Ludwig Tieck
Ein Tagebuch
Ludwig Tieck

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14.

Emilie hat geschrieben! o nun ist schon alles besser in der Welt. Mir fällt manchmal ein, warum ich nicht einer von denen sein könnte, die ich suche, wie mir der alte Herr von neulich schon auf den Kopf zugesagt hat, indem er zweifelte, ob ich Kopf habe. Wenn es sich zum Beispiel fügte, daß ein neuer junger Held jetzt auf eine Entdeckungsreise ausginge, so könnte es ihm vielleicht einfallen, mir seinen güldenen Apfel anzubieten. Das Menschenthum läuft wunderlich durcheinander; soviel ist gewiß, man weiß nicht, wer Koch oder Kellner ist. Beim Eulenspiegel ist mir immer der Zweifel aufgestoßen, ob er oder die übrigen Menschen größere Narren waren.

Ich sehe nun andre Häuser und andre Menschen vor mir, und unter diesen scheint mir auch mehr Anlage zu herrschen. Ich hörte gestern an der Table d'hote 338 einen herrlichen Mann über die Einrichtung von Europa sprechen. Es gefiel mir ungemein, daß er mit nichts in dieser Welt zufrieden war, daß er überzeugt war, er würde alles besser treffen. Ich suchte mir sogleich sein Vertrauen zu erwerben, um zu erforschen, ob ich vielleicht einen von den dreien Männern gefunden habe. Mein Zutrauen und meine Aufmerksamkeit gefielen ihm, so daß er mir nach und nach alle seine Projekte mittheilte. Er war ein sehr großer Freund der Republiken, alle andre Verfassungen schienen ihm unwürdig. Aber doch behielt er sich vor, die Republiken auf ihre wahre Art einzurichten, damit sie nicht in sich selber zusammenfielen. Ich habe noch nie einen Mann mit so vieler Weisheit sprechen hören, und es müßte eine wahre Lust sein, wenn sich das närrische Thier von Europa nur bequemen wollte, sich so einrichten zu lassen. Aber daran ist jetzt noch nicht zu denken, und gute Köpfe müssen billig Thränen vergießen, wie es auch geschieht. – –

– – Zum Glück treffe ich hier ein Buch, das ich schon sonst mit sehr großem Vergnügen gelesen habe. Es ist der abentheuerliche Simplicissimus, 1669 gedruckt. In diesem Buche ist auf eine recht anschauliche Art das ganze Leben dargestellt, und so oft es auch angeführt ist, hat man es doch nach meinem Bedünken nie genug gelobt.

Im dritten Buche ist besonders eine Stelle, in der ich den Reformator ganz wiederfinde, den ich heut gesprochen habe. Der Held der Geschichte dient als Jäger im Kriege und erzählt folgendermaßen:

»»Ich saß einsmals mit 25 Feuer-Röhren nicht weit von Dörsten, und paßte einer Convoy mit 339 etlichen Fuhrleuten auf, die nach Dörsten kommen sollte. Ich hielt meiner Gewohnheit nach selbst Schildwacht, weil wir dem Feind nahe waren; da kam ein einziger Mann daher fein ehrbar gekleidet, der redete mit ihm selbst, und hatte mit seinem Meer-Rohr, das er in Händen trug, ein seltzam Gefecht. Ich konnte nichts anders verstehen, als daß er sagte: Ich will einmal die Welt strafen, es wolle mirs dann das große Numen nicht zugeben! Woraus ich muthmaßete, es möchte etwan ein mächtiger Fürst seyn, der so verkleideter Weis herumb ginge, seiner Unterthanen Leben und Sitten zu erkundigen, und sich nun vorgenommen hätte, solche (weil er sie vielleicht nicht nach seinem Willen gefunden) gebührend zu strafen. Ich gedachte, ist dieser Mann vom Feind, so setzts eine gute Ranzion, wo nicht, so willt du ihn so höflich tractiren, und ihm dadurch das Herz dermaßen abstehlen, daß es dir künftig dein Lebtage wohl bekommen soll, sprang derhalben hervor, präsentirte mein Gewehr mit aufgezogenen Hahnen, und sagte: Der Herr wird ihm belieben lassen, vor mir hin in Busch zu gehn, wofern er nicht als Feind traktirt seyn will. Er antwortet sehr ernsthaftig: Solcher Traktation ist meines gleichen nit gewohnt. Ich aber dummelt ihn höflich fort, und sagte: Der Herr wird ihm nicht zuwider seyn lassen, sich vor diesmal in die Zeit zu schicken, und als ich ihn in den Busch zu meinen Leuten gebracht, und die Schildwachten wieder besetzt hatte, fragt ich ihn, wer er seye? Er antwortet gar großmüthig, es würde mir wenig daran gelegen seyn, wenn ichs schon wüßte; Er sey ein großer Gott. Ich wurde nun bald innen, daß ich anstatt eines Fürsten einen Phantasten gefangen hätte, der sich 340 überstudirt, und in der Poeterey gewaltig verstiegen; denn da er bei mir ein wenig erwarmte, gab er sich vor den Gott Jupiter aus.«

