Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.

Als sich die Sonne am 26. August des Jahres 1776 über den Horizont erhob, erblickte sie das englisch-deutsche Heer in Schlachtordnung ausgebreitet, sich zum Angriff auf die feste Stellung der Kolonialtruppen anschickend.

Das Zentrum der sich lang hindehnenden Aufstellung nahmen nur Hessen ein.

In schönster Ordnung standen da die Musketier-Regimenter und als Kern der Angriffskolonne, die Grenadiere. Auf Bodenerhöhungen waren einige Batterien bemerkbar.

Die Flügel der königlichen Armee bildeten die englischen Truppen.

Hinter dem Zentrum hielt auf einem Hügel Sir William Howe, umgeben von seinem Stabe, neben ihm Generalleutnant von Heister.

Vom linken Flügel her dröhnte von Zeit zu Zeit ein Kanonenschuß herüber, ein Zeichen, daß Lord Cornwallis das Gefecht dort schon eröffnet hatte.

Der ganze aus dem Kern der englischen Truppen gebildete rechte Flügel war in lebhafter Bewegung, eine durch eine waldige Höhe gedeckte Schwenkung auszuführen, um den linken Flügel des Feindes umfassen zu können.

Vom Feinde war, seiner gedeckten Stellungen wegen, wenig zu bemerken.

Sir William Howe, welcher durch sein Glas das Schlachtfeld überflogen hatte, sagte zu Heister: »Die Aufstellung, mein General, ist musterhaft, ich mache Ihnen mein Kompliment. Clinton,« fuhr er fort, »wird etwa gegen acht Uhr seinen Flankenmarsch ausgeführt haben. Beschäftigen Sie bis dahin den Feind, aber behalten Sie Ihre Truppen in der Hand, so daß kein nachdrücklicher Vorstoß ihn vorzeitig erschüttert; hören Sie Clintons Kanonen, so greifen Sie mit aller Macht an. Ah, da läßt sich Herr Washington hören« – unterbrach er sich, als vor der feindlichen Aufstellung sich der Rauch einiger abgefeuerter Geschütze wahrnehmen ließ, deren Donner auch gleich darauf vernommen wurde. » Nous verrons! Ich selbst nehme hinter dem rechten Flügel Aufstellung. Guten Morgen, Exzellenz.« Sir William lüftete grüßend den Hut und sprengte, gefolgt von seinem Stabe, davon, während General Heister mit seinen Adjutanten zu seinen Truppen zurückritt.

Eine der hessischen Batterien antwortete bereits den amerikanischen Geschützen, und auch von links her ließ sich der scharfe Krach der Haubitzen vernehmen.

Die Schlacht hatte begonnen. Eine gute Weile währte der Geschützkampf, bis endlich die Jäger in aufgelösten Linien langsam gegen die Höhen von Guiana vorgingen.

Es war der tapfere Donop, der sich den ersten Angriff erbeten hatte und die Jäger vorsandte, während er, allgemein in der Armee als »Bruder Grenadier« bekannt, noch bei den Grenadieren zurückblieb.

Hinter den ausgedehnten Reihen schritt Ewald, neben sich den Hornisten und die drei Mohawks, während die Leutnants Wrede, Reizenstein und Lenoir die einzelnen Züge führten.

Pferde waren so sparsam in der Armee vorhanden, daß nicht einmal alle Adjutanten beritten waren, und es der Artillerie an Bespannung fehlte. Erst auf dem Kontinent konnte dieser Mangel ausgeglichen werden. Selbst die Reiterregimenter hatten einen schwachen Bestand an Pferden.

Hinter den Jägern bewegten sich in langsamem Vorrücken einige Kompagnien Füsiliere vom Regiment Mirbach.

Das gemächliche Vordringen der Truppen entsprach der Aufgabe, den Feind fürs erste nur zu beschäftigen.

