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2

InitialWenn Lorelock aufsprang, mußte etwas sein. Darum erhoben sich auch die anderen.

Über Buchenfreygg ging der Mond auf und machte ihnen lange Schatten auf die Wiese. Er beleuchtete auch die Gipfel des Waldes, und unten, wo der Weg aus dem rabenschwarzen Walde kam, auch ein Stück dieses Weges.

Von diesem Weg her hörten die drei einen Schritt. Ein Stab schlug auf.

Jetzt standen sie wie Eisenpfähle und glotzten. Aus dem schwarzen Wald trat eine schwarze Gestalt in den mondhellen Weg.

»Ooh hoopp!« brüllten sie auf. »Ooh hoopp! Ooh hoopp!« Lorelock schrie wie ein Ausrufer, seine Stimme stürzte in den Wald; der Feldkönig wie ein sehnsüchtiger Vogel. »Ooh hoopp! Ooh hoopp!« Dann begannen sie alle drei zu laufen, die Wiese hinab.

Dann standen sie festgenagelt am Wiesenrain: die schwarze Gestalt kehrte um und trat in den Wald zurück.

Es war nun eine merkwürdige Stille. Der Wald bewegte sich nicht, und es war kein Geräusch mehr; der Mond warf sich den Bergen im Norden breit in den Arm.

»Er war es!«

»Dummheit!«

»Ich sage: er war es!«

»Blödsinn!« stieß Lorelock den Feldkönig zur Seite und rannte davon. Wie ein Krieger, der verfolgt. Er sprang über einen Zaun und dann schwer in den Weg. Und dann lief er in den Wald hinein.

»Wer war es?« flüsterte Severin oben. Es schien ihm geheimnisvoll. Nun könnte, empfand er, einer von rechts und einer von links kommen und einer noch von oben, und niemand wüßte, ob sie genarrt würden, denn keiner kannte sich mehr aus. Und er stellte sich vor, es ist kein Mensch im großen Walde, nirgends sind Ohren, die einen Ruf vernehmen und darauf antworteten. Aber auch, es wäre eine Schar von Menschen im Walde, versteckt im Walde, und sie hätten die schallenden Rufe gehört und ließen sie ganz eindringen in ihre Körper, aber sie wollten verborgen bleiben. Und antworteten deshalb nicht.

Pius Vesper hatte andere Gedanken, während er in den Wald blickte. »Lorelock rennt ihm nach, bis er ihn erjagt!« flüsterte er. In seine lockere Phantasie stahlen sich seltsame Bilder. Die Gestalt hatte sie belauscht. Die Gestalt war der Bruder des Erwarteten, der geisterte da herum, um auszukundschaften. Oder ein Nachtdieb. Oder –?

Und da stellte er sich vor, Lorelock schritt im schwarzen Walde wie ein Raubtier und pürschte. Die Finger Lorelocks schnüffelten im Dunkel, aber auf einmal saßen sie fest an der ertappten Gestalt.

So warteten die beiden, und je länger es dauerte, um so weniger wagten sie zu reden. Es wurde ganz still, der Wald baute gegen den Mond hin eine schwarze Zinkenmauer, die Gipfel zeigten jeden Ast. Ganz oben, im Himmel drin, stand das Haus von Buchenfreygg: ein paar Läden blinkten, aber das Haus war schwarz.

Wie ein riesiger Affe, fahlgrau, stieg Lorelock links aus den Wiesen empor und kam schnell näher. Kaum hatten sie seinen Schritt gehört, stürzten sie ihm entgegen und prüften sein Gesicht. Es war gleichmütig.

»Niemand?«

»Niemand! Wir haben uns getäuscht!«

Sie gingen mit Lorelock aufwärts. »Aber,« blieb Pius Vesper stehen, »wir hörten doch!«

»Der Wald ist schwarz, er kann darin sitzen!« brachte der Feldkönig vor.

»Glaubst du, er kann darin sitzen, wenn ich vorbeigehe?« wurde Lorelock grob.

Und da verstummten sie beide und gingen weiter. Sie hielten die Richtung des Platzes ein, darauf sie gelegen hatten, aber Lorelock bog ohne weiteres in den Buchenfreygger Weg ein.

Ob man nicht doch warten solle? fragte schüchtern der Feldkönig.

Lorelock geriet in eine seltsame Erregung. Elf Uhr sei es, – wollten sie sich das Rückenmark verderben? »Er kommt doch nicht!«

Er zeigte eine sonderbare Eile und machte große Schritte.

Da folgten sie ihm. Aber bevor sie im Walde verschwanden, drehten sich beide nochmals um. Sie blickten in den Mund des Weges hinab, darauf das Mondlicht lag. Da war die Gestalt erschienen! Und siehe, als sie nun Lorelock nachschritten, sahen sie, auch dieser blickte noch einmal nach dem Weg.

Erst wie sie dann mitten im Wald waren, wußten sie recht, daß Heinz Heide nicht gekommen war. Aber Lorelock tat seinen Mund nimmer auf, und so behielten auch der Feldkönig und Pius Vesper ihre unruhigen Gedanken für sich.


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