»Ich wünschte zwar, daß ich diesen Fang nicht gethan; weil ich den Narren aber hatte, mußt ich ihn wohl behalten, bis wir von dannen rückten, und demnach mir die Zeit ohne das ziemlich lang wurde, gedachte ich, diesen Kerl zu stimmen, und mir seine Gaben zu Nutz zu machen, sagte derowegen zu ihm: Nun dann, mein lieber Jove, wie kompts doch, daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verläßt, und zu uns auf Erden steigt? vergebe mir, o Jupiter, meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest; denn wir seynd den himmlischen Göttern auch verwandt, und eitel Sylvani, von den Faunis und Nimphis geboren, denen diese Heimlichkeit billig ohnverborgen seyn sollte; Ich schwöre dir beym Styx, antwortete Jupiter, daß du hiervon nichts erfahren solltest, wenn du meinem Mundschenken Ganymede nicht so ähnlich sehest, und wenn du schon Pans eigner Sohn wärest; aber von seinetwegen communicire ich dir, daß ein groß Geschrey über der Welt Laster zu mir durch die Wolken gedrungen, darüber in aller Götter Rath beschlossen worden, ich könnte mit Billigkeit, wie zu Lycaons Zeiten, den Erdboden wieder mit Wasser austilgen, weil ich aber dem menschlichen Geschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin, und ohnedas allezeit lieber die Güte, als eine strenge Verfahrung brauchte, vagire ich jetzt herum, der Menschen Thun und Lassen selbst zu erkundigen, und obwohl ich alles ärger finde, als mirs vorkommen, so bin ich doch nicht gesinnt, alle Menschen zugleich und ohne Ursach auszureuten, 341 sondern nur diejenigen zu strafen, die zu strafen sind, und hernach die übrigen nach meinem Willen zu ziehen.«

»Ich mußte zwar lachen, verbisse es doch so gut ich konnte und sagte: Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umbsonst seyn, wenn du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feuer heimsuchest: denn schickest du einen Krieg, so lauffen alle böse verwegene Buben mit, welche die friedliebende fromme Menschen nur quelen werden; schikkestu eine Theurung, so ists eine verwünschte Sach vor die Wucherer, weil alsdenn denselben ihr Korn viel gilt; schickstu aber ein Sterben, so haben die Geitzhäls und alle übrige Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stil ausrotten müssen, wenn du anders strafen wilt.«

