Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

7

InitialDareia lag im goldenen Bettchen und schlief fieberig. Sie hatte abends das Fieber bekommen; als Heinz Heide mit der Dame heimkehrte, fanden sie das Kind krank. Es seufzte und hustete ein bißchen und das Gesichtchen war heiß. Es phantasierte auch, es wälzte sich unruhig umher, »Papa! Papa!« stöhnte es. Da wurde auch die Dame unruhig und bat Heinz Heide, zur Ruhe zu gehen.

In der Frühe war Dareia fast munter, sie spielte sogar. Mittags aber fiel ihr plötzlich die Puppe aus den Händchen, die Augen wurden feucht und glasig und schauten in den Plafond. Und als das Fieber von Stunde zu Stunde stieg, auf einmal hatte es vierzig, – schickte Heinz Heide um Lorelock.

Die Dame hatte davon abgeraten. Erstens habe Dareia öfters solche Anfälle, und zweitens, – einen Bauerndoktor! Man solle in Gottesnamen in die Stadt schicken! Aber Heinz Heide war voll von Angst, es sei seine Pflicht, sagte er, – »und bis ein Arzt aus der Stadt kommt, vergehen vier Stunden!«

Trotzdem wartete er mit einer starken Befangenheit auf Lorelock; es war möglich, daß er überhaupt nicht kam. Aber Lorelock kam sofort, und machte gar keine Umstände. Das Kind erschrak vor ihm, als ob der Doktor dick und häßlich aus einem Walde käme, aber er schaute es lustig an, und es wurde ruhig. Heinz Heide erzählte, sie wüßten gar nicht, wie das gekommen sei, »freilich, die Dame sagt, es habe öfters –«, aber die Dame versteckte ihr Gesicht hinter dem Bettbaldachin, sie reagierte nicht. Auch bitte er zu verzeihen, sagte Heinz Heide mit untertäniger Stimme, daß er den Herrn Doktor geplagt habe, aber nach der Stadt sind es zwei Stunden, und – »ein mir gewissermaßen anvertrautes Kind!« Er sei voller Angst gewesen.

Es sei nichts von Bedeutung, beruhigte Lorelock, nachdem er das Thermometer geprüft. Eine akute Verkühlung, das Kind neige zu Erkältungen, es vertrage anscheinend die Bergluft nicht. »Ich werde eine Arznei geben und komme morgen wieder!« –

Er kam jeden Morgen, Heinz Heide empfing ihn stets mit ausgesuchter Höflichkeit. Auch die Dame beruhigte sich über ihn, denn er plauderte wie ein Märchenmann mit Dareia; es machte ihm gar nichts, daß das Kind sein Deutsch nicht verstand. Darum widersprach sie nicht einmal, als der Doktor eines Tages vom Bettchen zu Heinz Heide aufblickte und bemerkte, das Kind sehe der verstorbenen Assunta ähnlich. »Oh ja,« sagte sie sogar, da Heinz Heide ganz warm wurde; nach dem Bilde zu urteilen, fände sie das auch. Denn der Mann verlor, je länger man ihn kannte, sein schreckbares Aussehen vollständig, er war ein gutmütiger Familienvater. Man konnte mit ihm gar nicht übel sprechen, wenn er vertraut wurde und nach der Visite zu einem Glas Wein niedersaß.

Er hatte dabei die Gewohnheit, behaglich vor sich hinzublinzeln. Die Dame fragte ihn einmal, ob sein Beruf nicht besonders anstrengend sei? Auf den Bergen herumsteigen, bei Nacht und Nebel, oder bei Eis und Schnee, stundenlang! Da blinzelte er nur vor sich hin, »ein Beruf ist eben ein Beruf!« Es gäbe Holzhacker, Zirkusreiter, es gäbe Kartoffelgraber, Feldherrn, Uhrmacher, »ein jeder hat seine Arbeit. Es gleicht sich jede Arbeit auf das I-Tüpfelchen.« Jede sei hart und wieder leicht, jede müsse aus einer Art Pflichtgefühl herauskommen, dann mache sie zufrieden. Er meine, es müsse ein trauriges Los sein, auf Kosten anderer in einem gepolsterten Stuhle zu sitzen und untätig in die Welt zu schauen.

