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Erster Teil.


Erstes Kapitel.
Das Zeichen am Himmel. [R1]

Unsere Erzählung fällt in den Herbst des Jahres 312 der christlichen Zeitrechnung. Wenige Monate bevor zu Rom Maxentius, der Sohn des Maximianus, den Händen des Vaters mit frevelhafter Gewalt die Herrschaft entrissen hatte, war in Gallien Constantin nach dem Tode seines Vaters Constantius Chlorus von den Truppen auf den Thron erhoben worden. Zwischen beiden Herrschern war die westliche Hälfte des römischen Reiches in der Weise getheilt, daß Maxentius Italien, die Länder an der Nordküste von Afrika und die Provinz Aegypten, Constantin dagegen Gallien, Spanien und Britannien beherrschte. Hielt Constantin an dem Vorbilde seines Vaters fest, durch Milde sich die Anhänglichkeit seiner Unterthanen zu sichern, so suchte Maxentius die usurpierte Krone zu schützen durch eine immer unerträglichere Tyrannei. Daher blickten zumal die Römer von Jahr zu Jahr um so sehnsüchtiger nach Gallien hinüber, als Constantin mit seinen trefflichen Regententugenden den Vorzug kaiserlicher Abstammung verband, während des Maxentius' Vater ein roher Bauer aus Illyrien gewesen war, der einzig wegen seiner wilden Tapferkeit von Diokletian den Purpur erhalten hatte.

Constantin kannte ebenso gut diese Stimmung in der Hauptstadt, als die persönliche Abneigung des Maxentius wider ihn. Daß es einmal zwischen ihnen zu einer blutigen Auseinandersetzung kommen müsse, war ihm unzweifelhaft; Maxentius aber, der seinem Mitregenten grollte, wünschte und suchte sogar einen solchen Zusammenstoß, vertrauend auf seine doppelt stärkere Heeresmacht und auf seine viel reicheren Hülfsquellen, und mehr denn einmal hatte Constantin den Unmuth seiner Feldherrn beschwichtigen müssen, wenn er der Herausforderung seines Gegners ausgewichen war. Wiederholt hatte er aus den Kreisen des höchsten Adels zu Rom Briefe erhalten, die ihn aufforderten, über die Alpen zu ziehen und durch die Befreiung Rom's sich die Herrschaft über Italien und die afrikanischen Provinzen zu erobern. Allein, mochte er sich auch zu einem Vertheidigungskriege hinreichend stark fühlen, so hielt er doch seine Kräfte bei Weitem nicht für ausreichend, um einen Feldzug nach Italien und einen Angriff des Feindes in dessen eigenem Lager wagen zu dürfen. Er suchte daher seinerseits jeden Anlaß zu offenem Zerwürfniß zu vermeiden; ja, zu den Kalenden des Januar, sowie am Jahrestage der Thronbesteigung des Maxentius pflegte er diesem jedesmal schriftlich seine Glückwünsche auszusprechen, wenngleich der Andere diese Erweise der Höflichkeit nie erwiderte. –

Constantin hatte, jetzt acht und dreißig Jahre alt, den Sommer des Jahres 312 im südlichen Frankreich, in der Nähe der Stadt Lyon zugebracht. Es war in den letzten Tagen des September, und eben wollte er, von einer Heeres-Uebung heimkehrend, in sein Zelt treten, als Anicius Paulinus, einer der edelsten von Rom's Senatoren, in zerrissenen Kleidern sich ihm zu Füßen warf. Constantin erkannte den Senator, der unter seinem Vater eine Zeitlang Kriegsoberster gewesen, sofort wieder, hob ihn auf und fragte erstaunt, was ihn aus Rom in solchem Aufzuge hierher führe.

»Mein Kaiser,« sprach Paulinus mit Thränen in den Augen, »wisse, daß Maxentius mir erst mein Weib genommen, dann mich des Hochverraths angeklagt hat. Durch treue Freunde und unter dem Schutze der unsterblichen Götter entkam ich zwar aus dem Gefängnisse; allein was mag aus meinen Kindern geworden sein? Räche mich, Imperator, indem du das mit Füßen getretene Rom, – indem du dich selbst rächest. Denn wenn du taub bleiben könntest gegen die Bitten des Senats, theilnahmslos bei den Thränen unserer Frauen und Kinder, gleichgültig für den Jammer des ganzen römischen Volkes, so wisse, daß unter den Opfern des Tyrannen auch Sprößlinge des göttlichen Claudius, deines Urgroßvaters, sind. Ja, in seinem Hasse wider dich hat der Elende sich soweit fortreißen lassen, daß er befahl, deine Statuen umzustürzen und auf den Wandgemälden deinen Bildnissen die Augen auszustechen.« [R2]

Die Feldherrn in der Umgebung Constantin's hatten mit wachsendem Unmuth die Schilderung des so schwer gekränkten Mannes angehört; bei seinen letzten Worten brach ihr Zorn in helle Flammen aus. Unwillkürlich fuhr die Hand an's Schwert; zumal die Jüngern forderten in kühnem Thatendrange den Kaiser auf, die ihm angethane Schmach mit blutiger Waffe zu rächen. Ihm selbst war bei jener Mittheilung die Zornesröthe in die Wangen gestiegen; seine Augen funkelten unter den finster zusammengezogenen Braunen: so Manches er sich bisher von Maxentius hatte gefallen lassen: diese schwere, persönliche Beleidigung durfte er nicht schweigend hinnehmen.

