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Neunzehntes Kapitel.

Monden sind dahin gegangen seit George Washingtons Besuch in Redwood. Die Wälder ringsum prangten in dichtem Laubschmuck, und aus den wohlbestellten Feldern wogten die hohen Halmen von Mais und Weizen im lauen Winde

Ein sonniger Friede lagerte über den Fluren und den schweigenden Wäldern, denn fernab war die Kriegsfurie gezogen, die Kanonen donnerten an der Mündung des Delaware wie im Norden und Süden der weitausgedehnten Staaten, in Carolina und Kanada, doch nach dem blutigen Weihnachtstage von Trenton hatten nur hier und da durchmarschierende Truppenteile der Amerikaner an den Krieg erinnert, und auch diese waren selten geworden.

Von Zeit zu Zeit drang spärliche Kunde von den Kriegsschauplätzen nach Redwood, und aus allem, was mit Sicherheit verlautete, ging hervor, daß die Amerikaner in immer größerer Stärke und mit wachsendem Geschick den Riesenkampf gegen die wohlgeübten Armeen des alten Europa führten und mit Heldenmut fochten.

Das gute Einvernehmen mit den vorwiegend royalistisch gesinnten Bewohnern der Gegend war infolge des klugen und großherzigen Verfahrens Reizensteins, vollständig wieder hergestellt, und die Farmer ringsum schwuren: Redwood sei zwar ein alter Rebeller, aber ein verdammt braver Bursche.

Der Sieg bei Trenton und die sich daran knüpfenden unermeßlichen Folgen in dem Gange des Krieges mochten freilich zur friedlichen Stimmung der königlich Gesinnten nicht unwesentlich beigetragen haben.

Hugo weilte noch immer auf Redwood, denn langsam nur hatte sich seine so schwer gefährdete Gesundheit gekräftigt.

Dank der Vermittlung Washingtons und Loßbergs war er längst gegen einen gefangenen amerikanischen Offizier ausgetauscht, doch, da er bislang nicht daran denken durfte wieder ins Feld zu ziehen, war ihm von Seiten des hessischen Kommandos unbeschränkter Urlaub erteilt worden, und mit Erlaubnis der amerikanischen Behörden blieb er im Lande.

Reizenstein hatte ihm nach seiner Rückkehr von New-York Mitteilung von den tragischen Vorgängen dort gemacht.

»Ich wußte wohl,« hatte er zu Hugo gesagt, »daß dieses Weib einst eine Neigung zu deinem Vater gehabt hatte, doch daß sie ihn mit solch wahnsinniger Leidenschaft liebte, um, als sie sich verschmäht sah, aus ihr den tötlichen Haß gebären zu können, wußte ich nicht, ahnte ich nicht. Kurt war viel zu sehr Gentleman, um darüber zu sprechen. In welchen Beziehungen dieser Heldberg zu ihr gestanden hat, wird wohl niemals aufgeklärt werden.«

Hugo, von der Liebe seiner Blutsverwandten umgeben, hatte in dem wonnigen Gefühle der, wenn auch langsam, wiederkehrenden Jugendkraft, glückliche Tage verlebt, und dachte er oft und mit Liebe der fernen Kameraden, so sehnte er sich doch nicht nach Kampf.

In seinen Ansichten über die Berechtigung des Streites der Amerikaner gegen das Mutterland war allmählich eine Umwandlung vorgegangen, er war in eine Umgebung und in eine politische Atmosphäre versetzt worden, welche weit verschieden war von der, in welcher er aufgewachsen war, und dies blieb nicht ohne Einwirkung auf sein Denken und Fühlen.

Ungern nur hätte er wieder die Waffen gegen die Amerikaner ergriffen.

Doch, seinen Abschied zu nehmen, wie sein Oheim ihm wiederholt geraten hatte, konnte er sich nicht entschließen, doch zögerte er zu der Armee zurückzukehren.

In einer schattigen Laube des kleinen Parkes, welcher sich an das Herrenhaus anschloß, saß an diesem gesegneten Sommertage Miß Mary und las.

Mit frischem, elastischen Schritte nahte sich Hugo, dessen schönes Gesicht wieder in voller Gesundheit strahlte, dessen blitzendes Auge die Fülle erneuter Lebenskraft verriet, der Laube.

In die Laube blickend, sagte er: »Meine Base sucht die Einsamkeit? Sind wir verbannt aus ihrer Nähe?«

»Komm herein, Hugo, du siehst, ich lasse mich finden.«

Er trat ein.

»Wo warst du?«

»Ich habe im Walde geträumt und dem Rauschen der Blätter gelauscht. Ihr leises Flüstern führte mich zur Heimat zurück.«

Sinnend blickte er vor sich hin, während ihr Blick liebevoll an seinem Antlitz hing. »Mich überkommen oft Empfindungen, die eines Kriegsmannes ganz unwürdig scheinen,« sagte er dann lächelnd, »und vor meinem Geistesauge steigen Bilder auf, so idyllischer Natur, daß ich, von Jugend auf an den Klang der Waffen gewöhnt, selbst darüber erstaune.«

»Und sollte der Kriegsmann alle weicheren Empfindungen abstreifen müssen?«

»Es ist ein blutiges Handwerk, das des Soldaten, und auf dem Schlachtfeld wachsen keine Rosen.

Seitdem ich euren großen General gesehen habe, das Bild einfacher und in ihrer Einfachheit so ergreifender Pflichterfüllung, stellt sich mir der kriegerische Ruhm in anderem Lichte dar als bisher. Tapfer sind wir, pflichttreu bis zum Tode –, aber – er – ihr – kämpft für eine Idee – für eine Sache – für euer Vaterland –, wir für den Eid, den wir auf die Fahne geschworen, und am Ende blüht euch, selbst wenn ihr besiegt werdet, mehr wirklicher Ruhm, als uns, wenn wir Sieger sind.«

»Das ist groß gedacht, Hugo,« sagte sie mit leuchtenden Blicken.

»Und dennoch,« setzte er mit einem leichten Seufzer hinzu, »wird nichts übrig bleiben, als zu meinen tapferen Kameraden zurückzukehren und – meine Pflicht zu erfüllen.«

Mary wurde bleich und stand rasch auf.

»Du willst fort?« fragte sie, »du willst wieder gegen uns kämpfen?«

»Nein, Mary. Ich werde kein amerikanisches Blut mehr vergießen, ich werde Johns Heldenmut nachahmen.«

»Und ist es uns, dem Vater – mir,« fuhr sie mit gepreßtem Tone fort, »nicht gelungen, dich so an uns zu fesseln, daß du dich entschließen könntest, in diesen Wäldern dein Leben zuzubringen?«

»Sage mir, Mary, – soll ich hier von den Wohltaten eines teuren Onkels leben?«

»Hugo!« klang es vorwurfsvoll zurück.

»Die in der Jugend erduldeten Demütigungen haben mir einen ungebändigten Stolz eingeflößt, er mag krankhaft sein –, denn meine Seele hat viel gelitten. Aber wenn ich auch gehe, mein Herz bleibt bei euch zurück.«

Das Mädchen atmete tief auf. Er bemerkte es nicht, ebensowenig den Blick, der so liebevoll an seinem leicht abgewendeten Antlitz haftete.

»Mary?« ließ sich Reizensteins Stimme vernehmen.

»Hier, Papa.«

»Ah, und da ist ja auch Hugo,« sagte er in die Laube tretend –, »ich habe eben einen Brief von Loßberg erhalten, in dem dich manches interessieren wird. Loßberg ist in der Stimmung eines gereizten Löwen, er sehnt sich nach Kanonendonner. Zwischen den Zeilen kann man lesen, daß er mit dem Gang des Krieges durchaus nicht zufrieden ist. Ein Teil der Hessen ist übrigens nach Karolina geschickt. Loßberg läßt dir dringend empfehlen, deine Gesundheit zu schonen.«

»Es ist gütig von ihm, allein ich bin ganz hergestellt.«

Der Ton, in welchem Hugo dies sagte, veranlaßt den Onkel, ihn anzublicken.

»Du denkst doch nicht daran, zurückzukehren, Hugo?«

»Ich muß wohl daran denken, Onkel. Mich bindet mein Eid an die Fahne.«

Ehe Reizenstein noch antworten konnte, ließen sich leise Schritte im Kieswege vernehmen, und im Eingange der Laube erschienen die beiden Indianer, Bill und der Mohawk.

»Hotspur!« rief Hugo überrascht, »kehrst du endlich zurück?«

Der junge Mohawk war vor drei Monaten, als er seine Kräfte wieder gewonnen hatte, eines Tages plötzlich verschwunden, ohne daß er sich verabschiedet hatte. Bill berichtete nur, er sei gegangen, seine Kampfgenossen, die Jäger, aufzusuchen.

Sein unerwartetes Wiedererscheinen war es, welches Hugos und der anderen Ueberraschung hervorrief.

»Wo kommst du her?«

»Hotspur kommen von großer Stadt weit unten am Delaware.«

»Von Philadelphia? Sahest du unsere Truppen?«

»Im sehen, mit ihm fechten.«

»Nun?« fragte Hugo, der ohne jede Nachricht von seinen Kameraden war, »meine Freunde, – die Jäger –? Erzähle, Indianer, erzähle.«

»Leutnant zu rasch, – Hotspur langsam erzählen.«

»So erzähle auf deine Weise,« und Hugo mäßigte seine Ungeduld.

»Ewald sagt, Leutnant grüßen.«

»Also lebt der tapfere Mann noch?«

»Leutnant Bickel ihm auch grüßen.«

»Oh, ist Bickel Leutnant geworden? Das freut mich für den braven Oberjäger. Das ist schön. Hast du Schallern gesehen?«

»Ihm sehen, er sehr guter Freund, er sagen, Leutnant wieder kommen, er ganz einsam.«

»Ja, ja, mein guter Schallern, löwenherziger Krieger, bester der Freunde.«

»Schallern, sehr traurig, weil glauben, Leutnant tot. Als Hotspur ihm sagen, er leben –, er sehr vergnügt, lachen, lassen Rum kommen, viel Rum – alle trinken für Leutnant, daß ganz gesund werde.«

»Mein braver Schallern. Weiter, Hotspur, erzähle.«

»Rübenkönig sagen: Leutnant grüßen. Er ganz still, sprechen wenig –, er nicht vergessen Hans –, er erzählen, alte Mutter über großem Wasser weinen sehr.«

»Ja, ich glaube es, Hans war der Herzensliebling der alten Frau. Hat dir niemand einen Brief für mich mitgegeben, Hotspur?«

»Alle wollen Briefe geben, ihm nicht nehmen.«

»Und warum nicht?«

»Hotspur müssen schleichen durch viel Krieger von Kolonie, wenn ihm fangen und finden Brief –, ihm hängen auf als Spion –, Brief nicht nehmen, nicht gut. Alles sagen.«

»Echt indianische Schlauheit. Was hast du dort erlebt? Ist gefochten worden? Wie befinden sich Knyphausen, Mirbach, Schmidt, Donop –?«

»Er tot.«

»Wer?«

»Bruder Grenadier!« Donop führte diesen Namen bei den Hessen, den ihm die Grenadiere gegeben hatten, weil er sie oftmals zu Fuß mit einer Muskete in der Hand in den Kampf führte.