Heinz Heide wackelte auf seinem Stuhle und sagte nichts dazu. Die Dame aber sagte, jawohl, das sei richtig; aber sein ganzes Leben lang auf einem und demselben Fleck sitzen, das stelle sie sich entsetzlich vor. Die Welt sei groß und die Menschen so verschieden. Wie könne man da einen Begriff von der Welt bekommen! Man müsse Bauern, Großstädter, Bergarbeiter, Sträflinge, Schauspielerinnen, Barone und Wilde kennen lernen, was habe man sonst für einen Begriff von der Welt?

Lorelock lächelte hier fein, nahm das Weinglas in seine rote Hand und tat einen bedeutenden Schluck. »Ei,« sagte er, »das unterschreibe ich nicht.« Man dürfe freilich nicht vergessen, er stamme von Bauern ab und die stecken metertief in der Erde. Die gehen nicht gerne vom Hause fort, was wäre es gut, sagen sie, wenn alle in Amerika und Afrika herumjagten, wo blieben dann die Kräfte eines Volkes? – Aber, ganz abgesehen davon, tat er einen zweiten Schluck, – es komme nur auf die fünf Sinne an. »Sind die entwickelt, dann kann man überall die Menschen kennen lernen,« denn soviel er wisse, habe man noch in allon dieselben Leidenschaften, Triebe und Kämpfe gefunden!

»Das wohl, das wohl –« warf die Dame ein, aber er werde zugestehen –

»Und übrigens, was mich anbelangt,« tat er rücksichtslos einen dritten Schluck, »ich tue fast jedes Jahr eine kleine Reise. Im Frühling, wenn da wenige Patienten sind und meine Frau nicht gerade ein Kind bekommt, gehe ich fort. Ich war einmal in Genf, einmal in München, einmal in Wien –«

»Ah,« brach Heinz Heide jovial aus, da sehe man her! So ließe es sich aushalten. Das gefiele ihm vom Herrn Doktor.

»Ja,« polterte Lorelock seinem Pfeifenrauch nach, »und voriges Jahr war ich in Lachsmühle.«

»In Lachsmühle?« stotterte die Dame.

»Jawohl, in Lachsmühle. Im Frühling. Ich suchte dort einen bekannten Arzt auf, Lachsmühle ist ein Bad. Viele besuchen es. Drei Wochen war ich da. – Nun möchte man meinen, unsereiner sehe oder erlebe nichts, wenn er irgendwohin kommt.«

Er lachte. »Aber ich, – ich interessiere mich für so etwas, – ich beobachte da drei Wochen, lang eine sehr schöne Dame; sie hatte ein Kind mit und ging immer mit einem Manne. Immer sah man sie zusammen. – Teufel, denke ich, diesen Mann kennst du! Natürlich, sage ich, den kennst du, das ist der und der –! Donnerwetter, was der für ein Frauenzimmer da, –« er lachte; – »aber natürlich, er grüßte mich nicht. Fiel ihm nicht ein, obwohl er mich jedenfalls, – jedenfalls! – kannte. Aber eines schönen Abends, siehe da, ich gehe spazieren, – wer grüßt mich? Hatte der Kerl in einer einzigen Minute dreimalhunderttausend Gulden im Hazard verspielt! Dreimalhunderttausend –!«

»Nun kannte aber ich ihn nicht!« tat Lorelock einen vierten Schluck.

Ob nicht die Dame jüngst einmal solch einen Fall erzählt habe? fragte Heinz Heide. Und war das nicht auch da in – »wie sagte der Doktor?« – in Lachsmühle gewesen?

Die Dame haspelte die Worte wie ein Wasserfall herunter. Ja, jawohl! Etwas Ähnliches! Aber das sei in Monte Carlo passiert. Etwas ganz Ähnliches! Ob der Doktor den Mann beschreiben könne? Wäre es nicht möglich, daß es derselbe Mann war? Der Mann in Monte Carlo trug einen schwarzen Vollbart, man sah kaum sein Gesicht.

Ob der Mann einen schwarzen Vollbart getragen habe? fragte Heinz Heide.

»Man sah kaum sein Gesicht!« wiederholte die Dame lebhaft.

