigkeit zu hindern, oder ist es ein naturfreundlicher Gedanke ohne alle direkte Tendenz, – immer bleibt es ein Stück echter Poesie, und mich dauert's fast, sagt' ich, daß ich nun vielleicht sogar mehr als wir brauchen von dieser Pflanze vernichtet habe.

»Ja, Poesie ist darin!« sagte der Jurist entsetzlich trocken und entkorkte dabei die Flasche, die er eben vorhatte, indem er sie zwischen seinen knochigen Knieen festzwickte.

Der Blonde hatte sein Taschenbuch hervorgeholt und machte eilig Notizen. Ist unterdes ein Gedicht ähnlichen Inhaltes von ihm gedruckt worden und kennt es jemand, so bemerke ich ausdrücklich, daß ich nicht sein, sondern mein eigner Plagiarius bin, wenn ich die Sache wieder erzähle, wie ich sie damals durchgelebt habe.

»Nun, wenn Sie zufällig ein Hexchen mit gefangen haben«, lachte Pesaro, »so machen wir der Person in aller Form den Prozeß.«

»Ich glaube nur, daß im heutigen Strafrechte keine Vorschriften für einen solchen Fall enthalten sind; ich würde in Verlegenheit sein und Instruktionen einholen müssen, ehe ich irgend eine Prozedur vorzunehmen wagte«, bemerkte der Justizrat nur halb im Scherze, denn seine Ohren stellten sich, und in seinem Gesichte prägte sich staatsanwaltlicher Verfolgungseifer aus.

»Dummes Zeug!« rief Pesaro, »als wenn sich Ihre Paragraphen nicht auf alles beliebig anwenden ließen, als wenn ich nicht immer grade die Prozesse gewonnen hätte, deren Verlust ganz unzweifelhaft war! Brauchen Sie Instruktionen, so will ich Sie Ihnen kurz geben: man ersäuft die mutmaßliche Hexe zur Probe; damit ist's abgemacht. Geht sie ohne weiteres unter, so geschieht ihr, was recht ist, dann war sie schuldig; schwimmt sie oben, so hilft ihr der Teufel, und sie muß mit Stangen so lang' unter Wasser gesetzt werden, bis sie tot ist. Haben Sie davon nie gehört? Die schöne Agnes Bernauerin wurde genau nach diesem Rezepte behandelt, – daher weiß ich's. Wir sind nobler, wir ertränken sie in Wein. Da, drücken Sie den Stengel, der sich durchaus nicht zum Liegen bequemen will, in den Topf zurück …«

Ich hielt die Kelle und tauchte unwillkürlich, und ohne genauer hinzusehen, die Pflanze unter. Sie hob ihren Kopf wieder empor, und ich glaube, daß es jene einsame gewesen, da mir an keiner anderen die Blüten aufgefallen waren. Dasselbe Spiel wiederholte sich während der Bereitung des Getränkes und während des Gelages selbst; es schien, als ob trotz aller Knicke und Brüche, die das arme Geschöpf erhalten hatte, der Drang nach Licht und Luft, die Lust am Leben in ihm unbesiegbar wäre. Immer in die Flut zurückgestoßen, schnellte es sich immer wieder mit unbegreiflicher Elastizität empor und hielt die Oberfläche der Bowle durch sein Zucken unter und über der Flüssigkeit in steter Bewegung. Perle nach Perle stieg auf, und Ring nach Ring entstand, dehnte sich aus und verlor sich an den Wandungen des Gefäßes. Das Gespräch stockte.

»Die verdammte Hexe hat meinen guten Moselwein vergiftet, ich bring's nicht übers Herz, lustig zu sein«, stöhnte endlich wieder Pesaro. »Ist denn alle Welt melancholisch geworden, so daß niemand mehr einen Laut von sich gibt?«

Er erhielt keine Antwort. – Ich starrte in die Flut, aus der mit dem Dufte des Krautes zugleich ein zarter Nebel aufstieg. Dieser Hauch, mit verschwimmenden Konturen an Himmel und Berg angeweht, begann sich zu formen, er wurde ein weiter, glitzernder Schleier, trüb und leuchtend zugleich, als sei er aus mattem Silber gewebt. Er floß in reichen Falten über eine Gestalt, an deren Haupt er fest genestelt war; man sah, daß er sich an weibliche Formen schmiege. Nach und nach wurde er dunkler und undurchsichtiger, dann kam eine feine weiße Hand hervor und schlug ihn langsam zurück. – Ich wollte laut aufschreien, aber meine Zunge war gelähmt. Ein wehmütiges Zucken flog über das Gesicht, in das ich starrte, im nächsten Augenblicke flammten mir zornige, wilde, höhnische Blicke entgegen und es war, als ringe sich ein furchtbarer, stummer Fluch von den fahlen Lippen jenes Kopfes los …

Ich hatte dies zarte, bleiche Gesicht schon gesehn; ich war diesen schwarzen, kalt lodernden Augen schon begegnet. Zuerst in meiner Kindheit, am Abend vorher, ehe ich schuld war, daß mein Bruder starb. Damals kam eine stolze vornehme Dame in unser Haus, ihr Wagen war gebrochen und sie nahm für eine Nacht unsre Gastfreundschaft in Anspruch. Wir waren neugierig, wie Kinder sind, und sahen durch den Spalt der offnen Thüre in ihr Zimmer. »Das ist wohl eine Königin!« sagt' ich. Mir imponierte die große edle Gestalt in dem schwarzen Samtkleide, das am Halse durch einen funkelnden Stein geschlossen war. Sie hatte meinen Ausruf gehört, kam an die Thüre, nahm mich auf den Arm und küßte mich. Ich, der sechsjährige Knabe, küßte damals zum erstenmale mit dem Bewußtsein zu küssen wieder. Sie sprach nicht deutsch, aber es war mir doch, als ob ich sie verstände, und so wie sie mich auf den Knieen sitzen hatte, wäre ich gern die Nacht über sitzen geblieben. Als ich am Morgen aufstand, war sie fort. Ich hatte von ihr geträumt und weinte darüber, daß ich sie nicht mehr sehen sollte. – Nachmittags fanden wir im Garten ein Brett, das zersägt werden sollte, über einen Bock gelegt und machten eine Schaukel daraus. Bald schwebte mein Bruder, bald ich hoch in der Luft. Plötzlich war mir's, als käme die Dame, an die ich fortwährend dachte, auf uns zu und wolle mich küssen. Ich war eben an der Erde und warf mich sogleich herunter, um ihr entgegen zu eilen … Ein Schrei, ein dumpfes Stöhnen hinterher … Mein Bruder war, da ihn kein Gegengewicht hielt, kopfüber herunter geschlagen und lag besinnungslos da. Er hatte eine Wunde am Kopfe, bekam eine Gehirnentzündung und starb wenige Wochen darauf …

Dann war es in Rom, im Kolosseum. Ich kam mit einer Familie, die mir befreundet ist, kurz vor Sonnenuntergang hinein, wir stiegen über den Bogen herum, sammelten einige dem Orte eigentümliche Pflanzen und kletterten hernach wieder in den Zirkus hinab. An dem großen Kruzifixe knieete ein Weib in brauner Kutte, die Kapuze über den Kopf gezogen, und schien zu beten. Da wir annahmen, die Person verstehe unsre Sprache nicht, fielen ganz in ihrer Nähe herbe Worte über den traurigen Bigottismus der Italiener, der um so widerwärtiger, da er rein formell und nichts weniger als wesenhaft und denkkräftig sei. – Die Gestalt erhob sich ruhig und würdevoll, trat dicht vor mich hin, warf die Kapuze in den Nacken und zeigte ein weißes durchsichtiges Antlitz von blauschwarzen Haaren umflogen, aus dem wieder jene schrecklich schönen Augen, die ich nie vergessen werde, mir entgegen strahlten. Die Frau hob ihre Hand in die Höhe, als wolle sie mir drohen, wickelte sich dann aufs neue in ihre Kutte und war verschwunden, ehe ich mich noch erholen konnte. Die andern meinten, es sei eine schöne Pilgerin gewesen, ein elastisches, jugendliches Weib, dem ich offenbar gefallen haben müsse, da es sich nur für mich demaskiert und nur mich eines Blickes gewürdigt habe. – Nun, die Unbekannte war schön und das Bild im Abendlichte mit diesem Hintergrunde ganz unvergleichlich, – aber der Kopf war derselbe, den ich mir vor zweiundzwanzig Jahren eingeprägt. – Ich bekam ein Fieber, und als ich wieder gesund geworden, erfuhr ich, daß an demselben Tage, an dem ich jenes Weib wieder gesehn, meine Mutter geschieden war …