Der Geschützkampf währte fort, ohne hier und, wie es schien, auch beim Feinde viel Schaden anzurichten.

Mit sich steigernder Verwunderung, welche wiederholt durch plötzlich leise Ausrufe sich Luft machten, hatten die Mohawks der Aufstellung und den Bewegungen des Heeres zugesehen.

Ob sie gleich weder mit europäischen Truppen noch mit deren Art Kriegführung ganz unbekannt waren, so erblickten sie doch zum erstenmal ein Heer von mehr als zwanzigtausend Streitern, welches sich zum Kampfe anschickte.

Die lange Schlachtlinie, die Aufstellung und gegliederte Ordnung der Truppen, das Hin- und Herziehen einzelner Teile derselben, die unverständlichen Signale, der sich immer mehr steigernde Kanonendonner hatten den Söhnen der Wildnis eine mit ehrfurchtsvoller Bewunderung gemischte Scheu eingeflößt. Besonders waren Ewald und seine Grünröcke, welche zum Kampfe vorgingen, indes noch so viele Krieger tatlos im Hintertreffen lagen, in ihrer Achtung ungemessen gestiegen.

Während so Jäger und Füsiliere langsam im Zentrum avancierten, war der Kampf auf dem linken Flügel, wie es schien, heftiger entbrannt, denn rollende Salven des Kleingewehrs zeigten an, daß die Infanterie schon stark engagiert war.

Jetzt tauchte oben eine lange Kette Scharfschützen auf und drang rasch den hessischen Jägern entgegen. Zwei langgezogene Töne des Horns brachten diese zum Halten. Sie warfen sich, Deckung suchend, nieder, nur die Offiziere blieben stehen.

Da krachten schon drüben die langen Büchsen der Amerikaner.

Langsam begannen die Jäger das Feuer zu erwidern.

Bickels nie fehlende Büchse entlud sich, und drüben stürzte einer der Gegner.

Das Feuer wurde lebendiger.

Die Indianer hatten sich wie die Jäger zu Boden geworfen, als aber der junge Mohawk bemerkte, daß die Offiziere standen, erhob auch er sich vom Boden. »Warum steht der Häuptling vor den Büchsen der Bankers?«

Lächelnd entgegnete Ewald: »Meine Krieger müssen ihren Häuptling sehen.«

Hotspur erwiderte nichts, blieb aber nun auch hochaufgerichtet stehen.

Immer heftiger wurde das Feuer, hüben und drüben gab es Verwundete und Tote; langsam drangen die Jäger vor, von Strauch zu Strauch, von Stein zu Stein.

Ihr ruhiges Feuer und ihre Treffsicherheit verwirrten die Amerikaner. Ewald bemerkte es mit seinem sicheren Blick. Er setzte sein Jägerpfeifchen an den Mund und entlockte ihm einen leisen, aber in der Kette der Jäger vernehmbaren Ton, den die Pfeifen der Oberjäger dort wiederholten.

Das Feuer der Jäger verstummte plötzlich, und der Indianer bemerkte, daß alle, welche abgeschossen hatten, in großer Eile luden. Der Hornist, das Instrument an den Lippen, blickte auf Ewald. »Blas!« Ein kurzer, schneidender Hornstoß, und die Jäger sprangen aus und stürzten, die Büchsen schwingend, auf den Feind zu. Einzelne Schüsse fielen dort, die aber in der Überraschung schlecht gezielt waren.

Dann erhob sich die ganze Linie der Amerikaner und sprang eilfertig zurück. Die Jäger rannten nach an einem kleinen Wäldchen vorbei, welches rechts lag. Hotspur berührte leicht Ewalds Arm, deutete auf das Gehölz und sagte: »Yankees.«

»Du kannst Recht haben, Indianer, wollen uns gleich davon überzeugen.«

Ewald wollte eben sein Glas ans Auge führen, als in den Büschen die Büchsen krachten und die Kugeln über sie hinwegflogen.