»Donop? Wo?«

»Redbank.«

»Redbank ist eine flache Insel am Ausfluß des Delaware, unterhalb Philadelphia, mit starken Befestigungen, ich kenne sie,« fügte Reizenstein erklärend ein. »Weiter Indianer.«

»Er, Donop, gehen, stürmen Fort. Viel Hessiankrieger – Grenadier – Jäger. Er alle da. Großer Wall – viel Baum umgehauen, dahinter – große Menge Koloniemänner. Alle Hessianhäuptlinge steigen ab von Pferd, nehmen Degen in die Hand, gehen voran – Bruder Grenadier der erste. Koloniemänner viel schießen, kleine Büchse, große Büchse. Hessian nehmen Verhau, ihm große Krieger, ihm fallen und sterben, aber nehmen Verhau. Hessian auf hohem Wall –, da schießen Rifleman von vorn, schießen von Seite, große Kanoe im Fluß schießen von andere Seite mit großer Büchse – bum – bum, Hessian fallen – fallen –, er gehen zurück, nicht gewinnen –, zu viel schießen. Bruder Grenadier – Donop, tot, – alle großen Häuptlinge tot – vierhundert Krieger alle tot – es sehr schlimm.«

»Das ist ja eine furchtbare Niederlage,« sagte Hugo – in tief schmerzlicher Bewegung – »und der edle Donop gefallen?«

»Er ganz tot.«

»Und alle Kommandeure?«

»Alle tot.«

»Und Schallern?«

»Leben, fechten wie Panther, keine Kugel treffen.«

»Gott sei Dank, daß er wenigstens lebt. Meine Jäger?«

»Er fechten wie immer – viel sterben.«

»Ewald?«

»Er ganz leben, Bickel auch. Alle tapfer, – können nicht gewinnen, Koloniemänner zu viel schießen.«

»Und vierhundert Mann sind gefallen? Irrst du dich nicht, Hotspur?«

»Sagen Offizier so – vierhundert Mann.«

»O, über das teuere Blut,« stöhnte Hugo leise, »und nicht fürs Hessenland, nicht fürs deutsche Land – für England vergossen. Meine armen Kameraden, meine tapferen hessischen Löwen, führt man euch so zur Schlachtbank?«

Reizenstein, den der furchtbare Verlust der Hessen ebenfalls tief ergriffen hatte, hörte diese Aeußerungen seines Neffen doch nicht ohne Genugtuung, sie waren ihm ein neuer Beweis, welche Wandlung in Hugos Anschauungen vorgegangen war.

»Und ich tatlos in der Ferne?« fuhr er fort. »Du siehst, ich muß zurück, Oheim, ich kann meine Kameraden nicht allein sterben lassen.«

»Deine Gesundheit –«

»Ich bin stark genug.«

Vom Herrenhause her tönte eiliger Hufschlag, und laute Stimmen riefen dann nach Master Redwood. Eilig lief einer der jungen Neger heran: »Master, kommen, da Sheriff und Männer, wollen Euch sprechen.«

Reizenstein ging nach dem Hause hinüber, Hugo, Mary und die Indianer folgten ihm.

Vor der Türe fanden sie den ehrlichen Sheriff, einige Farmer der Nachbarschaft und einen jungen Mann, gleichfalls in der Tracht der Landleute, der bleich und erschöpft auf einer Bank zusammengesunken war. Alle waren vom Pferde gestiegen.

»Was gibt's, Sheriff, was gibt's?« fragte Reizenstein, als er die ernsten Mienen der Männer bemerkte.

»Die Heiden sind im Felde, Redwood.«

Reizenstein erschrak, nicht minder Mary.

»Die Indianer? Wo?«

»Am Clarkscreek, Herr. Hier fragt den jungen Tom Payne, Ihr kennt den Alten, er ist auf Tod und Leben durchs Land geritten, um Hilfe herbei zu holen.«

»Sprecht rasch, Tom Payne.«

»Sie haben uns überfallen, Herr,« sagte der so angeredete junge Mann mit mattem Tone, »und gestern am lichten Tag, alles gesengt und gemordet. Wir haben mit Mühe das nackte Leben gerettet.«

»Wo? Von wo droht die Gefahr?«

»Sie kommen vom Millstoneriver, Herr, – und ziehen dem Assapink zu. Ah, ich kann nicht mehr,« er sank fast ohnmächtig zurück.

Auf Reizensteins Befehl wurde rasch Wein herbeigeschafft und dem jungen Manne geboten. Dieser trank und setzte dankend das Glas nieder.

»Ich habe bereits,« nahm der Sheriff das Wort, »gleich, als Payne die Nachricht brachte, reitende Boten umhergeschickt, und die Nachbarn aufbieten und hierherbescheiden lassen, Redwood, und komme, um mit Euch Rats zu pflegen, denn ich denke doch, daß Ihr dabei sein werdet, die blutigen Schurken heimzuschicken.«

»Natürlich, Sheriff, bin ich dabei. Wo ist der Angriff geschehen, Payne?«

»Bei Lodges-Ferry, Herr, da, wo der kleine Saddock nach Norden dem Millstoneriver zu umbiegt. Dort haben sie etwa zehn Ansiedlungen verbrannt. Wir erfuhren es erst am Abend bei uns am Clarkscreek, als einer der Männer von dort schwer verwundet eintraf. In der Nacht fielen sie über uns her, – wir haben gefochten, – aber vergeblich. O – Herr, es ist furchtbar, – selbst Frauen und Kinder haben sie gemordet, nur ein Teil von unseren Leuten hat sich in die Wälder flüchten können, die anderen sind alle tot. Ich wurde am Morgen nach Süden abgeschickt, um das Land zu warnen und Hilfe aufzubieten.«

»Wie weit ist's bis zu Euch, Tom?«

»Herr, es sind an siebzig Miles.«

»Sind die Indianer beritten?«

»Nein, Herr.«

»Welchem Stamme gehören sie an?«

»Die Männer sagen, es sei verlaufenes Gesindel aus verschiedenen Stämmen, meistens Oneidas und vielleicht einige Senekas.«

Hotspur stieß, als seine Todfeinde, die Oneidas, genannt wurden, einen zischenden Laut aus, während Bill mit ehernem Gesichte den Mitteilungen lauschte.

»Oneidas?« fragte Reizenstein, »diese stehen ja auf Seite des Kongresses!«

»Die Männer sagen, es sei eine Mord- und Räuberbande, die weder nach Royalisten noch Anhängern des Kongresses frage und nur friedliche, wehrlose Ansiedlungen überfalle, auch seien weiße Schurken darunter, welche sie wohl führten.«

»Und sie bewegen sich dem Assapink zu?«

»Ja, Herr. Der alte Stephenson, der den Indianerkrieg kennt, sagt, die Bande müsse im Norden den Delaware gekreuzt haben oder ihn herabgekommen sein. Der Ansiedlungen nordwärts vom Millstoneriver sind wenig, und die Wälder und Sümpfe bieten den Mördern Schutz und verbergen ihre Bewegungen.«

Der Sheriff und die Farmer, auf ihre langen Büchsen gelehnt, lauschten ernst der so schwer wiegenden Kunde.

»Was sagt der Häuptling der Delawaren?« fragte nach kurzem Schweigen Redwood.

Gemessen antwortete dieser: »Oneidas sind Hunde, – Diebe, – gehen, schießen ihm tot.«

»Du meinst also, wir sollen sie aufsuchen?«

»Gerade so.«

»Und hier die Gegend ohne Verteidigung lassen?«

»Ihm dort verteidigen, er nicht viel stark sein, nicht ganzer Stamm.«

»Wie hoch schätztet Ihr die Zahl der Feinde, Tom Payne?«

»Auf mehr als hundert Mann, Herr.«

»Das ist freilich nicht der ganze Stamm.«

»Er nicht hierherkommen, Redwood. Ihm kennen, – er Räuber, – kommen bei Nacht, brennen Haus, nehmen Skalp, nehmen Silber, Gold, Büchsen, Decken, – laufen fort, wenn Tag, in Sumpf.«

»Du meinst, sie kommen zu plötzlichem, nächtlichen Ueberfall und verschwinden so rasch, als sie gekommen? Nicht?«

»So denken.«

»Und die Gegend am Millstone bietet ihnen Gelegenheit, sich in sichere Zufluchtsorte zurückzuziehen?«

»Viel Sumpf, er nicht gehen leicht aus Sumpf.«

Die Aufmerksamkeit der kleinen Gruppe ward durch das Nahen einer Schar bewaffneter Farmer auf diese gelenkt. Auf schnaubenden Rossen jagten etwa dreißig kräftige Männer heran, die langen Büchsen vor sich auf dem Sattelknopfe oder auf der Schulter tragend.

Sie sprangen von den Pferden und begrüßten Reizenstein.

Auch von dessen Besitzungen nahten sich einige berittene und bewaffnete Männer.

Der Herr von Redwood lud sie alle in den Saal seines Hauses, auch Hugo und die beiden Indianer schlossen sich den Farmern an.

Er ließ sie Platz nehmen und ihnen durch die Neger Erfrischungen verabreichen.

Dann erhob sich Reizenstein inmitten der sich in ernstes Schweigen hüllenden Versammlung von Männern, die in ihrer derben Tracht, die schwere Büchse in der Hand, rauh genug aussahen, und bat ums Wort.

»Freunde und Nachbarn,« begann er, »ich will kurz sein, zu euch und zu mir ist die Botschaft gelangt, daß der Wilde am Millstoneriver mordet. Weiber und Kinder schreien um Hilfe; ist es Pflicht, ihnen beizustehen?«

»Ja, Redwood,« sagten alle.

»Seid ihr bereit, auszuziehen gegen die Heiden?«

»Ja!« klang es einstimmig im Chor.

»Brav, Männer, ich bin mit euch.«

Ein Gemurmel des Beifalls erhob sich.

Der Sheriff, sich vom Sitz erhebend, sprach nun: »Wie ich euch aufgerufen habe, Männer, so habe ich Boten nach allen Himmelsgegenden ausgesandt, um die Nachbarn aufzubieten. Ich denke, Männer, jetzt heißt es nicht – hier König – hier Kongreß –, sondern hier Christenmensch und dort mordender Heide. Ist's so, Männer?«

»Ja, so ist's, hast recht, Sheriff,« sagten alle.

»Viel Zeit ist nicht zu verlieren. Ich denke, wir reiten und ziehen unterwegs Verstärkungen an uns. Eile ist Not, wenn wir noch Menschenleben retten wollen. Seid ihr einverstanden, daß Redwood uns führe, und wollt ihr seinen Anordnungen folgen?«

»So sei's, Sheriff.«

»Wollt Ihr die Führung übernehmen, Redwood?«

»Ja, Nachbarn, da ihr mir das Vertrauen schenkt, will ich euch führen. Doch in unserer Mitte haben wir einen großen Delawarenkrieger, ein Haupt seiner Nation, der uns seinen Rat nicht vorenthalten wird. Will der Häuptling mit uns reiten?« wandte er sich an Bill.

»Mahanatha, der Delaware vom Wolfsstamm, wird reiten,« sagte dieser kurz und nachdrücklich.

»Und mein junger Freund vom Mohawkstamme?«

»Hotspur wird Oneidaskalpe nehmen.«

»Wünscht der Delawarenhäuptling zu reden?«

Bill erhob sich, und aller Blicke wandten sich ihm zu.

»Wenn Männer den Kriegspfad betreten, müssen sie wissen, wohin er führt. Kann Redwood mir sagen, wo er die Oneida finden will?«

»Nun, ich denke am Clariscreek, Häuptling.«

»Er nicht mehr dort, finden nur Spur. Während ihn suchen, brennen an anderer Stelle. Ich, Oneida finden. Mahanatha glauben, er kommen von Nord, gehen durch Wald und Sumpf zwischen Millstone und Assapink hinab auf Delaware zu nach Sonnenuntergang. Wenn gehen von Chestercreek nach Sonnenaufgang, ich denken, ihm begegnen.«

»Aber wie durch die Sümpfe kommen, Bill?«

»Kennen dort jeden Baum, Redwood, kennen Pfad durch Sumpf – viele Jahre dort jagen.«

»Du hast recht, alter erfahrener Krieger, sie werden die Flußläufe dem Delaware zu herab kommen, denn nach Osten hin dürfte ihnen die Bevölkerung zu zahlreich werden, nach Westen bieten ihnen die Sümpfe Schutz und ein Rückzug über den Strom bringt sie leicht in vorläufige Sicherheit. Wir müssen ihren Weg kreuzen, um sie zu erreichen. Du hast recht. Was meint ihr, Männer?«

»Der Indianer hat recht,« riefen sie.