Zum drittenmale sah ich meine Verfolgerin bei Schaffhausen, auf dem Schaugerüste, das von Schloß Lauffen aus in den Rheinfall hinein gebaut ist. Ich war mit einem Freunde zusammen übergefahren und hinunter geklettert; wir waren nicht allein, eine dicht in Shawls gewickelte Dame hatte bereits von der Ecke gegen den Fall Besitz genommen. Das donnernde Schauspiel machte, obgleich wir es beide schon gesehn, den alten mächtigen Eindruck auf uns, unsre Nerven zitterten, unsre Pulse flogen, die Natur spielte ein Tremolo auf der Baßtuba, und wir zuckten es nach. Mein Freund fiel mir um den Hals und versprach mir ein Geständnis. Gleich darauf ging die Dame fort. In der Pforte wendete sie sich um, – es war die Reisende von Sauseneck, die Pilgerin vom Kolosseum. Der Ausdruck ihres Gesichtes war verächtlich und spöttisch, vom Kahne aus winkte sie noch mit ihrem Tuche herüber, als wolle sie meine Erinnerung auffrischen. Ich wurde ohnmächtig, mein Begleiter schleppte mich mühsam hinauf, verschaffte mir ein Bett und erzählte, daß das Toben der Kaskade mich so angegriffen habe. – In der Nacht bat ich ihn, mir sein Geständnis zu ersparen, denn ich fürchtete diesmal mit Recht das Übel von dieser Seite. Aber er versicherte, daß er endlich reden müsse, um größeres Unheil zu vermeiden; die Predigt der Natur, die ihm der Rhein in die Ohren gebrüllt, habe ihn erschüttert, gedemütigt, vor sich selbst entsetzt, er müsse nun beichten. – Und er beichtete. Dieser Mensch hatte mir still und konsequent die größte Hoffnung, die ich je genährt habe, untergraben. Er hatte Lüge an Lüge gesponnen, um mich zu verdächtigen und sich zu heben: ihm war kurz ehe er mich auf der Reise traf die Hand eines Mädchens zugesagt worden, das ich erringen wollte und das ich gewonnen zu haben glaubte, ohne ihm je eine Silbe von Neigung gesagt zu haben. Ich war elender als je zuvor; die Thränen, die Reue, die Bekenntnisse jenes Mannes konnten nichts gut machen, man hatte Sorge getragen, der Geliebten auch die Möglichkeit meiner Liebe als Unmöglichkeit darzustellen und alles, was ich tief empfunden hatte, zu gleichgültiger Kourtoisie zu lügen. Ich mochte den Menschen nicht mehr sehn und ging nach einer andern Richtung als er, der zu seiner Braut zurückkehrte, um sie zu seinem Weibe zu machen.

Es war wenige Monate darauf, daß ich, durch Zufall nach Ustron verschleudert, jenes Schreckbild wiedersah und in einem Momente all die Szenen, die ich eben erzählte, samt ihren Folgen an mir vorübergehen ließ. War's nun ein Wunder, daß ich starr wurde und weder meiner Bewegung noch meiner Sinne mächtig war?

Sie trug wieder ein schwarzes Kleid, aber es war nicht prächtig und königlich, sondern einfach und grob wie ein Trauergewand. Statt der funkelnden Agraffe hatte sie eine blutrote Nelke vorgesteckt und in der Hand hielt sie eine Lilie, deren Kelchblätter welk waren und zerknickt. Sie berührte meine Augen damit, und ich sah nicht mehr die grünen Hecken, nicht mehr die Buchenstämme mit den riesigen Schwämmen, nicht mehr die Gesichter der Schläfer um mich her: – ich war in einem öden Vorzimmer auf glattem Parkett, gegenüber einer Pendule, die man aufzuziehen vergessen, oder die man angehalten hatte, weil sie zu viel Geräusch machte. Ich ging weiter, Teppiche dämpften den Laut der Schritte, alles war stumm, alles in augenscheinlicher Verwirrung, und ich hatte diese Umgebung belebt, kerzenstrahlend und heiter gesehn. Ich öffnete eine Thüre, durch die ich früher nie gegangen. Im nächsten Zimmer sprach eine bekannte, unsäglich liebe Stimme in gebrochenen Lauten Abschiedsworte und sank dann schmerzlich und sehnsüchtig, als hätte sie noch nicht alles gesagt, in sich zusammen. – Ich sah hinein, es war das Schlafgemach jenes Mädchens, das mir geraubt worden. Das wunderbare Wesen lag bleich und verfallen in den Kissen, seine Augen sprühten krankhaftes Feuer, sein Atem mußte heiß sein, denn ich glaube, er brannte aus den glühenden Lippen bis zu mir herüber. Weinende Frauen knieten um das Mädchen herum, am Fenster stand ein Mann, der mit gerungenen Händen den Kopf an die Scheiben preßte: das war ihr Vater. Ihr Bräutigam war nicht da. Mich drängte es vorwärts, ich trat über die Schwelle. Anna sah auf, und es war, als kehre der entfliehende Lebensstrom noch einmal voll und warm in sie zurück; ihre Wangen röteten sich, ihre Augen verloren den trüben Glanz und ihr Atem wurde ruhiger und fester. Sie reichte mir beide Hände entgegen, der nahe Tod hatte alle Schranken niedergeworfen, niemand störte uns, wir konnten am Rande des Grabes endlich so ehrlich sein, als wir's im Leben nicht gedurft.

»Du kommst zu spät, Kurt«, sagte sie, »zu spät für dich und mich. Wir müssen Abschied nehmen, leb wohl, du, den ich lieb gehabt, so sehr ich gekonnt. Ich muß gehn, leb wohl!«

Und es war so. Sie nahm meinen Kopf zwischen ihre Hände, küßte mir Stirn und Augen, sank dann zum Munde herunter und blieb so, fest an meine Lippen gedrückt, bis ihr Kopf schwer und kalt geworden, bis sie tot war …

»Sie soll und darf nicht sterben!« schrie ich auf und schlug mit meinem Stocke nach der Zaubergestalt, die ich jetzt wieder statt alles andern mir höhnisch gegenüber erblickte.

Der Schlag traf den Topf, die Scherben flogen umher, und ich sah deutlich in den Resten unsrer Bowle, die über die Kräuter rieselten, tausendfach die schwarze Gestalt mit den grassen Augen, dort immer noch höhnend, da wehmütig und still mit geschlossenen Augen, das Antlitz einer Sterbenden.

Der Zauber war gebrochen, die Asperula tot … »Plagt Sie denn die verdammte Hexe noch immer?« fragte Pesaro und rieb sich verdrießlich die schlaftrunkenen Augen.


Craw brach ab, nahm sein Heft zusammen und steckte es ein.

»Sie hatten insgesamt sehr viel Maitrank zu sich genommen, geschlafen und geträumt! Das ist die Lösung des Rätsels, wenn ihr Hexenprozeß sich an eine Thatsache anlehnt«, sagte Cecile.

»Wie kam es nun, traf Sie wieder Schlimmes, verwirklichte sich der entsetzliche Traum, den Ihnen die Asperula vorgezaubert? Sagen Sie uns das!« rief Luise, die mit gefalteten Händen zugehört hatte. Ihre Züge waren während der ganzen Vorlesung in wechselnder Bewegung geblieben und hatten mimisch in dem Stücke mitgewirkt, das Craw musikalisch vortrug. Seine klare, feste Stimme war ab und zu schneidend scharf geworden wie eine übermäßige Septime, die lang gehalten wird und Boden gewinnt, obgleich sie schrillt und verletzt; das Pathos seines Vortrags wurde unterbrochen durch leicht hingeworfene Töne, die wie Selbstverhöhnung klangen, und aus der atemlosen Melancholie des Schlusses, aus dem Larghetto eines Abschiedes für jetzt und immer, hatte er die Zuhörerinnen aufgerüttelt durch einen derben männlichen Akkord derselben Tonart, in der er begonnen. Und doch war es grade diese orthodox musikalische Versöhnung und die Wiederkehr derselben Kadenz, es war dies plötzlich hineingreifende Dur mit seinen springenden Triolen, das die verklungnen Mollgänge und Dissonanzen bestimmter und wilder in Erinnerung brachte.

»Sagen Sie uns das! Es ist ein Stück Leben, das Sie uns vorgelesen, nicht wahr? Lassen Sie uns alles wissen?« bat Luise mit der ganzen Weichheit ihrer Stimme und der innigsten Teilnahme.

Cecile lächelte spöttisch; sie verriet nicht, daß sie ebenso neugierig war als ihre Tochter.

»Es ist ein Stück meines Lebens, ja nicht nur ein Stück, sondern eine Biographie, in der kein Hauptkapitel fehlt. Ich habe nichts hinzuzusetzen, es ist alles gesagt. Der Traum hat sich erfüllt, buchstäblich erfüllt. Moos wächst über den liebsten Augen, in die ich je gesehn, grünes Moos und ein Rosenbusch … Wollen Sie auch noch fragen, wer diese Rosen gepflanzt hat?«

»Aber das Märchen komponierten Sie hinterher, die Hexe ist Ihre Erfindung, Sie sahen nie ein solches Weib, das Ihr Geschick zwischen seinen Augenbrauen trug. Das Ganze ist eine Prophezeiung nach geschehener That, von Ihrer Phantasie zurecht gedreht und absichtlich in lustige Szene gesetzt, damit das Grausen nicht überhand nimmt und man den Verfasser nicht etwa gar für einen Hexengläubigen hält.«

»Es ist nicht ganz so, und ich möchte schwer bestimmen können, was die Phantasie hier gethan hat!«

»Bah, Sie wollen Luise furchtsam machen, denn mich werden Sie doch nicht überreden wollen, Craw-Gillen, der Naturvertiefte, sei plötzlich unter die Mystiker gegangen und sähe Gespenster.«

