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InitialEin zweiter noch läuft vor dem Segen davon, er tritt aus der Kirche, – da, was ist?

Da, was ist?

Es reißt ihn herum, er schreit in die Kirche hinein. Tobias Weiße springt vom Altar. Eine Panik entsteht, sie schießen wie ein Kraterstrom aus der Kirche.

Die Buchenfreygger stürzen besessen in den Wald hinein. »Die Fackeln!« ruft ihnen der Himmelpforter nach, »die Fackeln!« Aber sie jagen wie ein schwarzer Eilzug dahin.

Die Tannenfreygger zappeln auf dem Kirchplatz wie Ameisen auf dem Aschenhaufen. Selbst Besonnene haben den Kopf verloren. Auch schreien die Weiber. »Die Weiber sollen das Maul halten!« schreit Lorelock. »Was ist das für ein Gebimmel!« schreit er, weil die Glocke läutet; der Mann auf dem Turme habe den Spritzenschlüssel im Sack, man soll den Mann aus dem Turme werfen, »das Gebimmel ist für die Katze!«

Alle rufen zornig: »den Meßner! herunter mit dem Meßner!«

Aber der Bachmünzer habe den Schlüssel! kommt Tobias Weiße aus dem Turm.

»Bachmünzer!« stürmen sie. »Bachmünzer!«

Der sei mit dem Laastern davon gerannt!

»Tor einstemmen!«

Dann nütze nur, das Tor einzustemmen. »Alle her! Wir stemmen das Spritzenhaustor ein!«

»Nützt nichts!« streitet der Haller. »Alles Wasser ist eingefroren.«

»Das Wasser? Oho? – Welches Wasser?«

»Das Wasser. Kein Faden – –«

»Halt's Maul!«

Läuft ein Weib daher: »Die Kiebitzin kommt nieder! Die Kiebitzin kommt nieder!« Wie man die aus dem Hause schafft?

»Die Kiebitzin?« starren sie.

Dann jagt sie der Schreck vom Spritzenhaus weg. »Die Kiebitzin kommt nieder! Alle hinüber! Die Barbara kommt nieder!«

*

Heinz Heide sieht vom Fensterspalt den Schnee rot werden. Warum wird der Schnee so rot?

Er läuft in die Halle. Da sind die Fliesen von Gold!

Er läuft in den Söller; – da, – was ist?

Da, was ist?

Auf dem Sockel des Laasterwaldes steht ein Weihrauchfaß. Glührote Kohlen brennen darin. Das Licht stieg wie eine Säule in den Himmel.

Er lacht. Sein Blut wird ruhig: die Nacht ist hell geworden!

Das Licht sinkt aus dem Himmel zurück. Es macht die Weiden hell, im Wald ist jede Tannennadel zu sehen. Auf den fernsten Bergen schimmert es, in den Fenstern von Tannenfreygg blinkt es.

Heinz Heide dankt: die Nacht ist hell geworden!

Da, – »ha, was ist?«

Ein Schrei! Plötzlich speit der Wald einen schreienden Menschenknäuel aus. »Hilfe! Hilfe!« Die Erde schreit, der Himmel schreit »Hilfe, Hilfe!« Was bisher stumm war, schreit: »Hilfe, Hilfe, Hilfe!«

Heinz Heide erwacht.

Er spreizt sich auf. Sein Gesicht wird gelb. »Es brennt!« lispelt er.

Seine Zehen sind von Samt.

»Es brennt!« lispelt er.

»Hilfe, Hilfe, Hilfe!« lispelt er.

Ganz leise sperrt er die Söllertür. »Es brennt!« Leise, leise.

Er schleicht durch das Haus. Alle Tore zu! Alle Fenster zu! Jedes Licht ausgelöscht!

»Hilfe! Hilfe! Hilfe!« hockt er sich in das Dunkel.

– – –

Der Johannes bettelt die Leute, sie sollen aushalten. »Ich bitt' euch –!« bettelt er; es kämen sofort die Wildeicher!

Er bettelte den Siebenfahrer an.

»He!« lacht der Siebenfahrer vor dem Feuer, »brennen lassen, – brennen lassen!«

»Ich bitt' euch!« kehrt sich der Johannes um.

Und sie klettern in die Kammern, sie laufen auf den Altanen wie feurige Katzen, Betten, Mehlsäcke, Sparren, Tische, Eimer, brennende Klumpen fliegen in den Schnee. Ein Spinnrocken rollt über den Schnee.

Wieviele Kinder sollen es sein? weint der Pfarrer.

»Fünfe von mir!«

»Brennen lassen!« lacht der Siebenfahrer, »der Herr macht neue!«

»Schnapsflasche her!« springt ihm der Lehrer an die Gurgel.

»Dreizehn!« ruft Fräulein Judith bei den Kindern.

Der Eulenhofer fliegt her: »Fünfe von mir!«

Ob keiner ans Vieh denke? Denn das Vieh brüllt und die Ketten rasseln. Es traut sich Keiner in die Ställe.

»Ja –« überlegt der Berberitzer. Aber es dringen schreckliche Schreie aus dem Kiebitzhause.

»Jesus Maria!« wimmert der Pfarrer.

»In der Christnacht!« wimmert der Berberitzer.