»So seid ihr einverstanden, daß wir zum Chestercreek reiten?«

»Ja, Redwood, es ist das richtige, wenn ich mich auf Indianerteufeleien verstehe,« sagte ein alter Farmer, »sie müssen nach Westen, das ist sicher.«

»Gut. So will ich mich zur Kriegsfahrt rüsten, ich bin gleich wieder bei euch. Laßt's euch derweil wohl sein, Männer, und pflegt mir den jungen Payne.«

Er begab sich hinaus, ihm folgten Hugo und die beiden Indianer. Hugo begab sich auf sein Zimmer, die Indianer zu Bills Hütte.

Reizenstein gab dem Verwalter kurz und klar seine Befehle.

Der Kutscher erhielt Weisung alsbald anzuspannen und die beiden Mädchen nach Trenton zu führen, wo sie bis zu seiner Rückkunft verweilen sollten. Gajus dagegen ward beordert die Schar zu begleiten, um Handpferde mit Munition, Proviant und wollenen Decken, auch Verbandzeug beladen, zu führen.

Der Verwalter entfernte sich schleunigst, um dem Befehle nachzukommen.

Reizenstein begab sich zum Parlour, wo in hoher Aufregung Mary und Hetty weilten.

»Ihr müßt heute noch nach Trenton übersiedeln, Kinder. Wenn euch hier auch wohl während unserer Abwesenheit keine Gefahr droht, so bin ich doch ruhiger, wenn ich euch in vollständiger Sicherheit weiß. Cornelius spannt schon an, rüstet euch.«

»Du willst selbst mitreiten, Vater?« fragte Mary besorgt.

»Denkst du, dein Vater, ein alter hessischer Offizier, sollte, so lange er noch fechten kann, zurückbleiben, wenn es gilt, Menschenleben zu retten?«

»Aber, Vater, die Strapazen und deine Jahre?«

»Ei, Mary, ich bin noch rüstig genug,« sagte er munter, »und das Knallen der Büchsen macht mich um zwanzig Jahre jünger. Nein, ich muß schon mit ins Feld, weil ich der einzige bin, der Autorität genug hat, dies störrische Volk in Ordnung zu halten,« setzte er dann ernster hinzu. »Sei unbesorgt, mein Kind, ich bin ein vorsichtiger Krieger, und mir ist so fröhlich zu Mute wie einem alten Schlachtroß, welches nach langer Zeit einmal wieder die Angriffstrompete hört. Bereitet euch zur Reise, ich will mich rüsten und komme dann, Abschied zu nehmen.«

Hugo trat ein, im Jagdkleide, bewaffnet mit Büchse und Messer.

»Ich habe mir den Hektor satteln lassen, Onkel, ich hoffe, es ist dir genehm.«

»Du willst mitreiten, Hugo?«

»Dachtest du anders, Oheim?«

»Aber deine kaum befestigte Gesundheit, Kind!«

»Ich bin wieder stark genug, um einen Strauß zu wagen. Du willst doch hoffentlich die Schande nicht erleben, daß ein Reizenstein zurückbleibt, wenn es Schläge gibt?«

»Nun, so komm, Junge, bist mein Blut.«

Er schüttelte ihm die Hand und ging hinaus.

»Darfst du deiner Gesundheit einen solchen Zug in die Wälder zutrauen, Hugo?« fragte Mary.

»Es ist Labsal, es ist Heilmittel für mich. Ich bin in Zwiespalt mit mir selbst geraten, ich ersehne Kampf, und dieser gegen jene wilden Bestien wird lindernd wirken. Nein, sei unbesorgt, Base, ich bin vollständig der Alte, kräftig genug.«

Mary atmete hastig und hatte ein Wort auf den Lippen, welches sie augenscheinlich Scheu trug, auszusprechen.

Hugo hatte sich zu Hetty gewendet, um sich zu verabschieden, und bemerkte es nicht.

»Reiten Sie mit Gott, Herr von Reizenstein, ich will für Sie wie alle beten.«

»Und Mary wird mich auch in ihr Gebet einschließen?«

»Ja, Hugo, ja,« und in einen Tränenstrom ausbrechend eilte sie hinaus.

Betroffen sah ihr Hugo nach. Er dachte einen Augenblick daran, ihr nachzueilen, doch gab er's auf, da draußen schon der wilde Jagdruf der Farmer erklang.

Er schüttelte Hetty die Hand und verließ das Zimmer.

Die letzte halbe Stunde hatte im Herrenhause und in den Wirtschaftsgebäuden ein reges Leben gesehen. Sounderson hatte so rasch die ihm erteilten Befehle ausgeführt, daß die Pferde für Reizenstein und Hugo schon gesattelt vor der Tür standen und selbst der freudestrahlende Neger Gajus mit den beladenen Packpferden vor dem Tore hielt, zum Aufbruch fertig.

Indem trat auch Reizenstein, nach zärtlichem Abschied von den Mädchen, aus dem Hause, gestiefelt und gespornt, den Hirschfänger umgeschnallt und die Büchse in der Hand.

Ein lauter Ruf der Farmer, welche bereits zu Pferde saßen, empfing ihn.

Der gänzlich erschöpfte junge Payne wollte eben aufs Roß klettern, als ihn Reizenstein bemerkte und ihm zurief: »Laß es gut sein, Tom Payne, du bist zu erschöpft und bleibst am Wege liegen. Ruhe dich aus und reite uns, sobald du kannst, nach.«

»Meine Mutter! Mein Vater!« stöhnte der Jüngling, gab aber in der Tat den Vorsatz, sich den Reitern anzuschließen, im Gefühle seiner Ohnmacht auf.

Reizenstein winkte den Mädchen, welche weinend am Fenster standen, zu und gab das Zeichen zum Aufbruch.

Die beiden Indianer, Bill im Jagdhemd mit Büchse und Tomahawk, beide beritten gemacht aus Reizensteins Ställen, nahmen die Spitze, und im sausenden Galopp ritten mehr als vierzig herzhafte Männer zum Streite mit den Wilden aus.

Der Weg führte nach Norden, den Assapink entlang, und die Straße war gut.

Mehrmals schlossen sich unterwegs kleine Trupps bewaffneter Reiter dem Zuge an, welche die Boten des Sheriffs ins Feld gerufen hatten, sodaß die Zahl der Kämpfer nach und nach auf siebenzig stieg.

Bald mußten sie die gebahnte Straße verlassen und durch die Wälder reiten, der Weg wurde schwieriger, aber die Reiter und die ausdauernden Pferde waren an den Wald und seine Hindernisse gewöhnt, und die Eile der Fortbewegung ward wenig dadurch gehindert. Bill führte den schweigenden Reiterzug mit unfehlbarer Sicherheit.

Einen kurzen Halt abgerechnet, der den Pferden zu verschnaufen gestattete, waren sie sieben Stunden im Sattel gewesen und hatten viele Meilen zwischen sich und Redwood gelegt, als die Dunkelheit hereinbrach, und es Zeit war, sich nach einem Lagerplatze für die Nacht umzusehen.

Sie ritten langsam durch eine Eichenlichtung, und Reizenstein rief Bill zu sich, um seinen Rat zu hören. »Was denkt der Häuptling, was zu tun sei.«

»Ihm denken, hier bleiben, Redwood, – hier gut, dort Wasser für Pferde,« er deutete aus einen Bach, der sich durch die Lichtung wand –, »und Gras –, ich denken, Nacht hier ruhen.«

»Ich bin deiner Meinung, Bill, wir haben für heute genug getan. Wie weit ist es noch bis zum Chestercreek?«

»Bei Tage ihm reiten, drei Stunden.«

»Gut.« Er gab das Zeichen zu halten und befahl, Vorrichtungen zum Lagern für die Nacht zu treffen.

Die rüstigen Farmer stiegen von den Pferden, und bald flammten Feuer auf, an denen sich die kleine Kriegerschar nach dem anstrengenden Ritte lagerte, nachdem sie für die Tiere gesorgt und diese so angepflockt hatten, daß sie reichliche Weide fanden, um zu ruhen und sich durch die mitgeführten Mundvorräte zu stärken.

War gleich vom Feinde hier nichts zu befürchten, so stellte Reizenstein, ein alter, vorsichtiger Soldat, doch einige Wachen aus.

Hotspur ritt, nachdem er sich kurz mit Bill besprochen hatte, trotz der Dunkelheit weiter in den Wald hinein.

Wenig Zeit war vergangen, als eiliger Hufschlag von Süden her die Aufmerksamkeit der Männer erregte.

Einige standen auf um zu sehen, wer da als Nachzügler noch käme, als der Reiter auch schon im Lichtkreis der Feuer erschien, und eine frische Stimme fragte: »Halloh, Nachbarn, habt ihr Master Redwood hier?« und: »John Melville!« erhob sich ein freudiger Ruf.

Reizenstein und Hugo sprangen überrascht aus und eilten dem Ankömmling entgegen.

»Mein John, mein Junge, welches Wunder führt dich her?«

»Urlaub, Vater, den mir der General erteilt hat, und den ich redlich verdient habe.«

Er reichte dann dem Vetter die Hand, und begrüßte ihn.

»Diesmal also, Hugo, fechten wir zusammen,« sagte er fröhlich. »Ich traf, bald nachdem ihr von Redwood aufgebrochen waret, dort ein, und da ich doch bei dem Tanz nicht fehlen darf, den ihr mit den roten Hunden aufführen wollt, nahm ich, nachdem ich die Mädchen, welche schon in der Kutsche saßen, umarmt hatte, eine Büchse und ein frisches Pferd und jagte euch nach.«

»Nun, herzlich, herzlich willkommen, John. Laß dich hier bei uns nieder,« und er führte ihn zu dem Feuer, bei dem sie sich eine Lagerstatt aus Gras und wollenen Decken bereitet hatten.

Der Delaware kam, den Sohn des Hauses zu begrüßen.

»Daß du, alter Krieger,« sagte er, ihm die Hand schüttelnd, »trotz deiner Jahre an des Vaters Seite nicht fehlen würdest, wenn dieser zum Kampf auszieht, wußte ich. Es ist gut, daß du bei uns bist.«

»Mahanatha da, wo Redwood ist,« sagte der Indianer einfach.

»Natürlich, Mahanatha, – man muß, wie ich merke, dir jetzt deinen Kriegernamen geben, du gehörst ja zur Familie. Nun, der »starke Bär« wird uns zeigen, wie man den Feind umarmt.«

Er ließ sich hierauf am Feuer seines Vaters nieder.

»Von wo kommst du, John?«

»Vom unteren Delaware, Vater. Jersey ist gänzlich vom Feinde geräumt.«

»Was du sagst!«

»Durchaus frei, und ich glaube nicht, daß die Königlichen je wieder ihren Fuß auf seinen Boden setzen werden.«

»Das ist ja ein gewaltiger Umschwung.«

»Ja, das ist es. Aber die Anstrengungen der letzten Zeit waren groß, und der General hat mir befohlen, Urlaub auf vier Wochen zu nehmen und mich zu erholen.«

»Was die Erholung betrifft, John, da bist du gerade zur rechten Zeit gekommen,« sagte lächelnd sein Vater.

»Laß mich nur ausschlafen, Vater, so sollst du mich frisch genug finden, aber ich bin todmüde.«

»Schlafe, John, schlafe, der morgende Tag wird rauh werden.«

Erschöpft streckte der junge Offizier sich am Feuer nieder, und die anderen folgten seinem Beispiele, sodaß bald die ganze Schar in tiefen Schlaf versenkt war. Nur der alte Delaware saß aufrecht am Feuer, regungslos seine Pfeife rauchend und in dem rötlichen Strahl, der die dunklen Züge traf, anzuschauen wie der Geist dieser Wälder.

*

Die Sterne deuteten auf das Herannahen des Morgens, als der Indianer sich erhob und Reizenstein weckte.

»Es Zeit, Redwood.«

»Es ist noch dunkel, Bill,« sagte dieser, leicht den Schlaf abschüttelnd.

