Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

Siebentes Kapitel.

Weithin erstreckte sich das Lager der britisch-deutschen Armee auf der der Stadt Newyork gegenüber liegenden Insel Longisland.

Die zahlreichen Zelte, die Geschütze, der Wagenpark, die bunten Uniformen der Soldaten, scharlachrot die englische Infanterie, blau die Hessen, dazwischen Bergschotten in ihrer kleidsamen Tracht, Dragoner, gelb und hellblau, die langen Gewehrpyramiden in den Lagergassen boten dem Beschauer ein malerisches Bild, welches durch den Blick auf den nahegelegenen Meeresarm und die vor Anker liegenden gewaltigen Schlachtschiffe der Engländer ins Großartigste gesteigert wurde; nach Norden zu war dasselbe durch waldige Anhöhen eingerahmt.

Ein gar lebendiges Treiben zeigte das Lager, Ordonnanzen und Adjutanten sprengten nach dem Zelte des Oberbefehlshabers Sir William Howe oder von diesem hinweg nach anderen Teilen des Lagers oder in dessen Umgebung.

Fernher winkten die waldigen Höhen von Brooklyn, auf welchen die Kolonialtruppen in Verschanzungen standen, um von dort aus die Stadt Newyork zu decken, welche die größte und reichste in den englischen Besitzungen war.

Ueberall vor den Zelten brannten Feuer, und in den Kesseln über ihnen wurde gesotten und gebraten, denn nach dem beschwerlichen Uebergang von Staatenisland nach Longisland hatte der General der Armee einen Ruhetag gegeben, obgleich der Feind drohend in der Nähe stand und am Morgen schon auf dem linken Flügel der englisch-deutschen Aufstellung Oberst von Heeringen mit ihm Schüsse gewechselt hatte.

Die Hessen nahmen bis auf einige kleine Abteilungen, welche nach links geschoben waren, das Zentrum des sich lang hinstreckenden Lagers bei dem Dorfe Flatbush ein, aus welchem sie am vorigen Tage die Amerikaner verdrängt hatten.

Hier lagerte auch Oberst Rall mit seinem Regiment und den ihm zugeteilten Jägern unter Ewald.

Am lustigsten im Lager gings bei den Hessen zu, denn der Engländer und Schotte ist schweigsamer von Natur als unsere munteren Jungen, die nach einem erzwungenen Aufenthalt in England und nach langer, langer, beschwerlicher Seefahrt am 17. August auf Staatenisland wohlbehalten gelandet waren, begrüßt von dem tausendstimmigen Jubel der englischen Kameraden, sich glücklich preisend, den schwimmenden Gefängnissen, in denen sie wie die Häringe eingepökelt gewesen waren, entronnen zu sein und wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Daß der Feind in der Nähe stand, erhöhte ihre Stimmung.

Da saßen oder lagen sie in Gruppen vor ihren Zelten, einige waren mit Kochen beschäftigt, andere putzten eifrig an Montur, Waffen oder Lederzeug, denn es war strenger Befehl gegeben worden, daß die Regimenter am andern Tage sauber und adrett antreten sollten, wie sich's für Truppen des Landgrafen gezieme, während der größere Teil, die Pfeife im Munde, beschaulicher Ruhe pflegte. Dazwischen erklangen hier und da frische Soldatenlieder, unterbrochen von brausendem Jubel.

Dort vor dem kleinen Zelte auf einem darniedergelegten Baumstamm saßen der Sergeant Heisterhagen und Heinrich Rübenkönig, vor ihnen Hans. Ueber einem nahe befindlichen Feuer hauchte ein Kessel gar angenehme Düfte schmorenden Fleisches in die milde Luft. In der Oeffnung des Zeltes saß die Frau des Sergeanten Heisterhagen, eifrig an der Uniform ihres Mannes flickend, nur dann und wann einen Blick in den Kessel werfend.

Die Sonne schien, ob sie sich gleich schon zum Untergang neigte, warm hernieder, doch ein frischer Seewind mäßigte die Kraft ihrer Strahlen.

