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1.

Japper schlüpfte in Flannerys Saloon in der River Street, wo Jack Muldoon am Schanktisch stand. Ein handfester Raufbold mit einer schwarzen Seele, das war Japper. Er prahlte durch ganz Ironton, daß er sich keinen Pfifferling um Muldoon schere – daß eben doch jemand Plakate ankleben müsse – und daß niemand ein Recht habe, ihm das Arbeiten zu verbieten. Er sei ein anständiger Mensch. Kein Muldoon der Welt könne ihn von der Arbeit abhalten, und damit basta!

Flannery wurde käseweiß und warf das Schanktuch hin, als er Muldoon auf Japper blicken sah. Dieser, schon angeheitert, bestellte einen großen Krug Bier am Bartisch. Dann lehnte er sich trotzig an den mächtigen roten Ofen. Die zwei Männer maßen einander mit grimmigem Haß. Die Luft im Zimmer spannte sich, als hätte man Tollwut hineingepreßt. Flannery drückte sich an Muldoon heran …

»Du wirst da keinen Raufhandel beginnen – gelt, Muldoon?«

»Keine Angst – ich werd' ihn nicht hier drinnen verdreschen«, war die Antwort.

Flannery sagte »Danke!« und rieb aufgeregt den Schanktisch weiter.

Japper, unfähig, die Spannung länger zu ertragen, brüllte:

»Hallo, Mul – wie geht's meinem kleinen alten Zettelpicker?«

»Zum Teufel mit dir, du hundsverfluchter Schleicher!« kam die Antwort.

Japper schleuderte den schweren Krug nach Muldoon, der beiseite sprang. Der Krug schlug am Ende der Bar gegen den Eisschrank.

Mit einem Salz stand Muldoon vor Japper. – –

»Nanu, Jap – du kannst ja roboten und deine Fetzen von mir aus an die Sakrawolken picken, aber das muß ausgebleut werden, heute abends – jetzt.«

Das letzte Wort war ein Aufheulen. »Wenn du Montag noch imstande bist, Zettel anzukleben, mußt du kräftiger zuhauen als ich. In die Hölle mit deiner Dreckseele! Ich quetsche dich kaputt wie eine Ratte!«

Japper trat vor – plötzlich nüchtern – –

»Du lausiger Irenhund – mit mir wirst du nicht Schindluder treiben, du so wenig, wie deine verdammten irischen Hundsfottbrüder! Ich prügle mich mit dir – jetzt gleich!«

Flannery stürzte dazwischen – –

»Ich bitte, Jack – dein Wort – –«

»Geht hinunter aufs Depot – auf unseren Stammplatz«, sagte Muldoon, den Gaffern zugewendet. »Geht und macht euch nichts wissen – drängt nicht in einem Rudel nach, wir wollen nicht die Polypen an den Leib bekommen.«

Sie kamen an einen abgeschiedenen Platz jenseits des Depots, über dem eine Bogenlampe hing.

Muldoon warf seine Jacke in den Staub – Japper desgleichen. Dann trat Muldoon auf Japper zu – –

»Also 's geht bis zum Verrecken, Jap – alles gilt – Beißen, Treten – alles. – Ich verlange keine Gnade und du verlangst auch keine – weil ich dich, wenn du 's tust, bei Gott, umbringe. Ich schicke dich in die Hölle – du Krätzengefries …«

Japper bäumte sich. Ein Meister des in den Ohiowirtshäusern jener Zeit so häufig geübten »Rohkampfes«, beschränkte sich Muldoon auf die Abwehr, bis das Licht in Jappers Augen fiel. Dann ließ er seine Faust wuchtstrotzend kreisen.

Jappers derbe Kiefer krachten unter den Hieben. Er klatschte Muldoon eine hin und warf ihn in die Knie. Muldoon erhob sich und rannte Japper seine Faust ins Gebiß. Dann wich er aus, wirbelte um ihn, bis das Licht wieder Jappers Augen blendete. Sprang vor. Sie spickten einander den Bauch, rissen einander die Kleider vom Leib. Bissen sich in die Kehlen. Rauften einer dem andern die Haare aus. Traten einander in die Nieren.

