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InitialDen ganzen Abend standen die Freygger im Walde, man hörte sie rufen, pfeifen, jodeln und schreien. Von Wildeiche bis zum Eschentor herüber hörte man sie, oft kam eine Rotte wie ein Wildschwarm aus dem Wald herunter gelaufen, oft zogen die Tannenfreygger gen Buchenfreygg und die Buchenfreygger gen Tannenfreygg, und dann trafen sie sich in der Wegmitte und machten ein beispielloses Getöse.

Und weil sie es nicht erwarten konnten, flackerten die ersten Bergfeuer schon auf, als der Abendstern noch bleich war, und flatterten die Windlichter und glückheiseren Rufe schon in der Dämmerung durch die Wiesenbuchten. –

Als es endlich stockdunkel geworden, wurden sie aber alle still. Es kam da Gott sei Dank etwas Feierliches über sie, – ein stiller Zug ging leuchtend nach Tannenfreygg herüber.

In Tannenfreygg wurden die Fackeln von drei feurigen Männern empfangen: Lorelock wie ein Germanicus im Flammenrot, der Pfarrer als fanatischer Kreuzfahrer, und Pius Vesper lodernd wie der Geist des kommenden Jahrhunderts. Aber auch aus Tannenfreygg zogen sie still in den Wald hinein.

Aber wie sie so langsam dem Eschentore näher kamen, ließ sich der verhaltene Jubel nicht mehr ganz bändigen. Es gab Leute, die fürchterliche Freudenrufe ausstießen, der Pfarrer kniff dabei Lorelock in den Arm, – es sei, »ut monstrat exemplum«, nichts schwerer zu ertragen als die Glückseligkeit!

Es entstand eine Stauung vor lauter Begeisterung, und die Fackeln streckten sich in den Wald hoch. Da rief einer plötzlich: »Wo ist der Feldkönig?«

Und schnell riefen es alle: »Feldkönig!« »Hausgrille!« »Heimchen am eigenen Herd!« Der Pfarrer flötete »Severin!«, der Lehrer lief ein Stück weit zurück, – er war nicht zu finden! Er werde auf einmal aus dem Wald auftauchen, lachten sie nun und zogen ruhig weiter, – »wie der Erzengel Michael« scherzte noch einer. –

Aber dem war nicht so. Der Feldkönig lag auf den Heidewiesen, Tannenfreygg gegenüber, und weinte. Er mochte denken, wie er wollte, gönne es deinem Freunde! mochte er eindringlich sagen, – Vernunft, Nächstenliebe und Selbstironie mochte er anwenden, – es nützte nichts! Es kam ihm nicht aus den Sinn, wie er, auf dem Werdegang begriffen, zitternd sich näherstoßend, plötzlich gesehen hatte, wie Fräulein Judith Heinz Heide küßte.

Er sah über dem Eschentorwald die Fackelscheine und hörte lautes Rufen, und an allen Ecken und Vorsprüngen des faltenreichen Freyggerberges, von Osten bis Westen, sah er die Bergfeuer emporblühen wie Herzen unzähliger Glücklicher, – aber er weinte nur noch trostloser, nur noch bitterer. – – –

Erst viel später, schon spät in der Nacht, da unter dem Eschentordache eine Glückliche wach lag und unter dem Heidendache ein Glücklicher, versiegten seine Tränen. Denn nun verknisterten die Bergfeuer, alle Lichter waren erloschen, es blieben nur die Sterne im Himmel, und die sahen glänzend nieder auf die Erde.

Da schaute er in alter Gewohnheit hinauf, sein armes Herz bat um Trost. Und der Himmel, dieser gute Freund des Feldkönigs, erinnerte sich früherer Versprechungen, liebreich begann er zum Hilflosen zu reden. »Siehe,« sagte er, – »es ist nicht für alle. Oder es ist so: wird es dem einen, verliert es der andre!«

»Aber,« neigte er sich flüsternd herab, »von allen Geheimnissen, die da sind, ist die Liebe nur eins; noch sind ungezählte!« Wer könne sie nennen, wer könne sie erschöpfen? »Wir wollen auch dir eines suchen, – und werden es finden, – denn für jeden habe ich eins!« –

Und schon zog ein stiller Ruf in des Feldkönigs Schmerz, er legte müde sein Haupt auf die sommerwartende Erde. Denn die war es, die ihn nun rief: »Kehre zurück zu mir!« –

Und da lächelte der Himmel auch über diesem Schläfer.

 


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