Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

9.

Dale und June setzten ihre Arbeit noch einige Tage fort, nachdem die Tanzsaalszene beendet war.

»Gott, deine Ohnmacht war das reine Glück!« sagte June zu Dale. »Aber pass' gut auf! Wenn Jarnegan glaubt, wir hätten was gemerkt, läßt er uns beide durch Jimmy hinauswerfen – das ist seine Art.«

Dia Mädchen wurden als Milieu verwendet. Falon stellte Dale auf Jarnegans Befehl möglichst nahe bei ihm auf. Dale beobachtete den Regisseur mit naiver Bewunderung. Der Regisseur, ihrer Gegenwart bewußt, nahm geflissentlich keine Notiz von ihr. Der Film wurde am Sonnabend beendet. Jarnegan stand mit blutunterlaufenen Augen hinter den Apparaten, als die letzte Szene gedreht wurde und sagte mit matter Stimme: »Gott sei Dank, daß es vorbei ist – nehmt das Zeug mit!« Ein Seufzer der Erleichterung ging durch den Saal.

»Das ist eine verflixte Schinderei, Leute, und die Juden werden noch reicher – aber ich danke euch allen – geht und betrinkt euch – Gott weiß, ich tu's auch, – komm' Jimmy!«

Jarnegan durchbohrte Dale mit seinen Blicken und tat, als hätte er sie erst jetzt bemerkt. Er machte einen Schritt auf sie zu – –

»Fühlen Sie sich jetzt wohler?« fragte er freundlich.

»Ganz wohl – ich danke! –« antwortete sie, während Pauline Clare und die ganze Gesellschaft erstaunt zusahen.

Dale überlief es unter seinen Blicken.

Es war ihr plötzlich, als hätte ihn June doch in zu grellen Farben gemalt.

»Das ist bös, Kind, daß Sie ohnmächtig wurden – es tut mir leid! Ohnmachtsanfälle sind etwas für alte Weiber. Die sollen immerzu in Ohnmacht fallen und von einem Lufthauch zu Jesus geweht werden – nicht Sie.« Er wandte sich ab und ging rasch davon. Falon folgte ihm.

»God-damn, was für ein Mädchen, Jimmy!« Der ungestüme Jarnegan schüttelte den Kopf. »Teufel noch mal – ich mache nie Schluß mit einer, ehe ich 'ne andere gefunden habe, die ich mag! Aber die da ist eine Zierpuppe – wie gut die Augen und das Kleid zusammenpassen. Es war hübsch, daß ich sie da um mich hatte – es freute mich, sie zu sehen. Ich wäre verdammt froh, wenn du und Velma etwas für mich auskochen würdet – well – well – zum Kuckuck mit dem Ganzen!«

Jimmy gab keine Antwort und sie begaben sich wortlos in Jarnegans Bureau.

Der Regisseur warf sich in den breiten, dickgepolsterten Stuhl. »Potztausend – bin ich froh, daß es aus ist, Jimmy! Es war eine unmenschliche Plackerei. Man hat seine liebe Not, aus Clare noch was herauszuquetschen. Sie ist ganz ausgedorrt – kein Fünkchen Gefühl mehr in ihr. Ich mußte sie anschnauzen, damit sie warm wurde und die letzte Szene fertigbrachte. Und dann erzählen sie den Laffen in der Welt draußen, daß die Persönlichkeit auf der Leinwand zum Durchbruch kommt – lauter leeres Gewäsch für abgerackerte Mischlinge und Handelsreisende.«

»Ich meine – Pauline war einmal gut, Mr. Jarnegan – bevor sie sich in Sie vergafft hat.«

Jarnegan faltete die Stirn. »Mag sein – aber jetzt ist sie so kalt, wie ein Christenmädchen, das die ganze Nacht mit einem jüdischen Händler zusammen Würstel verkauft.«

Wieder runzelte er die Stirn.

»Übrigens war ich es gar nicht, an dem sie einen Narren gefressen hat. Sie wollte durchaus ein Star werden. Ich hab' sie verdammt gut bezahlt für alles, was sie mir gab. Immerhin hab' ich sie gemacht. Eine hübsche Muschel, das Meer ist voll mit solchen.« Er wandte sich Falon zu. »Was für ein Wurm nagt an dir, Jimmy? Du bedauerst alle Leute. Clare ist so egoistisch wie ein Kater mit einem frischen Weibchen um Mitternacht.«

Lange Erfahrung hatte Falon gelehrt, daß Jarnegan, wenn ein Film fertig war, tobte und ihn einen Tag oder eine Woche lang verfluchte – sich gewöhnlich auch betrank.