»Ist denn die Natur nicht ein Mysterium? Hat sie etwa nicht mehr Kräfte, als wir kennen, steckt in dem Spruche der Rosenkreuzer: In verbis, herbis et in lapidibus! nur Narrheit? – Die Kritik unsrer Tage ist nicht mehr die brutale Negationstücke der Dummheit, die alles für Lüge gibt, was sie nicht erklären kann. Wie man früher sogenannten Wundern gegenüber nur die platte Aushilfe hatte zu sagen – das ist erfunden, das ist nie geschehn, denn es ist unmöglich; so entdeckt man jetzt durch die Fortschritte der Naturenträtselung immer mehr, daß jene Thatsachen nicht nur möglich, sondern gewiß, – aber darum noch lang nicht das sind, was man Wunder nennt. – Moses, der nicht Lust hatte, Profane in sein Laboratorium dringen zu lassen, wendete einfach ein Mittel an, das noch heute unter Studenten gebräuchlich ist, die von ihren Manichäern nicht belästigt sein wollen: er elektrisierte eine Metallplatte, die von Unkundigen beschritten werden mußte, wie man jetzt Thürschnallen elektrisiert. Es gab einen Schlag, die Unberufnen stürzten zusammen und starben aus Schreck über den vermeintlichen Zorn Jehovas oder wurden als Übelthäter erschlagen. Die ›Rotte Korah‹ sprengte er in die Luft, und diese Pulververschwörung gegen die erste ›freie Gemeinde‹ heißt auch ein Wunder. Schlagender aber noch als diese Sachen wirkt eine Entdeckung des letzten Jahres, eine von Professor Ehrenberg getaufte mikroskopische Pflanze. Sie setzt sich als eine Art Schimmel auf Schnittflächen von Backwaren und bildet, wenn sie klumpenweise zusammensteht, gallertige, blutrote Tropfen. Erinnern Sie sich nun jener von Juden durchstochenen, blutenden Hostien, an denen man wenigstens das Blut zur Fabel oder zum Pfaffentruge machte, da man die Tausende von Juden, die im Mittelalter solchem Wunder geopfert worden, nicht aus den Chroniken löschen konnte. Das Pseudoblut ist nun eine als einzelnes Gewächs unsichtbare Pflanze geworden, die Täuschung erklärt, aber auch das Faktum in sein Recht gesetzt. Hätten die Leute damals Mikroskope und Männer wie Ehrenberg gehabt, so wäre das Wundergeschrei unterblieben.«

»Das, was Sie sagen, paßt übrigens sehr wenig auf das, was ich wissen und erklärt haben will.«

»Es gehört zur Sache und hilft beweisen, daß Hexen und Zauberinnen, Schwarzkünstler und Magier aller Art nichts waren als Kluge, Wissende unter den Dummen. Sind Bosko und Döbler, denen wir mit Vergnügen zusehn, nicht ganz das, was man ehemals mit dem Scheiterhaufen büßen mußte? Gehn wir indes tiefer darauf ein und kommen auf die eigentlichen antiken und mittelalterlichen Hexenküchen, so finden wir auch da in der Natur keinen direkten Widerspruch gegen die Möglichkeit verschiedner Kunststückchen, die uns jetzt im ersten Augenblicke ein ungläubiges Kopfschütteln abnötigen. Eine Menge von Rezepten ist verloren gegangen, andere, die wir in der alten Form besitzen, sind nicht anwendbar, weil wir das Kraut oder das Fossil nicht zu erkennen vermögen, das sich entweder unter einem vergeßnen oder absichtlich verschleierten Schulnamen verbirgt, – es fehlt uns also jeder Maßstab, die Treue der Berichte über den Erfolg dieser oder jener Arzneigabe zu prüfen. Die ›Zauberinnen‹ waren Wesen, die isoliert von den Menschen in Wäldern und Klüften lebten; ihre Einsamkeit trieb sie zur Beobachtung der Natur, oder vielleicht die Liebe zu dieser in jene, und es war ihnen leicht, die Wirkung verschiedner Kräuternahrung auf Tiere genau festzustellen, die stärkere oder geringere Affektion gewisser Organe zu bestimmen und dadurch auch bei Menschen genaue Resultate zu erzielen. Nehmen sie nur erst an, daß jedes Organ seine bestimmte, sogenannt geistige Funktion hat, so daß man direkt, durch die Steigerung der Thätigkeit dieses Organes, Gedanken, Bilder und Handlungen hervorrufen kann; setzen sie ferner die unzweifelhafte Möglichkeit fest begrenzter Wirkung bestimmter Dosen von Pulvern, Tropfen, Elexiren u. s. w., wie sie heute noch die Arzneikunde braucht, in dieselbe Reihe, so hören selbst Liebestränke und dergleichen kleine Teufeleien auf, undenkbar zu sein.«

»Liebestränke, die ein Gefühl für bestimmte Personen erwecken?«

»Das ist leicht zu verstehen, da die Person, die das Tränkchen gemischt, gewiß nahe zur Hand ist, um den Erfolg zu beobachten, also wahrscheinlich die nächste Veranlassung zu einer Erklärung der erwachten Gefühle gibt. – Was weiß ich übrigens, wie weit der Magnetismus reicht, und ob er durchaus so plumper Mittel bedarf. Ich sage Ihnen, die Weiber in Thessalien wußten, da sie bloß experimentierten, mehr von den Einzelkräften der Natur als wir heute. Der Giftkram, der damals viel verbreiteter war als jetzt, that das seinige dazu, und die Charlatanerie, die jene ›Hexen‹ anwendeten, um gesucht zu werden, ihre Absonderung von den andern Menschen und mancher Schabernack, den sie Ruhestörern spielen mochten, alldies sorgte für den Ruf, in den sie nach und nach kamen. Die Dummheit und der Aberglaube that den Rest. Statt ihr Treiben für die Wissenschaft auszubeuten, verbrannte und ersäufte man sie, und ihre Erfahrungen gingen zum größten Teile unbenutzt und spurlos verloren.«

»Entschlüpfen Sie nur nicht immer wieder, wenden Sie nun Ihre Hexentheorie auf den vorliegenden Fall, auf Ihr Märchen an. Welche Rolle schreiben Sie der rätselhaften Dame zu, wenn Sie ernst sein wollen. Mit Ihren allgemeinen Notizen lasse ich mich nicht abfinden.«

»Nehmen Sie es doch hin, wie ich's gebe. Splittern Sie das Wunderbare des Traumes durch eine Denunziation meines Gehirnes ab; weisen Sie nach, daß mir der Wein zu Kopfe gestiegen war, daß der Waldmeisterduft meine Nerven zittern machte und ein Dutzend siedendheißer Erinnerungen auf diesen zuckenden Strängen Triller schlug und seiltanzte … Thun Sie damit, was Ihnen beliebt, die Sache ist, wie sie ist. Ich habe dieselben Augen mich viermal spöttisch grüßen sehn und viermal darunter gelitten …«

»Blieb die Dame denn immer gleich jugendlich, obgleich zwanzig Jahre und mehr zwischen dem ersten und dem späteren Begegnen lagen?«

»Ihre Züge blieben dieselben, soviel ich sehn konnte, da es immer die Augen waren, die mich gebannt hielten. Vielleicht war's indes auch eine andere Person mit ähnlichen Augen, und ich täuschte mich aus Gründen, die mit jenem schrecklichen Begebnis aus meiner frühesten Kinderzeit innig verwachsen sind.«

»Und war Ihre Anna wirklich tot?« fragte Luise.

»Sie starb in dem Moment, in dem ich erfuhr, daß sie meine Anna hätte sein können.«

»Das ist betrübt, bestätigt aber nichts und klärt nichts auf«, sagte die Gräfin hartnäckig. »Wenn das Ihre gepriesene Klarheit ist, daß Sie all die alten, abgethanen Unklarheiten wieder hervorsuchen und verteidigen; wenn Sie im Kreislaufe Ihrer Forschungen durch alle Sonnenhelle und Himmelsnähe nur wieder zu den Nebelbildern zurückkehren, die wie ossianische Gestalten hinter Wolkengardinen hervorlauschen und auf ein Stichwort erscheinen, um auf ein anderes in die nächste Versenkung hinabzufahren, so sehe ich gar nicht ein, was die Menschen davon haben sollen, und wie Sie ihnen dadurch vorwärts helfen wollen. Es ist eine neue Art, alte Rätsel durch das Schmieden neuer zu lösen, deren Lösung wieder die alten sind. Ich hatte Besseres von Ihnen erwartet. Sie gehn den Weg, den bis jetzt alle Naturphilosophen gegangen sind! Ihre Resultate sind hübsche Träume, phantastisch aufgeputzte Märchen, geniale, aber im Grunde wohlfeile Kombinationen, da Sie immer nur Reliefs zeichnen, deren Rücken man nicht sehn kann. Ihre Medaille hat keinen Revers, wenigstens keinen authentischen, Sie können also davon erzählen, was Ihnen recht scheint. Das, was Sie uns heute mitgeteilt, gibt mir den Schlüssel zu der sonderbaren Spirale, die der Gedankengang mehrerer berühmter deutscher Philosophen der Neuzeit beschrieben. Die Herrn fingen beim Glauben an, arbeiteten sich bis zum Wissen durch und endeten zuletzt mit einem Salto mortale in den Mystizismus …«

»Glaubten sie nun aber zuletzt dasselbe, was ihnen früher die Tradition geboten, oder war nicht selbst ihr Mystizismus ein Fortschritt? Waren sie zum Ausgangspunkte, zu dem alten Glauben und Wissen zurückgekehrt, oder öffnete sich vor ihnen ein neues Feld des Forschens, wo das Erkennen noch nicht Raum fand, weil die realen, die Experimentierwissenschaften den Stoff zu Kombinationen und Schlüssen noch nicht vorbereitet und gesichtet hatten? – Immer der alte Vorwurf. Sie sticheln auf Schelling und Oken, ich mag sie nicht verteidigen oder doch für den ersteren, der einmal mit ernsthaftem Gesichte beschwor, er habe gelegentlich das Schwanzwedeln des Absoluten gesehn, keine Lanze brechen. Oken aber ist stichfest, soweit ihm Experimente und Untersuchungen zu Gebot standen. Was wollen Sie denn? Der Anfang und das Ende des Wissens ist Spekulation …«