Das Horn gebot den Jägern von neuem Halt.

Der Hauptmann durchforschte jetzt mit seinem Glase das Gehölz mit einer Ruhe, als ob er sich auf dem Exerzierplatz befände. Neben ihm stand der Indianer, ohne daß eine Muskel in dessen Gesicht sich bewegte, die funkelnden Augen dem Feinde zugekehrt.

Ewald betrachtete ihn, als er seine Untersuchung geendet hatte, einen Augenblick lächelnd und sagte: »Hotspur ist ein Häuptling.«

Geschmeichelt neigte der Indianer dankend das Haupt.

Die amerikanischen Büchsenschützen hatten sich dem Bereich der hessischen Gewehre entzogen, und die Jäger lagen bereits im Kampfe mit den im Gehölz verborgenen Feinden, der immer heftiger wurde.

Ewald sah sich um. Die beiden Füsilierkompagnien waren nahe. Ewald winkte, und im Schnellschritt rückten sie heran. Kaum war Hauptmann Wiederhold, deren Führer, in Ewalds Nähe, als beide sich rasch verständigten. Die Füsiliere zogen sich hierauf etwas mehr nach rechts.

»Jetzt, Indianer, wollen wir Ernst machen,« sagte Ewald.

Wiederum gebot die Pfeife den Jägern Ruhe. Sie und die Füsiliere lagen zum Angriff bereit. »Drauf!« rief Ewald. Das Horn erklang, die Füsiliere wiederholten den Ton, die Jäger und die beiden Kompagnien stürmten aus das Gehölz ein. Hundert Büchsen krachten dort auf, in der Eile zu hoch gerichtet. Mit ein paar Sprüngen war Ewald in der vordersten Reihe der Jäger, den Säbel schwingend: »Drauf! Drauf!« neben ihm Hotspur, der zur Streitaxt gegriffen hatte.

Aus dem Gehölz tönte ein gellender Schrei.

»Oneida!« rief der Indianer und ließ zum erstenmal den Schlachtschrei seines Volkes hören, gleich einem Panther vorwärts springend.

In weniger als einer Minute waren die Jäger am Saume des Gehölzes und drangen ungestüm in dasselbe hinein. Ewald, Reizenstein, zu ihrer Seite der Indianer, hinter ihnen Bickel und Hans, die Büchsen in der Hand, waren die ersten. Mit funkelnden Augen suchte der Mohawk seinen Feind. Plötzlich sprang hinter einem Baum ein riesenhafter, gräßlich bemalter Indianer hervor, faßte im Sprung den überraschten Hotspur an der Kehle und schwang das kleine Schlachtbeil. Doch schnell, gleich dem Jäger, der im Wald auf den flüchtigen Hirsch anlegt, riß Hans die Büchse an die Wange, schoß, und der Indianer stürzte, durchs Herz getroffen, mit gellendem Schrei aufs Gesicht. Ewald drang weiter, hinter ihm Hans, der den Hirschfänger zog. Heißsporn aber warf sich auf den niedergeschossenen Indianer und entriß ihm mit großer Schnelligkeit den Skalp, den er mit wildem Triumphruf um den Kopf schwang.

Die durch den plötzlichen stürmischen und ungewohnten Angriff überraschten Amerikaner verließen in Eile und Unordnung das Gehölz, gerieten aber, als sie die schützenden Büsche aufgaben, ins Feuer der Füsiliere, worauf sie in jäher Flucht zurückliefen.

Die Jäger im erregten Kampfeszorn ihnen nach.

