Franz Treller
Der Gefangene der Aimaràs
Franz Treller

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Die beiden Chibchas

Don Sancho Tejada war in Naëva zurückgeblieben, nachdem die Mehrzahl der Jahrmarktsgäste sich zerstreut hatte, was zufolge der Unglücksbotschaft aus den Bergen schneller als vorauszusehen geschehen war. Dennoch weilten noch viele Gäste, vor allem Farbige, in der Stadt, und auch auf dem Fluß ankerten noch zahlreiche Fahrzeuge, die stromauf und stromab gekommen waren.

Es ging Sancho Tejada nicht schlecht in Naëva, trotzdem fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Seine Hoffnung, hier etwas von dem Jungen d'Alcantara zu erfahren, war fehlgeschlagen; niemand hatte etwas von einem noch lebenden Sohn Don Pedros gehört und niemand glaubte, daß ein solcher noch unter den Lebenden weile.

Aber eine andere Erfahrung hatte Tejada machen können. Wo immer er herumhörte, hatte er Lobsprüche über die d'Alcantaras anhören müssen, und darüber, daß Carlos de Valla in den Llanos durchweg gehaßt wurde, konnte für ihn auch kein Zweifel mehr bestehen. Er befand sich also in jedem Falle in einer höchst peinlichen und keineswegs ungefährlichen Lage. Denn Carlos de Valla bildete sozusagen die einzige Hoffnung, von der er noch zehrte. Schlug diese Karte fehl, blieb ihm kaum noch etwas anderes übrig als der Weg ins Ausland. Aber auch hier waren die Möglichkeiten nur mehr sehr beschränkt. Nach Peru und Bolivien konnte er nicht gehen; dort kannte man ihn ein wenig zu genau; in Peru war er gerade erst unter schwierigen Umständen entwichen, als er in Bogotá auftauchte. Also blieb eigentlich nur noch der Weg nach Brasilien oder übers Wasser, wenn es ihm nicht gelang, den Auftrag des Ministers auszuführen.

Was aber konnte er in dieser Richtung noch tun? Die letzte Hoffnung setzte er auf die Gegend am Ocoa; diesen Versuch würde er noch machen. Es stand viel, es stand genau genommen alles für ihn auf dem Spiel. Gelang es ihm, den Auftrag de Vallas auszuführen, dann war er mit ziemlicher Sicherheit wieder ein gemachter Mann; der Minister hatte dann kaum noch die Möglichkeit, ihm einen Wunsch abzuschlagen.

Unweit von Tejada saß, mürrisch und in sich versunken wie immer, sein indianischer Peon. Der Mann tat pünktlich und ordentlich seinen Dienst, aber das war eigentlich auch das einzige Gute, was der zweifelhafte Caballero von ihm zu sagen wußte. Allenfalls noch, daß er kaum Spanisch sprach und verstand; dadurch war ihm das Lauschen erschwert. Weniger erfreulich war die Neigung des Mannes, seine Nächte im Freien zuzubringen, eine Angewohnheit, die er freilich mit vielen seiner Stammesgenossen teilte und die deshalb weiter nichts Auffallendes an sich hatte. Trotzdem, sie wirkte sich manchmal unangenehm aus: oft war der Mann gerade dann nicht zur Stelle, wenn man ihn am nötigsten brauchte.

Während der würdige Don noch über die Schritte nachdachte, die er demnächst zu unternehmen habe, näherte sich der Posada, in der er saß, auf der Straße ein Reiter auf reichlich erschöpftem Maultier. Er schien nach Kleidung und Sattelzeug ein wohlhabender Haziendero; das Gesicht beschattete der Rand des Sombrero.

Der Mann hielt, ohne abzusteigen, vor der Veranda, auf der Tejada in einem Schaukelstuhl saß.

»He, Posadero!« rief er, ohne von dem Mann auf der Veranda Notiz zu nehmen.

Der Wirt erschien in der Tür.

»Habt Ihr Unterkunft für Mann und Tier?« fragte der Reiter.

