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Drittes Kapitel.
Drohende Wolken.

Düstern Blickes, nachlässig auf einem Divan ausgestreckt, gähnend über die langweiligen Berichte der acta diurna, der damaligen Staatszeitung, erwartete Maxentius das Erscheinen Sophronia's.

Wie ihn uns seine Münzen zeigen, verrieth das ganze Wesen des Kaisers seine bäurische und barbarische Herkunft. Es war eine robuste, breitschultrige Figur, das Bild roher und wüster Kraft. Ueber die niedrige Stirn hing ringsum das zottige Haar fast bis auf die Augenbraunen herunter; der runde, dicke Kopf ruhte auf einem feisten Nacken; etwas unheimlich Freches glühte in den stechenden Augen. Er selber liebte es, sich mit Herkules zu vergleichen; seiner Leibwache, die aus den größten und stärksten Soldaten gebildet war, hatte er den Namen der Herkulier gegeben.

Maxentius hatte die acta diurna zu Ende gelesen und wollte eben, des Wartens müde, einen zweiten Freigelassenen in die Wohnung der Sophronia schicken, als ein Bote mit einem angeblich sehr dringenden und wichtigen Briefe angemeldet wurde.

»Er soll ihn zum Kanzleipräfekten Heraclius bringen oder wohin er will!« antwortete der Kaiser gähnend, bedachte sich aber dann doch, indem ihm einfiel, daß es sich wahrscheinlich um Nachrichten vom Kriegsschauplatze in Oberitalien handle, und ließ sich den Brief geben.

Der Bote war von dem kaiserlichen Feldherrn Rufus gesandt, der das Heer im Norden befehligte.

Maxentius öffnete das Schreiben, und je weiter er las, desto mehr verfinsterten sich seine Züge.

Daß Constantin die Alpen überstiegen und bei Augusta Taurinorum (Turin) einen Sieg errungen, wußte er aus früheren Berichten, hatte diesem ersten Erfolge des Gegners jedoch keine Bedeutung beigelegt. Er vertraute so sehr auf das zumal in Aegypten erprobte Feldherrntalent des Rufus, daß er gar nicht zweifelte, derselbe habe sich nur aus Kriegslist schlagen lassen und werde ihm bald den Kopf Constantin's überschicken.

Jetzt meldete ihm der Feldherr, daß nach der Einnahme der festen Stadt Turin der Feind in Eilmärschen auf Brixia (Brescia), dann vor Verona gezogen sei, an beiden Orten abermals die kaiserlichen Truppen blutig auf's Haupt geschlagen und Verona im Sturme erobert habe. Ruricius, der Befehlshaber der Stadt, sei unter den Gefallenen. Wie zu Turin und Brescia habe Constantin auch hier, dem gewöhnlichen Kriegsgebrauch entgegen, den Besatzungen das Leben geschenkt. Mit dem Falle Verona's sei Oberitalien verloren; das ungestüm rasche Vordringen des Feindes aber, sowie die Entmuthigung seiner eigenen Soldaten gestatte dem Feldherrn nicht, in der Po-Ebene dem Gegner noch einmal entgegen zu treten; er habe daher Befehl gegeben, die Apenninenpässe zu sperren, um Zeit zu gewinnen, in der Nähe von Florenz ein neues Heer zu concentriren. Dringendst bitte er den Kaiser, alle verfügbaren Kräfte, zumal die sehnlichst erwarteten Legionen aus Sicilien und Afrika, ihm in Eilmärschen zuzusenden.

Das waren Nachrichten, die denn doch den Kaiser aus seiner gewohnten Trägheit aufrüttelten.

Wüthend warf er den Unglücksbrief, ohne ihn zu Ende zu lesen, auf den Boden, trat ihn mit Füßen und schrie:

»Florenz? Florenz? – Ha, der Schuft, der Verräther! Placentia, Parma und Bononia ohne Schwertstreich Preis zu geben! Warum eilte ich nicht selbst an die Spitze meiner Legionen, um gleich Herkules diesen Eber, der in meine Felder eingebrochen, lebendig abzufangen?«

Voll Ingrimm schritt der Kaiser in seinem Gemache auf und nieder.

Wie war es möglich, daß Rufus, der noch nie eine Niederlage erlitten, daß seine besten Legionen, trotz ihrer doppelten Ueberzahl, sich dreimal nach einander hatten schlagen lassen?

Und wie vollständig mußten die Feinde jedesmal gesiegt haben, um sein Heer in völliger Auflösung zu zersprengen! –

Endlich erinnerte sich Maxentius, daß er den Brief noch nicht ganz zu Ende gelesen. Er hob ihn vom Boden auf; der Schluß des Schreibens lautete:

»Wie Gordianus, der uns treu ergebene Priester des Mithras im Heere Constantin's, mir berichtet, hat dieser, angeblich nach einer ihm gewordenen Himmelserscheinung, ein neues Heerbanner anfertigen lassen, auf welchem er sich in seiner Bescheidenheit als Sonnengott darstellt, darüber ein Geheimzeichen, das den Namen des Christen-Gottes bedeutet. So plump die Fabel von der Himmelserscheinung erfunden ist, die sicherlich Constantin allein nach einer durchschwärmten Nacht gesehen hat, seine Soldaten, von denen ein großer Theil aus Christen besteht, verrichten unter diesem neuen Feldzeichen Wunder der Tapferkeit.