»Nein, der war bartlos. Ich würde ihn nachts im Walde erkennen. Übrigens –« kam Lorelock aus seinem Stuhle hervor, – es gäbe ja auch falsche Bärte, und er müsse nun gehen. »Nein!« er trinke nun keinen Wein mehr, sagte er zur Dame, die aus der Tür rannte, um noch eine Flasche zu bestellen, er trinke überhaupt nur wenig Wein. »Ich schneide sonst den Patienten ins Fleisch!« Morgen käme er noch. »Zur Vorsicht; wie gesagt –!« Er verabschiedete sich geräuschvoll und ging zur Tür hinaus. –

Das Kind lachte schon, es saß im Bettchen aufrecht und schaute Assuntas Bilderbücher an. »Es geht schon ganz gut?« trat Heinz Heide ins Zimmer und beugte sich über das Bettchen. Morgen dürfe sie aufstehen.

»Ein Stündchen,« sagte die Dame mit besonnener Ruhe; wie froh sie sei, daß diese Angst vorüber.

Nachts aber geriet sie in eine ganz plötzliche Aufregung. »Das Kind stirbt!« schrie sie, schreiend rannte sie von einem Zimmer ins andere, das ganze Haus mußte es hören, obwohl draußen gerade ein Gewitter losbrach. »Das Kind stirbt! Das Kind stirbt!« klagte sie, »es liegt totenbleich da!« »Es atmet kaum mehr!« »Es röchelt!« zerrte sie Heinz Heide vor das Bettchen; der Verwalter kam, die Tochter des Verwalters kam, das Haus wurde trittlebendig.

»Es schläft ja,« beruhigte Heinz Heide. Aber die Dame rang die Hände, sie habe es geahnt, warum sei sie hierher gekommen! »Es ist mein einziges Kind!« Warum fuhr sie dem Tode entgegen!

»Zum Doktor!« schrie Heinz Heide den Verwalter an, der Verwalter und seine Tochter traten erschreckt zurück. »Um Gottes willen!« wehrte die Dame leidenschaftlich, »auf keinen Fall! Der tötet das Kind!« Sie gebärdete sich wie eine Wahnsinnige, als sähe sie etwas Entsetzliches. »Er ist ein Dummkopf, was versteht so ein Doktor vom Lande!« Sie ließe es nie und nimmer zu, daß dieser Mann noch einmal vor das Kind träte, »hätte er nicht sofort erkennen müssen, daß diese Luft hier das Kind tötet?«

»Aber,« zwang Heinz Heide zur Vernunft, er sei ein bekannt guter Arzt, alle Leute –. Er hielt ein, denn der Sturm riß in diesem Augenblick einen Fensterladen auf und eine Türe fiel irgendwo krachend ins Schloß. »Heute noch, heute nachts noch,« rief die Dame aus ihrem Schrecken heraus, kein Schimmer von Schönheit war mehr an ihr, – »in allem Wetter trage ich das Kind hinab, –« keine Minute werde sie noch zögern!

Heinz Heide stieß nun ohne weiteres Überlegen den Verwalter zur Tür hinaus. »Du gehst nach Tannenfreygg!« schrie er und führte die Dame in das Schlafzimmer hinein. Aber schnell entfernte er sich wieder, er schlich zuerst an das goldene Bettchen, in dem Dareia halberwacht stöhnte, und redete einschläfernd zu ihr. Dann sprang er auf den östlichen Söller hinaus; – ja, eine eilige Laterne kämpfte gegen den prasselnden Hagel! – Nun erst ging er zur Dame zurück.

Sie lag weinend auf dem Bett, das Gesicht weinte in die Kissen hinein. Wie ein Kind lag sie da, dem eine Gefahr auf dem Leibe sitzt. Zuerst schrie es, als es die Schlange sah; nun weiß es, es wird gewiß von der Schlange gebissen, es gibt keine Rettung mehr! Da weint es! – So lag sie da, das Weinen sagte eindringlich zu Heinz Heide: es liegt ein Weib da, das nirgends zuhause ist; zwischen zwei Schicksalen pendelt es, – es weint um sein Kind! Neben dem Donner schritten die Tränen einher; der Donner kam sicher nahe, einen Schritt, zwei Schritte, drei. Er kam vom Walde herab, die Bäume bog er, große Buchen erschlug er. Neben diesem Donner schritten die erbarmungswürdigen Tränen.