Constantin bat seine Kriegsobersten, ihn allein lassen zu wollen. War er gewohnt, jedes wichtige Unternehmen in ruhiger Einsamkeit zu überlegen, so mochte er sich hier am wenigsten zu einem übereilten Schritte drängen lassen.

Während er in ernstem Sinnen, die Seele voll Zorn und Unmuth, in seinem Zelte auf und nieder schritt, verbreitete sich die Kunde von der ihm zugefügten Schmach gleich einem Lauffeuer unter seinen Soldaten, und bald erscholl durch das ganze Lager der Ruf: »Auf gegen Rom! Nieder mit dem Frevler!«

Unterdessen kämpfte der Kaiser mit sich einen harten Kampf. So Vieles ihn dazu drängte, mit dem Schwerte in der Hand Sühne für die freche Beleidigung zu fordern, so ernste Bedenken erschwerten ihm die Entscheidung. Um zu einem Entschlusse zu kommen, beschied er den Opferpriester Gordianus zu sich, den Willen der Götter zu erforschen; dann berief er seinen Generalstab, sowie seine nächsten Vertrauten, auch den Senator Anicius Paulinus, zum Kriegsrath.

Es waren zum Theil alte Haudegen, die im Orient gegen die Perser, am Rhein mit den Germanen gekämpft und die Feldzüge in Aegypten, wie in Britannien mitgemacht hatten; Andere standen in jugendlicherem Alter und waren Waffengefährten Constantin's. Bei weitem der jüngste war der Hauptmann oder Centurio Candidus, ein edler Jüngling von stattlicher Gestalt, der die Ehre, zu dem vertrauten Freundeskreise des Herrschers zu gehören, einem tapfern Schwertstreiche verdankte, mit welchem er einmal in der Hitze des Gefechtes dem Constantin das Leben gerettet hatte. [R3]

Candidus war der Sohn des Castulus und der Irene [R4]. Wie sein Vater und seine beiden Schwestern als Märtyrer gestorben waren, so war auch er mit ganzer Seele Christ. Alle Soldaten schätzten den tapfern und edlen Jüngling; die Christen aber, die zahlreich im Heere Constantin's dienten, verehrten in ihm zugleich ein Muster und Vorbild aller Tugenden. Denn gleichwie die drei babylonischen Jünglinge in den Flammen des Feuerofens unverletzt geblieben, so war auch er durch die Verführungen des Soldatenlebens rein und unversehrt hindurch gegangen.

Zum consilium Principis oder dem Generalstab des Kaisers gehörten auch die Könige und Anführer der germanischen und britannischen Hülfstruppen, und unter ihnen ragte besonders Eroc, der König der Alemannen, hervor, trotz seiner siebenzig Jahre eine hohe, urdeutsche Gestalt, den riesigen Eichen in den heimatlichen Wäldern gleich, mit einer tiefen Narbe über der Stirne und einem weißen Barte, der bis auf den Gürtel hinabreichte. Sein Helm war aus dem Schädel eines Auerochsen gefertigt; eine braune Bärenhaut war sein Mantel; an seinem Gürtel hing ein mächtiges Schwert, ein ehrwürdiges Erbstück seiner Ahnen, die es von Thor, dem Gotte des Krieges, als Lohn ihrer Heldenthaten empfangen hatten. Constantin schätzte den Alten um so mehr, als er seinem Einflusse es zu nicht geringem Theile verdankte, daß ihn das Heer nach dem Tode seines Vaters zum Imperator ausgerufen.

Als der Kriegsrath versammelt war, ergriff der Kaiser das Wort.

»Ihr habt gehört,« sprach er, »welchen Schimpf Maxentius mir angethan, und es bedurfte, beim Jupiter! Euerer Aufforderung und der Zurufe der Soldaten nicht, mich zur Rache zu entflammen. Allein, wie die unsterblichen Götter nicht jeden Frevel sofort züchtigen, sondern ihre Stunde abwarten, so ziemt es auch dem Herrscher, besonnen zu handeln. Darum habe ich euch berufen, eure Meinung zu vernehmen; ich habe zudem in dieser wichtigen Sache auch die Götter um ihren Willen fragen lassen, und bald werden uns die Priester ihre Antwort bringen.«

Auf diese Erklärung hin erhob sich König Eroc.

»Ich glaubte,« sprach er mit einem Anfluge von Spott, den der Alte sich erlauben durfte, »du habest uns beschieden, um uns anzukündigen, daß beim Dämmern des nächsten Morgens das Heer auf dem Marsche sein müsse; in einem Monate wollest du vor den Thoren der Hauptstadt stehen. Denn, beim Wodan! dies muß ein Feldzug von nur wenig Wochen sein, der Schlag auf Schlag in ungestümem Vordringen den Feind zu Boden wirft. Maxentius soll noch im Bette liegen, wenn unsere Schwerter an die Thüre seines Schlafgemaches klirren.«

Auch Constantin selbst hatte einzig in einem überwältigend raschen Angriff auf die in den oberitalischen Standquartieren zerstreuten Legionen, und in einem kühnen Zuge geraden Wegs auf Rom los die Möglichkeit eines glücklichen Erfolgs erkannt. In demselben Sinne sprachen sich die Obersten und Kriegstribunen aus; der Befehlshaber der Flotte verbürgte sich für die Wegnahme Corsika's und Sardinien's, wie für Beschaffung des Proviants für das Landheer, und eben wollte Constantin das berühmte Wort Cäsar's wiederholen: » Alea jacta est, der Würfel ist geworfen,« – als Gordianus, den Blumenkranz im Haare, den lituus oder Stab der Zeichendeutung in der Hand, mit seinen Priestern in die Versammlung trat.

