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25. Das goldene Gespenst.

Ich will Dir ein Zeichen machen.

Die erste Sonne schaute am vierten Schöpfungstage auf die neugeborene Erde herab, sah den Staub der Berge und ließ in diesem Staube einen Strahl ihres Glanzes zurück. Der Staub verwandelte sich in Gold, und das Gold war gut, wie alles, was Gott erschaffen hatte.

Einige Zeit nach dem Fall der Menschen streifte die Schlange draußen vor der verschlossenen Paradiesespforte und fand dieses Gold im Sande. Sie sah es mit ihren Schlangenaugen an, fand es für ihre Zwecke geeignet und sagte: »Gold, Du sollst mein Diener sein.«

»Ich diene meinem Schöpfer,« antwortete das Gold. »Ich bin das Werk seiner Hände.«

»Das Weib und der Apfel waren auch Gottes Werke,« sagte die Schlange. »Ich habe Macht über alles Erschaffene empfangen und darf es zu Versuchungen brauchen, damit die Menschen sich frei entscheiden können für mein Reich oder für das Reich dessen, den ich nicht nennen darf.«

»Was soll ich denn thun?« fragte das Gold.

»Du sollst zween Herren dienen. Du sollst einen Wiederschein vom unschuldigen Licht der Sonne behalten, aber zugleich auch den Schlangenglanz aus meinen Augen empfangen. Geh und thue dein Werk. Ich will Dir ein Zeichen machen, daß man Dich wiedererkenne.«

Und die Schlange schrieb auf das Gold das Zeichen des selbstsüchtigen Geistes: Mein. Sie wußte es wohl, daß das Zeichen der ewigen Liebe die Selbstverleugnung sei und: Dein heiße.

Zwei Knaben, sie hießen Kain und Abel, spielten am Ufer des Flusses und sahen einen leuchtenden Stein, dessen Glanz ihnen gefiel. Beide riefen: mein! und streckten zu gleicher Zeit die Hände aus, um das Gold zu ergreifen. Aber Kain war der stärkste und stieß seinen Bruder zurück. Das war der erste Streit zwischen den Brüdern, und er galt dem mein.

Der Menschengeist stammt vom Licht und liebt alles Leuchtende. Das Gold schien den Menschen mit Sonnenglanz, mit Schlangenlicht in die Augen und sie brauchten, es zum schönsten Schmuck. Es schmückte Pharaos Haupt, Sodoms Thore, Thamars Locken, Brahmas Pagode, Isis Tempel und das goldene Kalb. Der Herr sprach zu dem Golde: »Weshalb dienst Du Tyrannen, Spöttern, Buhlerinnen und falschen Göttern?«

Das Gold antwortete: »Ich will auch Dir dienen, o Herr, und Deinen Gerechten.« Da krönte es Deboras Helm, Davids Haupt und Salomos Tempel bis ins Allerheiligste hinein.

Das Gold ging in den Schmelzofen und ward ein Wertmesser für das, was die Menschen mein nennen. Dadurch wurde es etwas anders, als es ursprünglich war, es stellte das Eigentum dar und empfing den Namen Geld. Bisher hatte es nur die Augen geblendet, nun erhielt es Gewalt über den Schmiedeofen der Seele, die Einbildungskraft. Wenn der Schmied des Gedankens ausging, wenn sein Ambos, der Wille, ruhte, und seine Mutter, das Gefühl, in die Glut blies, dann kamen die unbändigen Zwerge des Traumes in die Schmiede hinein und hämmerten auf die Schlacken der Esse. Von der Zeit fing das Gold an, als Gespenst umzugehen.

So ging das Gold mit seinem Sonnenglanz und Schlangenlicht durch die Zeiten, Völker und Länder, diente beständig zween Herren, und auf seiner Stirn stand geschrieben: mein. In seinen beiden Gestalten, als Schmuck und als Geld, tanzte es geisterhaft vor den Augen der Menschen: es trieb die Argonauten, das goldene Fließ zu holen, es plünderte Troja und Jerusalem, es häufte seine Schätze in Rom auf, und die Kaiser merkten es nicht, daß die Thränen der Völker wie ein Fluch auf ihm ruhten. Es zeigte den Barbaren den Weg nach der goldenen Stadt, es führte die Wikinger nach den Goldländern des Südens, es ging mit Kolumbus, um Indien zu finden, mit Fernando Cortez, um Mexiko zu erobern und mit Cook, um die Welt zu umsegeln. Es hat zur Ausbreitung des Reiches Gottes in fernen Ländern Großes gethan, es hat Wüsten in Gärten verwandelt, ward die Mutter großer Entdeckungen und nützlicher Erfindungen, organisierte den Handel und verband die Völker miteinander. Aber immer und überall blitzte der Schlangenblick aus ihm heraus.