»Vor der letzten Schlacht habe ich aus den einzelnen Legionen fünfhundert der Besten erkoren und ihnen die höchsten Ehrenpreise und Beförderungen verheißen, wenn sie jene Standarte eroberten. Noch nie habe ich ein solch wüthendes Ringen gesehen; allein wie von dämonischen Mächten gehalten, wankte jenes verfluchte Feldzeichen nicht; von meinen fünfhundert aber ist kaum ein einziger übrig geblieben.« –

»So?« knirschte Maxentius, indem er die Fäuste ballte, »so? die Nazarener sind's, die mir nach Krone und Leben trachten? Ihr räudigen Hunde, damit also lohnt ihr es mir, daß ich euch von der Kette losgelassen? – Der göttliche Diokletian hat euch richtig beurtheilt: warum habe ich sein Vertilgungsdekret aufgehoben?«

In diesem Augenblicke erschien, zitternd vor dem Zorne seines Herrn, der Freigelassene, den Maxentius zu Sophronia geschickt, und berichtete, daß das Weib sich unter der Erklärung, es sei Christin und werde deßhalb nie dem Befehle des Kaisers folgen, selbst den Tod gegeben.

Die erschütternde Nachricht rief in der Brust des Maxentius keine Gewissensbisse wach.

»Sie sei Christin und werde deßhalb nie dem Befehle des Kaisers gehorchen?« wiederholte er höhnisch. »Ja, das paßt zusammen! Sie alle sind Hochverräther, vom letzten Bettler bis zu ihrem Bischof Milziades. Wie würden sie triumphieren, wenn Constantin in Rom einzöge! Aber bei den unsterblichen Göttern! ich will euch die Schüssel versalzen! – Geh',« herrschte Maxentius den Freigelassenen an, »und bestelle den Heraclius nach dem prandium zu mir; der soll mir diese Läuse aus meinem Pelz herausfangen.«

In finsterm Groll schritt der Kaiser wieder durch das Gemach. Hatte er im vorigen Jahre einige Hundert römischer Bürger durch seine Prätorianer und Herkulier niedergemetzelt, warum könnte er nicht zum abschreckenden Beispiele jetzt einige Tausend Christen in's flavische Amphitheater treiben und zusammenhauen lassen?

»Aber,« wendete er sich selbst ein, »dieses Ungeziefer ist unvertilgbar; wie die Motten in der Wolle haben sie sich in der ganzen Stadt und selbst im Palaste eingenistet. Und welch' willkommenen Vorwand würde ich jenem gallischen Buben geben, sich als Erretter des römischen Volkes aufzuspielen, wenn ich einen Haufen dieser Strolche über die Klinge springen ließe!«

Von seinen Wuthausbrüchen wider die Christen ging der Kaiser wieder zur Erwägung seiner eigenen Lage über. – Wenn Rufus bei Florenz nochmals geschlagen wurde, stand dann dem Feinde nicht der Weg nach Rom offen?

»Wohl,« sprach Maxentius zu sich selbst, »ich werde die Stadtmauern ausbessern und durch Wall und Graben befestigen lassen. Sie mögen es versuchen, die Hunde, in meinen Dachsbau zu kriechen: mit blutiger Schnauze sollen sie wieder abziehen!«

In diesem Augenblicke ließ sich Rufus anmelden. Angesichts der ernsten Lage hatte der kaiserliche Feldherr es für nöthig gehalten, persönlich mit dem Herrscher zu reden und ihm denjenigen Kriegsplan vorzulegen, der nach seiner Ueberzeugung allein den Kaiser noch retten konnte. Nachdem er den Oberbefehl einem seiner Unterfeldherrn anvertraut hatte, war er, Tag und Nacht ohne Unterbrechung reisend, seinem Boten auf dem Fuße gefolgt.

Maxentius war von dem plötzlichen Erscheinen seines Feldherrn nicht wenig überrascht; die mündlichen Mittheilungen desselben bestätigten und erläuterten, was er in seinem Briefe gemeldet.

»Wohl,« wiederholte der Kaiser, »ich werde Rom befestigen und in Vertheidigungszustand setzen lassen. Eher soll darin kein Stein auf dem andern bleiben, als daß ich es dem Constantin übergebe!«

»Wenn Der einmal vor den Thoren steht,« entgegnete Rufus, der, seiner Macht sich bewußt, freier, wie andere Sterbliche zum Kaiser reden durfte, »dann werden deine Mauern und Erdwälle dir wenig helfen. Für eine Belagerung fehlt es uns an Allem; – zunächst an Proviant. Die Hungersnoth im Vorjahre hat die Magazine geleert, und ich zweifle sehr, ob der Stadtpräfekt Rufinus im Stande war, sie aus den kargen Erträgnissen dieses Sommers wieder zu füllen.«

»Ich lasse ihn lebendig braten,« schrie Maxentius, ärgerlich über den Widerstand seines Feldherrn, »wenn die Speicher nicht gefüllt sind. Ohnehin habe ich mit diesem Rufinus wegen seines Weibes abzurechnen. Jedenfalls reichen für die Legionen die Vorräthe auf einige Monate aus.«

»Und was nützt es dir,« entgegnete jener, »wenn du Rom zwei oder drei Monate hältst? – Bist du zudem sicher, daß das Volk nicht einen Aufruhr in der belagerten Stadt macht?«

»Das Volk Aufruhr?« lachte der Kaiser. »Wie der Gaukler seinen Pudel, so lasse ich, die blutige Geißel in der Hand, die Römer vor mir tanzen. Doch rücke nun endlich einmal mit deinen Plänen heraus!«

»Rom kannst du auf die Dauer nicht gegen Constantin halten,« wiederholte der Feldherr; »wirfst du dich dagegen nach Sicilien und auf deine afrikanischen Provinzen, so stehen dir frische Kräfte zu Gebote, um binnen Kurzem wieder mit einer mächtigen Flotte an der Mündung der Tiber zu erscheinen. Ich werde mich für den Winter mit meinen Legionen nach Capua und hinter den Volturnus zurückziehen. Constantin, mit dem Besitze Rom's zufrieden, wird uns einstweilen in Ruhe lassen, und bei Beginn des Frühlings dringen wir mit neuer Kraft zu Wasser und zu Land vor. Dabei rechne ich zuversichtlich auf die Bundesgenossenschaft der andern Kaiser, denen Constantin im Besitze von Britannien, Gallien, Italien und Afrika ein zu mächtiger College sein würde.«

»Beim Herkules!« sprach Maxentius, »ich werde mir deinen Vorschlag überlegen. Haha! wenn Constantin mich in seine Gewalt brächte, gewiß, er ließe mir den Kopf abhauen und ihn auf einer Stange zur Schau in allen Städten des ganzen römischen Reiches umhertragen. Ich verspreche ihm wenigstens, daß ich es so mit dem seinigen thun werde.«

»Wenn du ihn bekommst,« entgegnete Rufus trocken.