Der Posadero dienerte. »Sehr wohl, Señor. Beliebe es Euer Gnaden nur abzusteigen.«

»Ausgezeichnet. Zuvor eine Frage: Wißt Ihr, ob Señor Martinez noch am Ort ist?«

Der Wirt überlegte einen Augenblick; Martinez war ein reicher Gutsbesitzer der Llanos. »Kaum, Euer Gnaden«, sagte er dann, »die Caballeros haben Naëva alle verlassen, als die Unglücksbotschaft aus den Bergen eintraf. Ich erinnere mich jetzt: auch Señor Martinez war unter den Abreitenden.«

Der Mann unterdrückte mühsam einen Fluch; er schien äußerst verärgert. »So habe ich den beschwerlichen Ritt vergebens gemacht«, schimpfte er; »ich war sicher, ihn hier zu treffen.«

»Ja, das hättet Ihr auch, aber das Unglück, Herr; sicher wißt Ihr noch nicht – –.«

Der Mann winkte ab: »Erzählt mir das später. Jetzt schafft etwas zu essen und zu trinken. Wenn mein Peon kommt, meldet es mir; sein Tier lahmte und blieb zurück. Schnell etwas zu essen, ich komme um vor Hunger.« Der Mann stieg ab und folgte dem Wirt ins Haus; ein herbeigeeilter Peon nahm sich seines Maultieres an.

Tejada sah dem Fremden mißmutig nach. Auch einer dieser reichen Halunken, die von Hochmut bersten, dachte er. Maxtla aber, der angeblich Juan hieß und von dem man, wenn man ihn dahocken sah, meinen sollte, daß er vor lauter Stumpfsinn überhaupt nichts wahrnehme, Maxtla hatte in dem Mann auf den ersten Blick jenen Reiter erkannt, der, von einem Alguacil verfolgt, in den Bergen ihren Weg gekreuzt und von dem der Polizeioffizier gesagt hatte, daß er der Zutreiber von Flußpiraten sei.

Oh, wenn der Señor Tejada hinter der niedrigen Stirn seines Peons hätte lesen können! Der Mann sprach zwar das Spanische tatsächlich nur holprig und schwerfällig, verstand es aber genau genug. Seinem geschulten indianischen Ohr entgingen kein Laut und kein Wort, er hatte genau in der Erinnerung, was der Alguacil über den Verfolgten und die Räuberinsel in einem der großen Flüsse geäußert hatte.

Die Nacht war herabgesunken, die Leuchtkäfer begannen zu schwirren, und Fledermäuse zogen in geisterhaftem Flug durch die Luft. Sancho Tejada erhob sich. »Morgen mit Tagesanbruch reiten wir«, rief er seinem Peon zu. Der nickte gleichmütig.

Der Señor aber trat in den Gastraum, wo er den fremden Reiter traf, der eben dabei war, seine Mahlzeit zu beenden. Tejada trat auf ihn zu. Er nannte seinen falschen Namen und sagte, er freue sich, noch auf eine Stunde Gesellschaft gefunden zu haben.

Der Mann sah auf und maß Tejada mit einem scharfen, prüfenden Blick. Er bedauere sehr, sagte er alsdann, aber er müsse den Caballero enttäuschen. Er habe einen endlosen, sehr beschwerlichen Ritt hinter sich und sei hundemüde. Er gedenke sich gleich zur Ruhe zu begeben. Er schob Teller und Glas beiseite und ließ sich von dem herbeieilenden Posadero in sein Zimmer bringen. Don Sancho, erbittert, mit sich und der Welt unzufrieden, bestellte sich eine Flasche Wein und gab sich resigniert wieder den beunruhigenden Gedanken hin, denen er hatte entfliehen wollen.

Maxtla hockte noch eine Weile unbeweglich in seiner Ecke auf der Veranda, dann erhob er sich und schlug, auf die Straße tretend, den Weg nach dem Fluß ein. Im Schatten der Häuser entlangschleichend, kaum wahrzunehmen in der Dunkelheit, von keinem Menschen bemerkt oder auch nur beachtet, schlich er durch die engen Gassen und erreichte bald die Stelle, die Kähnen und Flößen als Landeplatz diente. In einer Einbuchtung waren hier mehrere große Kähne festgemacht, Fahrzeuge, wie sie die Landleute zur Verfrachtung ihrer Bodenerzeugnisse benützen, dazwischen lagen auch mehrere kleinere Boote und indianische Canoas. Trotz der starken Dunkelheit erkannte Maxtla, der diesen kleinen Hafen, wie überhaupt die ganze Umgebung schon in mehreren Nächten scharf beobachtet hatte, sofort ein neu angekommenes größeres Boot, das dicht am Ufer lag und mit einem Halbverdeck versehen war. Das Boot war leicht vertäut und so gelegt, daß es ohne besondere Mühe in den Strom zu bringen war.

Der Indianer ging geräuschlos weiter, seine dunklen Augen auf alles richtend, was in seinem Gesichtskreis erschien.