Der Sonnenglanz des Goldes legte sich über allen Erwerb, den ehrlichen sowohl wie den falschen und betrügerischen. Warum sollte nicht der Staatsmann, der weise Gesetze gab, sein Land in güldenem Glanze sehen? Warum sollte nicht der Fabrikherr, der so vielen Arbeitern Brot gab, goldene Fäden auf seinen Maschinen spinnen? Und warum sollte nicht der Arbeitsmann, der für Weib und Kinder arbeitete, schon am Anfang der Woche berechnen, wieviel er am Schluß derselben fordern könne, und also seinen Pflug, sein Beil, seine Säge im Glanz des Goldes sehen? Aber andrerseits – und hier mischte sich der Glanz des Schlangenauges mit dem Sonnenschein – warum sollte der Krieger, der in die Welt hinauszog, um fremde Länder zu erobern, sich nicht goldene Berge in fernen Reichen der Erde ausmalen? Warum sollte der Wucherer, der seine Papiere und schwarzen Striche auf Raub aussendet, nicht mit Entzücken an die goldene Ernte denken? Warum sollte dem Spieler nicht träumen, seine Nummer komme heraus oder seine Karte werde gewinnen?

Der Philosoph saß bei seiner einsamen Lampe und forschte in der Nacht nach dem letzten Grunde aller Dinge. Das Gespenst trat an ihn heran, hielt seine Hand vor die Lampe und zeigte ihm im Dunkel sein leuchtendes Gesicht. »Ich verstehe Dich,« sagte der Forscher, »Du bist die Quelle des Alls, das Lebenselixir, der Weisen Stein!« Und er suchte diesen Stein im Schmelzofen, bis seine Augen geblendet waren, sein Arm müde hinsank und das Licht seines Lebens erlosch.

Da lachte die Schlange, als sie wieder am Baum der Erkenntnis den forschenden Menschengeist überlistet hatte. Aber der Herr sprach zum Golde: »Was machst Du? Du raubst mir die höchsten Triebe, die ich in den Menschen hineingelegt habe.«

»Herr,« antwortete das Gold, »siehst Du denn meine nützlichen Werke nicht? Bin ich nicht die Mutter des Fleißes? Treibe ich nicht mächtig zu neuen Erfindungen? Drücke ich nicht meinen Ring an den Finger der glücklichen Braut? Klinge ich nicht so hübsch in der Sparbüchse für die Armen? Habe ich nicht unzählige wohlthätige Einrichtungen gegründet und dein heiliges Wort in so vielen heidnischen Ländern ausgebreitet? Herr, siehst Du nicht, daß ich in der Kirche Buße thue? Strahlen Deine Altäre nicht in meinem Glanz? Schmücke ich nicht Deines Sohnes Bild und das mit Sternen besäete Kleid der Gottesmutter? Scheine ich nicht als Glorie um die Häupter der Heiligen?«

Gott wußte das alles wohl, aber er wartete auf die Fülle der Zeiten. Mit wachsender Macht schritt das Gold in der Welt vorwärts. »Es ist nicht genug,« sagte die Schlange, »daß auf Deinem Gesichte: mein geschrieben steht; daneben soll auch mehr stehen!«