»Deinem Befehle gemäß, göttlicher Kaiser,« sprach er, »haben wir in den Eingeweiden der Opferthiere den Willen der ewig Waltenden erforscht. Möge dir beschieden sein, was dir glückbringend, heilsam und ersprießlich ist; allein wisse, daß die Zeichen ungünstig waren: die Götter sind deinem Vorhaben nicht geneigt.«

Diese unerwartete Erklärung wirkte auf die Versammlung wie ein Nachtfrost auf junge Blüthen; Alle schauten einander stumm und fragend an; den tiefsten Eindruck machten die Worte auf Constantin selbst.

Peinliche Stille herrschte im Kriegsrath; wer mochte es wagen, dem Willen der Götter entgegen zu treten?

Anicius Paulinus, der römische Senator, war außer sich vor Schmerz und Unmuth.

»Nein, nein,« rief er, »die Götter können nicht wollen, daß jenes Ungeheuer Rom noch länger unter die Füße trete. Entweder sind die Zeichen falsch gedeutet, oder – der Olymp mag sich in einem andern Volk Verehrer suchen!

»Mögen die Götter deinem Schmerze die frevelhafte Lästerung verzeihen!« entgegnete Gordianus mit herbem Tadel; »wie willst du die Pläne der Ewigen mit der kurzen Spanne deiner Hand messen? Die Zeichen sind richtig gedeutet, und einst wird der Tag kommen, wo der göttliche Constantin erkennt, daß die Himmlischen ihren Liebling heute vor einem gefahrvollen Wagniß warnten, um ihn auf sichererem Pfade zu größerer Macht und Ehre empor zu führen.«

Hatten auch die Worte des Paulinus bei manchem Kriegsobersten Beifall und Zustimmung gefunden, so bewirkten doch die mit solcher Auktorität erlassenen Erklärungen des Gordianus, daß die Meisten jetzt mit andern Augen die großen Gefahren des Unternehmens betrachteten. Der Eine rieth daher, alle Streitkräfte, welche den Rhein entlang die Grenzen zu vertheidigen hatten, heranzuziehen, um der Uebermacht des Gegners mehr gewachsen zu sein; ein Anderer sah nur in einem verbündeten Angriff, im Verein mit den Herrschern des Ostens, die Möglichkeit eines Erfolges; ein Dritter fand es für das einzig Richtige, sich nicht gegen den Willen der Götter in ein gewagtes, ja abenteuerliches Unternehmen zu stürzen, sondern die Rache auf eine spätere, günstigere Zeit zu verschieben.

Da erhob sich Candidus.

»Mein Kaiser,« sprach er, »verzeihe dem Jüngsten unter deinen Kriegsleuten ein kühnes Wort. Willst du nach Rom ziehen, einzig, um eine persönliche Beleidigung zu rächen, so mag Gott das Blut, das darum vergossen wird, nicht gefallen. Allein wenn du hinziehest, die Stadt von der ruchlosen Tyrannei eines Barbaren zu erlösen, Unschuld und Tugend vor Frevel und himmelschreiender Gewalt zu schirmen, dem römischen Volke statt der härtesten Sklaverei Freiheit und Ruhe zurückzugeben, dann wird Gott unsere Waffen segnen und dir zu dem Ruhme des Siegers den schönern Ruhm eines Vaters des Vaterlandes verleihen.«

Gordianus warf dem kühnen Centurio einen Blick glühenden Hasses zu; er wußte, daß Candidus Christ war und Orakel und Opferschau verachtete.

»Beim Wodan! die Weisheit ist bei der Jugend!« rief Eroc, der sich bis dahin mit Gewalt zurückgehalten hatte. »Hörst du das immer lautere Rufen der Soldaten vor deinem Zelte, Imperator? Das ist auch eine Stimme der Götter. – Und wenn du willst, so schicke ich zu einer der klugen Frauen unseres Volkes, die den Himmlischen ebenso nahe stehen, wie deine Priester, und lasse durch sie den Willen der Götter erforschen.«

Auch der Kriegstribun Artemius, dessen ruhiges und bedachtes Urtheil der Kaiser besonders schätzte, gab dem jungen Hauptmann Beifall; allein die größere Zahl der Versammelten, und zumal die älteren Generäle blieben doch dabei, es für bedenklich zu erklären, unter ungünstigen Zeichen einen Feldzug zu beginnen, bei welchem der Kaiser Alles, Land und Leben, auf das Spiel setzen mußte. [R5] Schon wurde in dem Widerstreit der Ansichten die Berathung immer erregter, und Constantin, der nur mit einem von einmüthiger und feuriger Begeisterung erfüllten Heere den Sieg erhoffen durfte, stand eben im Begriffe, die Discussion mit der Erklärung zu schließen, daß er sich dem Willen der Götter beuge, als plötzlich ein Soldat in das kaiserliche Zelt stürzte mit dem Ausrufe: »Kommet und schauet das wunderbare Bild, das sich am Himmel zeigt.«

Alle eilten in's Freie.