»Es hell genug für Pferde, müssen weiter –, daß bald am Creek, sonst schwer hinüber, wenn Oneida wissen, daß kommen.«

»Ist Hotspur zurückgekehrt?«

»Er warten an Creek, er sehen, ob nicht Feind an Furt.«

Alsbald wurden die Schläfer geweckt, in aller Eile an den frisch emporflammenden Feuern Kaffee gekocht, von dem jeder Reiter seinen Vorrat als unentbehrlich im Walde mit sich führte, dann aufgesessen, allen Schweigen und die größte Vorsicht anempfohlen, und mit vorausgesandten Spähern bewegte sich die Reiterschar, die Männer in ihre wollenen Decken gehüllt, rasch vorwärts.

Die Straße wurde immer schwieriger, obgleich der heraufdämmernde Tag bald die Bewegungen erleichterte. Roß und Reiter aber waren gewöhnt, jedes Hindernis, welches der Wald bot, mit Leichtigkeit zu nehmen, und so ließen sie in kurzer Zeit manche Meile hinter sich.

Drei Stunden mochten sie im Sattel gesessen haben, als Bill Reizenstein sagte, es sei Zeit, zu halten.

Alles zügelte die Rosse, und Bill stieg ab und schritt in den Wald hinein, gefolgt von Hugo und John, welche gleichfalls die Pferde zurückgelassen hatten.

Der Indianer ging mit größter Vorsicht voran und winkte endlich den beiden jungen Leuten, stehen zu bleiben, als durch die Büsche der Spiegel des Creeks sichtbar wurde.

Lautlos bewegte sich der Delaware bis nahe ans Ufer und ließ dort in täuschender Nachahmung das Pfeifen des Rakoons hören.

Von drüben antwortete der Ruf des Whippoorwill, und Hugo und John gewahrten, wie aus dem Walde jenseits des Creeks Hotspur an das Ufer trat und winkte.

»Gut!« murmelte Bill, schritt ohne besondere Vorsicht zurück zu den Reitern und meldete dort: »Die Furt frei, Redwood, Hotspur schon drüben.«

»Dann reite voran, Häuptling.« Der Delaware stieg zu Pferde, und alle folgten ihm langsam zu dem Creek.

Mit großer Sorgfalt die Stelle auswählend, welche den Uebergang gestattete, ritt Bill endlich ins Wasser, dem Pferde ging dasselbe bis an den Bauch, worauf alle, einer nach dem andern, ihm folgten und nach wenigen Minuten ohne Unfall das jenseitige Ufer des wohl achtzig Schritte breiten Creeks erreichten, dessen Umgehung einen ganzen Tag gefordert haben würde, da er sich, von Sümpfen umgeben, weit ins Land hinein erstreckte.

Die beiden Indianer wechselten rasch einige Worte, dann trat Hotspur zu Reizenstein und berichtete ihm in seiner Weise, daß die in das Land eingefallene räuberische Schar in der Nacht eine Ansiedlung, etwa fünf bis sechs Meilen entfernt von ihrem jetzigen Standpunkte, überfallen und verbrannt haben müsse, er habe von einem Baume, den er erklettert, den Feuerschein gesehen. Die Dunkelheit habe ihn verhindert, nach dem Feinde umzublicken, auch habe er die Furt bewachen müssen, in der Befürchtung, daß der Feind sie kenne und entweder benutze oder besetze. In letzterem Falle genügten wenige Schützen um jeden Uebergang unmöglich zu machen.

Da nach der Indianer Aussage ein Vordringen in den Wald zu Pferde nicht möglich erschien, befahl Reizenstein, abzusitzen; und wählte zehn Männer aus, denen die Bewachung der Pferde und der Furt als Rückzugsmittel im Falle einer Niederlage anvertraut wurde.

Nach kurzer Beratung mit dem Sheriff, den älteren Farmern und den Indianern, wurden die zum Kampfe bereiten Männer in zwei Abteilungen geordnet, von denen die erste unter allgemeiner Zustimmung dem Kapitän der Kongreßarmee John Melvill anvertraut wurde, während sein Vater die zweite führte.

Die erste Abteilung schritt in den Wald, der sich bald in einen Sumpf verlor, den zu passieren genaue Ortskenntnis und große Vorsicht erforderte.

Bill ging an der Spitze, ihm folgten John und Hugo und dann in indianischer Ordnung, das ist, einer nach dem andern folgend, die übrigen.

Es war ein schwieriger und gefährlicher Weg, den sie zurückzulegen hatten, schwierig selbst für diese geübten Waldleute, und nur die Vorsicht und unfehlbare Sicherheit des Indianers behütete sie vor Schaden.

Oft bis an die Knie watend, dann von Baumstamm zu Baumstamm, welche ungezählt dort am Boden moderten, springend, sich gegenseitig stützend und helfend, legten sie den schaurigen Pfad unter dunkeln Cypressen und roten Cedern zurück. Die jungen Leute überfiel die Angst, daß die Kraft des Onkels diesem Wege nicht gewachsen sei, doch beruhigte sie Bill, dem sie ihre Besorgnisse mitteilten. »Er kräftig, Redwood, Hotspur bei ihm, der sehr stark und jünger als Bill, er ihm helfen, keine Angst um Onkel.«

Länger als eine Stunde dauerte der so anstrengende Marsch durch den Sumpf, als endlich Bill, indem er die Hand erhob, Halt gebot. Er ließ den Schrei der Eule hören und mit Sprüngen, gewandt und kräftig wie die eines Panthers, kam Hotspur heran.

Während alles in tiefem Schweigen hielt, gingen die Indianer nach vorn. Sie kamen erst nach geraumer Zeit zurück und winkten dann, zu kommen.

Nach kurzer Frist erreichte die Schar festen Waldboden.

Wieder fand eine kurze Besprechung statt, deren Resultat war, daß beide Abteilungen, die zweite fünfzig Schritte hinter der ersten, vorsichtig in der von den Indianern angegebenen Richtung vordringen sollten, und zwar die einzelnen Kämpfer parallel, in ausgedehnter Linie, doch so, daß keiner die Fühlung mit seinem Nebenmanne verlöre. Mehrere der Farmer führten ihre Jagdhörner mit, und Reizenstein verständigte sich mit John über einige Signale.

Schweigend und mit großer Gewandtheit hatten sich die geübten Waldleute, den erteilten Befehlen gemäß in zwei Treffen geordnet, und der Vormarsch begann.

Allen voran gingen die beiden Indianer, ihnen folgten Hugo und John und dann in Linie die andern.

Rasch und geräuschlos drangen sie vor, die Indianer waren den Augen der folgenden bald entschwunden.

Den Sinnen der Männer machte sich bei weiterem Vordringen ein brandiger Geruch bemerkbar, der sie mit trüben Ahnungen erfüllte.

Als der Wald lichter wurde, kehrten die Indianer zurück, vom Feinde war nichts bemerkt worden; die erste Abteilung sammelte sich am Waldrande und erwartete die zweite.

»Oneida fort,« sagte der Delaware, »er, denk' ich, weit fort, er nicht bleiben, wenn Wigwam verbrennen. Können gehen.«

Dennoch wurden mehrere junge Leute als Späher rechts und links den Waldsaum entlang gesandt, und dann erst verließ die Schar mit großer Vorsicht den Wald.

Ein erschreckender Anblick bot sich ihren Augen als sie unter den Bäumen hervorschritten.

Ein Dutzend und mehr größerer und kleinerer Blockhütten lagen in rauchendem und glimmendem Schutt am Boden, nur die aus Lehmziegeln aufgeführten Schornsteine standen aufrecht, das Bild noch schauriger machend.

Felder, Fenzen waren zerstört, und dort brannte noch ein Streifen indianischen Kornes.

In finsterem Schweigen, mit beklemmten Herzen gingen die Männer auf die Brandstätte zu.

Bald bot sich ihnen ein Anblick, der selbst dem an Schreckensszenen Gewöhnten das Blut gerinnen machte.

Zwischen den Trümmern lagen halbverkohlte, durch Menschenhand gräßlich verstümmelte Leichen von Männern, Weibern und Kindern bis zum Säugling hinab, dazwischen Kadaver von durch die Flammen getöteten Haustieren: Pferden, Rindern und Schweinen.

Das Feuer und der Tomahawk hatten hier ihr grausiges Werk vollbracht.

Wilder Grimm faßte die Männer bei dem entsetzlichen Anblick.

Sie schritten umher zwischen den rauchenden Trümmern, spähend, ob noch etwas Lebendes unter ihnen zu entdecken sei, aber alles war still, alles still und tot.

Schaudernd sagte Reizenstein zu Hugo, der von dem Anblick wie er entsetzt war: »Solche Feinde läßt Englands Minister auf das wehrlose Volk dieser Staaten los. O, pfui der Schande!«

In seinem eiligen Indianertrab nahte vom Walde her jetzt Hotspur, welcher, während die Schar die Trümmer untersuchte, eiligst auf der breiten Spur des abgezogenen Feindes nachgewandelt war.

»Warum hier stehen und schwatzen?« sagte er zu Reizenstein, »Oneida dort.«

»Wo, Mohawk?«

»Er dort!« und der Indianer wies nach Osten, der entgegengesetzten Seite von der, auf welcher sie aus dem Walde getreten waren.

»Hast du den Feind gesehen?«

»Ihm sehen, er lagern an Bach, fürchten keine Gefahr, können nicht denken, daß kommen durch Sumpf, er keine Wachen, schmausen an Feuer.«

»So hätten wir sie also, Mahanatha,« sagte Reizenstein.

»Ihm fangen, ja. Er erwarten Feind von Osten, Bach herunter, wir gehen Bach hinauf –, er lagern an tiefem Sumpf, können nicht zurück, wenn nicht kennen Pfad.«

»Befinden sich wirklich weiße Männer unter ihnen, Hotspur?«

»Weißer Mann, fünf – sechs, ihm kennen, ob sich auch malen wie Oneida.«

Die Indianer besprachen sich kurz, und Bill wandte sich dann an Reizenstein mit den Worten: »Es ganz so wie Mahanatha denken, Redwood, ihm überraschen und Weg abschneiden.«

»Was rätst du also, alter Krieger?«

»Ich kenne die Stelle, wo er lagert. Gehen dort in Wald Master John,« er deutete nach Nordosten hin, »und Redwood hier,« er wies der zweiten Abteilung dadurch eine mehr zurückliegende Stellung an, »treffen auf Bach, gehen langsam an Bach hinauf, bis Oneida vor sich, dann greifen an –, er kann nicht zurück, muß auf Büchse zulaufen. Er nimmer denken, kommen von Chestercreek –, er wissen, nicht viele leben, welche Pfad durch Sumpf kennen.«

»Gut, ich verstehe dich, Bill, wir wollen tun, wie du sagst.«

»Ich kenne den Platz auch, Redwood,« sagte einer der umstehenden Farmer, »der Indianer hat ganz recht, wenn wir sie dort fassen, müssen sie fechten; ich kann euch führen.«

»Gut,« sagte Bill, »er führen Redwood, ich Master John.«

Hotspur, der langsam durch die Trümmer geschritten war, mit gleichgiltigem Auge die Zerstörung anschauend, dann und wann seiner Gewohnheit nach den spähenden Blick zu Boden richtend, ließ plötzlich einen Aufschrei vernehmen, der bei einem Indianer von hoher Aufregung zeugte, und starrte wie ein wildes Tier mit funkelnden Augen zu Boden.

Eilig ging der Delaware auf ihn zu, und auch Reizenstein und die andern traten näher.

Hotspur winkte ihnen zurückzubleiben, und alle bis auf Bill blieben stehen.

Der Mohawk deutete auf eine Fußspur, der Delaware richtete sein Auge darauf, und auch ihm entfuhr ein leiser Schrei.

»Was haben denn die Indianer dort?« äußerte John, »das muß ja eine außerordentliche Entdeckung sein, die selbst unseren Bill in Aufregung bringt.«

Die Indianer beugten sich zur Erde nieder und untersuchten augenscheinlich eine Spur, gingen einige Schritte und wiederholten die Bewegung, sie maßen mit den Stielen ihrer Aexte Stellen am Boden und richteten sich dann wieder auf, Hotspur mit unheimlich funkelnden Augen.