»Jupiter antwortet, du redest von der Sach wie ein natürlicher Mensch, als ob du nicht wüßtest, daß uns Göttern möglich sey, etwas anzustellen, daß nur die Böse gestraft und die Gute erhalten werden; ich will einen deutschen Helden erwecken; der soll alles mit der Schärfe des Schwerds vollenden, er wird alle verruchte Menschen umbringen, und die Frommen erhalten und erhöhen. Ich sagte: so muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben; und wo man Soldaten braucht, da ist auch Krieg; und wo Krieg ist, da muß der Unschuldige sowohl als der Schuldige herhalten. Sind ihr irrdische Götter denn auch gesinnt wie die irrdische Menschen, sagte Jupiter hierauf, daß ihr sogar nichts verstehen könnet? Ich will einen solchen Helden schicken, der keinen Soldaten bedarf und doch die ganze Welt reformiren soll; in seiner Geburt-Stund 342 wil ich ihm verleihen, einen wohlgestalten und stärkern Leib, als Hercules einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand überflüßig geziert, hierzu soll ihm Venus geben, ein schön Angesicht, also, daß er auch Narcissum, Adonidem und meinen Ganymedem selbst übertreffen soll, sie soll ihm zu allen seinen Tugenden eine sonderbare Zierlichkeit, Aufsehen und Anmüthigkeit vorstrecken, und dahero ihn bey aller Welt beliebt machen, weil ich sie eben der Ursach halber in seiner Nativität desto freundlicher anblicken werde. Mercurius aber soll ihn mit unvergleichlich sinnreicher Vernunft begaben, und der unbeständige Mann soll ihm nicht schädlich, sondern nützlich seyn, weil er ihm eine unglaubliche Geschwindigkeit einpflanzen wird; die Pallas soll ihn auf dem Parnasso auferziehen, und Vulkanus soll ihm in Hora Martis seine Waffen, sonderlich aber ein Schwerd schmieden, mit welchem er die ganze Welt bezwingen und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne fernere Hülf eines einigen Menschen, der ihme etwan als ein Soldat beystehen möchte, er soll keines Beystandes bedörffen, eine jede große Stadt soll von seiner Gegenwart erzittern, und eine jede Vestung, die sonst unüberwindlich ist, wird er in der erstenViertelstund in seinem Gehorsam haben, zuletzt wird er den größten Potentaten in der Welt befehlen, und die Regierung über Meere und Erden so löblich anstellen, daß beyde, Götter und Menschen ein Wohlgefallen darob haben sollen.«