»Wenn ich aus Rom hinaus muß,« tobte der Kaiser, durch diese Aeußerung seines Feldherrn noch mehr gereizt, dann stecke ich es erst an allen vier Enden in Brand, und ich schwöre es dir, daß Nero neben mir ein Stümper im Heizen gewesen sein soll. Ich weiß, ich kann mich auf die Soldaten verlassen.«

Rufus war ein Römer von altem Schlage; die schreckliche Drohung des Kaisers empörte ihn ebenso, wie die Zumuthung, daß die Soldaten bei der Brandstiftung Handlangerdienste leisten sollten. Mit finsterem Stirnerunzeln heftete er sein Auge schweigend auf Maxentius, dann sprach er:

»Gewiß, du kannst dich auf mich und das Heer im Kampfe verlassen.«

Der Tyrann verstand seinen Feldherrn. –

Ein Freigelassener meldete jetzt, daß die sechste Stunde, die Zeit des prandium oder Mittagsimbisses, gekommen sei.

»Wir wollen uns durch Constantin nicht die Genüsse der Tafel verderben lassen,« sprach Maxentius; »bei einem Becher Falernerwein läßt sich die Sache leichter besprechen.« –

Noch am Abende kehrte Rufus zum Heere zurück, tief mißstimmt über den Befehl des Kaisers, der vertrauend auf die Versicherungen seiner Wahrsager und Zeichendeuter, seinem Feldherrn aufgetragen hatte, sich mit seinen Truppen auf Rom zurückzuziehen, jedoch unter steten Gefechten, um für die aus dem Süden heranrückenden Legionen Zeit zu gewinnen. –

Um dieselbe Zeit saß in einer Halle der Thermen des Titus der junge Senator Symmachus einsam und allein, sinnend den finstern Blick auf die Marmorgruppe des Laokoon geheftet, welche in einer Nische im Hintergrunde der Halle aufgestellt war.

Es gab in Rom keinen stolzeren Römer, keinen eifrigeren Verehrer der Götter, als ihn.

Unter den wenigen ehrenwerthen Männern, welche die verkommene Hauptstadt damals aufzuweisen hatte, war er einer der achtungswürdigsten, ein Mann von strengen Sitten, in der Schule der Neuplatoniker gebildet, der zudem mit dem Adel alter senatorischer Abstammung einen unermeßlichen Reichthum verband. Wiederholt hatte Maxentius ihm die glänzendsten Ehrenstellen angeboten; Symmachus hatte sie ausgeschlagen, weil er kein Tyrannenknecht sein wollte. Zurückgezogen vom öffentlichen Leben, voll Unmuth über die Entartung der Römer, grollend über die Senatoren und Ritter, die, uneingedenk des Ruhmes ihrer Ahnen, sich von Maxentius selbst die ruchlosesten Frevel an den Ihrigen gefallen ließen und die Ehre ihres Namens preis gaben, um nur Leben und Vermögen zu retten, lebte er einzig der Erziehung seines Sohnes, der, damals noch ein Knabe, dereinst einem h. Damasus und Ambrosius gegenüber mit so mächtiger Beredtsamkeit für die sinkenden Götter Rom's seine Stimme erheben sollte.

War es das tragische Ende der Sophronia, waren es die Nachrichten vom Kriegsschauplatz, die Symmachus auf geheimen Wegen erhalten hatte, was seine Stirne verfinsterte? Es war das eine und das andere, und doch empfand der Senator kein Mitleid mit dem Tode eines Weibes, das als Christin gestorben war, und keine Theilnahme für die bedrohte Herrschaft des Maxentius, den er in demselben Grade verachtete, als er Constantin haßte.

Aus seinem finstern Brüten wurde der junge Senator durch das Erscheinen eines Greises aufgeweckt, der mit freundlichem Lächeln auf ihn zutrat und ihm die Hand zur Begrüßung reichte.

Auch auf des Symmachus Stirne glätteten sich die Falten, als er den Greis wieder erkannte; denn es war ja sein ehemaliger Lehrer, Lactantius Firmianus, der ihn einst am Hofe des Diokletian zu Nicomedia die Rhetorik gelehrt hatte.

»Es mögen jetzt acht Jahre her sein,« begann nach den ersten Begrüßungen der Greis, »seit du aus Asien nach Rom zurückkehrtest, und ich durfte kaum hoffen, dich im Leben wieder zu sehen, wenn nicht eine glückliche Fügung mir vergönnt hätte, noch einmal die strahlende Beherrscherin der Welt, das goldene Rom zu schauen.«

»Wenn du das für ein Glück angesehen hast, so dürftest du bald deine Meinung ändern,« entgegnete Symmachus, dessen Stirne sich von Neuem bewölkte.