Das Gold schrieb auf seine Stirn mehr, immer mehr. Es war nun bis auf unsre Zeit gekommen, fing an, sich so unermeßlich anzuhäufen wie nie zuvor, und nahm auch das Papier in seinen Dienst. Wie es selber im Gelde etwas anderes bedeutete, so bedeutete das Papier nun Gold. Wie bequem! Es wog nicht so schwer, nahm weniger Platz ein, und nun galt ein jämmerlicher Papierfetzen, den ein Wind verwehen, ein Funke verzehren konnte, mehr als Haufen Goldes. Aber durch diese Verwandlung war das Gold noch tiefer in die Schmiede der Phantasie eingedrungen, und um so wahnsinniger hämmerten die Zwerge auf die Schlacken los. Nun tanzte nicht nur das Gold geisterhaft vor den Augen der Menschen, sondern auch sein Bevollmächtigter, der Schein und der Wechsel, die Obligation und Aktie. Und in der Hand des Besitzers sahen diese Papiere aus, als wären sie vergoldet; sie stiegen, sie sanken an Wert, wurden wieder Lumpen, wie sie gewesen waren, aber erhoben sich wieder zu neuen Ehren und bethörten die Welt. Und um diese leeren, jämmerlichen Lumpengespenster, die mit dem Anspruch auftreten, Gold zu sein, sieht man die Menschen arbeiten und kämpfen. Nun war das Gold der Herrscher der Welt: es führte Krieg mit seinen Rebellen, den edleren Gefühlen, den höheren Idealen, den uneigennützigen Zwecken, es gewann Siege und erlitt Niederlagen, erhob aber immer wieder sein mächtiges Scepter. Es hatte lange Zeit Weiber und alte Männer bethört, den Dolch in des Räubers Hand, das Messing in den Schmelzofen des Falschmünzers gelegt, es hatte Länder verkauft und die Unschuld gekauft. Nun begann es, die Träume des Jünglings zu vergiften und mit Knaben um Freimarken zu handeln. Es ward ein Moloch, in dessen glühenden Schlund ein neues Heidentum unter dem Jubel der höllischen Geister seine Kinder warf.

Bald zu diesem, bald zu jenem Anhänger des Goldes sprach der Herr: in dieser Nacht wird man Deine Seele von Dir fordern! Und es geschah, aber der Sohn vergaß seines Vaters Schicksal. Der Arme sagte stets: mein, der Reiche: mehr!

Da stieg plötzlich aus der unermeßlichen, begierigen Menge dieser Gold- und Papieranbeter, wie das dumpfe Brüllen des Meeres, eine Stimme, die sich wider das Gold empörte und sagte: Eigentum ist Diebstahl!

Wie? Diebstahl? Zum erstenmale zitterte das Gold und sagte: »Es ist aus mit mir, ich kann nicht drei Herren dienen.« – »Fürchte Dich nicht,« tröstete die Schlange, »das ist meine Stimme. Sie meinte nur: Dein Eigentum ist Diebstahl, das meinige rechtmäßiger Besitz!«

Das Gold ging unerschrocken den unbekannten, kommenden Tagen entgegen, und wußte nicht, daß eine andere und höhere Macht schon lange in der Schmiede der Seelen gearbeitet hatte. Viele Jahrhunderte schon hatte der Geist der Liebe die selbstsüchtige Inschrift des Goldes: Mein abgefeilt, um statt dessen ihr Zeichen: Dein zu schreiben, und mit jedem Jahrhundert drang die Feile tiefer ein, aber man merkte es: der goldene Schleier lag über dem großen D, das in den Augen der Menge noch dem unbezwinglichen M ähnlich sah. Die Schlange merkte es, aber wie sehr sie sich auch wand, es glückte ihr nicht, den neuen Buchstaben, der unter dem alten hervorglänzen wollte, auszuwischen. Nun weiß sie es und raset, je länger um so schlimmer.

Für ungeborene Geschlechter wird der Tag anbrechen, da das mein sich in ein dein verwandelt und das mehr zur selben Zeit in ein nichts. Dann wird Gott dem Golde seinen Sonnenglanz und sein Schlangenlicht nehmen und sagen: »Werde wieder Staub, wie Du gewesen bist!«

Das Gold wird antworten: »Die Schlange sah mich an.«

Der Herr wird zur Schlange sprechen: »Gieb mir die vielen tausend und Millionen Seelen wieder, die Du mir mit dem goldenen Gespenst geraubt hast!«

Und die Schlange wird antworten: »Du hast es mir selber erlaubt.«

Der Herr weiß, was er will und verachtet die List der Schlange, welche die Verantwortung für den Ursprung des Bösen auf ihn werfen will. Wenn er die neue Erde schafft und den neuen Menschen, wird es weder Sonnen- noch Schlangengold geben; alles wird ein Licht sein, ein Herr, ein Reich. Und des Name ist die Liebe.

 


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