»Jüdische Spekulation! Ein Schacher mit Thesen und Antithesen, die Universitäten sind ihre Börsen und die Katheder ihre Banken.«

»Ich spekuliere nicht und bin weder Börsenmakler noch Bankier in Ihrem Sinne. Jeder große Gedanke tritt eine Narrheit in den Staub und krönt sein Haupt mit einer andern, Weisheit und Unsinn lebten seit jeher in herzinnigstem Vereine, es kommt nur auf die Beleuchtung an, welche Seite blau oder grün scheint, gerade wie bei einem Stücke Schillertaft. – Fassen Sie das Leben doch wie es ist. All die sichtbare Gerechtigkeit und konsequente Harmonie in der Welt, von der die Dichter singen und die Prediger plärren, ist ja Irrtum und Wahnsinn. Alle Saiten in der Natur sind gleich berechtigt und gleich gespannt wie an einer Äolsharfe; die Lebenskraft und die Entwickelungsnotwendigkeit sind es, die in das Instrument hauchen und die Saiten schwingen und tönen machen. Hörten Sie je an einer Äolsharfe das, was man reinen Akkord nennt? Hörten Sie dort je eine Kadenz, die Sie auf irgend einem nach Regeln gebauten Instrumente hätten wiedergeben können? Nein und abermals nein! Die Äolsharfe ist ein streng natürliches, rein dämonisches Instrument, seine Quasi-Akkorde sind unberechenbar, seine Tonreihen haben andere Intervallen als die unsres Generalbasses, – die Musik der Äolsharfe ist ihrem innersten Wesen nach eine ewige, gezogne, zitternde Disharmonie. Während die eine Saite das Tremolo einer betenden Hoffnung crescendo durch die Luft zittert, trägt ihre Nachbarin das wollüstige Weh einer großen Liebe gehalten und mächtig, sie schwingt gleichmäßig und ruhig, ohne sich um das gespenstige Klagen und Zischen, um den abgerißnen, metallisch klirrenden Schrei dieser oder jener andern Saite zu kümmern: – es ist ein Gewirr ohnegleichen, ein Durchkreuzen von Plänen und Gedanken, ein Erwachen und Hinsterben, süßes Leben und wütende Verzweiflung, verschiedner Takt nebeneinander, durcheinander, gegeneinander … So und nicht anders, Gräfin, ist das ganze Treiben in der Natur. Der Dämon waltet, alles entwickelt sich mit verschwommenem Kopfe über verschwommenen Sohlen, die Natur zeigt nirgend und niemals sichtbare Umrißlinien, sie ist allenthalben wie ein Bild von Titian, rund vortretend, ohne Nachhilfe durch scharfe Schraffierung und patzige Schatten. – Ist aber der Gesang der Äolsharfe darum weniger ein Lied, weil er nicht in unsre Quinten und Terzen zu bringen geht? Ist die Natur wirklich disharmonisch, weil wir vorgefaßte Begriffe von Harmonie haben? – Klingt aus, wie Ihr müßt, und, bei aller Welt, Ihr könnt nicht anders! Diese Disharmonie bedeutet das Werden, den Kampf, den Fortgang, die Welt wird erst und all das Saitengeklingel ist nichts als Sehnsucht nach dem Werden. Finden Sie doch, nach all diesem, in diesem Momente irgend einen Satz, ein Wort, eine allerletzte Erklärung, die nie umgestoßen werden könnte! Irgendwer, und lebt' er in China oder Tombuktu, weiß immer das äußerste Wißbare, und so geht es fort bis ans Ende. Auch nicht ein Tropfen kehrt zurück zur Quelle, der Wind kräuselt manchmal die Oberfläche des Stromes seinem Laufe entgegen, daß es scheint, als flösse er rückwärts, aber die Flut rollt weiter, unter dem Spiegel hin, dem Meere, der Unendlichkeit entgegen. So das Wissen, so die Zeit, so das All. – Die Republik, wie sie Plato gedacht, genügte uns heute so wenig als unsre läppische Kleinstaaterei in Deutschland oder der Prinzpräsident in Frankreich. Ich kenne junge Leute, die jetzt die Reden Robespierres und Marats lesen, um ihre Lesefrüchte bei der nächsten Umwälzung, für die sie ebenfalls Studien in der Geschichte der ersten französischen Revolution machen, zu verwerten. Sie werden damit Fiasko machen, wie die Gagern und Welker mit ihrer waschblauen Weisheit von ehedem 1848 durchgefallen sind. Wir brauchen anderes, wir sind über das platonische Ideal selbst hinaus, obgleich wir der Oberfläche nach mit unsern Königskronen, Purpurlappen, adligen Schildkrötengehäusen, Hundesteuermarken-Orden, Pickelhauben und Geheimratspatenten noch hinter dem Schmutze des assyrischen Despotismus zurück zu sein scheinen.«

»Gut, daß Sie von den Hexen aus glücklich wieder auf menschlichem Boden angelangt sind. Ich erinnere Sie nun auch gleich, daß sie mir die Russen und Frauen, die Ihre Welt regenerieren sollen, noch schuldig sind.«

»Sogleich, wenn ich auch sehe, daß ich heute vergebens spreche. Lassen Sie mich nur einen Augenblick Atem schöpfen.«

Craws Hoffnung auf den Osten, vielleicht auf die Slaven im allgemeinen, glich natürlich nicht jener kriechenden Ergebenheit, jener durch alle Grade der demütigsten Erniedrigung laufenden Anhänglichkeit fast aller europäischen Fürsten an den Zaren. Die Dynastien, die ihre Wurzel im eignen Volke verloren haben und verlieren mußten, weil sie sich nicht einmal mehr als die feudale Zuspitzung eines alten Systemes, sondern als von oben niedergeschwebte Wundervögel gaben, sind grade dadurch wieder in ein Verhältnis feudaler Abhängigkeit zum Selbstbeherrscher der Russen getreten. Sie sind moralische Lehnsträger der nur von ihm voll und energisch vertretenen Idee des Absolutismus. Die Monarchie, der wunderliche, tausendjährige Unfug, daß gewisse Familien erbliche Macht haben über Millionen von Menschen, tritt in Europa mit dem Untergange des russischen Reiches von der Bühne ab; nur die Kosaken sind, wie wir in den letzten Jahren gesehn haben, noch die einzigen Stützen der Throne, nur die Kosaken, sie mögen in Person thätig auftreten oder als drohende Wolke im Hintergründe lähmend auf den Fortgang der Bewegung wirken. Rußland aber wird zerfallen mit dem Tode des Mannes, dessen energischer Konsequenz auch seine Feinde die Achtung nicht versagen können. Damit verliert das ganze Gebäude des Absolutismus den Grundstein und stürzt zusammen.

Dies war die eine Seite der Hoffnung, die Craw nach dem Osten blicken ließ. Die Monarchie war dort konzentriert und wahrscheinlich genug mit einem Schlage abgethan. Der Untergang der Monarchie ist indes zwar ein Schritt vorwärts, aber im ganzen nichts als das Aufräumen des Bauplatzes, das Entfernen des Schuttes, um Raum zu haben für den Neubau. Es knüpfte sich außerdem an die Russen eine positive Erwartung, die zum Teil mit dem Wesen des Volksstammes, zum Teil mit seinen liebsten Wünschen zusammenhängt. – In Europa wandert die Kultur, die Zivilisation schon seit mehr als tausend Jahren von West nach Ost, während die Verjüngung der Völker seit derselben Zeit konsequent von Ost nach West rückt. Auf diese Beobachtung allein den Schluß stützen zu wollen, es müsse wieder so kommen, wäre thöricht; schließt man also dennoch nicht anders, so sprechen jedenfalls noch andere Gründe dafür. Die Zivilisation des jetzigen Europa trägt überwiegend germanisches Gepräge, wie denn die spezifisch gedankenreichste Nation prädestiniert kosmopolitisch ist. Das ist ihre Stärke und Schwäche zugleich, und grade darin liegt ihr welthistorischer Beruf. Die gewisse Eckigkeit und Schwerfälligkeit, die den Deutschen einmal nicht abzuleugnen ist, tritt der lebenskräftigen Gestaltung germanischer Ideen allenthalben hemmend in den Weg; es fehlt nicht an Thatkraft, es fehlt die Thatlust, und diese muß für die Weiterbildung durch den Zuschuß eines neuen Elements gewonnen und erzeugt werden. Die Slawen sind im Gegensatze zu den Germanen geschmeidig, rasch und gelehrig; – die Deutschen können nur lehren, nicht aber lernen. Jener Zuschuß, jenes bewegliche Element, das den rascheren Fortgang der Zivilisation vermitteln soll und kann, ist also in den Slawen gefunden und harrt vor unsrer Thüre. Sie werden kommen, nicht auf den Befehl eines einzelnen, nicht im »heiligen« Kriege des Absolutismus gegen die Völker, sondern getrieben durch freien Impuls, ein Zug, wie jener der Juden in das Land der Verheißung. Man muß wissen, daß seit den großen Kriegen im Westen, seit dem Kampfe gegen Napoleon, die Sage von den Hesperidengärten in Rußland eingebürgert ist; man muß wissen, daß die Sehnsucht, jene herrlichen Länder zu sehn und zu besitzen, sich von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzt, und daß eine Wanderung im großen, eine Okkupation auf Nimmerwiederkehr der Wunsch und die Hoffnung von Millionen ist. Wird der Westen gegen den Osten nun eine Schlacht schlagen, wie jene auf den katalaunischen Feldern? Wird durch einen furchtbaren Kampf des Germanentums gegen den Slawismus tabula rasa gemacht werden für eine neue Zeit? – Gewiß bleibt, daß infolge eines Sieges oder einer Niederlage der Völkerstrom aus dem Osten dem Westen in die dürren Adern gespritzt wird, um sich nie wieder abzusondern. Die Zivilisation geht darüber nicht unter, sie gewinnt im Gegenteile neuen Boden, neue Kraft und neue Intensität.