»Ich bin erst gestern angekommen,« antwortete Lactantius, »und habe doch schon von vielen gar schlimmen Dingen gehört. Allein in tiefster Seele hat mich doch der erschütternde Tod der edlen Sophronia ergriffen. Ich lernte sie in Nicomedia kennen und bewunderte schon damals ihre hohe Gesinnung.«

»Die That jenes Weibes würde auf mich Eindruck machen, hätte Sophronia nicht als leidenschaftliche Orientalin und zudem als überspannte Christin, sondern als echte Römerin mit kaltem Blute und fester Ruhe, wie jene Lucretia, sich das Messer in die Brust gestoßen. Was mich empört, ist dies, daß selbst der Präfekt von Rom im Heiligthum seines Hauses nicht mehr sicher vor den Nachstellungen des kaiserlichen Tyrannen ist. Allein noch schmählicher ist, daß es in Rom keinen zweiten Brutus gibt, der den blutigen Dolch vom Boden aufzuheben wagt.«

»Man erzählte mir auch von Constantin, von seinen Siegen über Rufus und wie er unaufhaltsam schon bis nach Umbrien vorgedrungen. Erkennst du nicht in ihm das Werkzeug in einer höhern Hand, die Frevel des Maxentius zu strafen?«

Auf diese Frage heftete Symmachus schweigend, unter bitterm Hohnlächeln, seinen Blick auf Lactantius: dann wies er mit der Hand auf die Gruppe des Laokoon und sprach:

»Betrachte dieses Bild, betrachte es genau! Siehst du, wie Laokoon, von den beiden Schlangen zerfleischt, in stummem Schmerz sich windet und zum Himmel aufstöhnt? Siehst du, wie seine Söhne, von den Windungen der Ungethüme umschlungen, zu dem Vater aufschreien, der ihnen nicht helfen kann? Das ist das Bild Rom's, – Rom's, das mit seiner Bevölkerung von Maxentius und Constantin zerfleischt und in tödtlicher Umschlingung erdrückt wird. Nur darin hinkt der Vergleich, daß jene Schlangen einträchtig ihre Opfer anfielen, während diese beiden in verdoppelter Blutgier um die Wette die Beute zerreißen.«

»Nein nein,« rief Lactantius mit auffallender Wärme, »du darfst Constantin weder mit jener Schlange vergleichen, noch ihn dem elenden Maxentius gleichstellen.«

»Du kennst ihn nicht, guter Alter,« entgegnete Symmachus mit bitterm Lächeln. »Du glaubst, er gleiche seinem Vater Constantius Chlorus, und vergissest, daß seine Mutter Helena eine dacische Kellnerin niedrigster Herkunft und zudem eine Christin ist.« [R1]

Lactantius unterdrückte die Antwort, die ihm schon auf den Lippen lag. Der Senator aber fuhr in leidenschaftlicher Erregung, die Stimme zitternd vor Schmerz und Ingrimm fort:

»Weißt du daß Constantin den verfluchten Namen des Christen-Gottes auf sein Heerbanner gesetzt hat? O Rom, die Gallier und die Karthager haben dir nicht die Schmach angethan, die dieser Imperator an der Spitze römischer Legionen dir bereitet! Lactantius, wenn du, gleich dem greisen Homer, den Quell der Dichtung unversiegt in deiner Brust bewahrt hast, wohlan, so erhebe deine Stimme für die unsterblichen Götter wider den gekreuzigten Juden, den Constantin auf den Thron Jupiter's erheben will!«

Ein tief schmerzlicher Zug flog über das Gesicht des Greises. Einst ein Verehrer der Götter hatte er als Dichter und Redner das Christenthum bekämpft, und das hatte ihm die Gunst Diokletian's erworben. Plötzlich von der Gnade gerührt und zu Christus bekehrt, hatte er seitdem unermüdlich in Wort und Dichtung und zumal durch philosophische Abhandlungen seinen neuen Glauben vertheidigt und das Heidenthum bekämpft, um das früher gegebene Aergerniß wieder gut zu machen. Wie schmerzte ihn jetzt die Erfahrung, daß seine Gedichte zur Verherrlichung des Götzendienstes noch nicht vergessen waren, während seine Vertheidigungsschriften des Christenthums selbst seinem ehemaligen Schüler unbekannt geblieben! [R2]

Auf die Aufforderung des Symmachus schüttelte er mit dem Kopfe, indem er mit bitterm Lächeln erwiderte:

»Wenn Jupiter keine Blitze zu schleudern vermag, seinen Thron zu vertheidigen, und Minerva's Speer und Apollo's Bogen zerbrochen sind, wie kann die Feder in der Hand eines Greises die Götter Rom's vor dem Untergange retten?«

Symmachus wollte eben antworten, als in die Halle eine Anzahl von Fremden trat, denen ein Führer mit lauter Stimme die Gruppe des Laokoon zu erklären begann. Verletzt durch die Worte des Lactantius, ärgerlich über die Störung, verabschiedete sich Symmachus kurz von seinem Lehrer und eilte hinaus. –

Das tragische Ende der edlen Sophronia hatte in allen Kreisen der Hauptstadt tiefen Eindruck gemacht, hatte, Viele beschämend, das moralische Bewußtsein aus seiner Erschlaffung aufgerüttelt und die schmachvolle Erniedrigung, in welche der Tyrann Adel und Volk hinabgewürdigt, Allen handgreiflich vor Augen geführt. Der Kanzleipräfekt Heraclius, der überall seine Spione hatte, berichtete dem Kaiser nach dem prandium über die in der Stadt herrschende Gährung.