Hans, dessen Wangen von der Seeluft auf langer Fahrt gebräunt waren, sodaß er männlicher aussah als zuvor, fuhr in dem Wechselgespräche, welches die drei führten, fort: »Sie schießen gut, die Leute, das kann niemand leugnen, aber durchaus nicht besser als wir, und mit Bickel nimmts keiner auf. Ihre Büchsen sind länger als die unseren und haben kleineres Kaliber, sie tragen deshalb weiter, sind wir aber auf zweihundert Schritt heran, so sitzt auch Schuß für Schuß.«

»Diese Riflemänner sollen nur aus dem Hinterhalte fechten,« meinte Heisterhagen.

»Das ist richtig, und wir Jäger machen es jetzt ebenso. Vorgestern haben wir ihnen einen höllischen Schrecken eingejagt. Wir pirschten uns an eine Schar heran und pfefferten die Ueberraschten so weidlich, daß sie wie Hirsche flüchtig wurden. Die wissen nun, daß hessische Jäger ihren Mann zu nehmen wissen.«

»Ist alles ganz gut, Hans,« sagte Heisterhagen, »dieser kleine Krieg muß ja auch sein, und hier vielleicht mehr als bei uns, aber zur Entscheidung bringen kann jede Affaire nur das Bajonett, es ist die Königin der Waffen.«

»Nun,« lachte Hans, »Eure Bajonetts werden ja auch noch Arbeit bekommen. Mir gefällt so recht der Waldkrieg. Der Hauptmann hat mich neulich auch gelobt, er sagte, ich wäre einer der besten und ruhigsten Schützen der Kompagnie.«

Der Bruder nickte ihm lächelnd zu: »s' war Zeit, Hans, daß dein wildes Blut in die rechte Bahn geleitet wurde.«

»In der vorigen Woche,« fuhr Hans fort, »hatten wir ein paar Gefangene da drüben gemacht, einer davon war ein Deutscher.«

»Ein Deutscher?« fragte Heisterhagen.

»Ja. Er erzählte, er und seine Eltern seien schon vor Jahren aus der Pfalz hier eingewandert und wohnten mit vielen anderen Landsleuten da so oben – na ich kann die fremden Namen nicht behalten –.«

»Und der hat auf uns geschossen?«

»Er sagte, er würde nicht geschossen haben, wenn er gewußt hätte, daß er Hessen vor sich gehabt hätte. Es war ein ganz reputierlicher Mann, dessen Eltern ein Gut haben.«

»Und der steht auf Seiten der Rebellen?«

»Das sagte ich ihm auch. Er meinte aber, die Amerikaner hätten ganz recht, sich zu wehren, sie wären von den Engländern zu schlimm behandelt worden.«

»Rebellenpack ist's, das sich gegen seinen König auflehnt, nicht den Schuß Pulver wert, den man auf sie abfeuern muß,« murrte Heisterhagen. »Der König hat zu befehlen, und das Volk muß gehorchen. So war's immer. Das steht auch schon in der Bibel.«

»Na, mir ist's gleich,« meinte Hans gleichmütig, »ich tue meine Pflicht; warum die sich mit ihrem König zanken, ist mir gleichgiltig.«

»So ist's recht, Hans. Wir sind Soldaten und gehorchen. Punktum! Das Uebrige geht uns nichts an.«

»Das ist rechter Soldatenbrauch,« sagte Heinrich Rübenkönig.

»Wie ist denn das, Mutter,« wandte sich Heisterhagen jetzt an seine, die Nadel fleißig handhabende Frau, »kriegen wir denn heute noch was zu essen?«

»Nur Geduld, Alter, nur Geduld, alles zu seiner Zeit,« sagte die Frau mit dem derben, aber gutmütigen Gesicht, die schon manche Kampagne an der Seite ihres Mannes mitgemacht hatte, »hier muß ich für dich und Rübenkönig flicken, dort kochen, wo soll ich denn die Hände dazu hernehmen? Verhungern werdet ihr doch nicht.«

»Wenn's geschieht,« brummte Heisterhagen, »hast du uns auf dem Gewissen, Mutter,« und heimlich flüsterte er dem Sergeanten zu: »Ein Prachtweib, Heinrich, – das ist schon ihr dritter Feldzug, und immer munter – die Alte ging mit ins Feuer, wenn's sein müßte.«