«Ich sahte: wie kann die Niedermachung aller Gottlosen ohne Blutvergießen, und das Commando über die ganze weite Welt ohne sonderbaren grossen Gewalt und starken Arm beschehen und zu wegen gebracht werden? 343 o Jupiter, ich bekenne dir unverholen, daß ich diese Dinge weniger als ein sterblicher Mensch begreifen kann! Jupiter antwortet, das gibt mich nicht Wunder, weil du nicht weist, was meines Helden Schwerd vor eine seltene Kraft an sich haben wird, Vulcanus wirds aus denen Materialien verfertigen, daraus er mir meine Donnerkeil macht, und dessen Tugenden dahin richten, daß mein Held, wenn er solches entblößt und nur einen Streich damit in die Luft thut, einer ganzen Armada, wenn sie gleich hinter einem Berg eine ganze Schweitzer Meilewegs von ihm stünden, auf einmal die Kopf herunderhauen kann, also daß die armen Teufel ohne Köpf da liegen müssen, ehe sie einmahl wissen wie ihnen geschehen! Wenn er denn nun seinem Lauf den Anfang macht, und vor eine Statt oder Vestung kommt, so wird er des Tamerlani Manier brauchen, und zum Zeichen, daß er Friedens halber, und zur Beförderung aller Wohlfahrt vorhanden seye, ein weisses Fähnlein aufstecken, kommen sie dann zu ihm heraus, und bequemen sich, wol gut; wo nicht, so wird er von Leder ziehen, und durch Kraft mehrgedachten Schwerds, allen Zauberern und Zauberinnen, so in der ganzen Statt sein, die Köpff herunder hauen, und ein rothes Fähnlein aufstecken. Wird sich aber dennoch niemand einstellen, so wird er alle Mörder, Wucherer, Dieb, Schelmen, Ehebrecher, Huren und Buben auf die vorige Manier umbringen, und ein schwarzes Fähnlein sehen lassen, wofern aber nicht so bald diejenigen, so noch in der Statt übrig blieben, zu ihm kommen, und sich demüthig einstellen, so wird er die ganze Statt und ihre Inwohner als ein halsstarrig und ungehorsam Volk ausrotten wollen, wird aber nur diejenige hinrichten, die 344 den andern abgewehret haben, und ein Ursach gewesen, daß sich das Volk nicht ehe ergeben. Also wird er von einer Statt zur andern ziehen, einer jeden Statt ihr Theil Landes um sie her gelegen, im Frieden zu regieren übergeben, und von jeder Statt durch ganz Teutschland zween von den klügsten und gelehrtesten Männern zu sich nemmen, aus denselben ein Parlement machen, die Stätt mit einander auf ewig vereinigen, die Leibeigenschaften sammt allen Zöllen, Accisen, Zinsen, Gülten und Umbgelter durch ganz Teutschland aufheben, und solche Anstalten machen, daß man von keinen Fronen, Wachen, contribuiren, Gelt geben, Kriegen, noch einiger Beschwerlichkeit beim Volk mehr wissen, sondern viel seeliger als in den Elysischen Feldern leben wird: Alsdann (sagt Jupiter ferner) werde ich oftmals den ganzen Chorum Deorum nemmen, und herunder zu den Teutschen steigen, mich unter ihren Weinstöcken und Feigenbäumen zu ergötzen, da werde ich den Helicon mitten in ihre Grenzen setzen, und die Musen von neuem darauf pflanzen, ich werde Teutschland höher seegnen mit allem Ueberfluß, als das glückseelige Arabien, Mesopotamiam, und die Gegend um Damasco; die griechische Sprache werde ich alsdenn verschwören, und nur Teutsch reden, und mit einem Wort mich so gut Teutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vor diesem den Römern die Beherrschung über die ganze Welt zukommen lassen werde. Ich sagte: Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu sagen, wenn sich der künftige Held unterstehet, ihnen das Ihrige so unrechtmäßigerweis abzunehmen, und den Stätten zu unterwerfen? werden sie sich nicht mit Gewalt widersetzen, oder wenigst vor 345 Göttern und Menschen dawider protestiren? Jupiter antwortet, hierum wird sich der Held wenig bekümmern, er wird alle Grosse in drei Theil unterscheiden, und diejenige, so ohnexemplarisch und verrucht leben, gleich den Gemeinen strafen, weil seinem Schwerd kein irrdische Gewalt zu widerstehen vermag, denen übrigen aber wird er dieWahl geben, im Land zu bleiben ober nicht; was bleibt, und sein Vaterland liebet, die werden leben müssen wie andre gemeine Leut, aber das Privatleben der Teutschen wird alsdenn viel vergnügsamer und glückseeliger sein, als jetzund das Leben und der Stand eines Königes, und die Teutschen werden alsdenn lauter Fabricii sein, welcher mit dem König Pyrrho sein Reich nicht theilen wollte, weil er sein Vaterland neben Ehr und Tugend so hoch liebte, und das seyn die zweite; die dritte aber, die Ja-Herrn bleiben, und immerzu herrschen wollen, wird er durch Ungarn und Italia in die Moldau, Wallachey, in Macedoniam, Thraciam, Graeciam, ja über den Hellespontum in Asiam hineinführen, ihnen dieselbe Länder gewinnen, alle Müßiggänger in ganz Teutschland mitgeben, und sie aldort zu lauter Königen machen; alsdann wird er Constantinopel in einem Tag einnehmen, und allen Türken, die sich nicht bekehren oder gehorsamen werden, die Köpff vor den Hindern legen: daselbst wird er das Römisch Kaiserthum wieder aufrichten, und sich wieder in Teutschland begeben, und mit seinen Parlementsherrn (welche er, wie ich schon gesagt habe, aus allen teutschen Stätten paarweis samblen, und die Vorsteher und Väter seines teutschen Vaterlandes nennen wird) eine Statt mitten in Teutschland bauen, welche viel grösser sein wird, als Manoah in Amerika, und goldreicher als 346 Jerusalem zu Salomons Zeiten gewesen, deren Wäll sich dem Tyrolischen Gebürg, und ihre Wassergräben der Breite des Meers zwischen Hispania und Africa vergleichen soll, er wird einen Tempel hineinbauen von lauter Diamanten, Rubinen, Smaragden und Saphiren, und in der Kunstkammer, die er aufrichten wird, werden sich alle Raritäten in der ganzen Welt versammeln, von den reichen Geschenken, die ihm die Könige in China, in Persia, der grosse Mogar in dem Orientalischen Indien, der grosse Tarter Chan, Priester Johann in Africa, und der große Czar in der Moscau schicken; der Türkische Kaiser würde sich noch fleissiger einstellen, wofern ihm bemeldeter Held sein Kaiserthum nicht genommen, und solches dem Römischen Kaiser zu Lehne gegeben hätte.«