Heraclius, früher Christ, seit seinem Abfall gleich allen Apostaten ein verbissener Feind seiner ehemaligen Glaubensgenossen, hatte sich in ungewöhnlich rascher Laufbahn vom Professor der griechischen Beredtsamkeit zu seiner jetzigen Stellung emporgeschwungen. [R3] Noch vor einem Jahre lebte er auf dem öden Sardinien in der Verbannung, dorthin verurtheilt durch den Richterspruch des Stadtpräfekten Rufinus, weil er eine Versammlung der Christen mit Waffengewalt und unter Blutvergießen gestört hatte. [R4] Die Fürbitte seines Weibes Sabina, einer Dame aus altem patricischen Geschlechte, deren Hand er sich durch den Abfall vom Glauben erkauft hatte, erwirkte ihm die Zurückberufung; durch eine Lobrede am Jahrestage der Thronbesteigung des Maxentius gewann er dessen Gunst; in die geheime Kanzlei berufen, wurde er in Kürze an die Spitze derselben gestellt. Der kluge und geschmeidige Grieche hatte dadurch den weitgehendsten Einfluß erlangt; er genoß das volle Vertrauen des Tyrannen, dessen Leidenschaften er diente und die er hinwiederum für sich auszunutzen wußte.

Maxentius hörte den Bericht seines Geheimsekretärs über die Stimmung in der Stadt und den tiefen Eindruck, den der Tod der Sophronia auf die Bevölkerung gemacht hatte, sehr gleichgültig an.

»Wohl«, sagte er höhnisch, indem er einen Becher calda oder Glühwein hinunterstürzte, »man muß in der That auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen. Schreibe daher sofort den Haftbefehl für Rufinus und lasse ihm den Proceß machen, weil er – – nun weil er, wie Rufus mir berichtete, für die Verproviantirung der Stadt nicht hinlänglich gesorgt hat.«

Bei diesen Worten des Kaisers leuchtete das Auge des Griechen vor boshafter Schadenfreude. Er hatte es dem Rufinus nicht vergessen, daß er von ihm vor zwei Jahren zu lebenslänglicher Verbannung nach Sardinien verurtheilt worden; schon lange lauerte er auf eine Gelegenheit sich zu rächen; allein der Stadtpräfekt war in seiner hohen Stellung ihm bisher unerreichbar geblieben. Jetzt war die Stunde der Rache gekommen, und Heraclius begrüßte sie um so begieriger, als erst neulich Rufinus mit dem Stolze eines römischen Senators eine Anmaßung des griechischen Emporkömmlings durch ein vielleicht zu scharfes Wort zurückgewiesen und ihn seine Verachtung hatte fühlen lassen.

Heraclius mußte sich Gewalt anthun, seine Freude zu verbergen.

»Wie?« fragte er, scheinbar erschrocken über das Wort des Kaisers, »den Senator Aradius Rufinus, den Präfekten der Stadt Rom, willst du verhaften und … und …?«

»Und wenn es mir beliebt, zum Tode verurtheilen lassen,« ergänzte Maxentius kaltblütig. »Was Stadtpräfekt! So ein senatorischer Mohnkopf sitzt nicht fester auf seinem Stengel, wie eine plebeische Distelblume.«

»Dennoch würde ich dir rathen, wenn deine Göttlichkeit die Hand an den Stadtpräfekten legen will, die Ankunft der Legionen aus dem Süden abzuwarten,« bemerkte der hinterlistige Grieche.

»Die Legionen?« fragte Maxentius mit finsterm Stirnrunzeln.

»Deine Göttlichkeit hat diese Natter schon zu lange am Busen gehegt. Du allein hast es nicht sehen wollen, wie Rufinus auf alle Weise die Gunst des römischen Volkes zu gewinnen trachtet. Ich zitterte, so oft ich daran dachte, welch' ungeheuere Macht dieser ehrgeizige Mensch in seiner Stellung als Stadtpräfekt zu seiner Verfügung habe. Jetzt aber, wo Constantin sich wider dich erhoben hat, ist er doppelt gefährlich; und wenn er, wie deine Göttlichkeit sagt, für die Verproviantierung Rom's nicht die nöthigen Vorkehrungen getroffen, …«

»Dieser niederträchtige Verräther!« rief Maxentius; »er ist ja Constantin's Waffengefährte gewesen.«

»Nun, dann zweifle ich keinen Augenblick,« fuhr der heimtückische Grieche fort, »daß man in seinem Hause compromittierende Schriften, z. B. eine geheime Correspondenz finden würde, durch welche eine Verschwörung mit Constantin …«

»Noch einmal!« schrie Maxentius wüthend, »schreibe sofort den Haftbefehl und sorge, daß die Richter ihre Pflicht thun!«

»In diese unzweifelhaft bestehende Verschwörung aber,« sprach Heraclius weiter, ohne auf den Befehl des Kaisers zu achten, »für welche sich die Beweise finden werden und finden müssen, war sein Weib Sophronia verwickelt, und weil sie nicht gegen ihren Gatten Zeugniß ablegen wollte, hat sie sich selbst entleibt. So sollen es die Römer morgen in den acta diurna lesen. [R5] Auf jene Correspondenz hin aber läßt sich auch noch andern Leuten der Prozeß machen. Sie werden verurtheilt, und ihr Vermögen verfällt dem Fiscus.«

Maxentius mußte einige Augenblicke nachdenken, um den ruchlosen Plan des Heraclius zu begreifen. Dann aber schlug er mit der Hand auf sein Knie und rief höchst befriedigt aus:

»Bei der Keule des Herkules! im ganzen römischen Reiche finde ich keinen zweiten Jagdhund, wie du bist! Dein Plan ist ausgezeichnet, vortrefflich! Weißt du, daß jene Sophronia eine Christin war, und daß sie aus diesem Grunde sich weigerte, mir zu Willen zu sein? Setze auch dies, daß sie Christin gewesen, in die Zeitung. Damit ist dem Volke das Maul wegen jenes Weibes gestopft; mit dem Halsbande der Processe aber halte ich die Meute in Botmäßigkeit, und die Confiscationen kommen mir für den Bau der Basilika, wie für die Feste zum bevorstehenden Jahrestage meiner Thronbesteigung gerade gelegen. Was fragt das römische Rattennest darnach,« setzte er mit verächtlichem Hohne hinzu, »woher das Korn kommt, wenn das Ungeziefer sich nur recht voll fressen kann?«

Heraclius wollte sich verabschieden, da es ihn brannte, den Stadtpräfekten seine Rache fühlen zu lassen; ein Wink des Herrschers hielt ihn zurück.