Heinz Heide wurde schon fast gerührt, da fiel ein Blitz; schnell darauf ein zweiter, und siehe da, – jetzt brannte im Hirn ein unheimlicher Funke zum Gedanken auf: Gioia will fort! Gioia will fort! – Der Donner zertrat ihn schnell, ha, das war Unsinn, »dem Kinde geht es gut, es schläft, gerade war ich bei ihm!« – »Gioia, du mußt versuchen, ruhig zu sein!« Aber die Dame, der konnte man Liebe, Tröstung, Versprechen sagen, man mochte sie liebkosen und ihr zureden, sie lag still, hartnäckig, taub lag sie da. Es war, als zerfließe sie in den Tränen, der Donner zerstampfte sie, das ungeheure Gepolter raubte einem den Blick, sie zu sehen, sie wurde etwas schon Halbverlorenes; nur noch im Traume erblickte man sie, – es wurde klar, lohhell wurde es, Donner und Blitz predigten es: sie will fort, sie will fort!

Mit aller Anstrengung zur Besinnung: »Gioia, Dareia wird morgen gesund erwachen, wir gehen in den Wald zusammen –« – da stampfte das Wetter gewalttätig vor dem Hause und schlug mit seinen Fäusten an die Türen. Die Dame riß sich, lebendig vor Schreck, aus dem begütigenden Arme, sie irrte zwischen den vier Wänden herum, ohne einen Platz zum Stehen zu finden. Dabei hatte sie die Hände in qualvollen Todesängsten vor dem Gesicht. Er kenne ihn nicht, stieß sie hervor, – wenn er ihn nur kennte! »Wenn ich ihm das Kind nicht gesund bringe –!« »Wenn es –!« »Heinz,« stürzte sie nieder, sie wolle wiederkommen, sie verspreche es, »bei meiner Liebe! Aber sobald es Tag wird, ich muß mit dem Kinde hinab! Laß mich, laß mich,« – er habe keine Ahnung, »er hängt an dem Kinde –«

Leidenschaft und wilde Furcht wurden ein roter Fleck vor Heinz Heide. Er sprang auf die Dame zu, wie ein Toller, der noch nicht weiß, warum er toll geworden, aber etwas Furchtbares droht ihm, riß er sie nieder, sie sank gefällt auf ihn. Sie kämpfte gar nicht, er konnte sie aufheben und in die Luft halten und dann wieder niederfallen lassen wie eine Sache, – sie leistete keinen Widerstand. Sie blieb wie tot, sie hörte ihm stumm zu, wie er schrie, – »du bleibst!« schrie er, »er soll von mir aus den Verstand verlieren! Wenn er kommt, ich erschieße ihn!« – Sie muckste sich nicht. –

Plötzlich aber ließ er seine Hände von ihr, etwas wie Scham kam da hervor. Er saß vor ihr und blickte in das Halbdunkel, zarte Liebe und wilde Liebe stritten in ihm. Er hörte gänzlich abwesend zu, wie nun das Haus vom Sausen belagert wurde, er hätte weinen mögen vor Mitleid mit der Frau; aber das Haus polterte fensterklirrend. Das riß ihm das Blut auf und schnitt die Zartheit ab, das Haus rebellierte wie sein Blut von Geistern, die Grüfte aufwarfen und verschlossene Türen sprengten, und die Blitze leuchteten in die verborgensten Winkel. Er fühlte, das Haus bricht, es ist wie ein Dach unter dem Schauer der Sintflut; es bäumt sich, es bekommt ein Leck, ein zweites, ein drittes; es fällt, bläht sich im Falle, stürzt, todrünstige Wasserberge rollen herein, – »Gioia!« rief er in aufwallender Seelenangst.

Der Arzt sei da, pochte jemand roh an die Tür; – da kam er zur Besinnung. Er lief aus dem Zimmer.

Lorelock stand im Saal, das Wetter rann wie ein Wildbach von ihm, er war schwarz wie ein Kohlenbrenner. Er betrachtete Heinz Heide mit einem sonderbaren Blick, und als dieser nur eine ratlose Geste herausbrachte, ging er ohne weiteres zum Kinde hinein.

