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Zwanzigstes Kapitel.

Die Sonne hatte den Zenith weit überschritten, als die Schar der Farmer, welche in der Nähe von Redwood zu Hause war, dem heimatlichen Herde zueilte.

Hier trennte sich Reizenstein von ihnen, unter dem kräftigen Hoch! seiner Nachbarn, und trabte mit John, Hugo und den Indianern nach Redwoodhouse.

Kaum ritten sie in den Hof, als Hugo totenbleich vom Pferde sank.

Erschreckt trugen sie ihn ins Zimmer, wo der ohnmächtig Gewordene sich bald wieder erholte.

Der herbeigerufene Chirurg, der ihn schon früher behandelt hatte, ein sehr erfahrener Mann, erklärte, daß die Gefahr einer innerlichen Verblutung nahe an ihm vorübergegangen sei, die Anstrengungen der letzten Tage seien viel zu groß für die kaum vernarbte Wunde gewesen. Hugo bedürfe noch lange der Schonung.

John war nach Trenton geritten und hatte die Mädchen zurückgeholt.

Friedliche Ruhe war wieder eingekehrt in Redwoodhouse. In der Laube, die Mary so sehr liebte, saßen die Kinder des Hauses, Mary und John, Hetty und der trüb gestimmte Hugo, der wohl fühlte, daß seine Gesundheit noch lange der Kräftigung bedürfe.

Zu den Seinen trat Reizenstein, einen Brief in der Hand.

Erwartungsvoll sahen ihm alle entgegen.

»Ich erhalte da eben ein Schreiben Washingtons, John, mit einer Einlage an dich.«

»Was schreibt der General?«

Reizenstein blickte in den Brief und las daraus: »Melvilles Verhalten im Kugelregen läßt auf einen schweren Zwiespalt zwischen den Pflichten gegen sein Vaterland und denen gegen die Landsleute seines Vaters schließen, deren Blut in seinen Adern rinnt. Melville kann dem Vaterland und mir auch auf andere Weise dienen, als dadurch, daß er sich wehrlos den feindlichen Kugeln aussetzt. Ich habe ihn deshalb zum Major ernannt und ihm das Kommando der Miliz des Trenton-Counties übertragen, seine Bestallung mit den nötigen Instruktionen folgt anbei. Der Delaware ist für uns so wichtig, daß ich auch in Trenton einen so umsichtigen Offizier wie Melville im Kommando haben muß. So werden seine Dienste dem Vaterlande erhalten, und der Zwiespalt in seinem Innern zunächst gelöst.«

Mit Staunen hatte John, mit tiefinnerer Freude Hetty, die Anhängerin des Königs, Washingtons Brief vorlesen hören.

»Hier ist die Bestallung, John,« und sein Vater überreichte ihm ein versiegeltes Schreiben.

John öffnete es: »Bei Gott, meine Bestallung als Major und der Befehl des Generals.«

Zweifelnd wog er dasselbe in der Hand.

Angstvoll sah Hetty zu ihm auf.

»Was würdest du tun, Vater?«

»Ich? Gehorchen würde ich als guter Soldat. – John, mein Junge,« fuhr er mit väterlicher Zärtlichkeit fort, »du hast dem Vaterlande deine Pflicht erfüllt, seitdem die Hessen unsere Gegner sind, mit zwiespältigem Herzen, wie Washington sagt, und ich glaube auch diese kleine Royalistin,« er sah Hetty freundlich an, »lähmt deine Kampfesfreudigkeit. Du kannst das Kommando, welches dich aus der Schlachtlinie entfernt, ohne deiner Ehre zu vergeben, annehmen, auch hinter der Front muß es tüchtige Offiziere geben.«

»Wenn du das sagst, Vater, dann kann ich es gewiß annehmen.«

»Lange,« fuhr Reizenstein fort, »wird der Friedensschluß mit England nicht mehr ausbleiben, denn der General teilt mir hier die überraschende Kunde mit, daß die Armee Bourgoynes, bei welcher die Braunschweiger fechten, in der Nähe von Saratoga, achttausend Mann stark, gefangen genommen worden ist.«

»Was? Was?« schrie John.

»Gott im Himmel, das ist gewaltig. Das ist ja ein Sieg ohne Gleichen. O, Gott sei Dank. Ja, – ja, – das bahnt den Frieden an.«

Alle vernahmen die Kunde mit Staunen, das war ein außerordentlicher Erfolg der amerikanischen Waffen.

