Ludwig Tieck
Ein Tagebuch
Ludwig Tieck

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13.

Wenn ich ein Lustspieldichter, oder überhaupt nur ein Dichter wäre, (d. h. was die meisten Menschen eben keinen Dichter nennen würden) so könnt' ich doch hoffen, bald die drei nöthigen Charaktere zusammen zu finden, denn ich würde alsdann die Menschen auf die wahre Art anzusehn wissen.

Viele Dichter haben ihre Bekannten oder Freunde kopirt, und die übrigen Freunde haben erst dadurch den kopirten Freund aus seinem wahren Gesichtspunkte angesehn. Wäre dieser glückliche Zufall nicht eingetreten, so hätte er vielleicht sein Lebelang für einen unkomischen Charakter gegolten. Ich hätte daher mit mehr Einsicht gehandelt, wenn ich statt des Malers einen solchen komischen Dichter mit mir genommen hätte. So geh ich den schönsten Personen vorüber und weiß nicht, daß das die Schätze sind, die ich so emsig suche.

Freilich giebt es auch dabei viele Bedenklichkeiten, wie es denn bei keiner Sache daran fehlt, wenn man sich bedenken will. In dem sich bedenken liegt 336 alles, was man dafür und dagegen sagen kann. Doch ich wollte die Anmerkung machen, daß wenn ich ein solcher komischer Dichter wäre, ich doch eigentlich nur meine eigne Narrheit in andern wahrnähme. Der Beweis wäre leicht zu führen, wenn ich einen nöthig hätte. Denn ich würde ja erst das zur Einheit vereinigen, was ohne diese meine Vereinigung nicht vereinigt wäre, kurz, ich wäre übel dran, und der alte Herr hätte gerade in diesem Falle vorzüglich recht.

Ach! ich suche überhaupt vielleicht nach nicht existirenden Idealen! Wie weit mag das Glück meiner Liebe und meiner Häuslichkeit noch entfernt liegen!

Der Maler ist auch langweilig, er besteht immer auf seinen wenigen Gedanken; ich bekomme keine Briefe von Emilien; ich finde nicht, was ich suche; ich werde über lang oder kurz in Verzweifelung fallen.

Wenn mein Onkel nicht gestorben wäre, so möcht' ich ihn selber in den Saal hineinmalen lassen. Eigentlich liefe es gegen die kindliche Pflicht, aber ich würde mir kein großes Bedenken machen; denn warum hat er mich in solche Verwirrung gebracht?

Der Maler klagt sehr darüber, daß die Menschen hier herum gar nicht gebildet sind und sich für die Künste durchaus nicht interessiren. Das ist vielleicht noch das beste an ihnen, denn es giebt nichts verächtlichers, als das lumpige Interesse, das so viele Menschen an den sogenannten schönen Wissenschaften nehmen. Es ziemt den wenigsten, und der Geschmack sinkt eben dann am meisten, wenn der Pöbel ihn erobern will. Der Maler eifert auch zu sehr gegen den Pietro da Cortona, es wäre mir viel lieber, wenn er etwas billiger dächte.

337 Morgen früh reise ich von hier, und ich wünschte, ich könnte Opfer bringen, wie es in der alten Welt gebräuchlich war; ich wollte gewiß keinen einzigen Dämon, Waldgott oder helfende Göttin versäumen. Aber so muß ich mir nun selber durch die Welt helfen.

Man sagt immer, dem ernsthaften Willen sei nichts unmöglich. Wir wollen nun bald an meinem Beispiele sehn, ob dieser Satz seine Richtigkeit hat; bin ich unglücklich, so habe ich doch wenigstens einen Fehler in einem schönen Satze entdeckt.



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