Während er sich über das Kind gebeugt hielt, wartete Heinz Heide vor dem Bettchen. Ein Laden knarrte am Fenster, der Sturm sprang losgelassen in das Wetter hinein, man hörte, wie er die Linden peitschte und den Regen mißhandelte; er erstickte dem Donner das gräßliche Maul. Und der Donner, man vernahm es, verlor den Atem, wie ein Erschlagener fiel er zu Boden, die Erde murrte böse unter dem röchelnden Leichnam.

Die Blitze suchten nun den gestreckten Riesen. Sie liefen von allen Himmelsrichtungen, wirrgeworden, schutzlos, herbei, – er zuckte noch. Sie knieten um ihn, sie fachten sich verzweifelt zu Flammen, – auf einmal, als sie sahen, er war tot, flohen sie wie blaue Gespenster über die schwarzschleierigen Berge.

Warum man ihn geholt? lachte Lorelock. Dem Kinde fehle nichts.

»Aha!« brauste Heinz Heide wie Champagner aus einem furchtsamen Glase, er wurde wie ein Hampelmann. »Sagte ich's nicht? – Ich sagte es zehnmal,« – er lachte befreit. – »Aber die Frauen! Es stirbt! es stirbt! rief die Dame. Sie war um allen Verstand gekommen. Da blieb mir, – ich bitte tausendmal um Verzeihung! – mir blieb nichts anderes übrig.«

Lorelock hielt das Kind im Arme, er horchte nach dem Winde. »Wir packen es morgen gut ein, –« morgen sei das schönste Wetter! – »sobald die Sonne da ist, – und der Verwalter trägt es hinab.« Dann sei man jeder Gefahr enthoben.

Heinz Heide wurde von neuem steif. Aber er wehrte sich. Davon hätte der Doktor ja nie eine Silbe gesagt! Warum jetzt auf einmal –? – »Nie gesagt? Ich habe am ersten Tage gesagt, das Kind verträgt die Luft nicht.« Solange es krank war, konnte er es freilich nicht fortschicken, – »aber jetzt –!«

Heinz Heide mußte sich niedersetzen. Halte der Doktor das für – –? »Für unerläßlich!« sagte Lorelock. »Wo ist die Dame?« Mit der möchte er reden, die widersetze sich dieser Maßregel ganz entschieden, sehe er voraus. – »Sie ist einverstanden, vollkommen!« gestand Heinz Heide, – sie wäre am liebsten noch in der Nacht –« »So? – So?« nickte Lorelock zufrieden. Die Dame beweise, daß sie eine kluge Frau sei; »denn es ist oft verdammt schwer, den Frauen das Nötige beizubringen.« Er habe damals ja nur gesagt: das Kind verträgt die Luft nicht. Nichts anderes! Aber sie habe es schnell aufgefaßt. »Ich staune!«

Heinz Heide hörte wie schlafend zu. Es war alles wie in einem Roman. Es ging in dieser Geschichte eine Tür auf, eine feindliche Person trat herein, sie fragte nicht, sie handelte wie sie wollte! Man sagte: Nein! Nein! Nein! Die Person aber kümmerte sich keinen Pappenstiel darum, sie sagte: Ja, ja!

Und eine andere Tür ging zu: Der Freund, der gewuchtig in die willkürliche Handlung griff und sie zerriß wie das Erwachen den Traum, verschwand in dieser Tür! – Und was nun geschah, alles geschah für die fremde Person, für ihren Willen, der diktierte: der Arzt befiehlt es! Das Kind muß von hier fort! – Es ist natürlich, sagte er, daß die Mutter mit dem Kinde geht. Wäre es natürlich, daß sie bleibt und das Kind stirbt? –

Heinz Heide hörte Lorelock im Saal draußen mit dem Verwalter reden, er stand auf und ging an den Türspalt. – Vor Mittag dürfe man nicht aufbrechen, sagte Lorelock. »Und sind Decken da?« Und wie wolle er das Kind tragen? »Im Rückkorb?« – »Meinetwegen!« Aber er habe langsam zu gehen! »Die Steine –«

Heinz Heide klinkte entschlossen die Tür zur Dame hinein auf. Er tat wie der Besiegte in der Geschichte mühselig Schritt für Schritt. Die Dame lag auf dem Bett wie vorher, sie weinte still in die Kissen hinein. »Das Kind wird morgen, sobald die Sonne heroben ist, in die Stadt getragen!« sagte er zu ihr.


 << zurück weiter >>