Sie saßen eine Weile schweigend da.

»Clare rutscht ab, Jimmy, ich schwör's dir, sie rutscht ab. Das arme Luder – kein Hirn im Kopf – ihr Kinn beginnt Runzeln zu werfen – blaue Säcke unter den Augen – etwas schwer schon – das arme Biest! Ich wollte, ich hätte meinen nächsten Film mit ihr hinter mir. Ich hab' ihr versprochen, ›Leidende Frauen‹ mit ihr in der Hauptrolle zu drehen.«

Falon betrachtete eine flatternde amerikanische Flagge auf dem Dachgiebel. Die Dämmerung ging in Dunkelheit über und die Flagge verschwamm vor seinen Augen. Eine elektrische Kugel auf altmodischem Laternenpfahl warf einen schrägen Schatten durchs Fenster. Der Schatten fiel über Jarnegan und ließ die kleinen Hügel an seinem Kinn wie Felsstücke erscheinen, die der Meißel des Bildhauers unbehauen ließ.

Man hörte das Ticken seiner Armbanduhr.

Immer noch im Gedanken an Pauline Clare, fuhr Jarnegan fort:

»Aber ich werde ihr Gefühl beibringen oder ich breche ihr das verdammte Genick!«

»Well, du hast noch nie einen Mißgriff getan, Mr. Jarnegan – du reißt es aus allen heraus. Wenn sie mit dir fertig sind, sind sie schlapp wie Waschlappen.«

»Haha!« Jarnegan lachte bei dieser Schmeichelei – sein mächtiges Gebiß blinkte im Licht – »das ist verdammt wahr – wenn ich mit ihnen fertig bin, sind sie schlapp wie Waschlappen in einem alten Zuber – sie sind alle eine Bande nichtsnutziger Küchenpraktikanten. Wenn sie nur etwas Hirn im Kopfe hätten, wären sie keine Schauspieler – und das gilt für die ganze verfluchte Schmiere. Ein Lausejunge oder ein kleines Kind kann besser spielen als jeder von ihnen. Ich sag' dir, ein Kind bringt's fertig. Die Frauen sind bei der Chose tüchtiger als die Männer – und mit Frauen kann einer auch nichts Besseres machen, als sie zur Not gebrauchen.«

Jarnegan stampfte mit dem Fuß auf den Teppich.

»Das Verflixte daran ist, daß ich mir selbst das Hirn aus dem Schädel quetsche, damit diese stumpfsinnigen Biester etwas zuwege bringen. Ich muß die Regie führen und außerdem ihre Rollen spielen.«

Bestrebt, die Aufmerksamkeit des Regisseurs von Pauline Clare abzulenken, fragte Falon: »Hast du je daran gedacht, was für einen weiten Weg wir zurückgelegt haben, Mr. Jarnegan – seit jenen Tagen beim Pioneer – oder vielmehr, was für einen weiten Weg du zurückgelegt hast – denn mich hast ja nur du geschoben.«

»Jaha, ich denke dran, Jimmy – wenn ich gerade muß. Sonst denk' ich nicht gerne an die Vergangenheit. Das ist für Frauen und Filmdichter. Die Vergangenheit ist ekelhaft – wie eine Geschwulst am Körper eines Akrobaten.«

Jarnegans Stimmung sänftigte sich.

»Aber du hast mir auch viel geholfen, Jimmy. Erinnerst du dich noch daran, wie wir den Spazierstock mit dem Goldgriff dem Pfandleiher in der Main Street verschacherten – und wie er uns zwanzig Prozent abknöpfen wollte – ich drohte, ihm die Nase platt zu schlagen. Und denk' nur an das große Schnitzel, das wir dann bei Good Fellows Grotto gegessen haben – haha –«

Jarnegan erhob sich und summte –

»Das waren Tage,
Als noch die Ladies Ladies waren
Und ein Gent ein richt'ger Gent –«

Dann schritt er, die Hände in den Hosentaschen, durchs Zimmer.

»Wir haben ein paar hübsche Erinnerungen, meinst du nicht auch, Mr. Jarnegan?«

»Und ob wir sie haben – zum Kuckuck auch, aber du warst ordentlich auf dem Hund, als ich dich zuerst traf, Jimmy. Du warst so parterre, daß du ein Schinkensandwich für das Mittagessen eines Senators hielt'st.«

»Das will ich meinen – so oft ich jetzt Billers sehe, denk' ich an den Spazierstock, den ich aus seinem Vorzimmer mitgehen ließ«, lachte Jimmy.