»Ja, Heisterhagen,« nickte ihm der Sergeant lächelnd zu, »darfst stolz auf die Frau sein.«

»Aber, Mutter Heisterhagen,« sagte Hans, »hat denn das Flicken und Nähen nicht noch etwas Zeit? Mich däucht, der Hunger geht doch vor.«

»Nein, Herr Gelbschnabel,« erwiderte die Frau, »Er spricht, wie Er's versteht, die Uniform geht vor, die Propperté, das ist die Hauptsache, ohne Propperté kein Soldat, wenigstens kein Grenadier.«

»Nun ja, Mütterchen, sei Sie nur gut,« lachte Hans, der ein großer Liebling der Frau war, »es mag ja sein, wir Jäger nehmens nicht ganz so genau – wir –«

»Jäger sind keine Grenadiere,« sagte die Sergeantin, »also abwarten, Herr Jäger. Verstanden?«

»Da hast du's, Hans,« schmunzelte Heisterhagen, »laß dich mit der Alten nicht ein, bei der selbst Rall jüngst den kürzeren gezogen.«

»Vor Damen streckt man immer die Waffen,« sagte Hans, indem er sich erhob und einen Kratzfuß machte.

Nun mußte die Sergeantin lachen: »Setz' dich hin, Leichtfuß, ich will einmal nach dem Essen sehen.« Damit erhob sich die rüstige Frau und beschäftigte sich mit dem Kessel.

Aus der Gasse, welche zum Zelte des Obersten führte, schritt Leutnant von Reizenstein heran, dem drei bewaffnete Indianer folgten, die in der ihnen eigenen Tracht einhergingen und von den Soldaten neugierig angestarrt wurden. Er warf einen forschenden Blick auf die Gruppen rings herum und trat dann auf das lodernde Feuer zu, um welches Heisterhagen und die Rübenkönige saßen. Die Soldaten erhoben sich, als der Offizier ihnen nahte, und hefteten wie die anderen verwunderte Blicke auf die fremdartigen Gestalten der Wilden.

»Ich sehe, ihr richtet euch zum Abendbrot, Leute,« sagte Reizenstein, »und, wie bekannt, führt ja Frau Sergeant Heisterhagen eine gute Küche.«

Die Frau lächelte geschmeichelt. »Wenn Herr von Reizenstein versuchen wollen.«

»Muß dankend ablehnen, Frau Sergeant – aber wenn Sie diesen roten Kriegern Gastfreundschaft gewähren kann, wird Ihr der Oberst dankbar sein. Diese drei Männer vom Volke der Mohawks sind uns vom Oberkommando als Führer und Späher zugewiesen worden, Sergeant Heisterhagen, und man muß sie bewirten. Der Oberst schickt sogleich einen geschlachteten Hammel und einige Flaschen Rum. Würden Sie, Frau Heisterhagen, die Bewirtung übernehmen?«

»Lassen Sie die wilden Menschen nur bei uns, Herr Leutnant, es ist Fleisch genügend für uns alle da, und den Hammel können wir ja immer noch brauchen,« sagte Frau Heisterhagen.

»Trefflich. Gewährt ihnen also einen Platz an eurem Feuer und seid freundlich gegen sie.«

Er wandte sich dann zu den in ruhiger Haltung hinter ihm stehenden Indianern und richtete einige Worte in englischer Sprache an den jüngeren und, wie es schien, vornehmeren derselben, welche von dem Mohawk genügend verstanden wurde.

Es waren drei charakteristische Erscheinungen, diese Söhne der amerikanischen Wälder, die in ihrer ärmlichen, doch nicht unmalerischen Tracht hier inmitten des hessischen Lagers standen.