Der kaltblütige Ewald, der das Feld ruhig überschaute, bemerkte recht gut, wie sich oben am Waldessaum dichte Linien des Feindes entwickelten, und ließ das Horn »Halt!« gebieten. Ein Ausruf des Erstaunens entfuhr dem Indianerhäuptling, als er sah, daß ein Hornstoß selbst die wild erregten, in siegreichem Vordringen begriffenen Kämpfer zum Stehen zu bringen vermochte. Reizenstein, der mit den Jägern vorgedrungen war, kam zu Ewald, der den Rand des Gehölzes nicht verlassen hatte, zurück, und gleichfalls nahte sich der die Füsiliere führende Hauptmann Wiederhold, welcher angesichts der hervorbrechenden feindlichen Massen seinen Leuten, wie Ewald den Jägern, Halt geboten.

Der Hauptmann blickte nach Flatbush hinunter, weit hinten standen die Füsilierbataillone und noch weiter entfernt die staffelförmig aufgestellten Grenadiere. Ewalds Jäger und die Füsiliere waren in der Hitze der Verfolgung weiter vorgegangen, als ratsam erschien, da der General den getroffenen Dispositionen nach, nicht eher zu nachdrücklichem Angriff schreiten konnte, bis General Clinton den linken Flügel des Feindes umgangen hatte. Die Offiziere waren kaum zusammengetreten, um zu beraten, was in dieser Sachlage zu tun sei, als ein Adjutant des Generals heransprengte und den Befehl überbrachte, zurückzugehen.

Ernst sahen sich die Führer der Kompagnien an.

»Zurückgehen?« sagte Ewald, »das wird eine üble Wirkung auf die Truppen haben.«

»Der Oberst!« rief Reizenstein, der das Feld nach rückwärts überblickt hatte, aus, und auf schaumbedecktem Rosse jagte Donop heran.

»Was meinen Sie, meine Herren,« rief er schon von weitem den ihn entgegengehenden Offizieren zu: »Können Sie das Holz eine Stunde halten?«

Ewald und Wiederhold warfen prüfende Blicke auf die andringenden Feinde, deren Schützenlinien langsam näher kamen, dann auf die Aufstellung des Gros der hessischen Truppen, in deren Bataillonen Bewegungen bemerkt wurden, und Ewald sagte: »Ja, Herr Oberst, wenn wir uns rasch verschanzen.«

Wiederhold stimmte bei.

Donop musterte, wie die Hauptleute, die Stellungen der Truppen.

»Wir sind etwas exponiert –, aber – ich denke, es wird gehen, es muß gehen. Zurück dürfen wir nicht.«

Nach kurzer Beratung ließen die Offiziere zum Sammeln blasen. Jäger und Füsiliere gingen ins Gehölz zurück. Die Axt, die jeder zehnte Mann führte, die Faschinenmesser der Leute, ja selbst die Hirschfänger waren alsbald in Tätigkeit, um Bäume zu fällen und Äste zu kappen. Der Spaten, den andere trugen, hob eilfertig einen Graben aus, und bei dem zögernden Angriff der Amerikaner, deren Linien wiederholt durch einschlagende Granaten in Unordnung gebracht wurden, wie durch das drohende Zusammenballen stärkerer Infanteriemassen beim Gros der Hessen, wie bei der fieberhaften Tätigkeit der Mannschaften, war in kurzer Zeit ein zweckdienlicher Verhau vermittelst Holz und Erde hergestellt worden. Mit großer Sorgfalt postierte Ewald seine Jäger so, daß sie gedeckt lagen und doch das Schießfeld weit vor sich offen hatten. Hans kommandierte er neben Bickel. »Wie hat sich denn der Junge gehalten, Oberjäger?«

»Wacker, Herr Hauptmann, als ob er schon zehn Jahre mitlief.«

»Brav, Bursche,« sagte Ewald zu Hans und klopfte den Jüngling, dessen Gesicht von Kampfeswonne strahlte, auf die Schulter, was ihn nicht wenig stolz machte. Donop hatte die Füsiliere verteilt, und es waren alle Maßnahmen getroffen, die Verteidigung dieses Vorwerkes zu einer wirksamen zu machen.