Jarnegan gröhlte – »Jessus, das stimmt – den alten Billers hab' ich rein vergessen – haben wir nicht fünf Dollars für den Stock bekommen? Der alte Billers ging herum wie ein englischer Herzog und aß kaum regelmäßiger als wir, der alte Teufel, und da hast du ihm seinen Stock gestibitzt – du Hundskerl!« – Eine Pause der Heiterkeit. »Na, er hätt' nie einen Deut dafür gegeben, daß wir hier oben stehen werden – armer alter Tropf! – er war der armseligste Kostümschauspieler der Welt – und, bei Gott, er hat sich im ganzen Land den Ruf eines großen Kostümkomödianten verschafft. Aber beim Publikum kennt man sich nie aus – sie sind so verdammt schwachköpfig, wie die Blödiane, die über Film schreiben. Du solltest einmal bei Algonquin in New York dabei sein, wenn diese filmkritisierenden Idioten hereinkommen. Sie sitzen drüben in einer Ecke, wie die Säufer bei einem Hochzeitsschmaus und kein Mensch will mit ihnen reden. Sie sind zu stumpfsinnig, um zu begreifen, wie stumpfsinnig sie sind.«

Jimmy Falons Gedanken verweilten bei der Vergangenheit.

»Aber wenn es solche Idioten nicht gäbe, hielten wir nicht dort, wo wir jetzt halten, Mr. Jarnegan. Erinnere dich doch, wie du die Kamera verklopfen wolltest und der Jude sie nicht nehmen wollte. Da hast du ihm mit dem Kasten eines ausgewischt – er lief hinters Pult, um die Polypen zu holen, und du hast ihm ein Bein gestellt, daß er nur so hinpurzelte und ihn dann, wie er dalag, noch saftig verdroschen.«

Jarnegan blieb stehen.

»Himmel, ob ich mich erinnere! – Ich hör' noch immer, wie der alte Mauschel krächzte, als ich mit meinem Fuß in sein Kinn trat und wir dann lange Beine machten, die Second Street hinunter …«

Wieder nahm Jarnegan seine Wanderung auf, mit gesenktem Kopf, gestrafften Zügen.

»Du weißt, Jimmy, diese Tage haben mich mitgenommen – die erste Zeit hier in Kalifornien – nichts sonst hat mich so hart getroffen – dieser verfluchte ewige Sonnenschein und die Blumenpracht dazu – und ich hungriger als ein reformierter Wanderstrumpf am Fastensonntag.« Er schritt rascher aus, als wollte er mit seinen Gedanken Schritt halten. »Ich hasse die Juden nicht, aber ich hasse die Pfandleiher. Und das kommt, glaub' ich, aufs selbe heraus. Herrgott, das waren schreckliche Tage, wo ich meine ganzen Habseligkeiten ins Versatzamt tragen mußte! Die Juden versetzen einem am liebsten einen Fußtritt, wenn man so schon am Boden liegt. Aber nach den Iren sind sie die größten Speichellecker der Welt, wenn jemand oben ist. Sie haben Ingersoll-Uhren an dem Fleck, wo sie ihr Herz haben sollten.«

Er blieb mit gespreizten Beinen stehen und sah zum Fenster hinaus. »Ich werde nie die Zeit vergessen, wo ich in der Los-Angeles-Straße über dem Versatzamt wohnte. Unter meinem Bett fehlten zwei Bretter im Fußboden und ich hörte, wie die armen Teufel begaunert wurden, bis sie ihr Hab und Gut fast umsonst hergaben. Nur ein Jude oder ein Ire kann ein Pfandleihhaus führen, ebenso wie nur ein Jude oder ein Ire imstande ist, Film zu produzieren. Kein anderer hat das Herz dazu.«

»Du hast bestimmt recht, Mr. Jarnegan«, sagte Falon, über ihre Unterhaltung erfreut. »Erinnerst du dich an den kleinen Jockey, der mit uns arbeitete und fortwährend behauptete, er hätte noch nie in seinem Leben eine Mahlzeit ausgelassen, höchstens hie und da eine – verschoben. Ich habe ihn unlängst in der Main Street gesehen, er ging gerade in ein Pfandleihhaus. Velma mußte zum Zahnarzt und als ich zurückkam, war er schon fort.«