Sie trugen Strümpfe und Jagdhemden von gegerbter Hirschhaut, deren Ränder mit Fransen besetzt und mit kleinen Muscheln geschmückt waren. Ueber die Schultern hingen ihnen farbige wollene Decken, und das lang herabwallende dunkle Haupthaar bedeckten kleine Fellmützen; in den Händen trugen sie gute englische Gewehre. Mit ernstem Gesichtsausdruck und in würdevoller Haltung lauschten sie Reizensteins Worten. »Möge es dem Mohawkhäuptling gefallen, mit seinen Kriegern an diesem Feuer sich niederzulassen, meine Leute werden ihm Gastfreundschaft erweisen.«

Der jüngere der Indianer, dessen Mütze eine Adlerfeder schmückte, neigte zustimmend das Haupt.

»Wie nennt man den Mohawkhäuptling?«

»Die Mohawk nennen ihn Papaganawe, das ist in der Sprache der Inglis »der Blitz«, entgegnete der junge Wilde. »Häuptling Johnstone Sir John Johnstone war einer der begütertsten Leute der Kolonien und übte einen großen Einfluß auf die Eingeborenen aus. hat ihm den Namen eines berühmten Ingliskriegers beigelegt und nennt ihn Hotspur, seitdem er ihn im Kampfe gesehen.«

»Gut, Indianer, so bleiben wir bei Hotspur, das wird für unsere Zunge leichter zu bewältigen sein. Also, Sergeant,« wandte er sich zu Heisterhagen, »dieser junge Häuptling der Mohawks heißt Hotspur, auf deutsch Heißsporn, nehmt Euch für's erste seiner und der beiden anderen an. Ich suche Hauptmann Ewald auf und komme zurück, um nach Euren wilden Gästen zu sehen.« Er grüßte den jungen Mohawk und schritt davon.

Unsere Freunde befanden sich den Wilden gegenüber in einiger Verlegenheit, da ihnen außer der Geberde jedes Mittel fehlte, sich ihnen verständlich zu machen.

Mit einem Lächeln, welches jedem Hofmann Ehre gemacht hätte, verbeugte sich der junge Indianer leicht vor dem Sergeanten und sagte, den Zeigefinger auf die Brust legend: »Hotspur – Mohawk.«

Geberde und Haltung des Wilden waren so durchaus vornehm und erstere so verständlich, daß die Sergeanten augenblicklich seine Höflichkeit erwiderten und auch ihre Namen nannten, worin Hans nachfolgte.

Durch eine Handbewegung lud Heisterhagen die fremden Gäste zum Sitzen ein, worauf sich die Indianer ungezwungen niederließen.

»Sie sehen ein bißchen wild aus, diese roten Menschen,« sagte Frau Heisterhagen, welche die Indianer mit schlecht verhehlter Neugierde betrachtet hatte, »aber sie benehmen sich doch ganz manierlich.«

Der junge Häuptling, dessen ausdrucksvolles, dunkles Gesicht nicht ohne anmutige Linien war, welche dessen Strenge und düsteren Ernst milderten, fragte nach einiger Zeit: »Nicht Inglis? Hessian? He?«

Das verstanden unsere Leute, und: »Ganz recht,« sagte Heisterhagen, »Hessen.«

Der Indianer nickte befriedigt. Die Frau Sergeantin hatte unterdessen aus dem Kessel Stücke geschmorten Rindfleisches genommen, sie auf saubere Brettchen gelegt und überreichte diese improvisierten Teller jetzt den Indianern, welche alsbald ihre Messer zogen und kräftig zulangten.

Aehnlich verfuhr sie mit den anderen. Während desselben erschien eine Ordonnanz des Obersten und brachte den bereits angekündigten Hammel und einige Flaschen Rum als Zubuße zur Speisekammer der Sergeantin.

Das Feuerwasser mundete den roten Gästen sehr, und der Becher ging mehrmals in die Runde, am längsten stets bei den beiden Mohawkkriegern weilend, während Heißsporn nur mäßig trank.

Als Frau Heisterhagen bemerkte, mit welcher Begierde die rotfarbigen Krieger dem Rum zusetzten, brachte sie dessen Rest mit großer Ruhe im Zelte in Sicherheit.

Nach beendigtem Mahle nahmen die Sergeanten ihre Pfeifen hervor und füllten sie aus den vollen Tabaksbeuteln, welche sie bei sich führten. Hans, im Begriff ein gleiches zu tun, fing einen verlangenden Blick des Häuptlings auf, und da er in dessen Gürtel ebenfalls eine Pfeife bemerkte, bot er ihm seinen Tabak an.