»Ich glaube nicht, daß Sie mein Vortrag besonders interessiert hat«, sagte Craw, nachdem er die oben ausgesprochenen Gedanken weitläufiger entwickelt hatte, als wir dies thun konnten.

»Er verliert nur dadurch seinen Wert, daß wir nicht im stande sind, Ihre Hypothesen sogleich zu prüfen. Sonst mein' ich, wär' es interessant genug, einmal aus Ihrem Munde die Verheißung eines Kampfes auf Tod und Leben oder gar den Untergang ganzer Generationen predigen zu hören. Glauben Sie denn wirklich an das, was Sie sagen? Halten Sie in der That das slawische Blut für frischer als das germanische?«

»Ohne alle Frage. Der kürzeste Verkehr mit Slawen, so gedrückt, geknechtet und gebeugt sie auch sein mögen, beweist, daß sie eine unbesiegliche Elastizität besitzen. Daher kommt ja auch ihre Unbeständigkeit, sie haben zu viel Federkraft. Allein und für sich selbst abgeschlossen, sind sie für die Menschheit dieser Eigenschaft wegen unbrauchbar, mit den Germanen verschmolzen aber von der äußersten Wichtigkeit. Diese Vermischung ist ein neues Experiment, das die Natur machen wird, um zum Ziele zu gelangen.«

»Sie teilen den Frauen ja aber für die Zukunft auch eine bedeutende Rolle zu, wie versöhnen sie diesen Plan mit der slawischen Invasion? Es hieße Ihre Kenntnisse zu arg in Zweifel ziehn, wenn ich Ihnen sagen wollte, daß es grade die Germanen waren und sind, die vorwiegend einen gewissen Frauenkultus üben, während die Slawen, d. h. dies Volk im großen Ganzen, heute noch die Frau als Lasttier, als untergeordnetes Geschöpf mißbrauchen. Wer kennt die Frauen? Wer hat sie jemals so gewürdigt, wie sie es verdienen? Der Haufe der Männer spricht über sie ab, Narren treiben Vergötterung und Schurken spötteln und verderben. Gesetzt, Sie wüßten mehr von uns, als Sie wissen können, was haben Sie mit uns vor?«

»Zunächst muß ich den Irrtum berichtigen, als habe ich jemals den Untergang oder auch nur das Unterliegen des germanischen Wesens prophezeit. Der Deutsche, von aller Welt verhöhnt und getreten, regiert dennoch die Welt und wird seinen Einfluß immer behaupten. Wir sind einmal die Universalnation, wir sind das merkwürdigste Gemisch von Weisheit und Insipidetät, von Fleiß und Trägheit, unsre Fonds sind unerschöpflich, man kann in unsern Kessel alle möglichen Metalle gießen, ohne je im stande zu sein, unser eigenst eignes Wesen vollständig zu neutralisieren. Das kommt daher, daß wir uns selbst kennen und so ehrlich sind, uns sogar über uns selbst lustig zu machen. Diese Demut ist der Fehler, aus dem alle unsre Tugenden keimen; wir kennen uns selbst, daher können wir nicht untergehn.«

»Aber die Frauen? Wollen Sie ihnen offiziell das lächerliche Treiben zuweisen, dessen sich einzelne verworrene Subjekte aus ihrer Mitte in der letzten Zeit bemächtigt? – Ich bin selbst Zeugin einer Frauenversammlung gewesen, die vom Anfang bis zum Ende nur eine Reihe lächerlicher Szenen darbot. – Das Unternehmen an sich war ein vollkommen lobenswertes, es galt die Einrichtung einer Kleinkinder-Bewahranstalt. Man hatte mich zur Teilnahme eingeladen, – wahrscheinlich nur, um meinen Namen auf der Liste zu haben, – und ich ging in einer Anwandlung von Langweile hin, obgleich ich nicht im entferntesten die Absicht hatte, an den Beratungen teilzunehmen. Ich fand eine ansehnliche Zahl origineller Personen um einen großen runden Tisch gepflanzt, Köpfe, wie sie Hogarth sich gewünscht hätte. Das war der Vorstand. Eine lange, scharfe Matrone mit einer Schildpattbrille und spitzem Kinne führte die Glocke. Neben ihr saß eine kuglige Geheimrätin mit fromm hängendem Unterkiefer und methodistischen Thränensäcken. Auf der andern Seite lehnte sich eine sehr elegante junge Frau, von der mancherlei Gerüchte umliefen, in den Sessel zurück und spielte mit der Lorgnette. Zwei ästhetische Jüdinnen, eine Pastorsfrau mit einem großen Strickbeutel, eine Schriftstellerin und zwei indifferente Spießbürgerinnen mit unglaublich gutmütigen Werkeltagsphysiognomien dazu, nun haben Sie ein Bild der ehrsamen Massonei. Etwa zwanzig Frauen und alternde Jungfrauen mit snapping turtles-Gesichtern, ein Dutzend junge Mädchen und ebenso viele Kinder, von denen mehr als die Hälfte der Pastorin ähnlich sahen, und drei oder vier junge Herren nebst einem Graubarte bildeten das Publikum oder, wenn man so will, den eigentlichen Körper des Vereines.«

»Sie zählten sich nicht mit, Gräfin.«

»Ich saß in einer Ecke, lehnte das Anerbieten des provisorischen Vorstandes, in seiner Mitte Platz zu nehmen, ab und amüsierte mich stillschweigend, da ich nicht so glücklich war wie die Herren, die abwechselnd über Mädchen und Matronen halblaute, boshafte Bemerkungen machten. Ich mußte schweigen, war aber desto aufmerksamer. – Die Verhandlungen begannen. Die Präsidentin entwickelte nach unsäglich vielen Entschuldigungen über die Freiheit, die sie sich nähme, eine Reihe von Konfusionen unter der Firma unmaßgeblicher Statuten. Unabsehbare Paragraphen und darin unabsehbar unpraktisches Zeug. Nur die Geheimrätin und die Pastorin wackelten Beifall; offenbar hatten diese mit der Präsidentin zusammen die Vorschläge erwogen, und ich wollte heute noch wetten, daß der Passus über das Gebet von der ersteren und die Reinlichkeitsangelegenheiten von der zweiten besorgt worden sind. Die Debatte erhitzte sich durch Einsprache der Jüdinnen, die eine Schutz- und Trutzalliance mit der Schriftstellerin geschlossen hatten, und die unglückliche Vorsitzende nahm eine Prise Verzweiflung nach der anderen aus ihrer zierlichen Bibidose, Erst ging es freilich unendlich schüchtern zu, dann aber gerieten die Damen in Eifer und sprachen mit überraschender Volubilität der Zungen durcheinander; – die Präsidentin räusperte sich, die Geheimrätin faßte Grauen und Entsetzen, die Elegante lorgnierte höchst pikiert eine der Jüdinnen, die mit ihrem Falsettsopran alle andern Stimmen durchdrang, die Spießbürgerinnen sahen einander ängstlich an, und die Frau Pastorin nahm eine gefallene Schlinge an ihrem Strickstrumpfe auf. Es war ein grandioser Moment! Die Kinder, die wahrscheinlich glaubten, es müsse nun noch ärger kommen, drängten sich schreiend vor, um ihre respektiven Eltern zu schützen; die welken jungfräulichen Rosen, an denen nur noch die Dornen verrieten, daß sie einst zum Geschlecht der Rosen gehört, rümpften die Nasen und nickten einander schadenfroh zu; der alte Herr stampfte mit seinem spanischen Rohre und die jungen Leute lachten aus vollem Halse. Das war kostbar anzusehn. Endlich erhob sich die eine der Jüdinnen, eine hübsche Person von etwa sechsundzwanzig Jahren, mit sentimental begehrlichen Augen und sehr kokettem Wesen, und erzwang durch die ›Macht der Rede‹ Stillschweigen und eine Umkehr zur Sache. Sie nahm überaus große Rücksicht auf die anwesenden Herrn und wurde zum Danke dafür auch wieder von ihnen berücksichtigt. Jedenfalls aber sprach sie die einzigen vernünftigen Worte, die ich den Abend über zu hören hatte. Sie griff trotz ihrer Schwärmerei mit der den Juden eigentümlichen Sicherheit die rein praktischen Momente auf, mokierte sich nicht ohne Geist über das pietistische Brimborium, das in das Unternehmen gepascht werden sollte, demokratisierte auch bis zu einem gewissen Punkte, und stellte endlich, wie mir schien, recht bündig das Wesentlichste über die Sache zusammen. Den Spießbürgerinnen leuchtete das Richtige ihrer Vorschläge ein, und die einzigen Worte, die sie den Abend über sprachen, waren Anerkennung der jüdischen Beredsamkeit. Damit war aber auch die Spaltung und die Clique gegeben. Es galt von seiten der anderen Rettung des christlich-germanischen Prinzips, Wahrung der religiösen Ehre. Man steckte die Köpfe zusammen und bereute bitter, daß man sich mit so ›unlautren‹ Elementen überhaupt in einen Verkehr eingelassen, – obgleich der Plan grade von der Jüdin ausgegangen war. Der Geist blieb auf hebräischer Seite überwiegend; da man aber der Sache wegen doch so lang als möglich standhalten wollte, die Jüdin auch bescheiden oder klug genug war, auf Modifikationen ihrer Vorschläge einzugehn, schien sich nach und nach wieder ein besseres Verhältnis herauszustellen und man machte nach einer nochmaligen fulminanten Präsidialrede Vorbereitungen zur Wahl des definitiven Vorstandes. Die ganze Versammlung, mit Ausschluß der Männer und Kinder, erhielt auf Antrag der Eleganten das Stimmrecht. Sie motivierte diesen Antrag so schlau, daß sie gewiß eine Anzahl Stimmen gewonnen hätte, wenn die Opposition nicht schon zu tiefe Wurzeln gehabt. – Zunächst gab es natürlich wieder köstliche Deklamationen. Niemand wollte von seinem Stimmrechte Gebrauch machen, jede sagte eine Artigkeit, machte einen Knix nach ihrer Art, kaute an dem Bleistifte, – von denen die provisorische Präsidentin, wie sie feierlichst verkündete, für den Zweck der Wahl aus eignen Mitteln zwei Dutzend angeschafft, – oder zerknitterte aus Verlegenheit den Wahlzettel. Daß diese Schüchternheit bei Frauen immer nur ein bedeutungsloses Präludium ist, wissen zwar Sie vielleicht nicht, aber jede Frau weiß es. Es kam denn auch wie ich gedacht. Die einen mochten es aus Überzeugung, gewiß aber die Mehrzahl aus Malice gethan haben, kurz bei der Wahl der Präsidentin waren mehr als zwei Drittel der Stimmen auf die schönrednerische Jüdin gefallen. Sie hätten sehn müssen, welche Triller die Unterlippe der Präsidentin schlug, als schon zum sechsten Male der Name ›Madame Asmansohn‹, so hieß sie, glaub' ich, proklamiert wurde! Nicht weniger interessant war es, die allmähliche Verwandlung des frommen Schafsgesichts der Geheimrätin in einen reißenden Wolfskopf zu sehn. Wie sie giftig wurde, wie sie grüne Blitze aus ihren kleinen Augen schoß und Achselzuckungen mit der Pastorin wechselte, ich habe nie eine so lebendige Komödie gesehn. Als nun wirklich Madame Asmansohn gewählt war und ihre Antrittsrede halten wollte, erklärte die bisherige Vorsitzende plötzlich, daß sie sich nach reiflicher Überlegung von dem ganzen Unternehmen zurückziehn müsse; die Elegante that desgleichen, auch die kleine dicke Person zog eilfertig die Handschuhe an und murmelte etwas von Ungläubigen, Unverschämten, kurz das Ende vom Liede war ein Skandal, der die Stadt einige Tage reden machte und den Witzblättern Stoff gab. So geht es mit allen parlamentarischen Unternehmungen der Frauen, sie werden bei dergleichen Dingen nicht ohne Männer fertig. Wäre eine Auktorität, nichts weiter nämlich als ein verständiger Mann, zugegen und berechtigt gewesen, die ganze Sache zu leiten, so bestände sie wahrscheinlich heute noch. Sie glauben nicht, wie albern Frauen untereinander sein können, aber weil sie das eben immer sind, ist von ihnen kein tüchtiges en masse-Wirken zu erwarten.«