Neben Ewald stand der junge Mohawk, aufmerksam die Anstalten betrachtend, welche zur Abwehr dienen sollten.

»Graben gut,« sagte er zu Ewald, »er sehr gut.«

»Ich hoffe auch,« entgegnete der Hauptmann, der nicht ohne Widerwillen die blutige Kopfhaut betrachtete, welche der Indianer kaltblütig an seinem Gürtel befestigt hatte. »Wie mir scheint, hat der Mohawk bereits gefochten?«

»Oneida – Schurke. Er ihm schießen,« und er deutete auf den unweit liegenden Hans. »Mohawk nicht auf Kriegspfad, er nicht Skalplocke, nicht gemalt. Er nur wehren, wenn angegriffen.«

»Nun gut – der Häuptling muß wissen, was er tut. Die da drüben werden keinen Unterschied zwischen ihm und uns machen.«

Der Indianer trat zu Hans, berührte leicht seine Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken, sah ihn mit einem Blick von seltener Freundlichkeit ins Auge und sagte langsam: »Hans – guter Freund – retten Leben – Papaganawe nie vergessen.«

»Ist ja der Rede nicht wert, Indianer, wenn ich in Gefahr bin, haust du mich heraus.«

Der Indianer verstand den Sinn der Rede und sagte mit tiefem Ernste: »Er so tun.«

Hierauf rief er seine Krieger heran und legte sich mit ihnen an geeigneter Stelle hinter den Verhau.

Der Geschützkampf hatte sich gesteigert, eine hessische Batterie war unter unendlicher Mühe, da die Bespannung fehlte, von Artilleristen und Infanteristen weiter vorgeschoben worden und sandte ihre eisernen Grüße zur Linken des Gehölzes den Amerikanern entgegen. Dies verhinderte die Feinde, das Gehölz mit Kartätschen zu überschütten, obgleich sie nicht unterließen, wiederholt darauf zu feuern, was aber, da die hessischen Krieger am Rande und tief lagen, wenig Schaden anrichtete und nur Aeste und Splitter niedersandte, welche niemanden trafen.

Die aufgelösten Linien der Amerikaner, welche sich regellos nach vorn bewegten, jede Deckung benutzend, eine Gefechtsart, welche bisher nur von den hessischen Jägern geübt wurde und der englischen und deutschen Infanterie nicht eigen war, hatten sich vorsichtig genaht. Ihre langen Büchsen blitzten auf, jedoch ohne Erfolg. Bis auf zweihundert Schritt waren sie herangekommen, als sich Ewalds klingende Stimme vernehmen ließ: »Jetzt, Leute, zeigt, was ihr könnt. Verschwendet kein Pulver – jeder Schuß muß treffen. Achtung!« Der Hornist blies das Signal.

Die Amerikaner tauchten aus einer Bodensenkung auf, nur die Köpfe waren hinter Gras und niedrigen Büschen sichtbar. Krach! entlud sich Bickels Büchse, und die Hälfte der Jäger gab Feuer. Mit gutem Erfolge, jeder Schuß hatte getroffen, und da nur der Kopf das Zielobjekt bildete, war fast jeder tötlich. Die Amerikaner, welche wohl der Meinung sein mußten, daß sämtliche Schußwaffen im Gehölz entladen seien – das Laden, besonders von Büchsen, ging damals langsam von statten – erhoben sich und drangen rasch vor. Aber es war nicht hessische Jägerart, volle Salven abzugeben, sie feuerten stets in zwei Abteilungen, und so sandte jetzt, während die erste eilig lud, die zweite einen mörderischen Kugelhagel ab. So heiß empfangen, gingen die Angreifer in Bestürzung zurück.

Aber eine zweite dichtere Schützenlinie wurde herangeführt und riß die erste wiederum ins Gefecht. Zwei Jäger fielen, einige wurden verwundet, und einer der beiden Mohawkkrieger, der im staunenden Anblick der ihm neuen kriegerischen Aktion von solch imposantem Charakter den Kopf über die Brustwehr erhoben hatte, war in die Stirne getroffen worden, so daß er lautlos tot niedersank.