Mit lächelnder Höflichkeit nahm der Indianer den Tabak und teilte auf Hans' auffordernde Geberde auch seinen Gefährten mit, so daß bald bei allen der blaue Dampf des duftigen Virginiakrautes zum Himmel stieg.

Die Indianer, welche eine gewisse Zurückhaltung beobachtet hatten, musterten ihre weißen Gastfreunde jetzt etwas genauer. Die herkulischen Gestalten der beiden Sergeanten imponierten ihnen bemerkbar, obgleich auch sie hochgewachsene, kräftige Männer waren.

Mit sichtlichem Wohlgefallen ruhte Heißsporns Auge auf dem jugendlich frischen, offenen Gesicht von Hans.

Dieser überflog nicht weniger teilnahmsvoll die Gestalten und Gesichter der roten Männer, derengleichen er hier zum erstenmale erblickte. Das gut geformte Antlitz des jungen Mohawk, dessen Profil an römische Bildwerke erinnerte, die dunklen, blitzenden Augen, die schlanke Gestalt von anmutiger und doch würdevoller Haltung mißfielen ihm nicht. »Also du heißest, Indianer? Bitte sage deinen Namen noch einmal,« redete er vertrauensvoll den neben ihm sitzenden Mohawk an, der zu grenzenlosem Erstaunen der anwesenden Europäer in ganz verständlichen deutschen Lauten erwiderte:

»Ihm heißen Hotspur, Mohawk ihm nennen Papaganawe.«

Es dauerte lange Zeit, bis die leicht begreifliche Verwunderung darüber, daß dieser rote Mann deutsch sprach, sich einigermaßen legte: »Was? Indianer, du sprichst deutsch?«

»Ihm paar Worte lernen, Mohawktal viel Deutsche, seit vielen Sommern, ganze Mohawktal viel Deutsche – sonst sprechen Sprache von Inglis. Er nicht wissen, daß Hessian Deutsche, glauben ander Volk.«

Das kam, obgleich untermischt mit einigen englischen Ausdrücken, ganz verständlich heraus.

»Nein, das ist wunderbar,« sagte Hans. »Frau Heisterhagen, haben Sie es denn gehört? Der rote Mann hier spricht deutsch.«

Die Sergeantin äußerte ihr Erstaunen wie die andern.

»Ihm nicht wunderbar,« sagte der Indianer, »er hören viel deutsch in Mohawktal, als kleiner Kind.«

»Na, weißt du, Indianer, dann passest du doch besser zu uns, als ich anfangs dachte – sei willkommen,« und er reichte ihm die Hand, welche der Indianer drückte.

»Häuptling Johnston und großer Mohawkhäuptling Joseph ihm senden her, weil gut verstehen Inglis und klein wenig deutsch.«

»Also, so viele Deutsche leben dort bei Euch?«

»Er viel, hundert, zweitausend, tausend.«

»Na, das hätte ich nie gedacht.«

»Häuptling Joseph meinen, Hotspur in Schule gehen, als noch Papuse zu Bruder von Herrenhut, aber das nicht möglich für Indianer, er laufen in Wald mit Bogen und Pfeil, das nicht möglich sein. Weißer Mann in großes Wigwam, lesen Buch, Indianer in Wald, so recht.«

Trotz der wiederholt eingemischten englischen Worte und der nicht sehr korrekten Aussprache des Deutschen, verstanden seine Hörer doch, was er meinte.

»Nun gut, fragen, wie er heißen – ihm sagen: Hotspur« –, er deutete mit seinem Finger auf seine Brust und legte ihn dann auf die von Hans – »wie Ihn nennen? Sprechen langsam, dann Ihm besser verstehen.«

»Hans Rübenkönig.«

»Gut, nennen Ihm Hans, ander zu schwer – Hans, Ihm nicht vergessen. Er junger Krieger.«

»Ja, Indianer, wir sind beide noch jung.«

»Fechten Ihm zusammen für König Georg. Hans schon fechten? he?« fragte er mit sichtlichem Interesse.