Auch Hugo vernahm sie in dem Gefühle, daß nahender Friede ihn der Pflicht entheben werde, noch einmal die Waffen gegen die Amerikaner zu erheben, nicht ohne Befriedigung, so sehr er die Niederlage der Braunschweiger bedauerte.

»Und jetzt bleibst du hier, Hugo, bei uns,« sagte Mary mit leuchtenden Augen, »der Friede kommt, aber dich halten wir gefangen.«

»Kommt Friede, Mary, will ich gern für alle Zeit dein Gefangener bleiben.«

Er sagte dies in einen: Tone, daß Mary lebhaft errötete.

»Das ist ein Wort, Vetter,« rief feurig John, und setzte lachend hinzu: »die wird dich schon fesseln.«

Diese Aeußerung diente nicht dazu, das mädchenhafte Rot von Marys Wangen zu verscheuchen.

Munter fuhr John fort: »Auch ich begebe mich gern in ewige Gefangenschaft, und lasse mich gern Lebenszeit von der zukünftigen Kommandantur von Trenton in Banden legen, wenn Papa es erlaubt.«

Mit feuchtem Auge hatte der überglückliche Reizenstein, dem mit dem Siege der Amerikaner, der Aussicht auf Frieden das Herz aufgegangen war, den Aeußerungen der jungen Leute gelauscht.

Und als die beiden jungen Mädchen ihm jetzt um den Hals fielen und ihn küßten, sagte er mit tiefer Rührung: »Haltet mir nur die beiden da fest, Kinder, glücklicheres kann uns nichts begegnen.«

Groß war die Freude aller. –

Vollständig nach Indianersitte zu weiter Reise gerüstet, schritt da Hotspur in Begleitung Bills heran. Reizenstein hatte ihm unter anderen für ihn schätzbaren Dingen eine wertvolle Büchse geschenkt, die er jetzt trug.

»Nun, Mohawkhäuptling, warum in Waffen?« fragte der alte Herr.

»Hotspur gehen, Master Redwood sagen Lebewohl.«

»Willst du zu den Jägern zurückkehren, Hotspur?«

»Nein, Sonnenhäuptling, Hotspur geht zu seinem Volke, er nicht mehr fechten.«

»Nun, so geh' mit Gott, Mohawk, und nimm dies zum Andenken an einen Freund mit.« Hugo löste seine Uhr, welche der Indianer stets sehr bewundert hatte und gab sie ihm.

Ein Strahl des Entzückens fuhr über des Mohawk dunkle Züge bei dem für ihn so kostbarem Geschenk. Mit einem heißen Dankesblicke sagte er: »Hotspur ihm bewahren, er erinnern an einen Freund.«

»Ja, Mohawk, das darfst du sagen, an einen Freund – du warst ein ehrlicher und tapferer Kamerad, und ich werde dein nicht vergessen,« und er schüttelte dem wilden Krieger herzlich die Hand.

Des Indianers dunkles Auge überflog verständnisinnig die Gruppe der beiden Paare.

»Der Jägerhäuptling bleibt hier?« fragte er.

»Ja, Hotspur, ich bin hier gefangen,« entgegnete Hugo mit zärtlichem Blicke auf Mary.

»Trenton schläft guter Freund von Hotspur in seinem Grab, er auch Freund von Leutnant –, wird er Grab bewahren?« fragte der junge Indianer tiefen Ernstes.

»Ich will sorgen, Hotspur, daß das Grab erhalten bleibt und gepflegt wird, auch einen Denkstein will ich unserm Hans setzen lassen.«

»Gut.«

Der Mohawk verneigte sich vor den Damen mit der Würde eines indianischen Häuptlings, reichte Reizenstein und John die Hand, sagend: »Danken für alles, nicht vergessen –, leben wohl.« Dann schritt er, von Bill begleitet, davon.

Reizenstein begab sich mit seinen Kindern nach dem Herrenhause, wo die sich alsbald verbreitende Kunde einer doppelten Verlobung bei der schwarzen Dienerschaft unbändigen Jubel hervorrief, der bis tief in die Nacht hinein sich nach Negerweise Luft machte.

Redwoodhouse barg heute glückliche, glückliche Menschen.

Einsame Wanderer aber, die in der Nacht über die Penningtoner Höhen nach Trenton hineinschritten, bemerkten an einem der Gräber, welche die sterblichen Reste der hessischen Krieger bargen, einen Indianer, der zu Häupten eines derselben saß und in der Weise seines Volkes eine Totenklage sang.

Es war Hotspur, der von seinem Freunde Hans Abschied nahm.


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