»Prinzipiell aber haben Sie nichts dagegen?« warf Craw ein. »Sie können alsdann statt einer männlichen Auktorität ebenso gut eine weibliche setzen, einen Geist, der die andern leitet und lenkt. Der Fehler bei dem Unternehmen, dessen Sie erwähnen, war ja offenbar ein doppelter. Einmal hatte man das Vorurteil aus der Rechnung gelassen, und zweitens wirkte die Malice destruktiv. Die Sache war an und für sich kopflos …«

»Sie sprechen weiter, ohne meine Antwort abzuwarten. Ich habe ganz bestimmt etwas gegen jedes öffentliche und ostensible Wirken der Frauen, wär's auch nur darum, weil sie dann ihrer ganz ungeheuren stillen Thätigkeit die Spitze abbrächen. Was sie auf dem Markte thun können, ist gering, was sie thun, ohne dafür Rechenschaft zu geben, ist unberechenbar. Kluge Frauen sind nicht ehrgeizig, wenn ihre Stellung nicht etwa von der Art ist, daß sie von vornherein der Öffentlichkeit gehören, kritisiert werden und sich darum auch von Rechts wegen den Lohn für ihre Gedanken einfordern müssen.«

Craw machte eine stumme Verbeugung, die aussah wie eine unterdrückte Malice.

»Sie wissen doch nichts von den Frauen und beurteilen ihren Einfluß aufeinander nach dem Gewichte, das Männer auf unser Benehmen gegen sie legen. – Ich komme fast in die Verlegenheit, Ihrem Geschlechte in gewissem Sinne eine Lobrede zu halten. Die Männer sind nur undankbar, aber die Frauen unversöhnlich. Meiner Ansicht nach ist das letztere edler, aber der große Haufe der Moralisten wird mir widersprechen, – und sei es darum. So viel steht fest, der Mann läßt sich herbei, um Liebkosungen und Auszeichnungen einer Frau, die er vielleicht grade darum, weil sie deren spendet, gründlich verachtet, zu werben und sich damit zu brüsten, – während ein Weib dem Manne, den es verachtet, alle Tage sagt: ich verschmähe dich. Wo wir hassen, ruhen wir nicht, bis der Verhaßte gestorben oder verdorben ist; wir vergessen niemals, auch wenn wir zu vergeben scheinen. Freilich muß ich auch wieder eine unsrer Schwächen eingestehn: es gibt Männer, die uns so groß scheinen, daß wir ihnen nicht zürnen können, denen wir also alles verzeihen und gehen lassen. Auf diese Eigentümlichkeiten und wechselweisen Illusionen ist der Verkehr zwischen Mann und Frau begründet. Es herrscht unbewußt eine gewisse Spannung und Schonung, wie etwa in der Gesellschaft, wo man weiß, daß aus der geringsten Reibung ein unangenehmes Duell entstehen kann. – Frauen untereinander haben bessere, glattere Formen, im ganzen wenigstens, als die Männer im eignen Kreise, aber ein Übergewicht, eine so ehrliche gegenseitige Achtung, wie sie bei Ihnen oft vorkömmt, suchen Sie bei uns vergebens. Tritt ein solcher außerordentlicher Fall ein, so ist er eben eine Ausnahme. Daher ist Ihr Schluß, eine weibliche Auktorität hätte genügt, ein unrichtiger. Frauen lassen sich lenken, aber nie offenkundig durch ihresgleichen. – Der Verein, von dem ich sprach, mußte allerdings schon an den Jüdinnen zu Grunde gehn …«

»Obgleich sie, – ich brauche Ihre eignen Worte, – das einzige Vernünftige sagten, was den Abend über verlautete.«

»Ich hätte ebenso vernünftig gesprochen!«

»Ohne Zweifel! Und Sie wären auch des vielköpfigen Ungetümes Herr geworden, weil Sie Gräfin Hehlen sind. Das wäre ein Beweis für die Dummheit jener Leute, ein Beweis gegen Ihre Behauptungen und trotz alledem ein Belag für die Tüchtigkeit der Frauen gewesen.«

»Vereinigen wir uns nur. Ich habe nie behauptet, daß eine Einzelne nicht Größtes wirken könne, ich bleibe aber dabei, daß Frauen aus den kleinlichsten Gründen nicht zusammen streben können, es sei denn, daß sie insgesamt jämmerlich untergeordnet wären. Und was wollen Sie mit dergleichen Wesen leisten?«