»Ach, du meinst, ob ich schon im Feuer war? Ja, schon dreimal.«

»Gut, Yankees töten? he?«

»Es mag wohl sein, mehrere meiner Kugeln trafen.«

»Gut, es gut.«

Die Bekanntschaft war nun hergestellt, und trotz seines wenigen und wunderlichen Deutsch und der den Soldaten mangelnden Kenntnis des Englischen dauerte die merkwürdige Unterhaltung fort, wie es schien zu beiderseitiger Zufriedenheit.

Die beiden Stammesgenossen Hotspurs saßen stumm und bewegungslos gleich ehernen Bildsäulen da und rauchten, anscheinend teilnahmslos für alles um sie her. Nur als der Hirschfänger des Jägers die Aufmerksamkeit des Häuptlings erregte, erwachte auch ihre Neugierde, und die Waffe wanderte, eifrig untersucht, von Hand zu Hand. Bereitwillig zeigten sie auch ihre Waffen, ihre Büchsen und die kleinen scharfen Beile, welche sie im Gürtel trugen. Das Benehmen der Indianer war so ruhig und gemessen, die Haltung Hotspurs in ihrer höflichen Anmut so vornehmer Art, daß unsere Soldaten auch hierüber nicht wenig erstaunten.

Reizenstein nahte mit Hauptmann Ewald, der eben von den Vorposten zurückgekehrt war.

»Dort sind die Indianer, Herr Hauptmann.«

»Also das sind die Verbündeten, welche uns Sir John zugewiesen hat?« und auch er musterte nicht ohne Interesse die roten Krieger.

Die Soldaten, wie auch die Indianer erhoben sich, als der Hauptmann herantrat. Hotspur trat ihm einige Schritte entgegen und grüßte ihn mit einer Handbewegung.

Ewald, des Englischen vollkommen mächtig, erwiderte den Gruß und sagte: »Der Mohawk ist mir gesendet, um mich in den Wäldern zu führen.«

Der Indianerhäuptling, welcher beim Erblicken des von Reizenstein hergeleiteten Hauptmanns eine ernste Würde angenommen hatte, erwiderte: »Hotspur ist von Johnston gesendet, um den Häuptling der Grünröcke im Wald zu führen, du sagst es.«

Ewald überflog die schlanke Gestalt des in ruhiger Haltung vor ihm stehenden indianischen Jünglings und betrachtete ihn nicht ohne Wohlgefallen.

»Der Häuptling ist jung,« sagte er, »doch ist er gewiß ein Krieger?«

»Mit unverkennbarem Stolze entgegnete der Mohawk: »Papaganawe ist ein Krieger, die Oneidas kennen seinen Schlachtruf, er trifft den Feind rasch wie der Blitz.«

Ewald lächelte bei diesem stolzen Selbstbewußtsein: »Ich höre, Sir John gab meinem jungen Freunde den Namen: Hotspur?«

»Er nannte ihn Hotspur.«

»Gut,« sagte er, »der Mohawk führt einen stolzen Namen, er ist gewiß ein Krieger. Wird Hotspur mich zu meinem Zelt geleiten, um Rat mit mir zu pflegen?«

Zustimmend neigte der Indianer das Haupt und schritt dann an der Offiziere Seite Ewalds Zelte zu, während die andern zurückblieben.

Dort angekommen, ließ der Hauptmann drei Feldstühle vor das Zelt tragen und lud den Indianer zum Sitzen ein. Da ihm aus Schilderungen die Weise der roten Männer nicht ganz unbekannt war, ließ er Pfeifen bringen und überreichte, nachdem er selbst einige Züge genommen hatte, Hotspur eine derselben, während er sich die andere anzündete. Reizenstein lehnte die Pfeife ab, da er nicht rauchte.