Unbeschreiblich war die Bewegung, welche die vor dem kaiserlichen Zelte versammelten Krieger ergriffen hatte. Die Einen lagen auf den Knieen und beteten mit erhobenen Händen; die Andern stürzten dem Constantin zu Füßen und jubelten ihm Siegesrufe zu; Andere starrten fragend und in ehrwürdiger Scheu auf die wunderbare Erscheinung.

Ueber der zum Untergange sich neigenden Sonne stand groß und in strahlendem Lichtglanze ein verschlungenes Schriftzeichen, mit der deutlich zu lesenden Umschrift in griechischen Lettern:

ΕΝ ΤΟ ΥΤΩ ΝΙΚΑ
In Diesem siege!

Beim Anblick der Himmelserscheinung warf sich Candidus auf die Kniee, breitete seine Arme aus und rief, Thränenden Augen:

»Sei gegrüßt, du hehres Zeichen meines Herrn, du unsere einzige Hoffnung! Nun du uns leuchtest, wer kann uns widerstehen?«

Dann erhob er sich und, frohlockend in seliger Freude, sprach er zu Constantin, der stumm und staunend seine Blicke unverwandt auf die Erscheinung heftete:

»Ja, mein Kaiser, in diesem Zeichen wirst du siegen! Nicht Menschenmund, der Himmel selbst verheißt es dir. Siehe, vor diesem Zeichen erzittern die Dämonen des Abgrundes: auch deine Feinde werden ohnmächtig vor ihm zu Boden stürzen.«

»Ich erkenne,« entgegnete Constantin, »daß das Zeichen aus den verschlungenen griechischen Buchstaben Chi (Χ) und Rho (Ρ) besteht; allein ich frage mich vergebens, was dieses Monogram zu bedeuten hat.«

Candidus wollte eben die christliche Erklärung des Zeichens geben, als Gordianus ihm zuvorkam.

»Göttlicher Gebieter,« sprach er mit lauter Stimme, damit alle Umstehenden es hörten, »nach aller Regel der Zeichendeutung macht das höhere Orakel das niedere, das Zeichen am Himmel das in den Opferthieren nichtig. Wahrlich, du bist der erkorene Liebling der Götter, welche die Arglist feindlicher Dämonen zu Schanden gemacht und deren ungünstige Zeichen durch diese leuchtende Himmelserscheinung überboten haben. Denn dieses ist ihre Deutung und Erklärung: der große Mithras, den du und dein Heer als Sol invictus, als den unbesiegbaren und Alles besiegenden Sonnen-Gott verehren, er soll dein Zeichen und Führer sein. Die verschlungenen Buchstaben sind die Consonanten des Wortes »ΧΑΙΡΕ, Heil dir!« und dieses Wort ist mit den beiden andern zu dem einen Gedanken zusammen zu fassen: Wählst du Mithras, den siegerstrahlenden Sonnengott, zu deinem Geleit, so wird dir herrlicher Sieg und alles Heil werden.« [R6]

Gordianus warf nach diesen Worten dem Candidus einen boshaften Seitenblick zu, und ein triumphierendes Lächeln spielte um seine Lippen, als die den Kaiser umgebenden Feldherrn, froh über die Aenderung der Zeichen, riefen: » Omen accipimus, wir nehmen das günstige Vorzeichen an; Mithras soll uns zum Siege führen!«, und als der Ruf, sich fortpflanzend, unter immer brausenderem Jubel durch die Heerschaaren der Krieger erscholl: » Omen accipimus; nach Rom, nach Rom!«

Constantin allein stand noch unentschlossen. Die Deutung des Priesters befriedigte ihn nicht; zweifelnd und fragend ruhte sein Blick auf den beiden verschlungenen Buchstaben, die über der Sonne leuchteten. Nein, nicht auf die Sonne, sondern auf dieses Zeichen über der Sonne zielten die Worte: »In Diesem siege.«

Auch der alte Eroc, der die Erklärung Gordian's nur halb verstanden und begriffen hatte, da das Griechische mehr noch als das Latein seine schwache Seite war, schaute nachdenklich in die wunderbare Erscheinung und wünschte sich einen seiner alten Druidenpriester herbei, der ihm eine bessere Deutung dieser geheimnißvollen Runen gäbe.

Candidus, der den Kaiser genau beobachtete, errieth dessen Gedanken, und indem er zu ihm trat, zog er eine tessera, ein christliches Erkennungszeichen, auf welchem dieselben verschlungenen Buchstaben eingravirt waren, aus dem Busen, [R7] zeigte sie dem Constantin und sprach: »Mein Kaiser, uns Christen ist dieses Zeichen nicht fremd; es sind die zwei zu einem Monogramm verschlungenen Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes ΧΡΙCΤΟC, Christus. So schreiben wir es auf die Grabsteine unserer Lieben, um auszudrücken, daß sie im Glauben an Christus, den Sohn Gottes, den Tod überwunden haben und in die ewige Ruhe eingegangen sind. In unsern heiligen Schriften wird Christus die Sonne der Gerechtigkeit genannt; als er seinen Jüngern in himmlischer Verklärung auf dem Berge Thabor erschien, da leuchtete sein Antlitz wie die Sonne; sein Thron ist nach den Worten der heiligen Sänger wie die Sonne vor dem Angesichte Gottes. Was soll auch,« fügte Candidus spöttisch hinzu, »das »ΧΑΙΡΕ, sei gegrüßt,« das die Papageien an den Hausthüren dem Eintretenden zuschreien, über der Sonne und mit dieser Umschrift für einen Sinn haben?«