Er kam in die Nähe einer luftigen, aus Bambusstauden errichteten Tienda, einer jener Wirtschaften, wie sie hier an den Flüssen zu finden waren, in denen vorwiegend Farbige verkehrten. Nur mäßig beleuchtet, ließen die offenen Räume gleichwohl einen Überblick über die im Inneren befindlichen Gäste gewinnen. Die Männer, die hier in der Tienda saßen, waren vorwiegend Peons, Feldarbeiter und kleine Grundbesitzer, fast ausschließlich Indianer. Der Rest bestand aus Mulatten und Negern.

Maxtla überblickte, langsam vorbeischlendernd, den niedrigen Schankraum. Eine Gesellschaft von sechs Personen, an einem Tisch sitzend, erregte sein besonderes Interesse. Es waren drei Indianer, ein Neger und zwei Zambos, die dort saßen. Maxtla war sicher, in dieser Gesellschaft die Bemannung des Bootes vor sich zu haben, das er vorher am Ufer gesehen hatte. Er trat, zurückschlendernd, ein und ließ sich in der Nähe des Tisches, ein wenig abseits, nieder. Verstohlen musterte er die nur mit Hemd und Hose bekleideten Gesellen, deren Häupter breitrandige Strohhüte deckten, bestellte sich eine Limonade und entzündete sich eine Cigarrito. Er erregte, da mindestens zwanzig seiner Stammesgenossen im Raum weilten, keinerlei Aufmerksamkeit; kein Mensch drehte sich nach ihm um.

Die Leute an jenem Tisch wechselten nur wenige Worte in spanischer Sprache. Die bei ihnen sitzenden noch schweigsameren Indios warfen dann und wann eine Bemerkung im Chibchadialekt dazwischen.

Einer der Indianer, der schweigsamste von allen, weckte Maxtlas besondere Aufmerksamkeit. Es war dies ein hagerer Geselle mit einem verschlossenen, düsteren Gesicht; er trug eine dünne Schnur mit einem kleinen, kaum bemerkbaren Zierat am Hals.

Als er einmal zufällig nach der Seite herübersah, wo Maxtla saß, nahm dieser nachlässig seinen Hut ab, als ob es ihm zu warm sei, und strich mit der rechten Hand sein Haar langsam von rechts nach links hinüber.

In den Augen des Indios funkelte es auf; nach einiger Zeit bewegte er die Finger seiner linken Hand leicht über das linke Auge, worauf Maxtla seinen Hut wieder aufsetzte, um gleich darauf aufzustehen und die Tienda zu verlassen.

Nach einiger Zeit folgte ihm der andere Indio und ging zum Fluß hinunter. Forschend sah er sich hier um. Ein leises Zischen ließ ihn zusammenzucken; es kam von einem Lorbeergebüsch. Schattenhaft gewahrte er dort eine Gestalt. Rasch ging er auf den Busch zu und stieß ein leises Wort im Chibchadialekt hervor. Ein anderes Wort in der gleichen Sprache antwortete ihm. Maxtla, der Peon, trat hinter dem Buschwerk hervor; die Indios reichten sich die Hände.

»Ich habe dich als Sohn der heiligen Berge erkannt«, sagte Don Sanchos Peon. »Ich bin Maxtla, der Sohn Jolols.«

»Ich bin Huatl, der Sohn Loxitls«, sagte der andere.

»Wir sind Brüder des gleichen Stammes.«

»Wir sind Brüder.«

»Wie kommt der Sohn der Felsen in das Boot auf den Flüssen der Steppe?«

»Ich schlug einen großen Caudillo und mußte fliehen. Ich fand Zuflucht auf den Flüssen. Wie kommt Maxtla hierher?«

»Ich lebe schon lange in den Städten der Llanos, fern von den heiligen Felsen. Ich habe gefochten in den Kriegen des Landes. Ich bin hier als Peon im Dienst eines Bandidos, der sich für einen Caballero ausgibt. Er ist ausgesandt, das Leben eines jungen Weißen zu nehmen. Der junge Weiße aber wird nicht sterben, denn Maxtla schützt ihn. Sein Vater, ein großer Caudillo, hat Maxtla Gutes getan. Maxtla vergißt das nicht.«

»Maxtla wird den jungen Weißen schützen. Die Söhne der heiligen Felsen sind treu.«

»Was tut Huatl hier in der Stadt?« fragte Maxtla.