Der Delaware rief Reizenstein und den jungen Männern heranzukommen, und wies, als sie neben ihm standen, mit dem Finger auf einen in dem weichen, feuchten Boden deutlich erkennbaren, genau ausgeprägten Abdruck eines menschlichen Fußes und sagte in seinem tiefen Kehltone: »Das stechende Auge.«

»Konski?« schrie Hugo auf.

Alle richteten die Blicke auf die Spur.

»Das ist aber ein Mokassin, Bill,« sagte John.

»Wenn weißer Mann trägt Mokassin, es immer weißen Mannes Fuß, nie Indianer. Dies weißer Mann, dies ›stechendes Auge‹.«

»Konski!« sagte jetzt auch der Mohawk mit finsterem Nachdruck, »seine Spur kennen in Stiefel, in Mokassin, kennen unter tausend Füßen.«

»Wie sollte der Mensch hier unter die Oneidas kommen?« fragte Reizenstein.

»Das dürfte nicht schwer zu erklären sein,« entgegnete John, »der Bursche war ohne Geld, er hat selbst seinen Judaslohn nicht erhoben, denn sicher hätte ich ihn hängen lassen, wenn er erreicht worden wäre, weil er auf Hugo schoß, als dieser schon mein Gefangener war. Gleichfalls wußte er, daß unsere Männer ihm den Tod geschworen hatten wegen des unnützen und grausamen Mordes des jungen Jägers. Er ist noch während der Aufregung des Gefechtes entflohen, und da er die Hessen noch mehr fürchten mußte als uns, wahrscheinlich nach Norden, den Canadas zu. Entweder ist er von dieser Mordbande gefangen genommen worden, oder er hat sich in seiner Verzweiflung freiwillig ihnen angeschlossen, wie sich ja an den Grenzen immer einige von der Menschheit ausgestoßene Individuen unter dem Indianergesindel herumtreiben.«

»Nun, Gott gebe, daß Ihr Recht habt, Indianer, und endlich den Schurken die Gerechtigkeit ereile,« sagte hierauf Reizenstein. »Aber nun vorwärts, Leute.«

Wie verabredet, schritten die beiden Abteilungen in kurzem Abstand von einander dem Walde zu, die Indianer, mit der Gier von Bluthunden den Boden durchforschend, voran.

Dort fanden sie die am Waldsaum aufgestellten jungen Leute, welche weit und breit nichts Verdächtiges bemerkt hatten.

Die beiden Abteilungen trennten sich, um in auseinandergehenden Linien vorzudringen.

Johns kleine Schar, welcher die beiden Indianer voranspähten, erreichte nach einem mit der größten Vorsicht, im tiefsten Schweigen ausgeführten Marsche das mit dichten Büschen besetzte Ufer des Baches und schlich in deren Schutze langsam an ihm hinauf.

Bald vernahmen sie den Lärm, welchen ein sich in voller Sicherheit wähnendes Indianerlager vernehmen läßt, wenn die Insassen desselben in gehobener Stimmung sind. Denn nur das Bewußtsein, vor jedem Angriff vollständig geschützt zu sein, konnte sie veranlassen, die auf ihren Kriegszügen übliche Vorsicht außer Acht zu lassen. Die Stellung der Indianer war gut gewählt, wenn ihre Berechnung in Bezug auf die Seite, von welcher Gefahr drohen konnte, sich als zutreffend erwies, denn ihren Rücken deckte ein ungangbarer Sumpf, ihre Flanke nach Westen gleichfalls, denn daß von dort, vom Chestercreek, aus ein Feind kommen könne, lag ihnen außerhalb jeder Möglichkeit, sodaß ihrer Annahme nach nur der Osten die Gefahr senden konnte, nach welcher Richtung hin auch in Tat einige Späher ausgeschickt worden waren.

Im Falle eines übermäßigen Angriffs von dieser Seite blieb ihnen dann der Rückzug in den Sumpf, welchen die Farmer unter Bills Führung eben überschritten hatten, und nach der Furt das Chestercreek.

Es war anzunehmen, daß einige von ihnen den Pfad durch diesen schwer passierbaren Swamp kannten.

Das aus dem Lager tönende Geräusch von wildem Gelächter, gellenden Rufen und eifrigem Schwatzen schützte die Heranschleichenden besser als die größte ihrerseits beobachtete Vorsicht.

Als sie sich dem Lager gegenüber befanden, hob Bill die Hand –, das Zeichen pflanzte sich weiter fort, und alle standen lautlos.

Vorsichtig durch die Büsche lugend, blickten sie auf die wilde Szene eines indianischen Gelages.

Das jenseitige Ufer, so weit der Boden fest war, zeigte nur wenige Bäume, und den Hintergrund bildeten die dunklen Cypressen des Sumpfes.

Um hellbrennende Feuer lagerte die gräßlich bemalte Schar der Indianer. Fleischstücke brieten an mehreren derselben und verbreiteten ihren Duft.

In einzelnen Gruppen saßen oder lagen die wilden Räuber umher. Einige verzehrten mit indianischer Gier Stücke halb rohen Fleisches, andere rauchten, und überall kreiste der Becher mit Rum oder Whisky.

Die bereits halb Trunkenen vollführten einen wilden Siegeslärm und befanden sich nach ihrer letzten Heldentat augenscheinlich in der besten Laune.

Was das Grausige der Szene erhöhte und die Wut der Pflanzer steigerte, war, daß viele der Wilden sich mit Kleidungsstücken der von ihnen erschlagenen Opfer, hauptsächlich von Frauen stammend, in lächerlicher Weise geschmückt hatten.

Einige Augenblicke schauten sie mit einem aus Zorn und Verachtung gemischten Gefühle auf die Räuberbande, und jeder, die Büchse schußbereit in der Hand, suchte sich sein Opfer aus.

Hotspur flüsterte dem Delawaren zu: »Konski lebendig haben, Vater.«

Dieser nickte.

Während sie noch, von dem Anblick gefangen, auf die sorglosen, so gänzlich überraschten Feinde blickten, sprangen plötzlich einige der Indianer, welche weiter den Bach hinab lagerten, auf und griffen nach ihren Waffen.

»Jetzt Zeit!« rief der Delaware, riß die Büchse an die Wange und feuerte.

Dem einzelnen Schuß folgte eine aus dreißig Gewehren abgegebene Salve.

Furchtbare Verwirrung in dem so jäh und blutig aufgescheuchten Lager, wildes Geschrei, gellende Schmerzensrufe, Todesröcheln antworteten dem Knall der totbringenden Büchsen.

Verwundete wälzten sich am Boden, doch die übrigen sprangen auf, griffen in Eile nach ihren Waffen und verschwanden hinter den nächsten Bäumen, Büschen und Erdhügeln.

Jetzt ließ der Delaware seinen Schlachtschrei hören und rief seinen einst so gefürchteten Namen den Feinden zu.

Der Mohawk tat ein gleiches: »Hier Papaganawe, der Mohawk!«

Wildes Geschrei von drüben antwortete der Herausforderung.

Die funkelnden Augen der Indianer spähten nur nach einem aus, nach Konski.

Das wohlgezielte Feuer der kleinen Schar hatte den Feinden wohl an zwanzig Mann gekostet, von denen die Mehrzahl tätlich getroffen war.

Einen Augenblick herrschte auf beiden Seiten tiefes Schweigen, die Farmer luden eilig ihre Büchsen und der überraschte Feind beriet sicher seine Verteidigungsmaßregeln.

Ihrer gespannten Aufmerksamkeit entging es nicht, wie eine Schar Oneidas, gleich Schlangen am Boden kriechend, sich auf sie zu bewegte, während eine stärkere Anzahl, aber unerreichbar von ihrem Standpunkte aus sich weiter unten dem Bach näherte, augenscheinlich, um ihn zu überschreiten und ihren linken Flügel zu umgehen.

Es war überraschend, wie die so jäh überfallenen, halbtrunkenen Wilden mit solcher Umsicht sich anschickten, dem unsichtbaren Feinde zu begegnen.

Ein langgezogener Hornton warnte die zweite Abteilung vor dem Angriff.

Da entluden sich auch schon die Büchsen der unter Reizenstein fechtenden Farmer, und heulend stürzten die zum zweitenmale überraschten Wilden zu ihren Deckungen zurück.

»Das war der Vater,« sagte John, »er hat sie gut gepfeffert.«

»Er, alter Krieger, Redwood, er schon fechten,« stimmte Bill bei.

Ihnen gegenüber ließen sich jetzt die Waffen der mit so großer Vorsicht genahten Indianer vernehmen, und leider nicht ohne Erfolg, denn einer der jungen Farmer stürzte zu Tode getroffen nieder, und zwei andere wurden verwundet.

»Ihm alle mehr zusammenziehen, Master John, blasen für Vater, er herankommen. Oneida gleich herüberspringen, können nicht rückwärts, müssen hier durch.«

Der Angeredete ließ durch das Horn dem Vater melden, daß er sich näher heranbewegen solle, auch forderte er seine Leute auf, sich zusammenzuziehen.

»Lockert die Messer, Männer, sie werden gleich stürmen.«

Hotspur war verschwunden.

Unter den Feinden mußte große Verwirrung herrschen, man sah einige hin und her laufen, hörte wilde Stimmen, und das Feuer, welches von drüben unterhalten wurde, war sehr unregelmäßig.

»Wenn jetzt stürmen,« sagte Bill, »nicht schießen, er nur betrügen, erst schießen, wenn in Bach.«

John schärfte diese Mahnung des erfahrenen Waldkriegers den Leuten ein.

»Wie ist dir zu Mute, Hugo?« fragte er seinen neben ihm stehenden Vetter.

»Mir geht das Herz auf beim Krachen der Büchsen.«

»So mir, – hier kann ich doch endlich einmal zu wirklichem Kampfe kommen.«

Der Delaware flüsterte den beiden jungen Leuten zu: »Wenn Konski sehen, nicht töten, ihn lebendig fangen.«

»Ja, Bill, du hast recht, der Schurke darf nicht im Kampfe mit ehrlichen Männern fallen, der muß am höchsten Baume hängen.«

Ein grimmiges Lächeln fuhr über die Züge des Indianers, aber er sagte nichts.

Der Feind schien sich endlich über den Angriffsplan verständigt zu haben, denn man bemerkte eine Bewegung unter den roten Kriegern, welche Hugo aufmerksam durch sein Glas verfolgte.

Er gewahrte, daß der Feind auf seinem rechten Flügel Kämpfer vorschob, und teilte dies dem Delawaren mit.

»Wie viel?« fragte dieser. »Ihm zählen.«

»Ich habe fünfzehn gezählt.«

»Er nur Scheinangriff auf Redwood, er kommen hier. Ja nicht Feuer entlocken lassen.«

Während all' dieser Vorbereitungen waren von Reizensteins Schar, welche sich langsam näher heran gezogen hatte, etwa zwanzig Mann bei ihnen eingetroffen und verstärkten die Linie, um dem erwarteten Angriffe zu begegnen. Auch ihnen wurde eingeschärft, nicht sofort beim Erscheinen des Feindes zu schießen.

Gegen den linken Flügel eröffnete jetzt der Feind ein lebhaftes Feuergefecht, welches gemessen von den noch weiter unten befindlichen Kämpfern erwidert wurde.

John und seiner verstärkten Schar gegenüber sprangen plötzlich mit wildem Geschrei etwa fünfzig und mehr Krieger empor, um sich ebenso rasch, als sie aufgetaucht waren, auch wieder zu Boden zu werfen.

Dank der Warnung Bills entlud sich kein Schuß auf Seite der Farmer.

»Jetzt er kommen,« sagte Bill und fühlte nach seinem Schlachtbeil, »er in Verzweiflung, – müssen hier durch.«

Es war in der Tat des Feindes einzige Rettung, sich hier durchzuschlagen, da gleich oberhalb ihres Lagers der Sumpf sich bis zum Ufer des Baches ausdehnte, und dieser nur mit großer Lebensgefahr zu betreten war.

Von neuem sprangen die Indianer in die Höhe und stürzten, Büchse und Axt schwingend, mit dem ganzen Ungestüm indianischer Wut unter ihrem grausigen »Heho!« nach vorn.