»Der Namenszug Christi, das Zeichen deines Gottes soll dies sein?« fragte Constantin, die Stirne runzelnd. – Also nicht Mithras, nicht Jupiter oder Mars, welche die römischen Heere bis heute angerufen, denen sie Altäre errichtet, denen sie all' die glorreichen Thaten ihrer Väter, wie die eigenen kriegerischen Erfolge zugeschrieben hatten, nein, der Gott der Christen, wider den Diokletian die blutigsten Edicte erlassen, gegen dessen Bekenner die Kaiser des Ostens noch jetzt mit Feuer und Schwert wütheten, an den der größte Theil des Heeres nicht glaubte, auf ihn sollte Constantin die Hoffnung seines Sieges setzen? Und was würden seine Feldherrn, seine Soldaten dazu sagen?

Constantin erhob von Neuem seinen Blick zu der leuchtenden Erscheinung, und je länger er sein Auge auf derselben ruhen ließ, um so dringender mahnte ihn eine innere Stimme: Glaube den Worten des Jünglings und vertraue!

»Und in welcher Weise, mein trefflicher Centurio,« fragte er, »soll denn dieses Zeichen uns zum Siege führen?«

»Mein Kaiser,« entgegnete Candidus, »ist bisher der Adler das Zeichen gewesen, unter welchem die Legionen in den Kampf zogen, so lasse jetzt eine Standarte mit jenem Namenszuge Christi anfertigen und sie deinem Heere vorantragen. So befiehlt es die Umschrift, und unter diesem Feldzeichen wirst du den Sieg erringen. Und willst du mir eine Gnade erweisen, – die größte, die du mir gewähren kannst, – so vertraue meinen Händen dieses Zeichen an. In jeder Schlacht will ich es deinen Legionen voran tragen in das dichteste Kampfgewühl, und sei überzeugt, die Adler des Maxentius werden vor dem Zeichen Christi zu feigen Hühnern werden, unter die der Habicht fährt.«

Das Auge des edlen, ritterlichen Jünglings leuchtete vom Feuer heiliger Begeisterung. Seine Sprache hauchte eine solche Tiefe der Ueberzeugung, eine solche Gewißheit des Sieges, daß sich Constantin ihrem Eindrucke nicht entziehen konnte. Zudem sagte die von Candidus gegebene Erklärung seinem klaren, scharfen Verstande ungleich mehr zu, als die gesuchte und gekünstelte des Gordianus. Allein Constantin stand, trotz seiner Mutter Helena, dem Christenthum doch noch zu fern, und die Rücksicht auf seine den Göttern, zumal dem Mithrasdienste ergebenen Legionen schien ihm zu zwingend, als daß er sich nicht noch immer gesträubt hätte, den Namen des Christengottes an die Spitze seines Unternehmens zu stellen.

Der alte Eroc gab den Ausschlag.

»Mein Kaiser,« sprach er, »mögen diese Runen bedeuten, was sie wollen: der Rath des Centurio, sie auf die Heeresfahnen der Legionen zu setzen, scheint mir ein ganz vortrefflicher. Wir haben in dieser Erscheinung ein himmlisches Zeichen, das uns den Sieg verheißt: das genügt uns; Jeder deute es sich nach seinem Belieben!«

Constantin huldigte dem Grundsatze, in religiösen Fragen sich wie Andern die Freiheit der persönlichen Meinung zu lassen; er begriff, wie ein völlig neues Heereszeichen, das zudem die wunderbare Himmelserscheinung immer wieder den Soldaten in's Gedächtniß zurückrief, die Begeisterung und den Kampfesmuth seiner Krieger in jeder Schlacht entflammen mußte, und nunmehr entschlossen, die Würfel zu der großen Entscheidung zu werfen, trat er an den Rand der Erhöhung vor, auf welcher das Kaiserzelt aufgeschlagen war, den Soldaten seinen Entschluß zu verkündigen.

Sobald Constantin mit der Hand Schweigen gebot, legte sich augenblicklich die wogende Bewegung; Alles drängte sich näher hinzu, um die Worte besser verstehen zu können.

Vom Lichte der Sonne beschienen, über der noch immer das geheimnißvolle Zeichen leuchtete, hinter sich die Schaar seiner Feldherrn, stand der jugendliche Kaiser da, gehoben durch den großen Entschluß, den er eben gefaßt hatte, das dunkle Auge leuchtend, die Wangen geröthet, voll kriegerischer Kraft, eine edle, männliche Erscheinung, groß und schön wie ein Apollo.