»Also der Mohawk wird mit uns fechten?«

»Er wird dem Häuptling die Waldpfade zeigen, aber er nicht fechten.«

»Und warum nicht?«

Ernst entgegnete der junge Indianer: »Mohawk großen Vater über dem Wasser lieben, aber nicht für ihn fechten, zu viel Yankeese rings um Mohawk Dörfer, er nicht kämpfen hier, nicht kämpfen da.«

»Ich verstehe und finde es von den Ureingeborenen ganz verständig, wenn sie sich nicht in den Kampf mischen. So bist du uns also nur als Führer zugeteilt?«

»Gerade so.«

»Nur Oneida schlagen tot wie Hund, er ausgestoßen von fünf Nationen.«

»Das ist eine Familienangelegenheit zwischen Euch. Kennt Hotspur die Wälder dort oben?« und Ewald deutete auf die Höhe von Guiana, wo die Amerikaner standen.

»Er war darin.«

»Und sah er den Feind?«

»Er sah ihn.«

»Und hat ihn gezählt?«

»Er sah Krieger zahlreich wie Bäume im Walde.«

»Sind viel Kanonen – d. h. viele der großen Büchsen dort oben? – Uns ist durch ordre de bataille der Angriff im Zentrum zugewiesen, Reizenstein,« sagte er deutsch zu diesem.

»Große Büchse – viel – so viel dort,« und er erhob die zehn Finger zweimal.

»Hat der Yankee Gräben gezogen, Bäume gefällt?«

»Tiefer Graben, zwei – drei. Viel Bäume – Yankee liegen hinter Baum und Graben.«

»Dort oben,« und der Hauptmann deutete aus den nördlichen Teil des Höhenzuges, »soll eine Schlucht nach Westen zu durch die Hügel führen, wenn unsere Karten nicht trügen. Kennt der Häuptling diese Schlucht?«

»Hotspur war darin –«

»Hat der Feind diese Schlucht besetzt oder versperrt?«

»Der Häuptling der Grünröcke kann hindurch gehen – kein Graben, dort kein Feind.«

»Ah, das ist eine wertvolle Nachricht, für welche ich dir danke, Indianer.«

Ewald, auf den die gelassene, würdevolle Höflichkeit des jungen Indianers wie seine einsichtsvollen Antworten, wenn sie auch nicht im besten Englisch gegeben worden, Eindruck gemacht hatte, erhob sich, um den Mohawk zu verabschieden.

»Hotspur ist mir willkommen als Pfadfinder. Morgen mit der Sonne bitte ich ihn, an meiner Seite zu sein. Für die Nacht wird er mit seinen Kriegern in den Zelten der Jäger schlafen.«

»Hotspur wird mit seinen Kriegern unter dem Zelte des großen Geistes schlafen.«

»Gut, Mohawk, wie Ihr wollt.« Er rief Hans heran, welcher mit den zwei Mohawkkriegern nachgeschlendert war: »Sorge dafür, Hans, daß diese Leute irgendwo in der Nähe untergebracht und nicht belästigt werden.«

»Zu Befehl, Herr Hauptmann.«

»Was hast du da in der Hand?«

»Solche Blätter gehen im ganzen Lager herum,« und er überreichte Ewald ein gedrucktes Blatt.

Dieser überflog es und gab dann Reizenstein: »Lesen Sie, eine rechte Yankeeteufelei.«

Es war nichts weniger als eine in deutscher Sprache abgefaßte Aufforderung an die hessischen Soldaten, zum Feinde überzugehen. Als Belohnung für den Eidbruch und Verrat war jedem Mann 100 Acker Land darin versprochen.

»Auf wirkliche Hessen wird es keinen Eindruck machen – aber es läuft auch fremdes Gesindel zwischen uns herum, und das dürfte solcher freundschaftlichen Aufforderung eher entsprechen. Laß uns das Blatt hier, Rübenkönig.«

»Zu Befehl.«

»Nun nimm unsere roten Gäste mit dir und sorge für eine ihnen zusagende Lagerstätte.« Er forderte die Mohawks auf, Hans zu folgen, und dieser führte sie zurück an das Feuer der Grenadiere.