»Wir erwarten einen Mann, der uns hier treffen will, und halten das Boot für ihn bereit, das im Fluß liegt.«

»So gehört Huatl zu den Piratas der großen Ströme?«

»Warum fragst du das?«

»Maxtla hat von den Piratas gehört und von der großen Insel im Fluß. Er sah auch den Mann, den ihr erwartet, er sah das Boot zur Abfahrt bereit liegen, er wußte, daß ihr ihn erwartet. Und warum ich dich frage: Ich will und muß den jungen Weißen schützen. Ich muß alles wissen, was ihm Gefahr bringen könnte. Ich weiß nicht, was mein Bandido Böses sinnt, aber vielleicht ist er mit der Insel und den Piratas bekannt; es ist möglich.«

»Ich weiß nichts«, sagte Huatl. »Ich weiß nur, daß wir hier auf einen Señor warten, der nur selten auf der Insel erscheint.«

»Huatl wird mir sagen, wo die Insel liegt?«

Der andere zögerte; er schien unschlüssig.

»Du sprichst zu deinem Bruder«, sagte Maxtla, »und nur zu ihm. Ein Chibcha hat nur ein Wort.«

»Ich will es dir sagen«, versetzte Huatl. »Im Meta liegt die Insel, es ist die dritte stromab nach der Mündung des Icaho. Dort wohnen die Piratas des Orinoko und fangen die Fische und die Flöße, die mit dem Strom hinabfahren. Huatl sagt es nur seinem Bruder.«

»Es bleibt verschlossen in meinem Herzen. Fühlt mein Bruder sich glücklich bei den Piratas?«

»Nein, Huatl ist nicht glücklich. Der böse Geist hat ihn zu den Piratas getrieben. Aber ich fürchte mich, an Land zu gehen; die Weißen würden mich töten.«

»Sehnt Huatl sich nicht nach seinen Bergen?«

»Er träumt Tag und Nacht von ihnen.«

»Er wird sie wiedersehen. Maxtla hat große Freunde unter den Caudillos der Weißen, er wird Huatl rufen, wenn es Zeit ist.«

»Du gibst mir das Leben wieder, Bruder. Huatl wird kommen, wenn Maxtla ihn ruft.«

Sie schüttelten sich die Hände, und Huatl ging zu dem Boot hinab, zu dessen Mannschaft er gehörte.

Maxtla indessen ging nach der Stadt zurück. Er wußte nicht, was sein gegenwärtiger Herr im Schilde führte, aber er hatte Wichtiges erfahren. Vielleicht würde er es brauchen können. Die Piratas und ihr Treiben waren ihm dabei gleichgültig; er war in den grausamen Kämpfen der Zeit abgehärtet.

Auf seinem Wege durch die dunkle Nacht sann der Indio unentwegt nach, was er weiter tun könne, um die Anschläge Don Sanchos zu verhindern. Zwar schien Tejada vorerst keine Ahnung davon zu haben, wer der gefeierte Alonzo de Vivanda war, aber Maxtla wußte andererseits, daß der Bandido klug war und sich gut zu verstellen wußte. Der Zug, den Alonzo in die Berge unternommen hatte, konnte leicht nur eine Verzögerung in seinen Maßnahmen gegen den Jüngling bedeuten. Wußte er wirklich noch nichts von der Existenz Alonzo d'Alcantaras, so konnte doch jeder Augenblick ihm die Gewißheit bringen. Und dann kannte er den mächtigen Mann in Bogotá, dessen Rücksichtslosigkeit und dessen Macht; er wußte, daß dieser nicht zögern würde, sie gegen jeden zu gebrauchen, der seinen ehrgeizigen Plänen im Wege stand.

Und auch dem Minister konnte ja nicht lange verborgen bleiben, wer sich hinter dem Namen Alonzo de Vivanda verbarg. Maxtla hätte am liebsten seinem Instinkt nachgegeben und wäre Alonzo in die Berge gefolgt, aber er wagte es andererseits nicht, Tejada zu verlassen, um nicht den Mann aus dem Auge zu verlieren, von dem er am meisten für seinen Schützling fürchtete.