Mit wohlklingender, weithin vernehmbarer Stimme redete er die Seinen also an:

»Soldaten! Ihr wißt, welche Beleidigung eurem Kaiser zugefügt worden ist; ihr wißt auch, unter welch' unerträglichem Joche blutiger Tyrannei die Hauptstadt des Reiches seufzt. Wenn ich als euer oberster Kriegsherr zauderte, das edle Blut meiner tapfern Krieger auf's Spiel zu setzen, so hat jetzt die Gottheit selbst durch jene Erscheinung ihren Willen kund gethan und zugleich unsern Waffen den Sieg verheißen. So folge ich dem Winke von oben und rufe euch zu: Auf nach Italien, auf nach Rom! Ein neues Heerbanner, welches statt des Adlers jenes himmlische Zeichen trägt, wird euch voraufziehen; in ihm werden wir siegen und, ehe ein Monat zu Ende geht, vor den Thoren Rom's stehen. Morgen, wenn der Tag dämmert, brechen wir auf!« [R8]

Gleich dem Brausen des Meeres stieg aus Tausenden von Kehlen ein unermeßliches Jubelgeschrei, mit dem Geklirre der aneinander geschlagenen Waffen und Schilde gemischt, zum Himmel und hallte von den nahen Bergen wieder; Alle waren von einer Begeisterung, einer Kampfeslust fortgerissen, wie Constantin sie nie bei seinem Heere gekannt. Hatte der Kaiser vor einer Stunde noch mit Bangen an die Möglichkeit des Mißlingens gedacht, jetzt war er seines Sieges gewiß: selbst der doppelten Uebermacht durfte er mit solch kampfmuthigen Legionen entgegentreten.

Mit dem Sinken der Sonne erlosch allmählich die himmlische Erscheinung, und die Soldaten eilten in die Zelte, sich zum Aufbruche zu rüsten.

Unterdessen ließ Constantin aus dem nahen Lyon kunsterfahrene Goldschmiede kommen, überwies ihnen einen ungezählten Haufen von Goldstücken nebst einer Menge der kostbarsten Perlen und Edelsteine und bestimmte genau Form und Gestalt des neuen Heerbanners. Auf der Spitze eines langen Schaftes sollte von massivem Golde das Monogramm Christi prangen, mit einer doppelten Reihe von Juwelen besetzt und von einem Kranze goldener Eichenblätter umschlossen; darunter sollte an eine Querstange die Fahne, geziert mit Perlen und reichster Goldstickerei, befestigt werden. Unterhalb der Fahne war in Form eines Medaillons das Brustbild des Kaisers anzubringen, als Sonnengott, das Haupt mit Strahlen umgeben, um der Erklärung des Gordianus und den Anhängern der Staatsreligion unter seinen Soldaten Rechnung zu tragen. – Das war das neue Feldzeichen, welches fortan unter dem Namen Labarum als die Haupt-Standarte des Heeres gelten sollte. [R9]

Zum Träger desselben wählte der Kaiser den Centurio Candidus aus: er hätte es keinen würdigeren Händen anvertrauen können.

Während beim Einbruch der Nacht die Soldaten, um die Freudenfeuer gelagert, unter Kriegsliedern und Becherklang ihre künftigen Siege feierten, hatte Candidus eine Anzahl christlicher Soldaten in seinem Zelte versammelt, dem Himmel für das wunderbare Zeichen zu danken und in heiligen Hoffnungen sich den Triumph des Kreuzes unmittelbar nach der blutigsten Verfolgung, die Bekehrung Constantin's zum Christenthum, die Eroberung Rom's und des römischen Weltreichs durch die heiligen Waffen des Evangeliums auszumalen.

Für Candidus aber gab es noch etwas Anderes, was sein Herz vor Freude hüpfen ließ: der Gedanke an seine Mutter Irene. Er stand mit ihr in stetem Briefverkehr, und so tief war seine fromme, kindliche Verehrung für sie, daß er jeden Brief der Mutter knieend las, weil er ihre Worte wie die Worte einer Heiligen betrachtete. Was er von seinem Solde zu erübrigen vermochte, sandte er ihr; als er zum Centurio befördert wurde, da freute ihn dies am meisten deßwegen, weil er nun der Mutter reichlichere Unterstützung zusenden konnte. Der Senator Paulinus hatte ihm berichtet, daß sie gesund und wohl sei; es erfüllte sein Herz mit frommem Stolze, daß derselbe, obschon Heide, kaum Worte genug des Lobes finden konnte, sowohl für den Starkmuth, mit welchem Irene den Tod ihres Gatten und ihrer Kinder ertragen, als auch für die Hingebung, mit welcher sie sich seitdem dem Dienste der Armen und Kranken widme. Kaum dem Knabenalter entwachsen, hatte Candidus das elterliche Haus verlassen, um die militärische Laufbahn zu betreten; seit sieben Jahren hatte er die Mutter nicht wieder gesehen; aber in heiliger Verklärung stand stets ihr Bild vor seiner Seele, und nächst Gott dankte er aus innerster Seele es ihr, daß er in Mitten all' der Versuchungen Religion und Unschuld bewahrt hatte. Wie malte der edle Jüngling sich im Geiste die Freude des Wiedersehens aus, wenn er als Bannerträger Christi vor die Mutter hintreten, zu ihren Füßen niederknieen durfte! Und wenn der Gedanke an den dahingeschiedenen Vater und die Schwestern für einen Augenblick einen Hauch der Wehmuth trübend über den klaren Spiegel seiner Herzensfreude warf, so konnte er ja, heimgekehrt, vor ihren Gräbern es den seligen Todten verkündigen, daß Derjenige gesiegt habe, für den sie in muthigem Bekenntnisse den Martertod erduldet.