Die Reizenstein gegenüber im Kampfe lagen, brachen diesen ab und liefen gleich Hirschen den Bach hinauf, um sich den so Angegriffenen anzuschließen.

Die Büchsen Johns, Hugos und der Farmer entluden sich, aber ihre Schüsse waren trotz kräftiger Wirkung, unvermögend, den Sturm abzuhalten. Die Indianer waren bereits im Bach und gewannen das Ufer.

Von drüben gellte plötzlich Hotspurs Schlachtschrei, und sein Gewehr blitzte auf.

Er war im Bach vorsichtig herabgeschlichen und hatte, wo der feste Boden begann, das jenseitige Ufer betreten.

Furchtbar war der Anprall der verzweiflungsvollen Indianer, mit Messer, Büchse, Beil wurde wütend gesuchten, Tote und Verwundete auf beiden Seiten, wildes Ringen mordgieriger Gegner.

Aber den dezimierten Oneidas, welche an den starken und gewandten Jerseymännern gewaltige Gegner hatten, kam es augenscheinlich nur darauf an, sich einen Ausweg zur Flucht zu bahnen, das Ringen war deshalb blutig, aber kurz, sie ließen eine Anzahl Tote und Verwundete zurück, und der Rest verschwand mit großer Eile im Walde nach Osten zu.

Das Ufer herauf kam Reizenstein mit dem Rest seiner Schar, aber zu spät, um in den Kampf einzugreifen.

Reizenstein zählte unter den von ihm geführten Leuten nur einige Verletzte, während Johns Abteilung fünf Tote und zwölf teils schwer, teils leicht Verwundete zu beklagen hatte.

Bei dem wütenden Kampfe, Leib an Leib, mit den zur Verzweiflung getriebenen Räubern, hatte niemand bemerkt, daß Hotspur jenseits des Baches, dicht am Ufer desselben, mit einem riesenhaften Indianer rang.

Es gehörte des geschmeidigen Mohawk ganze Gewandtheit dazu, dem größeren und stärkeren Gegner nicht zu unterliegen. Doch war er zu stolz, um nach Hilfe zu rufen.

Bill gewahrte es und sprang sofort auf das andere Ufer hinüber.

Er fand es unmöglich, Hotspur beizustehen, der Oneida hatte ihn niedergerissen, und beide wanden sich gleich Schlangen in wilder, stummer Wut am Boden.

Der fremde Wilde war seinem Gegner weit an Stärke, aber nicht an Gewandtheit überlegen. Jeder der beiden Kämpfer, welche die abgefeuerten Büchsen weggeworfen hatten, führte das Messer in der Faust, aber die Linke umfaßte dabei mit der Kraft der Verzweiflung des Gegners bewehrte Rechte, um sich vor dem Todesstoß zu schützen.

Wechselseitig sich so an den Händen haltend, hin und her zerrend und windend, sich mit den Beinen umschlingend, bemüht, die rechte Hand der linken des Gegners zu entreißen, boten sie ein schreckliches Schauspiel menschlicher Kampfeswut.

Der Delaware stand mit dem blitzenden Tomahawk daneben, unvermögend, zu Gunsten des Freundes einzugreifen, da bei den schnellen Bewegungen der Streitenden kein sicherer Streich nach dem Oneida zu führen war. Am Bache standen die Männer, wie gebannt, atemlos dem wütenden Ringen zuschauend. Hotspurs Kraft ließ sichtlich nach, aber eine letzte Anstrengung brachte ihn noch einmal nach oben, er lag auf des Gegners Brust. Zwischen dieser und seiner eigenen fühlte er dessen das Messer haltende Hand, die seine Linke immer noch umklammert hielt, er erhob sich etwas, es gab Raum zwischen den Körpern der Kämpfenden, und wie sich Hotspur von seiner Brust entfernte, hob der Oneida die Faust. Plötzlich ließ der Mohawk diese fahren, warf sich aber gleichzeitig mit ganzer Wucht nieder auf den Gegner und drückte ihm so das eigene Messer in den Leib.

Dieser zuckte zusammen und ließ die Rechte des Mohawk seiner umklammernden Linken entgleiten, mit Gedankenschnelle fuhr ihm Hotspurs Messer in die Kehle.

Empor sprang dieser, stieß einen weithin hallenden Schrei aus, warf sich dann wieder von neuem auf den sterbenden Gegner, faßte dessen Skalplocke, und eine Sekunde später schwang er dieses blutige Siegeszeichen des indianischen Kriegers in wilden Schwingungen um das Haupt, während seine schwer atmende Brust gellende Siegesrufe ausstieß.

Ruhig steckte Bill sein Schlachtbeil wieder in den Gürtel und sagte: »Papaganawe ist ein großer Krieger.«

Die Farmer schrieen dem Sieger jubelnd zu.

Hotspur hatte den gefürchteten ersten Häuptling der Oneidas bezwungen. Doch kaum war dessen Skalp an seinem Gürtel befestigt, als er hastig den Delawaren fragte: »Wo ist das stechende Auge?«

»Ich sah ihn nicht im Gefecht, ich glaube, er ist entkommen.«

»Wir wollen ihn suchen und finden, ich habe ihn am Beine verwundet, er wird nicht weit kommen.«

»Deshalb war mein junger Bruder aus dieser Seite des Baches.«

»Deshalb. Ich erkannte ihn trotz seiner Bemalung und schoß auf ihn, damit er uns nicht entrinne, da stürzte der Oneida auf mich zu.«

»Mein junger Bruder hat gut getan. Wir wollen das stechende Auge suchen, komm.«

Bill und Hotspur gingen dann über den Bach zurück, wo einige der Leute beschäftigt waren, den Verwundeten die erste Hilfe zu leisten.

Die Farmer waren durch ihre schweren Verluste und den schaudervollen Anblick der zerstörten Ansiedlung und ihrer gemordeten Bewohner auf das äußerste erbittert.

Die jüngeren Männer suchten das Schlachtfeld ab, und jeder noch atmende Indianer wurde kaltblütig mit dem Messer abgetan, kein Verwundeter blieb leben.

Der Verlust der Indianer betrug fast die Hälfte ihrer auf hundert Kämpfer geschätzten Zahl. Unter den Verwundeten befanden sich auch zwei Weiße, welche aber nach indianischer Art gekleidet und bemalt waren.

Man wußte, daß Weiße, welche sich zu raub- und mordlustigen Indianern hielten, um gegen ihre eigene Rasse zu kämpfen, zum Auswurf der Menschheit gehörten, doch ehrte man ihre Abstammung dadurch, daß man ihnen eine Kugel durch den Kopf jagte, statt ihnen die Kehle abzuschneiden.

Die verwundeten Farmer waren verbunden, und die Frage wurde aufgeworfen: Was nun?

Der reckenhafte Dobbie vom Delaware sagte: »Ich bin dafür, den Mordhunden nachzuspüren und sie Mann für Mann niederzuknallen.«

»Ja! Ja! Recht, Dobbie!« riefen die jüngeren Leute.

Andere glaubten, genug getan zu haben und hielten die Verfolgung flüchtiger Indianer für zeitraubend und aussichtslos.

»Was denkt Ihr, Redwood,« redete der Sheriff Reizenstein an, »seid Ihr für eine Verfolgung?«

»Ich selbst dürfte für eine solche wohl zu alt sein, aber wenn die jüngeren Leute den Schuften nachsetzen wollten, würde ich es mit Freuden begrüßen, sie sind noch stark genug, um Unheil anzurichten.«

Die beiden Indianer traten auf Reizenstein zu und der Delaware sagte: »Redwood muß verfolgen.«

»Warum Bill?«

»Er stechendes Auge suchen, morden Bruder.«

»War der Schurke wirklich unter den Oneidas?«

»Hotspur ihm sehen, schießen in Bein, er nicht weit kommen.«

»Ja, Bill, dann will ich nachsetzen, und ging' es bis an das Ende der Welt,« sagte der alte Herr feurig. »Du hast ihn also erkannt, Hotspur?«

»Ihm kennen, ihm sehen, so nahe, ihm schießen, nicht tot, ihn lebendig fangen.«

»Sheriff,« sagte Reizenstein, »lassen wir die Männer abstimmen. Einige müssen bei den Verwundeten bleiben, wer aber mit mir gehen will, der hebe die Hand, ich setze die Verfolgung fort.«

»Nun, wenn Ihr geht, Redwood,« sagte der Sheriff, »dann gehe ich auch, was Eure Knochen aushalten, ertragen die meinigen auch noch.«

Etwa dreißig der jüngeren Farmer erklärten sich bereit, den Flüchtlingen nachzusetzen, während die anderen die Verwundeten pflegten, die Toten begraben und Flöße zimmern wollten, um jene auf dem Bach, der nach Bills Aussage in den Chestercreek mündete, zurückzuschaffen.

Die erschlagenen Indianer ließ man liegen, wo sie gefallen waren.

»Ich muß euch sagen, Nachbarn,« nahm Reizenstein das Wort, »ich habe bei der Verfolgung noch einen besonderen Zweck. Unter den Flüchtigen befindet sich ein weißer Mörder, der namenloses Unglück über meine Familie gebracht und einst meinen Bruder erschlagen hat, der, wie ihr wißt, in Redwood begraben liegt. Ihr müßt mir gestatten, daß, wenn dieser sich vom Haupttrupp getrennt hat, ich mit meinem Sohn, meinem Neffen und den Indianern, welche noch ihren besonderen Handel mit ihm haben, mich auf seine Sonderverfolgung mache.«

»Recht so, Redwood, tut das,« schrieen die Männer, von denen einige der älteren sich des Mordes noch entsannen, alle davon gehört hatten, »wir werden auch ohne euch mit den Hallunken fertig.«

Nach kurzer Rast begann die Verfolgung.

*

Die Oneidas hatten in ihrer wilden Flucht auch nicht einmal den Versuch machen können, ihre Spur zu verbergen, diese lag breit und offen da, sie hatten ihr Heil nur in der Eile gesucht.

Bill und Hotspur, welche die Schar der Verfolger führten, durchspähten den Boden nach der Spur Konskis.

Nur der Uebung und den unvergleichlich scharfen Sinnen dieser Männer konnte es gelingen, unter der Zahl eilig dem Boden aufgeprägter und sich gegenseitig verwischender Fußspuren die des Gesuchten herauszufinden.

Dennoch gelang es.

Hotspur erblickte sie zuerst. Er rief es dem Delawaren zu, dieser kam heran und bestätigte die Entdeckung.

Eine Meile weiter gewahrten sie dieselbe wieder, diesmal von der des großen Haufens, der in ununterbrochener eiliger Flucht fortgestürzt war, etwas entfernt.

Aufmerksam untersuchten die Indianer den Boden, der ihnen bekannte Fußabdruck war hier deutlich ausgeprägt.

»Er fängt an, müde zu werden, und scheint hinter den andern zurückgeblieben zu sein,« sagte Hotspur.

»Zwei haben ihn im Laufen unterstützt,« äußerte der Delaware, sich über die von Reizenstein auf den dürren Blättern kaum wahrnehmbaren Spuren beugend, »ein roter und ein weißer Mann.«

»Wir werden ihn bald finden.«

Bill teilte den Inhalt dieses indianisch geführten Gespräches den Freunden mit.

Die Indianer folgten jetzt aufmerksam und vorsichtig dieser Spur, während die Farmer der des großen Haufens nachgingen.

Nach einigen hundert Schritten zeigte es sich, daß die Konskis und seiner Begleiter nach rechts abbogen, während die der Oneidas gerade aus weiter liefen.

»Es scheint, wir müssen uns trennen, Sheriff,« sagte Reizenstein zu diesem, »unser Weg liegt hier. Die Indianer würde nichts in der Welt von dieser Spur abbringen, und wir müssen ihnen folgen.«

»Geht, Redwood, geht und rächt einen Brudermord, wir folgen dieser Bande.«

Nachdrücklich sagte Bill zu dem Sheriff, welcher die Farmer führte: »Ihm hüten, nicht in Hinterhalt fallen, Oneida sehr schlau. Lassen weißen Mann auf Spur weiter gehen, und liegen hinter Baum und schießen von Seite.«

»Danke der Warnung, Bill, wollen schon Acht geben, daß uns die Hunde nicht überlisten.«

Er schüttelte Reizenstein die Hand und schritt mit seiner Schar weiter, indes die Indianer die Verfolgung Konskis wieder aufnahmen.