Denn das Feuer sitzt wie eine saugende Spinne auf fünf Dächern mit tausend Füßen, es hat hundert neue schon auf dem sechsten.

» De profundis!« schreit der Siebenfahrer. »Heut büßen wir die Sünden des Herrn!«

Die Spinne kriecht aus dem Feuerbauche auf, der Leib schaukelt. Da, – er schwingt sich schaukelnd auf den Giebel des Kiebitz.

»Die Wildeicher sind da!«

Sie wollen schon jubeln.

Man hört die Spritze über den Schnee rasseln.

»Eingefroren!«

»Der Weiher?«

»Alles!« Der Trog; die Brunnen. »Alles! Leitern ans Kiebitzdach!«

»Leitern in die Fenster!«

»He,« spaziert der Siebenfahrer vor dem brennenden Kranz, – wo der Herr ist?

»Bestie!« stützt ihm Pius Vesper in den Bauch.

»Schneetragen!« ruft es vom Kiebitzgiebel. Die Menschenmauer ums Haus schreit: »Schnee! Schnee!« Der Lehrer soll die Kinder Schnee tragen machen!

»Lehrer!«

Aber der Lehrer steht nun am Heidetor. »Heinz Heide!« ruft er.

»Es ist kein Licht im Hause!« lispelt Heinz Heide. Er kennt diese Stimme.

»Heinz Heide!« schlägt Pius Vesper einen Klotz ans Tor.

»Das Haus ist versperrt!« kichert Heinz Heide.

Der Lehrer schießt wie ein Giftiger zurück. »Lorelock!« ruft er oben. Aber die Menschenmauer vor dem Hause schreit, Lorelock sei ins Haus gekrochen.

»Schläft der Herr?« stößt der Siebenfahrer den roten Lehrer an.

Einer habe ihn in der Kirche gesehen!

»In der Kirche?«

Der Lehrer dreht um. Lorelock ruft aus der Glut: »Tragen helfen! Und einer ins Herrenhaus, Platz zu machen!«

»Ins Herrenhaus?«

Fräulein Judith zittert.

»Locken wir den Herrn aus dem Bett?« pfeift der Siebenfahrer.

Fünfe schießen herbei.

»Mit einem feurigen Rüthel aus dem Bett kitzeln?« pfeift der Siebenfahrer.

Zehne schießen herbei.

»Ob's gut ist, schlafen, wenn andere verbrennen?«

Noch fünfe jagen herbei, stierwild vom Feuer.

»Pfarrer!« zittert Fräulein Judith.

Wo ist der Pfarrer?

Der Pfarrer ruft vor dem Tor: »Heinz Heide!«

Heinz Heide lacht: »Ich schlafe!« Er kennt diese Stimme.

»Heinz Heide!« schlägt der Pfarrer einen Stein ins Tor.

»Ich schlafe!« reibt Heinz Heide die Hände.

»Jesus Maria!« springt der alte Mann. Denn es tost von der Laast herunter.

Die Höfe sind eingestürzt. Der Qualm wandert wie Wüstensand über die Heulenden und wirft sich in den Schnee. Das Feuer fliegt wie Morgenrot über den Qualm, die Wälder werden taghell; Heerden brüllen ihnen entgegen. Links, rechts, nach allen Seiten stieben die Heulenden. Aber als Lorelock schwarz aus dem geborstenen Bogen kommt, »Langsam!« ruft er, er geht am Ende der Bahre, eilen sie wie ein Haufe zusammen: das eingestürzte Dach siedet über der Bahre.

»Langsam!«

Der Haller und der Himmelpforter keuchen. »Langsam!« Und der Kiebitz ringt die verbrannten Hände.

»Heide!« ruft Lorelock.

Der Lehrer springt ihm entgegen.

»Was?« wird Lorelock dunkelrot und stößt im Fluch an die Bahre.

Da wirft sich die Gebärende auf. »Halt!« besinnt sich der Doktor.

Jetzt einen Schritt weiter!

»Doktor!« ruft der Johannes im Wege unten, wie er ihn nahen sieht. Er sitzt bei zwei kohlschwarzen Klumpen, die zucken. Er steht auf.

»Teufel! – Wo ist das Eschentorfräulein?«

Eschentorfräulein!

Sie rufen: »Eschentorfräulein!«

Aber Fräulein Judith steht vor dem Tore: »Heinz Heide!« ruft sie.

»Ich bin lahm!« lispelt Heinz Heide. Er kennt diese pharisäische Stimme.

»Heinz Heide!« schreit Fräulein Judith am Tor.

»Ich rühre kein Glied! Keinen Finger!«

»Heinz Heide!« verzweifelt die Stumme, »Heinz Heide –!«

»Heinz Heide, – – – deine Mutter ist da!«

Da fällt ein Stuhl.

Ein Gesicht wird weiß. Ein Tisch prasselt nieder.

»Heinz Heide!«

Eine Tür schreit auf. Eine Treppe schreit.

»Heinz Heide!«

Der Riegel knarrt. Das Schloß rollt auf.

»Heinz Heide!«

Das Tor springt auf.

Da steht er vor ihr!

Ihre Augen brennen. Sie entblößen ihn: seht, er war angekleidet!

Er wacht ganz auf. Kein Wort im Munde. Aber ein Riß im Körper!

Wie ein Teufel fliegt er ins Feuer.


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