Nur ein Einziger theilte die allgemeine Freude im Lager nicht, – Gordianus. Einsam in seinem Zelte auf einem Polster liegend, den Kopf auf die Hand gestützt, die Faust auf den Tisch vor ihm geballt, stierte er finster vor sich hin; unberührt stand der Becher duftigen Weins, stand die Schaale mit kostbaren Früchten.

»Lächerlich gemacht von einem unbärtigen Buben, von einem Christenhund!« stieß er voll Ingrimm aus. »Opferschau und Zeichendeutung verächtlich bei Seite geworfen, um statt der unsterblichen Götter Rom's den dreimal verfluchten Namen des Nazareners an die Spitze der Legionen zu stellen! – Nein, Imperator, nein! Mit Nichten wirst du unter diesem Zeichen siegen! Gordianus tritt für seine Götter ein, und auf den blutigen Schlachtfeldern, in Mitten der Leichen deiner Erschlagenen, feiere ich auf den Opferaltären den Triumph der Ewigen über den Galiläer!«

Eine Stunde später schlich sich aus dem Gemache des Gordianus ein Sklave in Reisekleidern, huschte durch das Dunkel der Nacht vorsichtig an den Zelten vorüber und schwang sich, wie eine Katze, über die Palissaden, mit welchen das Lager befestigt war.

In seine Kleider eingenäht trug er einen Brief an den Oberbefehlshaber der in Norditalien stationierten Legionen des Maxentius.


Anmerkungen zum I. Kapitel.

F1: Das Kreuz, welches wir an die Spitze unserer Erzählung stellen, ist abgebildet in der Taufkapelle der Katakomben des Pontianus. Es stammt aus dem fünften Jahrhundert, aus einer Zeit, als das Zeichen Christi, das einst dem Constantin erschienen, bereits den Sieg über die römische Welt und ihre Götter davongetragen hatte und nun triumphierend, mit Edelsteinen besetzt, mit Blumen und Lichtern geschmückt, frei und offen aus dem Dunkel der Grüfte hinausgezogen war, um Ihn, der das Α und Ω, der Anfang und das Ende all' unseres Glaubens, Hoffens und Liebens ist, als den Sieger über den Erdkreis zu verkündigen.

F2: So berichtet Nazarius in seiner Lobrede auf Constantin. War das Aufrichten der Statuen ein Zeichen der Anerkennung und der Freundschaft, so galt das Umstürzen derselben und das Uebertünchen der Bildnisse als Ausdruck der Aberkennung der kaiserlichen Würde. Wie hier, so gab auch 313 die Beschimpfung der Statuen Constantin's zu Laibach ( Aemona) den Anlaß zum Sturze des Mitkaisers Licinius.

F3: Die von den Kaisern regelmäßig zu ihren Berathungen und zu ihren geselligen Kreisen gezogenen Personen nannte man ihre amici oder comites, Freunde oder Begleiter. In die Schaar derselben aufgenommen zu werden, galt als höchste Ehre und bot zumal jungen Männern die Aussicht auf eine glänzende Laufbahn. Die Kaiser wählten ihre »Freunde« theils aus den eigenen Verwandten, theils aus senatorischen Familien, ferner aus ihren Jugendgefährten und ehemaligen Mitschülern, endlich aus Leuten von Talent oder von besonderen, dem Herrscher angenehmen Fähigkeiten. (Vgl. die Darstellung bei Friedländer, Sittengesch. Rom's, I, 118 ff.)

F4: Der h. Castulus war an der labikanischen Straße, in der Nähe der Stadt, in einer Sandgrube lebendig verschüttet worden. Das um seine dortige Ruhestätte angelegte Coemeterium wurde im Jahre 1864 beim Bau der Eisenbahn theilweise wieder entdeckt. (Vgl. De Rossi, Bullettino 1864, 9.) Die durch spätere Zusätze erweiterten Martyrakten des hl. Sebastianus berichten Folgendes über ihn (Surius 1, 490. § 46): »Der Hofbeamte Castulus, welcher die Gläubigen in seiner Wohnung beherbergte, … wurde dreimal gefoltert und dreimal in Verhör genommen; da er aber im Bekenntniß des Herrn beharrte, ward er in eine Grube gestürzt und eine Masse Sand auf ihn geschüttet … und so ging er mit der Palme des Martyriums ein zum Herrn … – Die Witwe des Martyrers Castulus, Namens Irene, kam Nachts, den Leichnam (des hl. Sebastianus) fortzubringen und zu bestatten; da sie ihn aber noch am Leben fand, brachte sie ihn über eine hohe Treppe in ihre Wohnung im Palaste u. s. w.« Die Kirche feiert den Todestag des Castulus am 27. März. – Während die Heiden, »die keine Hoffnung haben,« das Grab als aeterna domus, als die »ewige Wohnung« bezeichneten, nannten die Christen ihre Begräbnißplätze coemeterium, »Stätte der Ruhe«.