»Ich fragte meinen Jovem, was denn die christlichen Könige bey der Sache thun würden? er antwortet, der in Engeland, Schweden und Dennemark werden, weil sie Teutschen Geblüts und Herkommens: der in Hispania, Frankreich und Portugall aber, weil die Alte Teutschen selbige Länder hiebevor auch eingenommen und regiert haben, ihre Kronen, Königreich und incorporirte Länder, von der Teutschen Nation aus freien Stücken zu Lehne empfahen, und alsdenn wird, wie zu Augusti Zeiten, ein ewiger beständiger Fried zwischen allen Völkern in der ganzen Welt seyn.«

»Einer von meinem Gefolge, der uns zuhörete, hätte den Jupiter schier unwillig gemacht, und den Handel beynahe verderbt, weil er sagte: Und alsdenn wirds in Teutschland hergehn wie im Schlaraffenland, da es lauter Muscateller regnet, und die Creutzer-Pastetlein über Nacht wie die Pfifferling wachsen! da werde ich mit 347 beiden Backen fressen müssen wie ein Drescher, und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehn. Ja freilich antwortet Jupiter, vornemlich wenn ich dir die Plag Erisichthonis anhenken würde, weil du, wie mich dünken will, meine Hoheit verspottest; zu mir aber sagte er, ich habe vermeint, ich sei bei lauter Silvanis, so sehe ich aber wol, daß ich den neidigen Momum oder Zoilum angetroffen habe; Ja man sollte solchen Verräthern das was der Himmel beschlossen, offenbaren, und so die edle Perlen vor die Säu werfen, ja freilich!«