»Weißt du«, fragte Maxentius, und seine Stirne verfinsterte sich wieder, »weißt du, daß Constantin durch einen listig erdachten Betrug sich die ganze Rotte der Christen zum Bundesgenossen gemacht? Wie die Bestie des Colosseums in ihrem Käfig lauert, daß der Wärter das Gatter öffne, so warten diese Christen nur auf die Stunde, wo Constantin vor Rom erscheint, um in blutiger Empörung mir an den Hals zu springen. Aber beim Herkules! sie sollen meine Keule kennen lernen! Binnen acht Tagen muß ihr Bischof Milziades sammt all' seinen Priestern und Diakonen eingefangen sein. Dazu ist Niemand befähigter, denn du; du kennst ihre Schlupfwinkel und ihre Geheimzeichen, und es wird dir ein Genuß sein, deine ehemaligen Schandgenossen unter das Messer zu liefern. Sind erst die Hirten hin, dann geht's an die fetten Hämmel, und da soll dir dein Antheil nicht fehlen. Der Rest vom niederen Pöbel mag sich in seine Höhlen verkriechen: den fürchte ich nicht mehr.«

So verbissen in seinem Groll gegen die Kirche, die ihn ausgestoßen, der Apostat war, und so begierig er sonst jede Gelegenheit ergriff, den Kaiser wider die Christen zu verstimmen, dieser Befehl erschreckte ihn. Heraclius kannte ja zu gut die Macht des christlichen Glaubens, hatte sie in der diokletianischen Verfolgung zu oft erprobt, als daß er nicht auf das lebhafteste von der Nutzlosigkeit blutiger Maßregeln überzeugt gewesen wäre. Zumal jetzt, wo Constantin gegen Rom vorrückte, erschien ihm eine Verfolgung auch politisch im höchsten Grade unklug.

Dazu aber kam noch, daß Heraclius angesichts der wiederholten Niederlagen des Rufus schon die Möglichkeit in's Auge gefaßt hatte, daß Constantin den Maxentius stürze. In seiner Lage würde jeder Andre keinen Augenblick gezweifelt haben, daß dann auch sein Kopf verwirkt sei; der schlaue Grieche jedoch gab keineswegs die Hoffnung auf, wenn nicht die Gunst des Siegers gewinnen, so doch sein Leben retten zu können, wofern es ihm nur vorher gelang, sich wieder mit der Kirche auszusöhnen. Statt dessen sollte er sich jetzt zum Werkzeug erneuter Blutbefehle hergeben, welche selbst bei der heidnischen Bevölkerung unpopulär geworden, und gegen die sich doch auch sein eigenes besseres Gefühl sträubte?

Der listige Grieche bedurfte nur weniger Augenblicke, um ein Auskunftsmittel zu finden, sich dem schlimmen Auftrage zu entziehen und zugleich seine eigenen Pläne zu fördern. Da Widerspruch und Gegengründe den Kaiser nur in seinem Eigensinn zu bestärken pflegten, beschloß er, auf Umwegen auf sein Ziel loszusteuern.

»Mein Gebieter,« sprach er, »niemals hat dein göttlicher Mund mir einen Auftrag ertheilt, den ich auszuführen freudiger bereit gewesen wäre. Und da die Götter mir vergönnt haben, deine Befehle im Voraus zu errathen, so habe ich in langem und ernstem Nachdenken endlich ein neues und zwar das einzig unfehlbare Mittel gefunden, die Nazarener mit der Wurzel auszurotten.«

»Beim Herkules!« rief Maxentius, »ich lasse dir auf dem Forum den stolzesten Triumphbogen errichten, wenn dein Mittel probat ist.«

»Es ist eben so sicher, als einfach,« entgegnete der Grieche. »Die blutigen Feuerbrände des Diokletian, wie der früheren Kaiser, haben nur den Fanatismus dieser Rotte entflammt; andere Pfeile mußt du auf deinen Bogen legen, willst du sie vernichten. Ein Bergwasser bäumt sich gegen die Schranken auf, die man ihm in den Weg wirft; wenn du es aber zwischen engen Dämmen in die Wüste leitest, verläuft und versiegt es von selbst im Sande. Wohlan denn, sperre den Christen jede Gemeinschaft des öffentlichen und bürgerlichen Lebens mit den Verehrern der unsterblichen Götter ab. In allen Schulen lasse dein Bildniß anbringen, und Lehrer und Schüler sollen ihm täglich vor dem Unterrichte Weihrauch opfern. Auf dem Markte haben deine Priester jeden Morgen die Nahrungsmittel mit Weihwasser zu besprengen; alle Kaufleute, bis zum letzten Krämer, müssen Götterbilder in ihren Läden aufstellen. Ehen, Verträge, Kaufcontracte sind ungiltig, wenn sie nicht unter Opfern abgeschlossen worden; kein Kläger darf vor Gericht auftreten, ohne zuvor die Götter angerufen zu haben. Durch diese und ähnliche Mittel schließest du die Nazarener vom Unterricht, Handel und Erwerb, von Recht und Verkehr aus, und ehe ein Menschenalter vorüber ist, …« [R6]

»Diesen langweiligen Versuch,« unterbrach ihn gähnend Maxentius, »mag ein Anderer machen; wen ich erwürgen will, den packe ich gleich bei der Kehle. Ein Grieche freilich, trage er auch von Herkules seinen Namen,« fügte er verächtlich hinzu, »hantiert lieber mit Giften und schleichenden Mitteln. Ich muß nun einmal,« sprach er ärgerlich und schlug mit der Faust auf den Tisch, »dieser lernäischen Schlange ihre hundert Köpfe abhauen, und willst nicht du der Feuerbrand sein, den ich ihr in den Hals stecke, daß die Köpfe nicht mehr nachwachsen, so finde ich einen Andern!«

Heraclius verlor keinen Augenblick seine Ruhe.