F5: Es wird ausdrücklich berichtet, daß die Zeichen der Opferschau ungünstig gewesen und die Befehlshaber sich offen gegen das Unternehmen ausgesprochen. So heißt es in einer Lobrede auf Constantin nach errungenem Siege: »Welcher Gott war dir mit seiner Einsprechung nahe, daß du aus dir selbst, wider den Rath der Menschen, entgegen der ungünstigen Opferschau, es fühltest, die Zeit, Rom zu befreien, sei gekommen, während doch alle deine Rathgeber und Feldherrn nicht bloß im Stillen murrten, sondern offen ihre Furcht wegen der ungünstigen Zeichen äußerten?«

F6: Der Mithraskult war damals in dem römischen Heere ungemein verbreitet, wie die zahlreichen auf uns gekommenen Denkmäler beweisen; auf einigen Münzen Constantin's steht auf der Kehrseite der Sonnengott mit der Umschrift: » Soli invicto comiti, dem unbesiegten Sonnengott, der uns geleitet.«

F7: Unter tesserae versteht man zunächst kleine Gegenstände, welche beim Schließen einer Gastfreundschaft gewechselt wurden und als Erkennungszeichen für die Nachkommen dienten, um in der Fremde Herberge, Hilfe und Schutz bei dem Gastfreunde zu finden. Durch heilige Liebe mit einander verbunden, waren die Christen alle unter sich Brüder und Gastfreunde, und von den Tagen der Apostel her war die Beherbergung fremder Glaubensgenossen eine der theuersten Pflichten. Außer den Empfehlungsbriefen der Bischöfe hatte man Erkennungszeichen, durch welche Jemand sich als Christ auswies. Dazu gehörten Fischlein von Glas, Perlmutter, Silber oder Bronze, in denen, wie wir später zeigen werden, die Gläubigen das Sinnbild des Erlösers sahen, sowie Medaillen, Münzen, Ringe u. dgl. mit christlichen Symbolen. Die beiden vorstehenden Figuren zeigen uns solche tesserae. Der Fisch trägt die griechische Inschrift: »Erlöse mich!« Die Bleimedaille mit dem Namenszuge Christi ist, wie das Loch in derselben beweist, an einem Bande am Halse getragen worden.

F8: Nach einem Entwürfe Rafael's ist von der Hand seines Schülers Giulio Romano in den Stanzen des vatikanischen Palastes die Erscheinung dargestellt; im Vorhofe von St. Peter steht die mächtige Reiterstatue Constantin's, den Blick zu dem Kreuze emporgerichtet, das ihm in den Wolken erscheint; eine dritte Darstellung findet sich in der constantinischen Taufkapelle des Lateran. So hat Rom in Farbe und Marmor ein Ereigniß verewigt, welches für die Geschicke der Kirche von unermeßlicher Bedeutung gewesen ist.

F9: Eusebius schildert in seiner Lebensbeschreibung Constantin's die Erscheinung nach der ihm persönlich vom Kaiser gegebenen Darstellung also: Um die Mittagsstunde, als die Sonne sich nach Westen neigte, sah er das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet, über der Sonne stehen mit der Umschrift: » In diesem siege.« Mit ihm war das Heer Augenzeuge. Im Ungewissen über die Bedeutung dieses Zeichens sah er im Schlafe Christum, der ihm befahl, ein Heeresbanner nach dem ihm am Himmel gewordenen Zeichen anfertigen zu lassen. Constantin berief sofort bei Tagesanbruch Goldschmiede, beschrieb ihnen Form und Gestalt der Erscheinung und übergab ihnen Gold und Edelsteine zur Ausführung. Eusebius beschreibt das Labarum, das er selbst wiederholt gesehen: ein ziemlich langer, mit Gold beschlagener Speer lief in einen goldenen, mit Juwelen besetzten Kranz aus, welcher die beiden ersten griechischen Buchstaben des Namens Christi, Χ Ρ mit einander verschlungen umschloß. An einer darunter angebrachten Querstange hing ein Fähnlein aus Purpurstoff und mit kostbaren Steinen und reichster Goldstickerei geschmückt, von quadratischer Form; an dessen oberer Hälfte war in bunten Farben das Brustbild des Kaisers (und seiner Söhne) gestickt. – Von jener Erscheinung spricht auch der Heide Nazarius in seiner Lobrede auf Constantin, stellt sie aber in seiner Weise so dar, als ob Kriegsheere in der Luft gesehen worden seien, bewaffnet mit leuchtenden Schilden und blitzenden Schwertern, und man habe den Ruf gehört: »Wir ziehen zu Constantin dem Constantin eilen wir zu Hilfe«. – Artemius, der unter Constantin gedient hatte und von Julian wegen seines christlichen Bekenntnisses seines Amtes am Hofe entsetzt wurde, berichtet als Augenzeuge: »Constantin wandte sich an Christus, als er in den verhängnißvollen Kampf mit Maxentius zog. Da erschien ihm am Mittag das Zeichen des Kreuzes, leuchtender als die Strahlen der Sonne, und durch eine goldene Inschrift den Sieg verheißend. Das habe ich selbst gesehen, da ich an dem Feldzug Theil nahm, und habe die Inschrift gelesen; auch das ganze Heer hat es gesehen und unter deinen Soldaten (Julian) sind noch viele, die Zeugen dessen sind.« – Der römische Senat, in seiner überwiegenden Mehrzahl heidnisch, trug der Thatsache Rechnung auf der Inschrift, welche er an dem zu Ehren Constantin's errichteten Triumphbogen anbringen ließ: Der Kaiser habe » instinctu Divinitatis, von der Gottheit angetrieben« den Staat von dem Tyrannen befreit. (Vergl. über diese Inschrift De Rossi, Bullett. 1863, p. 57 seq.)


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