»Natürlich erinnere ich mich an ihn«, erwiderte Jarnegan. »Er war ein braver Bursche und ein Leichtfuß. Ich erinnere mich noch, wie er dem alten Negerweib auf dem Set einmal ein Zehncentstück schenkte. Und spielen konnte er auch. Das ist das Komische bei der Geschichte – die ›Extras‹ können besser spielen als die Stars.«

Jimmy benützte die Gelegenheit, um zu fragen:

»Glaubst du, Mr. Jarnegan, daß Velma Irvin es zu etwas bringen wird?«

»Nicht, wenn sie diese Richtung beibehält«, warf Jarnegan hin.

»Sie hat bestimmt etwas zu geben«, meinte Jimmy.

»Was sie zu geben hat, das kriegst ja fast alles du«, sagte Jarnegan. »Ich denke oft, daß sie zu hellköpfig ist, um zu filmen Der Film ist für Flachköpfe. Aber man kann nie wissen. Oft treffen es auch die Flachköpfe ganz gut. Jedenfalls geht der ganze Hokuspokus darauf hinaus, den Dummen das Herz ein wenig zu stärken. Sie haben's nötig.«

»Das ist eine schwer verdauliche Wahrheit,« gab Jimmy zurück.

»Jede Wahrheit ist schwer verdaulich. Aber ich glaube, ich irre mich bei Velma.«

»Na, darüber kann ich nichts sagen, Mr. Jarnegan. Jedenfalls ist sie das treuherzigste Mädchen, das ich jemals gekannt habe. Ganz gewiß meint sie es ehrlich mit mir. Sie schielt nie nach einem anderen.«

Jarnegan lächelte.

»Behaupte nie etwas Bestimmtes von einer Frau! Du kannst Enttäuschungen erleben.«

Jimmy überhörte den Angriff auf seine Gläubigkeit. »Hast du jemals das Gefühl gehabt, daß du dich eines Tages machen wirst, Mr. Jarnegan? – Zum Beispiel, als du als Laufjunge bei dem allen Quacksalber dientest?«

Jarnegan blieb plötzlich fast trotzig stehen. »Das will ich meinen – und schon lange vorher. Ich zweifelte nie an mir. Ich habe einen Stich ins Irrsinnige – hatte ihn immer – und Irrsinn schafft Glauben. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich mich dem alten Isaacs für den Film ›Nackte Frauen‹ verkaufte. Ich brachte den alten Juden so weit, daß er wie ein Kind heulte. Und weil wir schon von dem Juden sprechen – der gehört zu den Braveren. Er hat eine Familie und eine Rotte um sich, so schmutzig wie eine Schar Gänse – aber er selbst ist ein braver alter Bursche – und zum Teufel auch, er hat's zu was gebracht, seit er in Cleveland mit der Laterna Magica herumgezogen ist.« Jarnegan lächelte flüchtig. »Ich mag den alten Isaacs – ich habe ihn, Gott weiß, ganz gerne. – Ich liebe die Art, wie er mich einen Irishman nennt und mir erzählt, daß er mir den verlangten Preis nicht geben werde, – aber er gibt ihn doch immer.

Dieser alte verschmitzte Jude hat ein Herz wie ein Berg. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem er sich einen Trank mixte und das Licht in ihm wie in einer Synagoge zu brennen begann. Er weinte sich in meinen Armen aus und sagte mir, er liebe mich. Der schmutzige alte Heuchler!«

Jarnegans Stimmung wurde milder.

»Der alte Junge war mächtig gut zu dir, Mr. Jarnegan«, warf Jimmy ein.

»Er hatte auch seinen Grund dazu«, erwiderte Jarnegan. »Ich habe ihm eine Million Dollar gemacht, seit er mich für sich arbeiten läßt. Das war ein Spaß, Jimmy, weißt du noch? Wie ich vier Stunden auf ihn wartete und endlich beim Kragen erwischte, als er zum Lunch gehen wollte. Sein fettes altes Eheweib wurde fast verrückt vor Angst, während sie auf ihn wartete. Aber, bei Gott, ich habe mich gut verkauft – und ich hatte keine drei Dollar in der Tasche.« Jarnegans Stimme hob sich zu einem Jauchzen. »Vom schlechtbezahlten Hilfsregisseur machte ich den Sprung zum Regisseur eines Films, der eine halbe Million kostete. Kein Zweiter in der Branche hat mir das nachgemacht – aber hol's der Teufel! – es gibt auch keine richtigen Kerle in diesem Beruf. Den alten Isaacs kann ich ganz gut leiden – er sollte bei Ringling in der Schmiere sein. Und ein anständiger Jude ist er, das ist wahr.« Jarnegan schluckte.