»Deine Göttlichkeit weiß,« entgegnete er, »wie unbedingt ich deinen Befehlen gehorche. Allein von den Mißgriffen Diokletian's war der schlimmste der, daß er die Versammlungsorte der Christen confiscirte und damit selbst die Fallen fortnahm, um die Füchse zu fangen. Gib den Nazarenern ihre Kirchen und Coemeterien zurück und gewähre ihnen freies Versammlungsrecht; dann warte nur einen ihrer Festtage ab, und du wirst sehen, wie sie alle, ihren Bischof Milziades mit seinen Priestern und Diakonen an der Spitze, in die Falle laufen. Um die Mitte des nächsten Monats feiern sie das Gedächtniß der Cäcilia an der appischen Straße; in der Freude über die wiedergeschenkte Freiheit wird bei dem Feste keiner von den Vorstehern fehlen, und du brauchst nur deine Prätorianer hinzusenden, um Alle mit einander abzufangen.«

»Ein seltsamer Vorschlag, beim Jupiter!« sprach der Kaiser; »und doch hat er etwas Verlockendes. Allein,« fuhr er nach einigem Nachdenken fort, »werden die Hunde nicht sagen, aus Furcht vor Constantin hätte ich ihnen ihre Heiligthümer zurückgegeben, und werden sie dann nicht um so frecher bellen?«

»Das Bellen wirst du ihnen ja dann bald verleiden,« antwortete Heraclius. »Man muß,« fügte er hinzu, »diese Christen behandeln, wie die Jagdhunde: indem du ihnen mit der einen Hand den Knochen kaiserlicher Huld vorwirfst, schwingst du mit der andern die Peitsche über sie; dann kriechen sie vor dir auf dem Bauche.«

»Ich will mir's überlegen. In der That, Diokletian war kein Herkules. Er hat die Bestie nur in ihre Höhle getrieben; aber statt sie zu erwürgen, zog er es vor, Kohl zu bauen.«

»Nun, der wahre Herkules wird sie aus ihrer Höhle hervorlocken, um sie dann mit seinem starken Arm zu erdrosseln. – Wenn du also befiehlst, so werde ich das Edikt in der Kanzlei entwerfen lassen. Würdest du es dann noch vor dem Jahrestage deiner glorreichen Thronbesteigung veröffentlichen, dann wirst du sehen, mit welch' dankbarer Begeisterung diese Tröpfe von Christen das Fest mitfeiern und dem göttlichen Maxentius entgegen jubeln werden.«

Für den Augenblick zufrieden, daß Maxentius seinen Vorschlag in Betreff der confiscirten Kirchengüter nicht zurückgewiesen, hatte der schlaue Grieche mit den letzten Worten die Unterredung geschickt auf einen andern Gegenstand, auf die bevorstehenden Feste übergeleitet, die neben der Vollendung seiner Basilika dem Kaiser jetzt zumeist am Herzen lagen. In der That ließ Maxentius alsbald den Gedanken an die Christen fahren, um über diese beiden Projekte zu reden; Heraclius aber wußte ihm ein so ansprechendes Festprogramm zu entwickeln, daß der Kaiser auf das Höchste befriedigt wurde.

Er hatte dem Entwurfe nur Eins hinzuzufügen.

»Die Einweihung des Circus mit Lustralwasser durch die Priester,« sprach er, »ist mir zu wässerig; ich will sie mit Blut vornehmen. In dem Augenblicke, wo bei der Wettfahrt der Erste als Sieger das Ziel erreicht und der Circus vom Jubelgebrüll des Volkes wiederhallt, soll außerhalb in einem abgesperrten Raum ein halbes hundert dieser Christen niedergemetzelt werden. Ihr Todesröcheln und das Blut, das da an die Mauern spritzt,« fügte er mit grinsendem Lachen hinzu, »das ist ein besserer Segen, als all das Geschnatter und Weihwasser der Priester.«

Heraclius wagte nicht zu widersprechen, um die gute Laune seines Herrn nicht zu verderben. Er gedachte des Verzeichnisses der Verschworenen, das er zusammen zu stellen hatte.


Anmerkungen zum III. Kapitel.

F1: Daß die hl. Helena von niedriger Geburt war, kann kaum bezweifelt werden, wenngleich englische Historiker behaupten, daß sie von königlichem Geblüte und aus Britannien stamme. Ihr Geburtsort ist eine Stadt in Serbien (Dacien), die bei den Alten Naissum hieß; ihre niedrige Herkunft aber thut ihren glänzenden Verdiensten keinen Eintrag. (Vergl. Pagi's Noten zu Baronins, S. 981.)

F2: Lactantius, wahrscheinlich in Italien geboren, erhielt seine Ausbildung in Afrika in der Schule des Rhetors Arnobius. Ein von ihm verfaßtes Gedicht bewog den Kaiser Diokletian, ihn um das Jahr 301 als Lehrer der Beredtsamkeit und der lateinischen Sprache an seinen Hof nach Nicomedia zu berufen, wo er auch eine Beschreibung seiner Reise dorthin in Versen herausgab. Seine Bekehrung zum Christenthum fällt noch vor den Ausbruch der diokletianischen Verfolgung 303. Um 312 sandte ihn Constantin nach Trier als Erzieher seines Sohnes Crispus; wahrscheinlich starb er eben daselbst um das Jahr 330.