Ihre Füße stampften den tiefen Sand, der aufwirbelte und sie im grausen Licht wie gelbe Gespenster erscheinen ließ.

Muldoon plumpste in den Sand. Japper stand einen Augenblick, lauerte, wie ein müder Tiger über dem gefällten Reh. Dann schnellte er über ihn, krampfte ihm die Kehle zusammen. Aus Muldoons Hals stieß ein Röcheln. Seine Augen quollen hervor. Sein prächtiger Körper, jetzt nackt bis zu den Hüften, straffte sich unter den sich verhakenden Fingern Jappers, bis seine Muskeln zu platzen drohten. Muldoons Hand glitt hinunter bis zur empfindlichsten Stelle. Japper stieß einen Angstschrei aus, sprang auf die Füße – sich vor Schmerz krümmend, rückwärts taumelnd.

Muldoon – zerfetzt, blutig, die Haare zerzaust, mit wackelnden Kiefern, verzerrten Lippen – stürmte gröhlend, brüllend vor. – –

»Ich quetsche dir die Seele aus dem Leib – ich hämmere dir die Gottesfurcht in dein elendes Herz – ich werde …«

Sie gerieten einander an den Hals. Japper schnellte auf – Muldoons Faust sauste durch die Luft. Japper platschte zu Boden – seine Sohlen drehten sich nach innen, seine Knie barsten zusammen.

Bild: ihály Biró

Die Gaffer rückten auseinander, bis sich die Kämpfenden etwa zwölf Fuß im Kreise bewegen konnten.

Sie standen eng aneinandergepreßt und klemmten ihre nackten Arme einander um den Leib.

Muldoon warf den Kopf zurück, als Japper ihn nach vorne zu reißen versuchte.

»Er will ihm das Ohr abbeißen«, wisperte einer der Zuschauer.

Muldoons Kopf rutschte plötzlich nach vorne – Japper drängte sich hin, schnappte mit den Zähnen nach dem Ohr.

Eine Faust pfiff nach oben – wie ein schweres Sprenggeschoß aus dem Boden platzt. Ein zweiter Fausthieb zischte vor – der eine traf Japper in den Unterleib, der andere brach ihm den Kiefer.

Seine Füße lahmten sich von neuem nach innen – seine Knie froren zusammen, dann schlaffte er lappig zu Boden.

Zwei Boxer: einer liegt am Boden, der andere beugt sich über ihn.

Blut schoß in Muldoons Augen. Er sah viele Japper vor sich hingequetscht. Sah einen Mann sich darüber beugen – und hörte eine Stimme wie vom Himmel herab – »Jesus – er ist tot!«

Dann ein Schurren von Füßen: die Lämmer ließen den toten und lebenden Tiger allein.

Muldoon beugte sich über den gefällten Japper, dessen Herz still war, wie ein Dorffriedhof. Betäubung befiel ihn, starr stand er. Er war ein Mörder. Sah sich im elektrischen Stahl in Columbus sitzen – mit rasiertem Schädel – fühlte die Beize sich durch Hirn und Leib jagen. – –

Selbst in diesem Augenblick klappte Muldoon nicht zusammen.

Er blickte auf Japper: seine Augen voll Staub, sein Kopf verrenkt, seine Beine schlaff – in dem gebleuten bösen Gesicht ein Glotzen.

Er mußte etwas tun – nach Hause gehen – es würde seine Frau hart treffen. Sie war so fromm – und das Baby – das war bitter – sein Vater ein Mörder.

Er konnte seinen Hut nicht finden. Endlich seine Jacke auftastend, legte er sie sich um die nackten Schultern. Er wankte durch die Nacht. Sein Gehirn, der nach Licht schnappende Irrsinn, sein verkeilter Kopf ächzend, gesenkten Blicks.

Er querte die Eisenbahnschienen; man sollte den Zug erwarten, sich vor ihn werfen. Sein Leben war so wie so hin. Er saß eine Weile auf dem schlackingen Damm und nährte diesen Gedanken.

Kein Zug kam.


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