Mit glühendem Blick zischte Hotspur bei diesem Anblick: »Jetzt er fechten,« und rief seinem Stammesgenossen etwas in der Sprache der Mohawks zu.

Sprungweise und in immer mehr sich verdichtenden Linien rückten die Amerikaner, von tapferen Offizieren geführt, näher.

Ewald hatte die Büchse eines verwundeten Jägers genommen, Reizenstein eine solche schon während des ganzen Gefechts geführt, sie, die Mohawks – alle lagen im Anschlag. »Feuer!« Die Büchsen krachten. »Feuer überall!« Die wohlgezielten Schüsse brachten die amerikanische Linie ins Wanken, aber sie drang vor, und neue Schwärme breiteten sich aus.

»Das wird bedenklich,« sagte Ewald. Oberst Donop, der bis jetzt bei den Füsilieren geweilt hatte, kam eilig heran: »Wir müssen mit Bajonett und Hirschfänger hinaus, Ewald, hier erdrücken sie uns sonst.«

Eine überaus starke Kanonade von den Batterien der Amerikaner, die oben am Walde aufgestellt waren und bis jetzt nur einzelne Schüsse abgegeben hatten, erschütterte die Luft, aber die Geschütze waren auf die Straße, welche nach Flatbush führte, gerichtet.

Gleichzeitig drangen starke Infanteriemassen, von denen ein Teil uniformiert war, aus ihren gedeckten Stellungen hervor und ordneten sich zum Gefecht.

»Ewald!« rief Donop, als er dies bemerkte, freudig: »Heister rückt heran, und da –, hören Sie, Kanonendonner von Norden, Clinton hat die Amerikaner umgangen.«

Er ritt nach der anderen Seite des Wäldchens und blickte nach Flatbush hinab – die ganze hessische Division rüstete sich zum energischen Vorstoß.

Die das Gehölz bedrohenden Scharen gingen angesichts des drohenden Massenangriffs der Hessen in Ordnung zurück.

Ein donnernder Jubelruf der Jäger begleitete sie.

»Langsam vor!« bliesen die Hörner, und in langer Linie folgten ihnen Jäger und Füsiliere.

Ein zweiter Jubelruf erschütterte die Luft, als sie von höherer Stellung aus im schönsten Sonnenschein die hessischen Linien nahen sahen.

Dort zog der Kern des Heeres einher, die Musketierregimenter und hinter ihnen die stolzen Grenadierbataillone, die Blüte chattischer Manneskraft, und die alten Hessenfahnen, die seit mehr als hundert Jahren auf allen Schlachtfeldern Europas siegreich geweht hatten, flatterten im frischen Seewind.

Alle fühlten, jetzt kommt die Entscheidung.

In ehrfurchtsvollem Staunen standen die Indianer bei dem großartig feierlichen Anblick.

Kein Schuß fiel auf hessischer Seite, schweigend zogen die Kolonnen herauf.

Ewald wandte sich zu Oberst Donop, der vom Rosse herab das Schlachtfeld überschaute: »Dort, Herr Oberst,« und er deutete nach rechts auf die Höhen von Guiana, »dort befindet sich eine Schlucht, die Indianer kennen sie, sie ist nicht besetzt, wie sie versichern. Mit Ihrer Erlaubnis will ich mit meinen Jägern dort eindringen und in Flanke oder Rücken des Feindes operieren.«

»Tun Sie so, Hauptmann. Dort hinten kommt Rall, der kann ja hier den Stier bei den Hörnern fassen.«

Die Jäger, die Indianer, welche die Leiche ihres Gefährten in sitzender Stellung an einen Baum gelehnt, zurückgelassen hatten, an der Spitze, schwenkten nach rechts und verschwanden hinter einem mit Büschen besetzten Erdwalle.

