Ludwig Tieck
Ein Tagebuch
Ludwig Tieck

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9.

O freilich giebt's ein Schicksal! Welch ein Eselskopf müßte der sein, der es nun noch zu läugnen vermöchte! – Nein, so etwas ist noch gar nicht erhört, und wird sich vielleicht in vielen hundert Jahren nicht wieder zutragen. Recht mit der Nase bin ich drauf gestoßen, daß es allerdings ein Schicksal giebt!

In manchen Augenblicken glaube ich an den Idealismus, so toll ist das Ganze. Nein, ich kann mich über diesen Zusammenhang nimmermehr zufrieden geben.

Ich bin nämlich der einzige Erbe meines Onkels, das Testament ist eröffnet, alles hat seine Richtigkeit. Ich habe schon mein Schloß besucht, die Lage ist reizend, alle Zimmer sind sehr schön möblirt und tapezirt, aber im Saale, wo die Gemälde hängen, fielen mir gleich drei leere Räume auf eine fatale Weise auf. Und nun hat es sich auch alles offenbart!

Im Testamente steht nämlich, daß ich nicht eher von meinen Gütern Besitz nehmen soll, bis ich gereist bin und die drei größten Narren aufgefunden habe. Ihre Bildnisse, die ich soll malen lassen, sollen dann die drei leeren Plätze ausfüllen.

Ohne eben natürliche Anlagen zum Narren zu haben, könnte man doch wohl über dergleichen närrisch werden. Und was hindert mich im Grunde? Nichts, als daß ich gern heirathen will, das ist das einzige Reelle, was mir im Wege steht.

Drei Narren! und der junge Held hatte schon an Einem so viel zu suchen! Wie soll das werden? – Der Maler muß nur gleich mitreisen, das ist noch die beste Seite von der Sache. Wahrhaftig, nun werde ich doch 326 gerade wie der Prinz als Maschine gebraucht, theils um einen moralischen witzig sein sollenden Satz auszudrücken, theils um mich auf unnützen Reisen auszubilden.

Und eine ganz neue Art zu reisen und Reisebeschreibungen zu machen, wird nun durch mich entdeckt! Ich könnte es vielleicht am bequemsten und nützlichsten mit den Reisen nach unsern größten Gelehrten vereinigen, keiner würde mir beim Besuch meine satyrische Absicht und Rücksicht anmerken. (NB. Das Schicksal macht mich nun zum Satyriker, und ich kann nichts davon noch dazu thun; ist das nicht wieder Krankheit? Ich bin es gerade wie Herr Falck, aus höhere Auktorität.) Somit könnt' ich zugleich die drei größten Männer abkonterfeien lassen, und jeder würde mir für meine Verehrung den gehorsamsten Dank sagen, und ich verehrte sie im Grunde auch eben so sehr, wie es ihre Leser thun, gegen die sie doch dankbar sind.

Aber nun wieder auf das Vorige zu kommen, so hätt' ich große Lust zu rebelliren. Ich muß Emilien auf einem ganz eigenen Wege verdienen. Das beste ist, ich kann von meinem Vaterlande nachher eine ganz neue Landcharte stechen lassen, die anders illuminirt und eingetheilt ist, als die gewöhnliche. Es wäre ein Beitrag zur Statistik.

Ob mein Onkel vielleicht die Geschichte des jungen Helden gelesen hat? Wahrlich, die Einkleidung, in der ich auftrete, gränzt nahe an den Campenschen Robinson. – Hab' ich nun nicht immer Recht gehabt, einen Abscheu vor den wunderbaren Begebenheiten zu empfinden? Jetzt fängt es nun mit mir an, und ich kann der Verwickelung vielleicht gar keinen Einhalt thun. 327



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