F3: Die Professoren der Beredtsamkeit, zumal der griechischen, standen zu Rom in hohem Ansehen: »Schon im ersten, noch mehr im zweiten Jahrhundert gelangten berühmte Rhetoren nicht selten zu der einflußreichen Stellung kaiserlicher Sekretäre, die zuweilen eine Vorstufe zu noch höheren Aemtern war; öfter wurden Rhetoren von den Kaisern in den Ritterstand erhoben. Der Rhetor Heliodorus zur Zeit Hadrian's stieg bis zum Vicekönig von Aegypten, und sein Sohn, Avidius Cassius, durfte es wagen, die Hand nach der Kaiserkrone auszustrecken.« Das Gehalt der Professoren der griechischen und lateinischen Beredtsamkeit betrug 100,000 Sesterzien, das Vierfache von dem eines Kriegstribunen. (Friedländer, Sittengesch. Rom's I, 99 und 269.)

F4: Eine Inschrift des Papstes Damasus zu Ehren des Papstes Marcellus schildert uns die Veranlassung seines Martyriums. Die Apostaten (die » miseri«), welche in der diokletianischen Verfolgung vom Glauben abgefallen waren, verlangten vom Papste Wiederaufnahme in die Kirche, jedoch ohne der vorgeschriebenen strengen und langjährigen Buße sich unterwerfen zu wollen. Da Marcellus auf dieser Buße bestand ( lapsos quia crimina flere Praedixit), versuchten jene sich mit Gewalt die Aufnahme zu erzwingen. An die Spitze der Bewegung gegen den Papst stellte sich ein Mensch, Christum qui in pace negavit, der nicht etwa unter den unmenschlichen Folterqualen schwach geworden und vom Glauben abgefallen war, sondern »im Frieden« Christum verleugnet hatte. So folgte der blutigen äußern Verfolgung die innere; die Empörer gegen die kirchliche Ordnung griffen sogar zu den Waffen, drangen in die gottesdienstlichen Versammlungen und richteten dort ein Blutbad an. ( Hine furor, hinc odium sequitur, discordia, lites Seditio, caedes; solvuntur foedera pacis.) Damit war der kirchliche Streit vor das weltliche Strafgericht gebracht; Maxentius aber, statt die Schuldigen zu züchtigen, ließ den Papst eines elenden Todes sterben. Als sein Nachfolger Eusebius ebenso wenig der Anmaßung der Apostaten nachgeben wollte, richtete sich auch gegen ihn der Kampf. Eine zweite Inschrift des Papstes Damasus auf Eusebius nennt uns jetzt den Führer der revolutionären Bande: Heraclius. Die blutigen Auftritte wiederholten sich und boten dem Tyrannen Maxentius die erwünschte Gelegenheit, abermals gegen die Christen einzuschreiten, und nunmehr konnte er nicht umhin, beide, den Papst Eusebius und den Heraclius, in die Verbannung zu schicken. Der Papst starb auf Sicilien, wahrscheinlich im Jahre 310; die Kirche feiert seinen Todestag am 17. August. Sein Nachfolger Milziades ließ später die Gebeine nach Rom übertragen und setzte sie in einer eigenen, reich geschmückten Grabkammer im Coemeterium des Callistus bei. (Vergl. De Rossi, Roma sotterr. II, 201 seq. die eingehende geschichtliche Abhandlung.)

F5: Der officielle Tagesanzeiger ( acta diurna) enthielt über die öffentlichen Angelegenheiten nichts, als was die Regierung bekannt werden lassen wollte, also das Meiste gar nicht, Anderes entstellt und das Wenige der Wahrheit gemäß Mitgetheilte in großer Kürze; außerdem Hofberichte, Familiennachrichten aus den höhern Ständen, Stadtereignisse u. dgl. Das Hauptsurrogat für die fehlenden Organe der öffentlichen Meinung war die gesellige Unterhaltung, die eine Menge von Nachrichten und Neuigkeiten in Umlauf brachte, zu deren Verbreitung es sonst keine Mittel gab. (Friedländer, Sittengeschichte Rom's I, 336.) » Je ne doute pas que Rome ne fût jour par jour et heure par heure plus au courant de ses propres affaires et de ses propres sentiments que Paris ne l'est aujourd'hui. Le journal parlé de la ville éternelle échappait au timbre, à la censure, à la police, à l'avertissement, à la saisie.« ( Champagny, les Antonius II, 194.) Während die acta diurna unsern Zeitungen entsprechen, sind die epliemerides, mit welchem Worte man jetzt häufig »Zeitung« übersetzt, Tagebücher, welche von den Kaisern und auch von Privatpersonen geführt wurden, und die nicht für die Oeffentlichkeit, sondern für das Haus bestimmt waren. (Vgl. Friedländer a. a. O. I, 183.)

F6: Es ist dieß das Mittel, welches später im Jahre 362 Kaiser Julian der Abtrünnige in Anwendung brachte, der letzte Versuch der heidnischen Kaiser, das Christenthum zu vernichten. Daß Julian den Christen verbot, Schulen zu halten, in denen Rhethorik, Grammatik und Medizin gelehrt und die heidnischen Klassiker erklärt wurden, nennt selbst der Heide Ammianus Marcellinus (XXII. 10) ein hartes und barbarisches Gesetz, das in ewigem Stillschweigen begraben zu werden verdiene. Theodoret (Kirchengesch. III. 15) berichtet, Julian habe Opferfleisch in die Brunnen werfen, alle Waaren auf dem Markte, Brod, Fleisch und Gemüse mit heidnischem Weihwasser besprengen lassen u. s. w.


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