Die Büchsen schußfertig, schritten Bill und Hotspur jetzt mit äußerster Vorsicht einher, mit den dunklen Augen bald den Boden befragend, bald den Wald durchforschend, während nach ihrem Wunsche die drei weißen Männer in einiger Entfernung folgten.

So kamen sie an einen seichten Bach, in den die Verfolgten hineingestiegen waren. Hier fand man auch einige Blutstropfen auf den Blättern des Bodens.

.

Die Indianer berieten einen Augenblick, was zu tun sei, dann sprang Hotspur auf die andere Seite des kleinen Gewässers und schritt dicht am Ufer her, während Bill auf seiner Seite dasselbe tat.

»Er wollen uns täuschen,« sagte er leise zu Reizenstein, »und Spur verbergen. Er armer Schurke, er denken, Bill zweifeln, ob aufwärts oder abwärts gegangen in Wasser und verlieren Zeit. Ich wissen, er aufwärts gegangen, ich wissen, wo ihn finden.«

Dann schlichen sie wieder lautlos den Bach entlang.

Hotspur blieb stehen und untersuchte den Boden. Er hob einige welke Blätter auf und deutete dann triumphierend auf die Spuren, welche aus dem Wasser auf das Land führten und mit der größten Sorgfalt mit abgefallenem Laub bedeckt waren.

Mit gedämpfter Stimme sagte der Delaware, als alle den Bach überschritten hatten, und auch er die Spur untersuchte: »Er wissen, daß Mahanatha auf seiner Fährte. Kennt Hotspur das Grab des Häuptlings?«

»Hotspur war nie in diesen Wäldern.«

»Dort,« und er deutete mit dem ausgestreckten Arm die Richtung an, »erhebt sich ein Hügel, und auf ihm schläft der Häuptling eines längst verschwundenen Volkes. Will mein Bruder hingehen und dort nach dem stechenden Auge suchen? Ich denke, der rote Mann, der bei ihm ist, kennt das Grab und hat ihn dorthin geführt. Der junge Häuptling muß einen Bogen machen, um sich ihm zu nähern, sie werden scharf auf ihrer Spur zurückblicken. Wir werden ihn hier erwarten.«

»Hotspur geht,« sagte dieser einfach und verschwand geräuschlos in den Büschen.

Der Delaware und seine Begleiter legten sich nieder, und ersterer unterrichtete die andern von seiner Vermutung und der Mission des Mohawk.

Dann verhielten sie sich schweigend, nur der Bach murmelte sein eintöniges Lied, und der laue Wind bewegte von Zeit zu Zeit Zweige und Blätter, sonst lagerte tiefe Stille im Walde.

Noch nicht lange harrten sie so, als Hotspur wieder vor ihnen erschien.

Mit einem grimmigen Lächeln sagte er: »Mein Vater ist weise, das stechende Auge befindet sich auf dem Grabe des Häuptlings.«

»Wer ist bei ihm?«

»Ein weißer Mann und ein roter Krieger.«

Der Alte nickte.

»Fürchten sie Gefahr?«

»Sie glauben sich sicher!«

»Gut. Mein Bruder wird den Sohn der offenen Hand mit sich nehmen, auf dem Wege zurück gehen, den er gekommen ist, und auf der andern Seite des Grabhügels sich in die Büsche legen, Mahanatha wird mit Redwood und John der Spur folgen und sich von dieser Seite dem Feinde nähern. Dann wird mein Bruder mit der Klugheit und der Ruhe des erfahrenen Kriegers handeln.«

Hotspur nickte und begab sich dann, gefolgt von Hugo, auf den Weg, um die ihm angewiesene Stellung einzunehmen, während der Delaware mit Reizenstein und John geradeaus in den Wald ging.

*

Das Grab des Häuptlings, unter diesem Namen war der Hügel bei Indianern und Weißen weit und breit bekannt, erhob sich wohl über dreißig Fuß und ziemlich steil ansteigend über dem ebenen Boden, aus dem er emporwuchs.

Daß das Ganze nicht etwa natürlicher Bodengestaltung, sondern der Menschenhand seinen Ursprung verdanke, wurde dem prüfenden Auge des Beschauers um so klarer, als die eine Seite nach Norden zu ein Stück uralten Mauerwerks zeigte, welches sich fast bis zur Höhe des Ganzen erhob und glatt und senkrecht anstieg, freilich verwittert und in allen Fugen die grünen Spuren der schaffensfreudigen Natur in Schlingpflanzen und kleinen Büschen tragend, welche sich dort eingenistet hatten.

Dieses sichtbare Stück Mauerwerk an der einen Seite, während ringsum Erde aufgetürmt war, erregte den Eindruck, als ob hier einst in vorgeschichtlicher Zeit ein Tumulus errichtet worden sei, dessen steinernen Kern man künstlich durch einen Erdaufwurf bedeckt hatte.

Viele Jahrhunderte mochten darüber hingeschwunden sein, und die Nordstürme nach und nach die Erdhülle auf der ihnen zugekehrten Seite entfernt und die Mauer bloßgelegt haben.

Auf das hohe Alter des Hügels, der von unbekanntem Menschengeschlechte errichtet worden war, ließen auch die vier starken Bäume schließen, welche seinen Gipfel krönten, die wohl gar viele Jahresringe zählen mochten.

Die steilen Abhänge des Hügels waren nur mit Gras und kurzen Büschen bedeckt, ja, die nächste Umgebung – es mochte dies Folge eines Waldbrandes sein – zeigte nur Buschwerk, höhere Bäume fanden sich erst in einer Entfernung von fast hundert Schritten.

Das Grab des Häuptlings, und diese, Indianern und Weißen der Gegend gleichmäßig geläufige Bezeichnung mochte durchaus das Richtige in Bezug auf die Bedeutung des Baues getroffen haben, und einst in grauer Vorzeit den Gebeinen eines Großen der damaligen Welt errichtet worden sein, war kein übel gewählter Platz, um sich augenblicklicher Verfolgung zu entziehen, ja einen Angriff nachdrücklich abweisen zu können.

Der Aufgang war steil, schußfrei, die Mauer kaum zu ersteigen, und die starken Ahornbäume auf dem Gipfel sicherten selbst vor Schüssen, die etwa aus der Höhe der entfernteren Waldriesen abgefeuert werden mochten.

Auf der Spitze dieses Grabhügels zwischen den Bäumen und in einer kleinen Senkung des Bodens befinden sich drei Männer, zwei Weiße und ein Indianer.

Konski, scheußlich in seiner indianischen Malerei anzuschauen, saß finster da und verband sich eine Wunde am Bein mit Fetzen des leichten Calicogewandes, welches er trug.

Neben ihm lag ein Senekakrieger auf den Knieen, dem Kundigen als solcher kennbar an der Art seiner Kriegsbemalung, ein schon bejahrter, grimmig aussehender Mann, der aufmerksam das Auge nach der Seite gerichtet hielt, von wo sie gekommen waren.

Der andere weiße Mann, ein stämmiger rothaariger Bursche, ebenfalls bemalt und gekleidet nach Indianerweise, lag auf dem Rücken.

»Das ist ein guter Ort für einen Unterschlupf, Kameraden« sagte er zu Konski, »der Seneka hat gut geraten. Selbst wenn sie unsere Spur aufnehmen sollten, was ich nicht glaube, denn wenn sie sich an die Verfolgung machen, werden sie wie hitzige Schweißhunde dem großen Haufen nachjagen, so hat sie der Indianer doch mit zu großer Geschicklichkeit verdeckt, als daß sie uns hier auffinden sollten. Und sind einige so töricht, uns zu verfolgen, so ist dies der Platz, um eine Schlacht zu liefern, und in der Nacht entschlüpfen wir in den Wald.«

»Verfluchter Mohawk,« zischte Konski, den die Wunde schmerzte, grimmig.

»Kanntet Ihr den Burschen, der Euch anschoß?«

»Ja, ich kannte ihn,« sagte Konski, und unwillkürlich lief ein Schauder über seinen Leib.«

»Nun, der Panther,« das war der Name des Oneidakriegers, mit dem Hotspur gerungen hatte, »wird dem Hähnchen, das zu früh krähte, schon die Zähne ins Hirn geschlagen haben,« lachte der wüst aussehende Kerl. »Die Farmer finden unsere Spur nie, wenn der Indianer tot ist, sind wir vor ihnen sicher.«

»Es war noch ein anderer Indianer dort,« sagte Konski, finster vor sich hinstarrend.

»Ich habe in dem Getümmel keinen bemerkt.«

»Ich habe seinen Schlachtschrei gehört und verstanden.«

»Meinetwegen, Blei geht so leicht in ein Indianernhirn wie in ein anderes. Aber eine blutige Frolic war's, und die Oneidas werden noch lange davon erzählen. Wie die Burschen nur von dieser Seite gekommen sind? Die Indianer, welche doch Erfahrung und Bodenkenntnis genug haben, gaben sich vollständiger Sicherheit hin und ich mit ihnen. Da kann man sehen, daß indianische Schlauheit nicht immer der der Weißen gewachsen ist.«

»Sie wurden von einem großen Delawarenkrieger geführt.«

»Du scheinst die Schurken zu kennen?«

»An dem Indianer habe ich erkannt, woher sie kamen. Es sind Männer vom Delaware.«

»Ach so, richtig, da hast du ja wohl vor Jahren einen kleinen Handel dort gehabt, der dir die erste Bekanntschaft mit den Oneidas verschaffte. Diese Kerls haben doch ein gutes Gedächtnis.«

»Schweig!« sagte Konski mit drohender Miene.

»Na, ruhig, Gevatter, was geht's mich an, wir haben alle solch' kleine Affären hinter uns, von denen man nicht gern spricht.« Er streckte sich behaglich und fuhr fort: »Es ist doch besser, hier zu lagern, als gleich einem gehetzten Hirsch zu laufen, die ganze Meute hinter sich. Ich hätte es nicht mitmachen können, ebenso wenig wie du mit deinem kranken Bein, und der schlaue Seneka hatte auch keine Lust, dem Feind in den Rachen zu laufen. Diese blutigen Hunde, die Oneidas, hatten ja ganz den Kopf verloren. Hier bleiben wir die Nacht und schleichen uns morgen sachte davon, dem Delaware zu.«

Der Indianer horchte plötzlich hoch auf.

»Was gibt's?« fragte der rothaarige Kerl, der unter seinen Genossen den bezeichnenden Namen Rothand führte.

»Oneida fechten,« sagte dieser leise und dabei gespannt lauschend.

Die anderen strengten ihr Gehör an, vernahmen aber nichts.

»Ich höre die Büchsen knallen,« sagte der Indianer, »– viel Büchsen. Ich ihm sagen, nicht dorthin gehen,« fuhr der Seneka fort, »er nicht hören, Oneida toll.«

Alle horchten mit gespannter Aufmerksamkeit.

In der Stille deutlich vernehmbar, krachte ein dürrer Zweig im Walde vor ihnen, – blitzschnell griffen die Männer nach den Büchsen, und die Augen suchten die Blätter zu durchdringen.

»Was war das?«

»Weißer Mann zertreten dürren Zweig,« sagte der Seneka lakonisch, ohne eine Miene zu verziehen.

»Meinst du, daß sie unsere Spur haben, Seneka?«

»Werden gleich erfahren. Nicht sprechen, – horchen.«

Mit auf das äußerste angespannten Sinnen lauschten sie.

Ein leises Pfeifen des Eichhorns ließ sich vor ihnen vernehmen, welches von der andern Seite erwidert ward.

Die beiden Weißen sahen sich betroffen an.

»Roter Krieger,« sagte der Seneka mit immer gleicher Ruhe, »er hier, er dort.«

»So haben sie unsere Spur doch?« sagte Konski mit vor Aufregung heiserer Stimme. »Nun, lebendig sollen sie mich nicht haben,« murmelte er grimmig in sich hinein.