»Ich sagte zu ihm; Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgotts Unbescheidenheit halber deinem alten Ganymede nicht verhalten, wie es weiter in Teutschland hergehen wird? O Nein, antwortet er, aber befehle vorher diesem Theoni, daß er seine Hipponacis Zunge fürterhin in Zaum halten solle, ehe ich ihn (wie Mercurius den Battum) in einen Stein verwandele; Du selbst aber gestehe mir, daß du mein Ganymedes seist, und ob dich nicht mein eyffersichtige Juno in meiner Abwesenheit aus dem himmlischen Reich gejaget habe? Ich versprach ihm alles zu erzählen, da ich gern gehört haben würde, was ich zu wissen verlangte. Darauf sagte er: Lieber Ganymede, (leugne nur nicht mehr, denn ich sehe wohl, daß du es bist) es wird alsdenn das Goldmachen in Teutschland so gewiß und so gemein werden, als das Hafner-Handwerk, also daß schier ein jeder Roßbub den Lapidum Philosophorum wird umschleppen! Ich fragte, wie wird aber Teutschland bei so unterschiedlichen Religionen ein so langwierigen Frieden haben können? O Nein! sagt Jupiter, mein Held wird dieser Sorg weislich vorkommen, und vor allen Dingen alle 348 christliche Religionen in der Welt mit einander vereinigen; Ich sagte, o Wunder, das wäre ein groß Werk! wie müste das zugehen? Jupiter antwortet, das will ich dir herzlich gern offenbaren! Nachdem mein Held den Universalfrieden der ganzen Welt verschaft, wird er die Geist- und Weltlichen Vorsteher und Häupter der Christlichen Völker und unterschiedlichen Kirchen mit einem sehr beweglichen Sermon anreden, und ihnen die bisherige hochschädliche Spaltungen in den Glaubenssachen trefflich zu Gemüthe führen, sie auch durch hochvernünftige Gründe und unwidertreibliche Argumenta dahin bringen, daß sie von sich selbst eine allgemeineVereinigung wünschen, und ihme das ganze Werk, seiner hohen Vernunft nach zu dirigiren, übergeben werden: Alsdann wird er die allergeistreichste, gelehrteste und frömmeste Theologie von allen Orten und Enden her, aus allen Religionen zusammenbringen, und ihnen eine Art, wie vor diesem Ptolomäus Philadelphus den 72 Dollmetschen gethan, in einer lustigen und doch stillen Gegend, da man wichtigen Sachen ungehindert nachsinnen kann, zurichten lassen, sie daselbst mit Speis und Trank, auch aller andrer Nothwendigkeit versehn, und ihnen auflegen, daß sie so bald immer möglich, und jedoch mit der allerreifsten und Wolerwegung die Strittigkeiten, so sich zwischen ihren Religionen enthalten, ernstlich beilegen, und nachgehends mit rechter Einhelligkeit die rechte, wahre, Heilige und Christliche Religion der H. Schrift, der uhralten Tradition und der Probirten H. Väter Meinung gemäß, schriftlich verfassen sollen: Um dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig hintern Ohren kratzen, weil er alsdann die Schmälerung seines Reichs besorgen wird, ja er wird 349 allerhand Fünd und List erdenken, ein Que darein zu machen, und die Sach, wo nicht gar zu hintertreiben, jedoch solche ad infinitum oder indefinitum zu bringen, sich gewaltig bemühen; er wird sich unterstehen, einem jeden Theologo sein Interesse, seinen Stand, sein geruhig Leben, sein Weib und Kind, sein Ansehn und je so etwas, das ihm seine Opinion zu behaupten, einrathen möchte, vorzumahlen: Aber mein dapfferer Held wird auch nicht feyern, er wird, so lang dieses Concilium währet, in der ganzen Christenheit alle Glocken läuten, und damit das Christlich Volk zum Gebet an das höchste Numen ohnablässig anmahnen, und um Sendung des Geistes der Wahrheit bitten lassen: Wenn er aber merken würde, daß sich einer oder ander vom Plutone einnemmen ließ, so wird er die ganze Congregation, wie in einem Conclave, mit Hunger quälen, und wenn sie noch nicht dran wollen, ein so hohes Werk zu befördern, so wird er ihnen allen von Henken predigen, oder ihnen sein wunderbarlich Schwerd weisen, und sie also erstlich mit Güte, endlich mit Ernst und Bedrohungen dahin bringen, daß sie ad rem schreiten, und mit ihren halsstarrigen falschen Meinungen, die Welt nicht mehr wie vor Alters foppen: Nach erlangter Einigkeit wird er ein grosses Jubelfest anstellen, in der ganzen Welt diese geläuterte Religion publiciren, und welcher alsdann darwider glaubt, den wird er mit Schwefel und Bech martyrisiren, oder einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken, und dem Plutone zum Neuen Jahr schenken. Jetzt weist du, lieber Ganymede, alles was du zu wissen begehrest.«« – –

So weit der alte Simplicissimus.

In dieser ganzen Stelle herrscht mehr Satyre, als 350 die meisten Leute bemerken werden, so wie im ganzen Buche mehr Poesie und ein besserer Styl ist, als man jemals geglaubt hat. Jene Stelle ist auch für uns noch nicht unpassend geworden und der wirkliche ewige Friede dürfte wohl nur durch einen ähnlichen Helden hervorgebracht werden können. Ich denke immer an diesen Jupiter, wenn ich die mannichfaltigen Vorschläge höre und lese, die das Glück der Menschheit begründen sollen.

Aber kein Mensch liest jetzt das alte vergessene Buch – wohl aber die neuen politischen Journale.



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