»Das Thema von den Frauen hat Sie redseliger als irgend ein anderes gemacht; Sie haben opponiert, ehe ich noch einen Satz aufstellen konnte. – Es steht über allem Zweifel, daß das eigentlichste Feld der Frauen die Erziehung ist, und in diesem Bereiche ist es, wo ich sie für die ›Zukunft‹ wirksam sehn will. Auf der Barrikade und der Rednerbühne hat das Weib nichts zu suchen. Ein Mädchen mit entfesseltem Haare und durchschossenem Busen macht sich ganz gut als Reizmittel für chevalereske Charaktere und lyrische Politiker, aber es bleibt ein zweckloses Opfer. Der Heroismus der Frauen im Getümmel des Menschenschlachtens, man mag es durch diesen oder jenen Namen zu verherrlichen suchen, hat etwas Abstoßendes und Widerwärtiges. Bei den alten Germanen griffen sie nur in der Verzweiflung, um Leib und Leben zu retten, zu den Waffen; sie sind von der Natur augenscheinlich nicht zu dergleichen Handwerke organisiert, ihr Auftreten ist also dann ein unnatürliches. – Sie haben überhaupt recht, wenn Sie das öffentliche Treiben der Frauen verdammen, auch ich will ein Zusammenwirken ohne Zusammenhang, ein Auftreten ohne Ostentation. Nur wird manches vorhergehen und geschehen müssen, ehe die Wirksamkeit der Frauenwelt in meinem Sinne ersprießlich sein kann. Das Weib ist im Augenblicke noch die kristallisierte Tradition, und man dichtete vielleicht darum schon vor Jahrtausenden Dame Eva den Hauptanteil an der Erbsünde an. Dagegen zeigt die Wärme, mit der sich höhere Frauen grade zu allererst für neue, große Gedanken interessieren, wie empfänglich sie für Gutes und Schönes, kurz für den Fortschritt sind. Die Schuld jener Versunkenheit trägt also die Heranbildung des Geschlechtes, und die gute Eigenschaft der Teilnahme ist eine noch nicht planmäßig in Angriff genommene Mine. Erst sobald sie der Tradition Valet sagen, – sie brauchen nicht dagegen zu kämpfen, sie brauchen nicht zu negieren, denn bekämpft und negiert ist alles ohnehin, – sobald sie nur dem Kinde nicht mehr Ideen einprägen, die abzustreifen es Jahre verlieren muß; erst wenn sie direkt und positiv für die Zukunft arbeiten, erst dann hat die Zeit einen mächtigen Kern gewonnen. Der Mann wird dann nicht mehr seiner Mutter, seiner Gattin oder Braut zuliebe Rücksichten nehmen müssen, schweigen oder gar verleugnen. Alles Schwanken und Lavieren hört auf, denn die Frau verträgt heute so wenig wie in den Tagen der Spartanerinnen und gallischen Weiber, daß ihr Mann oder Sohn feig ist und seine Überzeugung, die sie kennt, zag zurückhält. Wie wenige Verhältnisse gibt es aber heute, in denen der weibliche Teil der Familie das Wollen des männlichen fassen kann? Wie sollen die Frauen nun dort fördernd, stärkend und läuternd zugleich wirken? Die Mutter lehrt ihrem Kinde einen Glauben, der dem des Vaters zuwider läuft, sie flößt ihm Achtung für das ein, was der Mann verachtet, und verbreitet so aus Mangel an Übersicht, aus verkehrter Liebe zu dem, was sie Frieden nennt, die grellsten Konflikte vor. Die Frauen sind nach einer Vergangenheitsschablone erzogen und erziehen darum ihre Sprossen wieder für die Vergangenheit. Ihre Liebe zu den Kindern ist so gräßlich verschroben, daß sie ihnen – es ist wahrhaftig so, – kaum schlechtere Vorschriften ins Leben mitgeben könnten, wenn sie Haß für sie hätten. Gepanzert geht keiner aus dem Vaterhause, sondern unverständig und unzuverlässig. Unschuldig und unverdorben nennen es die guten Mütterchen, die es mitunter für ein Glück halten, wenn der Junge gescheit wird und die Tradition über Bord wirft. Sie vergessen nie, daß das vegetative Dasein im mütterlichen Schoße einst war, und daß es die prächtigste Sicherheit bot. Sicherheit! Ja, das ist's. Für diese Sicherheit, für dies Vegetieren werden die Menschen erzogen, nicht aber für das Leben. Daher wissen sich so wenige hinein zu finden, darum gehen so viele unter. Ist die Liebe zur Tradition im Herzen des Weibes durch die Liebe zur Zukunft ersetzt, so ziehen andere Weiber uns andere Männer. Das ist der Wirkungskreis, den ich der Frauenwelt zuweise, dazu bedarf's weder der Ostentation, noch des Preisgebens dessen, was dem Weibe eigen ist. – Meine Hoffnung auf baldige Erfüllung dieses Berufes beruht nun allerdings auf der Regsamkeit, die seit mehreren Jahren sich der weiblichen Kreise bemächtigt hat. Von den Unterstützungsvereinen bis zur tollsten Emanzipationssucht liegt nichts als eine Reihe von Experimenten, die alle das Weib in eine thätigere Lage zu bringen streben. Das Rufen nach Unterricht wird immer lauter, die Anforderungen an die Erziehungsinstitute immer gespannter … Glauben Sie doch nur zur Ehre Ihres eignen Geschlechtes, daß die Mehrzahl Ihrer Schwestern Takt genug haben wird, nicht Blaustrumpferei zum Lebenszwecke zu machen, sondern von selbst in die rechte Bahn einzulenken. Die Neuzeit hat nur ein weibliches Genie geboren, das in weiblicher Weise Männliches geleistet, die Düdevant. Daß es ein solches gab, ist Aufmunterung, daß es aber nur eins gab, schreckt ab. Nicht jede, die zufällig ein Stück englische Geschichte gelesen hat, wird wie Madame Struve einen Roman daraus machen wollen, so wenig als alle Männer Romane schreiben mögen. Unterricht, Unterricht! Das ist das Feldgeschrei, mit dem die neue Zeit siegreich ins Leben geführt werden muß. Unterricht macht die Frauen frei und damit den Rückschritt unmöglich, denn diesen gehört die Zukunft, weil die kommenden Generationen in ihrer Hand sind.«

»So praktisch Ihr Plan klingt, so wenig wird er sich doch zu Ihrer eignen Zufriedenheit ausführen lassen. Er scheitert an den Frauen, denn wir sind einmal anders als Sie glauben. Der Gesamtheit fehlt ganz entschieden der universelle Sinn, der nur allein die Befähigung zu solchem Erzieherposten geben kann.«

»Der Unterricht erweckt ihn …«

»Die Geburt des ersten Kindes schläfert ihn bei neun von zehn wieder ein!«

»So traurig stellt sich das Verhältnis sicher nicht.«

»Mir wäre es recht, denn wenn die Frauen erst ernstlich Hand anlegten, würde die Zukunft bald etwas Begreifbares und Faßliches. Wir sind praktischer und von Haus aus Feinde alles Bauens in die Luft. Außerdem wäre hernach dafür Sorge getragen, daß trotz der ›Sittlichkeit‹ Leidenschaft genug in der Welt bliebe, um nicht vor Langweile sterben zu müssen. Ihre Sittlichkeit fabriziert sonst einen Himmel auf Erden, aber einen Himmel nach dem Muster dessen, wo alle Seligkeit im Psalmodieren besteht. Das schreckte in aller Form davon ab, bis zu so hoher Läuterung vorzudringen. Sie wissen ja, daß man von Dantes Gedicht eigentlich nur die Hölle vertragen und großartig finden kann, weil man dort Elementen der Bewegung, weil man der Leidenschaft begegnet.«

»Die Leidenschaft geht nur mit der Welt unter. Unsre Zeit ist nur darum so elend, weil sie nicht eine einzige große Leidenschaft, nicht einen einzigen großen Egoismus geboren hat. Die Sittlichkeit ist nur dazu da, der Leidenschaft Richtung und Ziel zu geben. – Übersehn Sie nun meine Proposition und Ihre Einwürfe, so bleibt das Fazit der Rechnung doch, daß wir nicht nach Amerika auswandern müssen, um vorwärts zu kommen, sondern daß wir immerhin noch Hebel in uns haben, die unsre stockige Gesellschaftsmaschine fördern können, sobald sie nur erst angewendet werden. – Lassen Sie irgend ein ›Wunder‹ kommen, einen mächtigen Anstoß, der alle Köpfe und Arme beschäftigt, so daß man aus Geschäftigkeit die Tradition zu kultivieren vergißt, und die Regeneration ist mit einem Schlage da.«

»Helfen Sie nur mit Ihrem wieder entdeckten Zauberapparate nach, vielleicht gelingt's dann.«

»Sie sagten den Frauen vorhin mehr Böses nach, als vielleicht recht ist, aber Sie vergaßen im Kataloge der Untugenden anzuführen, daß sie nie zu überzeugen sind.«

»Ihr Märchen bewies ja nichts!«

»Das sollte es auch nicht, aber was wir hinterher besprachen, konnte Sie wenigstens vom Spotten abhalten. Sie schenkten selbst neulich in meiner Gegenwart einer Frau, die über rheumatische Schmerzen klagte, eine elektromagnetische Kette, einen galvanischen Rheumatismusableiter; was meinen Sie nun dazu, daß Thurnmeisser, der König der Charlatane, schon im sechzehnten Jahrhundert dergleichen ›Talismane‹ und ›Amulette‹ aus verschiednen, gegeneinander abgewognen Metallen zusammengesetzt verkaufte. Das Gesetz des Galvanismus war empirisch längst bekannt und spielt in der Alchimie eine große Rolle, ohne daß es je ausgesprochen worden. Man nahm hier wie hundertmal an anderen Orten die Naturkraft für Zauberkraft, das Dämonische für kakodämonisch, man benutzte die Natur, und der Pöbel glaubte, sie werde gezwungen. All diese Irrtümer pflanzten sich aus grauer Zeit nur darum bis zu uns fort, weil man schlichtweg die Erfahrung benutzte, ohne sich die Mühe zu nehmen, Theorien zu abstrahieren und Systeme darauf zu gründen. Das Wissen der Naturalisten hatte keinen Zusammenhang, die Wissenschaft bestand aus einzelnen Brocken, und endlich war man nicht so rasch im Wortmachen. Wir schreiben jetzt ganz keck alles in der Natur dem ›Chemismus‹ zu und können uns dabei auch wohl etwas denken, weil wir der Unklarheit ihr Recht geben, weil wir annehmen oder vielmehr wissen, daß das Weltbewußtsein selbst nicht bis zur Klarheit, bis zum Weltuntergange vorgedrungen ist. Das kann die Zeit der Abstraktion, der Theorie, nicht aber eine Zeit, wo die Empirik allein Geltung hatte. Man half sich damals über das Unerklärliche durch die Annahme der astralischen Einflüsse, die auch wieder nur so weit falsch ist, als sie bestimmt und ›klar‹ ausgesprochen wird; man half sich durch Thätigkeit, wie man sich jetzt durch Gedanken hilft. Der Stein der Weisen, die Essenz aller Dinge ist genau wie das ›Absolute‹ der neuen Philosophie, nur suchte man es damals in Retorten und Kolben über dem Feuer darzustellen, während man es heute im Gehirne auszubrüten sucht. Das Verhältnis der Charlatanerie von ehemals zu der von heute ist einfach das eines Kohobierkolbens zu einer modernen Terminologie. Die Tradition, die neben dem Urchaos eine Unklarheit setzt, ist an all diesem mühseligen Charlatanisieren schuld. Wir müssen noch so ehrlich wie Sokrates werden und gestehn, daß eben, weil wir über so viel einzelnes nachgerade klar geworden sind, das Ganze als ein Unklares vor uns liegt. Die theologische Hypothese ist und bleibt die Apotheose der Faulheit. Rüstig forttraben durch die Nebel, das ist die Hauptsache; alle Lichter, die darin auftauchen, leuchten doch nur dem, der sie gerade benutzen will und kann. Die Beleuchtung der Natur gleicht der durch portatives Gas: Wer es nicht bezahlen kann, muß sich mit Straßenlaternen, Talglichtern und qualmenden Öllampen zufrieden geben, bis einst – und das ist nicht so gar nahe – öffentliche Gasbeleuchtung in der Natur eingeführt wird. Was aber geschehn kann, ist, daß jeder in den Stand gesetzt wird, eine eigne Flamme zu besitzen.«