Unter furchtbaren Anstrengungen zogen Kanoniere und Infanteristen von neuem Geschütze das mit Büschen, Baumwurzeln und Gräben durchsetzte Angriffsfeld empor. Endlich waren sie in geeigneter Schußweite angekommen, und donnernd sauste bald der Eisenhagel in die amerikanischen Reihen.

Drüben hatte sich der Waldsaum weit und breit in Dampf gehüllt, dicht schlugen die Kugeln in die Bataillone. Ohne Wanken erwiderten diese das Feuer.

»Vorwärts!«

Sie dringen weiter, unaufhaltsam, – unerwartet stehen sie vor einem dichtbesetzten Verhau – die Musketiere springen vor und reißen die Äste und Baumstämme auseinander.

Ein kurzes Ringen – und vorwärts geht's über Tote und Sterbende hinweg, im Kugelhagel, im Pulverdampf, der sich weit über das Schlachtfeld lagert, weiter.

Die Amerikaner wehren sich tapfer, aber sie müssen weichen.

Ein zweiter Verhau, er wird genommen und überstiegen wie der erste.

Der amerikanische General Sullivan, die Gefahr erkennend, welche durch Werfung des Zentrums dem Ganzen droht, führt sechs frische Bataillone heran, welche sich mit Mut ins Gefecht werfen. Durch den plötzlichen starken Angriff kommt das Gefecht zum Stehen, ja, Sullivan gewinnt Terrain. Das Zünglein an der Wage schwankt.

»Die Grenadiere vor!«

Und festen, unstörbaren Schrittes ziehen die Grenadiere heran – der Kugelregen dezimiert sie – nicht um eine Linie verkürzen sie den Schritt.

»Aufschließen!« rufen die Offiziere und schwingen die Spontons, und an der Gefallenen Stelle treten andere.

Furchtbar sehen die Gestalten mit den Grenadiermützen aus.

Jetzt – endlich – sind sie auf der Höhe.

»Das Bataillon deployiert!« klingen die hellen Kommandorufe über das Feld. Die Bataillone ziehen sich in Linie auseinander.

Alle Tambours schlagen – die Hornisten blasen.

Wie mit dem Lineal gezogen stehen die eisernen Reihen.

Die Kommandeure heben die Degen – Trommeln und Hörner schweigen.

»Ganzes Bataillon, macht euch fertig!«

»Schlagt an!«

»Feuer!«

Fünf Bataillone feuern unter Trommelwirbel.

Furchtbar ist die Wirkung, Hunderte der Feinde wälzen sich im Blute.

Der tapfere Sullivan führt trotzdem seine Virginiamänner vor.

Aber die Grenadiere schießen nicht mehr, es war die einzige Salve, welche sie an dem blutigen Tage von Flatbush abgaben.

»Fällt das Gewehr!«

Sie nahmen die schwere Muskete mit dem zwei Fuß langen Bajonett in die rechte Hand.

»Marsch!«

Dumpfer eintöniger Trommelschlag – sie dringen vor.

Jetzt stürmen die Virginier heran.

»Vorwärts fällt das Gewehr! Drauf!«

Jetzt liegt das Gewehr wagrecht in den starken Händen. – Trommelwirbel, ein gellendes »Schurri!« welches den Amerikanern noch lange schreckenerregend in den Ohren klang, und vorwärts stürmten die Grenadiere, unwiderstehlich alles vor sich niederwerfend.

Die Amerikaner weichen dem furchtbaren Angriff, sie geraten in Unordnung, aber keiner ergibt sich. Es ist das Gerücht unter ihnen verbreitet, die Hessen gäben keinen Pardon, deshalb verkaufen sie ihr Leben teuer und fechten bis zum letzten Atemzug.