So klug der Indianer in seiner Art war und so sorgfältig er alles beobachtete, was auf den Señorito Alonzo Bezug hatte, so sehr er umherhorchte und umherspürte, so hatte er doch eine phantastische Vorstellung von der Klugheit der Weißen auf anderen Gebieten als denen, auf denen er zu Hause war. Eine besondere Scheu hatte er vor deren brieflichen Mitteilungen. Hätte er damit die Gefahr für Alonzo beseitigen können, er hätte keinen Augenblick gezögert, die Waffe gegen Tejada zu erheben, mit dem er ohnehin eine alte Rechnung auszugleichen hatte. Aber er sah in ihm zunächst den Mittelpunkt aller gegen Alonzo gerichteten Angriffe und heftete sich darum fest an seine Sohlen. Einstweilen war Alonzo in den Bergen und sicher vor seinen Feinden. Kam er zurück, so würde Maxtla ja sehen, was Tejada unternahm, und würde seine Maßnahmen treffen.

Ein Mann kam ihm entgegen. Trotz der Dunkelheit erkannte Maxtla in ihm den seinerzeit von dem Alguacil Verfolgten. Der Mann blieb stehen, sah ihn an und fragte: »Wie kommt man zum Fluß?«

»Señor gehe nur geradeaus; er wird ihn bald vor sich haben«, antwortete Maxtla.

Der Mann ging raschen Schrittes weiter, und der Indio schlich ihm in gebückter Haltung im Häuserschatten nach. Er hörte, wie der Mann das Boot mit dem Halbverdeck anrief und einige Worte mit Huatl wechselte, die er indessen nicht verstehen konnte.

Darauf ging der Fremde langsam zurück und auf die Tienda zu, in der Huatls Gefährten saßen. Und wieder folgte ihm Maxtla unbemerkt.

Der Mann betrat die Wirtschaft und ließ sich an dem Tisch neben der Bootbesatzung nieder. Er wurde augenscheinlich erkannt, denn einer der Zambos wechselte mehrere Zeichen mit ihm. Der Fremde bestellte sich Limonade.

Zwei von den Leuten des Tisches entfernten sich und schlugen, wie Maxtla feststellen konnte, den Weg nach dem Fluß ein.

Plötzlich betrat ein Alguacil den Raum; augenblicklich trat eine lähmende Stille ein. Maxtla erkannte in dem Ankömmling den Beamten, der Tejada und ihm in den Bergen begegnet war.

Der Alguacil hatte sich kaum flüchtig in der Tienda umgesehen, als derjenige, den er suchte, einen gellenden Pfiff ausstieß, und mit einigen Sprüngen, ein paar Schemel umwerfend, im Dunkel verschwand. Ihm folgten, ihr Messer ziehend, die drei, die noch von der Bootbesatzung anwesend waren, und alle liefen in höchster Eile dem Fluß zu.

Eine Pistole in der Hand, sprang der Alguacil ihnen nach. »Fangt sie, fangt sie!« rief er, »hundert Pesos dem, der sie fängt!«

Aber die allgemeine Verwirrung war viel zu groß, als daß sie nicht hemmend auf die Anwesenden gewirkt hätte. Ein Schuß draußen belehrte den Alguacil, daß er sich dem Verfolgten nicht ohne äußerste Lebensgefahr nähern könne. Mittlerweile liefen auch Leute, allerlei fragwürdige Gestalten darunter, draußen zusammen. Der Beamte mußte sich buchstäblich, mit der Waffe in der Hand, durchkämpfen. Aber als er sich dem Fluß näherte, sah er nur noch ein Boot, das sich mit schnellen Ruderschlägen vom Ufer entfernte und auf die Mitte des Stromes zuhielt.

Die Aufforderung des Mannes an die Umstehenden, den Flüchtigen in einem anderen Boot nachzusetzen, stieß auf wenig Gegenliebe. Niemand verspürte Lust, sich den Schüssen der Verfolgten auszusetzen; dem Beamten blieb nichts übrig, als sich zurückzubegeben, während die Ruderschläge des schnellen Fahrzeuges in der Ferne verhallten.

Der Alguacil war bald nach dem Fremden in der Posada erschienen und hatte erfahren, daß sich ein Mann seiner Beschreibung dort aufhalte. Der aber hatte sich rechtzeitig durch das Fenster entfernt, und der Alguacil, der seine Lanzeros, ihrer ermatteten Tiere wegen, hatte zurücklassen müssen, sah sich abermals um den Erfolg seiner Mühen betrogen.

»Aber ich bekomme ihn noch«, sagte er zu Sancho Tejeda, dem er sein Leid klagte; »verlaßt Euch darauf, er entwischt mir nicht.«

Don Sancho versicherte, daß er davon überzeugt sei und wünschte im Stillen, daß der Pirata schlau genug sein möchte, seinem hartnäckigen Verfolger zu entgehen.


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