»Rothand dorthin sehen,« sagte der Senekakrieger und wies nach der Seite, auf welcher sich die Mauer erhob – »›stechendes Auge‹«, den Namen führte Konski auch bei diesen Indianern, hierher sehen –, werden kommen.«

Er legte sich im Anschlage nieder, und die beiden andern folgten seinem Beispiele.

Gut waren sie hier zwischen den Bäumen in der kleinen Senkung des Bodens gedeckt.

Sie lauschten, aber kein Ohr vernahm einen andern Laut als das leise Rauschen der Blätter.

Plötzlich krachte ein Schuß, der Indianer stieß einen Schmerzensschrei aus und ließ die über den Rand liegende Büchse seiner Hand entgleiten, welche einige Schritte den Hügel hinunterrollte; er war von hinten in die rechte Schulter getroffen worden.

Der Gipfel einer mehr als zweihundert Schritt entfernten hohen Fichte zeigte eine Rauchwolke. Ueberrascht durch den aus solcher Entfernung und solcher Höhe abgegebenen Schuß, wie erschreckt durch den Schrei des Indianers, richtete sich der »Rothand« genannte Mann etwas auf und feuerte nach der Fichte, woher der Schuß gekommen war.

Vergeblich, denn Hotspur, der sie erstiegen, um von ihrem Gipfel aus mit der bei den Jägern erworbenen Geschicklichkeit aus solcher Entfernung einen Schuß abzugeben, hatte sich, die Zielsicherheit seiner Gegner kennend, sofort, nachdem er abgedrückt, auf die tieferen Aeste mehr fallen als gleiten lassen.

Gleichzeitig entlud sich in den Büschen am Saume des Waldes Hugos Büchse, und die wohlgezielte Kugel fuhr dem Rothand, der in der Ueberraschung und nach einem so hochliegenden Punkte feuernd, unvorsichtig den Kopf über die schützende Brüstung erhoben hatte, unter dem Auge in den Kopf. Ohne Laut sank er nieder. Ein gellender Triumphschrei Hotspurs ließ sich vernehmen, dem der des Delawaren von der andern Seite antwortete.

Konski zitterte.

Einen Augenblick dachte er daran, sich die Kugel seiner eigenen Büchse durch den Kopf zu jagen, doch die sich ans Leben klammernde Todesangst verwarf den Gedanken, so rasch er gekommen war.

Der Indianer, schwerer verwundet, als es den Anschein hatte, saß mit eherner Ruhe, den Rücken an einen der Bäume gelehnt, da.

»Ich werde dir Rothands Büchse laden, Seneka,« sagte Konski hastig.

»Kann nicht schießen,« stöhnte der Indianer in gurgelndem Tone, »Arm entzwei, Kugel in Brust –, es vorbei –, singen Totenlied,« und in der Tat begann er mit geschlossenem Auge leise und eintönig zu singen.

Konski lud dennoch die Büchse Rothands und legte sie neben sich.

Der eintönige Gesang des sich zum Tode vorbereitenden Indianers drang schauerlich zu seinen Ohren.

Von zwei Seiten drohten unversöhnliche Feinde.

Hier war die senkrechte Mauer, diese war nicht zu ersteigen, von der Seite war er sicher.

Mit den Blicken eines zum Tode geängstigten wilden Tieres schaute er hernieder auf die Büsche, welche die todbringenden Gegner bargen.

Er bemerkte nicht, während sein Auge unaufhörlich spähend kreiste, wie in seinem Rücken Hotspur die Mauer, da wo sie an das Erdreich grenzte, mit der Gewandtheit einer Katze emporklimmte, und hätte er es bemerkt, so konnte er auf den kecken Indianer keinen Schuß abgeben, ohne Kopf und Brust dem im Anschlag liegenden Hugo zur Zielscheibe darzubieten.

Er bemerkte es nicht, hörte es nicht, sein Auge hing krampfhaft an den Büschen, welche den Delawaren und seine Begleiter bargen.

Da – dort – über dem Busche zeigte sich schattenhaft die Mütze Bills, – ein Lächeln wilden Triumphes flog über Konskis Züge, – er zielte –, und donnernd entlud sich die Büchse –.

Daß ihm der schlaue Indianer nur die an einem Zweige vorgestreckte Kopfbedeckung gezeigt haben könne, kam ihm in seiner Aufregung nicht in den Sinn.

Noch war der Schuß nicht verhallt, als Hotspur, der darauf gewartet hatte, sich auf das Plateau schwang und ihm mit einem wahren Tigersprung auf dem Rücken saß, ehe er noch zu der zweiten Büchse greifen konnte.

Blitzschnell faßte der Indianer seine Arme und riß sie rückwärts, sodaß er ihn gänzlich wehrlos in der Gewalt hatte.

Ein gellender Schrei verkündete den Sieg.

Konski machte furchtbare Anstrengungen, sich zu befreien, aber Hotspur war ihm gewachsen.

Daneben sang der alte Seneka ununterbrochen sein eintöniges Totenlied, dessen Ton schwächer und schwächer wurde, während sein Haupt sich langsam der Brust zuneigte.

Bill stürmte den Hügel hinan, Hugo und John folgten.

Schnell und mit großer Geschicklichkeit banden die beiden Indianer Konskis Arme mit hirschledernen Riemen auf dem Rücken zusammen und umschnürten ihm die Glieder so fest, daß er sich nicht regen konnte. Dann warfen sie einen Blick auf den Seneka, und Hotspur griff schon nach seiner Axt, aber ein ernster Blick Bills hielt ihn ab, dem Sterbenden den Todesstreich zu geben, dessen Totenlied nur noch leise wie aus weiter Ferne klang.

Rothand hatte zu atmen aufgehört, er lag tot auf seinem Angesicht, die Kugel Hugos war ihm ins Hirn gedrungen.

Auch Reizenstein war auf der Spitze des Grabhügels angelangt.

Aller Blicke waren auf Konski geheftet, der schwer atmend am Boden lag.

Die Augen der Indianer glichen denen des Panthers, wenn er sich anschickt, sich auf seine Beute zu stürzen.

Reizenstein betrachtete den Gebundenen lange und aufmerksam, aber aus dem bemalten Gesicht, dessen von Farbe freie Stellen eine fahle Blässe zeigten, vermochte er nicht die Züge des einstigen Heldberg herauszufinden.

Dennoch sagte er: »Ihr seid in unserer Gewalt, Heldberg, und Ihr müßt Euch sagen, daß Eure Stunde gekommen ist.«

Bei Nennung des Namens zuckte Konski zusammen.

»Wollt Ihr nicht, ehe Ihr vor Gott tretet, Eure Seele entlasten?«

Konski schwieg.

Ein Röcheln kündete den Tod des Indianers an, aber niemand beachtete es.

»Eure Genossin im Verbrechen hat die rächende Hand Gottes schon erreicht, sie ist, nachdem sie ein volles Bekenntnis abgelegt hat, im Wahnsinn gestorben.«

Ein dumpfes Stöhnen entrang sich der Brust des gefesselten Mannes.

Nach einer Weile sagte er: »Gut, daß sie tot ist, sie hat seit jenem Tage keine ruhige Stunde mehr gehabt.«

Dann schrie er auf: »Macht mit mir, was ihr wollt, was ich getan habe, hab' ich getan, getan um ihretwillen – er mußte sterben, – o, wie ich ihn haßte, – ihren Liebling, – nun ist es aus, – ich bin fertig mit der Welt, – macht's kurz.«

»Es wird nichts übrig bleiben,« sagte Reizenstein nach einer Weile, während welcher er den Mann, der mit geschlossenem Auge vor ihm lag, der ihm einst so großes Leid zugefügt hatte, mit tiefernsten Blicken betrachtete, zu John und Hugo: »als ihn mitzuführen und vor den Richter zu stellen.«

Hugo schwieg finster, und auch John antwortete nicht.

Hotspur aber trat, als er diese Worte vernahm, mit wilder Geberde vor Konski und sagte mit einem Antlitz voll der ernstesten Drohung: » Mein Gefangener!«

Die Männer schwiegen, nur der Delaware sagte mit nachdrücklichem Ernst: » Sein Gefangener.«

»Laß uns gehen, Vater,« drängte John, »der Indianer hat Recht, – er ist sein Gefangener.«

Reizenstein zögerte.

»Auch ich habe ein Recht an dieser gefangenen Bestie, Oheim,« sagte Hugo, »aber ich trete es dem Indianer ab. Komm, Onkel, – laß uns gehen.«

Angstvoll hingen Konskis Augen an Reizenstein, und als dieser sich langsam abwandte, um den Hügel hinabzuschreiten, schrie er mit der Verzweiflung der Todesangst: »Nein, nein, Reizenstein, tötet mich, tötet mich – ich habe Euch den Bruder ermordet, – Leutnant, tötet mich, – ich erschlug Euren Vater, – laßt mich nicht in den Händen dieser roten Bluthunde. – Erbarmen, – tötet mich, – rasch – rasch!«

Schaudernd blieb Reizenstein stehen.

John faßte seinen Arm: »Komm, komm, Vater, wir haben hier nichts mehr zu tun.«

Sie stiegen langsam den Hügel hinab, den Gefangenen mit den Indianern, welche bewegungslos wie Bildsäulen vor demselben standen, allein lassend.

Eilig gingen sie dann dem Bach zu, von dem sie gekommen waren.

Nicht tausend Schritte hatten sie zurückgelegt, als sie ein entsetzlicher, Mark und Bein durchdringender Schrei Konskis erreichte. – Sie standen still und sahen sich erbleichend an.

Ein zweiter Schrei, furchtbarer und anhaltender als der vorige, gellte in ihr Ohr, – und hastig schritten sie davon, – dem Bereich des Strafgerichts, welches auf dem Totenhügel abgehalten wurde, entfliehend.

Kaum waren sie auf der Stelle angelangt, wo der Kampf stattgefunden hatte, als auch die Schar, welche den Oneidas gefolgt war, zurückkehrte.

»Da sind wir, Reizenstein,« sagte der Sheriff, »es blieb uns nicht viel zu tun übrig, die roten Hunde liefen einer vom Millstoneriver anrückenden Schar vor die Büchsen, und ich glaube, es sind nicht viel übrig geblieben, um in den Dörfern der Oneidas von diesem Tage zu erzählen.«

Die Farmer waren alle trotz des Verlustes an teuren Menschenleben in der wildfröhlichen Stimmung des Sieges nach blutigem Kampfe.

Die bei den Verwundeten zurückgebliebenen Männer hatten die Toten begraben und Flöße für die ersteren hergestellt, um sie den Bach hinunter zu führen.

Da die Dunkelheit nahte, und ein Durchschreiten des Sumpfes in der Nacht als unmöglich erachtet wurde, beschloß man, auf dem Schlachtfelde zu übernachten.

Bald loderten Feuer empor, und die Männer ließen sich nach der harten, blutigen Tagesarbeit an denselben nieder, nach kurzer Zeit in Schlaf versinkend.

Allein Reizenstein saß noch aufrecht an seinem Feuer neben den schlummernden jungen Männern, und in der Flamme vor ihm stiegen Bilder der Vorgänge auf, die sein Leben mit so tragischer Gewalt berührt hatten.

Er blickte auf Hugos dem Vater so ähnliche Züge und sagte mit einem leisen Schauder, denn noch immer klangen ihm die Todesschreie Konskis im Ohr wieder: »Du bist gerächt, Kurt.«

Gegen Mitternacht erschienen die beiden Indianer und ließen sich so ruhig an einem der Feuer nieder, als ob sie von einer Jagdpartie heimkehrten.

Reizenstein warf einen Blick auf ihre ehernen Züge und sagte leise:, »Es sind mitleidslose Krieger –, aber es sind Männer.«

Erst spät fand er den Schlaf.

Am andern Morgen wurde der Rückmarsch angetreten.

Seit dem Tage ließ sich in Jersey kein feindlicher Indianer mehr erblicken.


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