Bei diesem fanatischen Widerstande faßte die Grenadiere eine furchtbare Wut, und nun machen sie auch keine Gefangenen mehr, sondern stoßen alles vor sich nieder. Mancher brave Hinterwäldler ward da von dem hessischen Bajonett an den Baum genagelt.

Heisterhagen und Rübenkönig fechten wie Löwen in den Reihen, unaufhörlich feuert Ralls Stimme seine Grenadiere an. – Heisterhagen stürzt getroffen nieder.

Das Bataillon, welches bereits weit in den Wald eingedrungen, steht unerwartet vor einem redoutenartigen Verhau, aus welchem es starkes Feuer erhält. Da er nicht zu ersteigen ist, ertönt das Kommando: »Zimmerleute vor!«

»Schurri!« erklingts von rechts, und der dumpfe Laut der hessischen Büchsen hallt unter den Bäumen wieder, es sind die durch die Schlucht herbeigeschlichenen Jäger, welche von der Flanke her wirksam in das Gefecht eingreifen. Ihnen folgen die Füsiliere unter Donop.

Wilde Flucht des Feindes. Grenadiere, Musketiere, Füsiliere und Jäger hinterher, immer durch den Wald, jeden Widerstand brechend, sobald der Feind sich setzen will.

Draußen, jenseits des Waldes, sind die amerikanischen Führer bemüht, ihre Bataillone zu ordnen, um den Rückzug nach den befestigten Brooklyner Höhen zu decken. – Da brausen von rechts her die Dragoner Clintons heran, der im Rücken des noch stark engagierten linken Flügels steht. Nun ist kein Halten mehr, und der befohlene Rückzug artet in wilde Flucht aus, kaum daß noch einige Regimenter Stand halten.

Die Schlacht ist rettungslos verloren, die Hessen haben mit ihrem todesmutigen Angriff auf die Höhen von Guiana den Sieg entschieden.

Doch statt den vernichtenden Stoß ausführen zu lassen, gebietet Sir William Howe der siegreich vordringenden Armee plötzlich Halt und läßt den Feind unverfolgt seine letzte Zuflucht erreichen.

Unsagbarer Grimm faßt die Hessen, aber – sie gehorchen.

Die Truppen lagerten nach der blutigen Tagesarbeit; mancher Kamerad wurde vermißt, der Sieg war teuer erkauft worden.

Ängstlich suchte Rübenkönigs Auge nach den Jägern – dort ziehen sie heran – in ihrer Mitte schreitet Hans munteren Schrittes einher – er ist unverletzt dem Getümmel entronnen – und: »Gott sei Dank!« flüstert der Grenadier.

Hans stürzte auf den Bruder zu und umarmte ihn.

»Das war Feuertaufe für Hans,« rief Ewald dem Sergeanten zu, »hat sich brav gehalten der Junge, bin mit ihm zufrieden.«

Das freute den Sergeanten und er drückte dem Bruder warm die Hand.

Hotspur, der wie ein Tiger in den Reihen der Jäger gefochten hatte, trat heran, begrüßte Heinrich Rübenkönig, warf einen bewundernden Blick auf die Grenadiere und sagte: »Das – große Krieger.«

Der Sergeant forderte jetzt Leute auf, mit ihm nach Heisterhagen zu suchen, als sein Kamerad auch schon von einigen Grenadieren herbeigetragen wurde.

»Wie steht's, Heisterhagen?« fragte der Sergeant besorgt den Freund.

»Bah – es ist nichts, Heinrich, – Schuß durchs Oberbein – Fleischwunde – die Alte bekommt wieder etwas zu flicken!«

Sorgsam ward er niedergelegt und verbunden, während die Truppen ihre Feuer anzündeten.

Das war die Schlacht bei Flatbush.

Von dem Tage an ging ein Schrecken vor den hessischen Truppen her, der selbst die tapfersten Amerikaner erbeben machte: sie hatten die Pranken des hessischen Löwen gefühlt.


 << zurück weiter >>