»Haßt du die Juden wirklich oder hältst du sie nur so zum besten?«

Jarnegan wandte sich mit dem ganzen Gesicht zu Jimmy Falon:

»Ich hasse einen jeden, der an der Macht ist. Ich dulde nicht, daß mir jemand Zügel anlegt. Einige von ihnen haben etwas Gefühl – verteufelt viel Gefühl. Aber die Iren sind mir verhaßter als die Juden. Zuweilen ist mir die ganze Welt verhaßt – aber ich hasse sie bei weitem nicht so stark, wie ich sie bemitleide. Wollte Gott, ich wäre so groß, daß ich das Ganze als Uhrfutteral in der Westentasche tragen könnte! Ich würde es für zehn Dollar verklopfen und das Geld versaufen. Mehr ist es nicht wert.« Jarnegan schnalzte mit den Fingern und begann von neuem:

»Und die meisten Juden hauen einen in der Branche übers Ohr und lassen keine Gelegenheit dazu vorbeigehen. Du weißt, was sie mit mir gemacht haben, als mir der Aufseher dieses Menschenkrals die Bewilligung gab, alle Kerkerszenen dort drehen zu dürfen. Ich erzählte den Juden davon, die beim Great Art das große Wort haben, und was haben sie getan? Sie riefen Lonny Williams, einen Stümper von einem Regisseur, und schickten ihn zum Gefängnisdirektor. Er fragte nach mir, aber Williams schwefelte ihm etwas vor und machte den Film selbst – und das alles nur, weil er's für zwölfhundert machte, während ich siebentausendfünfhundert verlangte. Die Leute waren so dämlich, daß sie die sechstausenddreihundert nicht draufzahlen wollten und eine halbe Million verloren. Als sie den Plunder fertig hatten, traf ich Williams und er zeigte mir eine Platinuhr, die sie ihm gekauft hatten. Ich sah mir sie an und sagte: ›Well, damit hast du dich ihnen gleich gemacht.‹ Als der Film gezeigt wurde, war er ein solcher Schund, daß sie mich gleich nach San Quentin schicken wollten, damit ich ein paar Szenen dazuflicke. Ich sagte ihnen darauf, sie sollen nach Jerusalem gehen und die zwei Schächer vom Kreuz herunternehmen und sich selbst hinaufhängen. Die Juden von dieser Branche sind eine Bande von solchen Dunkelmännern, daß sie die Sonne von Jerusalem verfinstern könnten. Glaub' mir, Jimmy, – ich kenn' sie – –«

Falons Gedanken kehrten wieder zu Velma Irvin zurück. »Tru-Art will Velma fix engagieren – zweihundert Dollar die Woche«, sagte er.

»Sag' ihr, sie soll's machen und Gott dafür danken«, entgegnete Jarnegan.

Es folgte ein langes Schweigen, das Jarnegan brach.

»Wie heißt nur dieses Mädchen, das gestern in Ohnmacht fiel?«

»Malone – du weißt doch, ich hab' dir erzählt, daß sie aus Portsmouth ist. Ich glaubte, daß du sie gern kennen lernen wolltest.«

»Aus Portsmouth? Das ist ein recht armseliger Grund dazu, jemanden kennen lernen zu wollen«, versetzte Jarnegan.

»Aber sie nennen dich doch in Ironton den größten Bürger der Stadt«, spöttelte Jimmy.

»Ja, aber die Blaunasen meinen es nicht ernst. Ich bin und bleibe der irische Strolch, der es zu etwas gebracht hat, und das liegt ihnen im Magen.«

Wieder entstand tiefes Schweigen, aus dem plötzlich Jarnegans Stimme scholl:

»Herrje, war das Mädel aber schön! – Ich glaub' nicht, daß es in ganz Ohio noch ein so hübsches Geschöpfchen gibt.«

»Sie ist ein reizendes Ding«, sagte Falon lächelnd. »Und sie sieht so sauber aus – wie eine frische Seife in einem Drogerieladen.«

Jarnegans Gesicht umwölkte Begierde. Seine Augen verengten sich, er grübelte. Eine geraume Zeit verharrte er schweigend.


 << zurück weiter >>