»Sie werden nun wieder so unklar, daß es scheint, als wollten Sie uns einen recht gründlichen Vorgeschmack des Sieges der Unklarheit geben. – Wie schade, Craw, daß Sie so grenzenlos konfus sind und noch konfuser reden. Sie wollen ja trotz alledem Klarheit; wozu also die Leute mystifizieren und foppen? Wozu mit Gewalt eine umgekehrte Terminologie?«

»Sie sind eine so geistreiche Frau und wissen nicht, daß ich nur dadurch ein wenig wirken kann? Gedanken sind so verzweifelt wohlfeil, daß ich überzeugt bin, sogar Tetarskoff hat deren. Und die Gedanken, auch die dümmsten, werden in der Regel so zierlich verpackt, daß sie ganz vernünftig aussehen, der Vernunft bleibt also nichts anderes übrig, als womöglich paradox oder gar mit Pritsche und Schellenkappe zu kommen, damit man ihre Gedanken vom Trödel unterscheidet. Ich wollte übrigens, nebenbei bemerkt, die Menschen hätten einmal vier Wochen lang keine Vernunft, sondern nur Verstand, keinen Gedanken, aber desto mehr Willen, – Sie sollten sehn, was da geschähe. In einem Monate hätte die Erde das Gesicht so verändert, daß kein Mensch sie wieder zu erkennen vermöchte. Der Verstand wäre ohne Vernunft weit vernünftiger.«

»Welch ein Galimatias! – Sagen Sie lieber, warum Sie von Tetarskoff so geringschätzig sprechen. Ich halte ihn für einen sehr gründlich unterrichteten und klugen Mann.«

»Das mag er sein!«

»Nun?«

»Damit ist wenig gethan, wenn man wie er augenscheinlich eine große Leidenschaft gegen eine kleine vertauscht hat.«

»Ich verstehe Sie nicht!«

»Bin ich denn heute wirklich so grenzenlos unverständlich?«

Graf Hugo ging mit Wetterheimb außen vorbei, und Luise, die an dem ganzen Gespräche keinen Anteil genommen hatte, stand auf, um sich zu ihnen zu gesellen.

»Erklären Sie sich!« sagte die Gräfin, vergeblich bemüht, interesselos zu scheinen.

»Ich weiß nicht, wie ich's nackt heraussagen soll, aber irgend etwas liegt dahinter. Luise hat Ihnen jedenfalls unser gestriges Begegnen geschildert, ich verrate also nichts, wenn ich darauf zurückkomme. Es ist zweifellos, daß Tetarskoff Sie früher schon, als Sie im Alter Ihrer Tochter waren, gekannt und, wie ich glaube, geliebt hat. Das ist eine bleibende Narbe gewesen, die wieder ausbrach, als er Sie in Paris traf. Es war eine ernste, männliche Liebe, eine Leidenschaft, die ihn vielleicht dazu getrieben hätte, Ihrem Manne gelegentlich den Hals zu brechen, weil er sich für passender hielt, seine Stelle einzunehmen. – Nun sieht er Luise, Ihr Ebenbild von ehemals, und schwärmt für das Kind, statt für das Weib. Das ist klein!«

»Ihre Phantasie ist heute von einer Erregtheit, daß Sie vor keinem Nonsens zurückbebt. – Alles, was zwischen Tetarskoff und uns vor ist, – ich will Sie ins Vertrauen ziehen, – besteht einfach darin, daß wir unsre Besitzungen austauschen wollen. Ich habe Deutschland satt, ehe es noch geboren worden. Staatlich dem Belieben diplomatischer Abenteurer à la Radowitz und Hassenpflug, gesellschaftlich groben Insulten durch den Pöbel ausgesetzt zu sein, das ist mein Geschmack nicht. Was Sie auch von der Zukunft Rußlands sagen mögen, und obgleich ich selbst die Überzeugung hege, daß 1850 nicht zu Ende geht ohne eine Bewegung im Osten, – man kann im Augenblick nur in Rußland noch …«

»Mit dem Naturalisationspatent das Recht erwerben, Stockschläge zu bekommen oder als zarisches Gnadengeschenk eine Villa in der Nähe von Tobolsk zu erhalten. In der That, so etwas findet man nur im glücklichen Rußland. Der Tausch ist Ihr Ernst nicht.«

»Doch, mein voller Ernst!« sagte die Gräfin gezwungen lächelnd.

»Und doch glüht Ihr Gesicht bei dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit einer solchen Übersiedelung«, fuhr Craw schonungslos fort. »Warum wählen Sie nicht England, Italien oder Amerika, wenn Sie durchaus wandern wollen?«

»Amerika? – Daß ich daran dachte, mögen Sie an jenem Stoße von Landkarten, Plänen und Auswanderungsbüchern sehn. Ich habe die ganze derartige Litteratur nebst einer Anzahl von Originalberichten und Anschlägen die letzten Monate durchstudiert. Ich bin auch darauf vorbereitet, wenn ich wirklich fortgehe. – Sie erstaunen? Nun, sagten Sie denn nicht oft genug, daß ich alles aus mir machen könne, warum nicht auch die Bürgerin einer Republik?«

»Dies wohl, und eine stattliche Republikanerin mögen Sie sein. Wollen Sie aber nicht in einer Stadt bleiben, wo Sie wenig gewännen, so gibt es der Unbequemlichkeiten drüben doch viele. Sie müßten teilnehmen am Hauswesen, Hand anlegen …«

»Craw, es ist wahrhaftig, als ob Sie niemals die Briefe Heloisens an Abälard, nie ein Buch von George Sand, die Sie ja gelten lassen, in der Hand gehabt hätten. Und Sie wollen den kommenden Wirkungskreis der Frauen berechnen? Nicht über das Abc der Frauenwelt sind Sie hinaus. Frauen wie ich können alles, wenn das Grundgesetz der Natur, – ich citiere Sie, – die Notwendigkeit es fordert.«

»Die Notwendigkeit?«

»Ich meine, wenn es uns nötig scheint«, sagte sie ausbiegend. »Der Widerwille, den ich gegen die Zustände habe, die mich hier umgeben, das Drängen des Gesindels, die Rechtsunsicherheit und die Schwäche der Regierungen zwingen mir den Wunsch auf, zu gehn. Er reift seit mehr als einem Jahre der Erfüllung entgegen, und ich werde im letzten Augenblicke allerdings eine Notwendigkeit in dem Verlassen meiner Heimat sehn. – Ich habe nur wenige Worte mit Hugo zu sprechen, kommen Sie dann mit mir hinauf und erfüllen Sie Ihr Versprechen, mir zu helfen. Wir haben einige Dutzend Advokatenbriefe durchzulesen und die Akten über die Auflösung des Fideikommisses, meinerseits zum zehntenmale mindestens, zu prüfen. Es sind neuerdings Zweifel über die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes aufgetaucht, wodurch zwar nicht mein Besitz, aber mein Verkaufsprojekt gefährdet wäre. Gesetzt auch, ich führte den Plan nicht aus, so liegt mir doch viel daran, zu wissen, woran ich bin, um jederzeit frei handeln zu können. – Sind Sie dadurch recht trocken geworden, was mehr als wahrscheinlich ist, da Sie die Sache nicht interessiert, so mögen Sie sich hinterher etwas Pikantes vom Grunde des Kastens suchen. Ich erinnere mich dunkel, bald nach meinem Regierungsantritte in den Familienpapieren mancherlei Beiträge zur Spezialgeschichte der deutschen Fürstenhäuser und auch andere nette Sächelchen, die nicht uns betreffen, gesehn zu haben. Wühlen Sie darin, wenn Sie mögen, die Hehlen haben nie Grund gehabt, ihre Thaten zu verbergen.«

Sie ging in den Park hinaus.

»Wenn nun auf dem Grunde des ›Kastens‹ auch jene Papiere lägen, die Richard suchen soll?« dachte Craw. »Sie hat ein ganzes Arsenal, Tetarskoff nichts als die Macht des Geldes; er ist unsicher, weil er töten soll, unsicher auch noch aus anderen, bis jetzt verschleierten Gründen, sie dagegen auf alles gefaßt, Siegerin jedenfalls auch, wenn sie unterliegt. Sogar die öffentliche Meinung wird durch den sogenannten Tausch umgarnt. – Die Partie steht ungleich, und um Luisens willen muß die Niederlage wenigstens drohen, eine wirkliche zu werden. Gibt es einen unbeschirmten Fleck, und es scheint einen solchen zu geben, der in Beziehung zu der Erkennungsszene im Parke und den Papieren steht, so muß er angegriffen werden … Bah! Kurt Craw intrigiert!« rief er aus, »und nicht einmal für sich! – Und doch! Ich will diese Frau kennen, weiter ist's nichts.«

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