»Lassen Sie uns beim Obersten vorsprechen, Reizenstein,« forderte er diesen auf, und eben schickten sich die Offiziere an, zu gehen, als zwischen den Zelten heraus Konski trat, der ein Blatt in der Hand trug ähnlich dem, welches Hans vorgezeigt hatte. Er ging auf den Hauptmann, als er ihn bemerkte, zu und meldete: »Dieses Blatt gefunden, wollte es gehorsamst abliefern.«

Ewald nahm es, warf einen Blick darauf, es war der ihm bereits bekannte Aufruf an die Hessen, und schaute den finstern Burschen, der in der Uniform des gemeinen Jägers vor ihm stand, ernst an.

Infolge seiner Desertion war er degradiert worden, doch würde er bei guter Führung oder bravem Benehmen vor dem Feinde seine Charge bald wieder erlangt haben, wenn nicht der Verdacht des Diebstahls auf ihm gelastet hätte. Hans und er waren während des Aufenthaltes der Division in England vor ein Kriegsgericht gestellt worden. Die Aussagen des Jünglings, unterstützt durch das in Kassel noch aufgenommene Zeugnis des Fischer, waren so klar und glaubwürdig, daß der Verdacht des Diebstahls einzig auf Konski haften blieb und zwar um so mehr, als er weder sein nächtliches Umherschleichen auf den Gängen der Kaserne genügend zu erklären vermochte – er leugnete das Zusammentreffen mit Hans überhaupt ab –, noch sich vor allem über den Besitz einer nicht unbeträchtlichen Summe in Gold, welche sich in seiner Uniform eingenäht fand, ausweisen konnte.

Indessen war ihm nichts zu beweisen, und man mußte ihn freigeben, doch hielt ihn jeder für den Dieb, und die Jäger zogen sich von ihm zurück, so daß der Mann noch einsamer war als vorher.

»Hat Er das Blatt gelesen, Konski?«

»Zu Befehl, Herr Hauptmann, ja.«

»So? Glaubt Er, daß es Wirkung auf unsere Truppen hat?«

»Ich denke besser von der Treue der hessischen Soldaten.«

»Nun, das ist ja sehr schmeichelhaft für sie,« bemerkte Ewald trocken, »ich hoffe, auch Er wird dieser Einladung zu widerstehen vermögen, ein Versuch, ihr Folge zu geben, könnte diesmal schlimm ablaufen.« Er winkte ihm ab, und Konski verschwand rasch hinter dem Zelte.

»Ich kann den unheimlichen Burschen gar nicht an den Feind bringen, der geht am hellen Tage über.«

»Wenn ich den Menschen sehe,« sagte Reizenstein, »und er mich mit seinem halb tückischen, halb scheuen Blick anblinzt, befällt mich stets ein unsäglicher Widerwillen.«

»Der Bursche wird im Auge behalten und bei der ersten verdächtigen Bewegung niedergeschossen. Weshalb der Kerl damals desertiert ist, vor einem Kriege, der ihm Sold und Beute verheißt, ist mir ein Rätsel geblieben, die Aussagen, die er machte, waren freche Lügen, und feige ist der Kerl nicht.«

»Die Leute sagen, er sei schon einmal hier drüben gewesen und bewahre unheimliche Erinnerungen an die Kolonien.«

»Wahrscheinlich wird Gevatter Dreibein hier auf ihn warten. Schade, wenn der um ihn betrogen würde.«

Sie nahten dem Zelt Oberst Ralls und traten in dasselbe ein.

Die Nacht sank hernieder, und die Soldaten suchten ihre Ruhestätten, nach und nach erlosch aller Lärm im Lager, die Feuer brannten niedriger, und nur von Zeit zu Zeit hörte man aus der Entfernung den Ruf der Außenposten: Alls well! Die Indianer hatten sich unter einer spanischen Eiche, in ihre Decken gehüllt, niedergestreckt, Hans sich zu seiner Kompagnie begeben. Im kleinen Zelte schliefen die beiden Sergeanten, aber vor demselben an dem noch hell brennenden Feuer saß Frau Heisterhagen, immer noch mit den derben Fingern an großer und kleiner Montur sorgsam ausbessernd, damit morgen, als am Schlachttage, ihr Mann, in ihren Augen, der schönste Soldat im Heere, in aller »Propperté« im Gliede stände, wie sich's ziemte für einen Sergeanten im hochlöblichen Grenadierbataillon Rall.


 << zurück weiter >>