Ludwig Tieck
Ein Tagebuch
Ludwig Tieck

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4.

Wenn ich Vermögen hätte, wie ich denn wirklich keins habe, so würde ich nur ein Ding im Anfange wissen, was ich gewiß unternähme: ich heirathete nämlich.

Es ist eine sündhafte Welt, daß man sogar, um zu lieben, Geld nöthig hat. – Ich bin heute sehr verdrüßlich; (auch eine Krankheit) das Paradies war offenbar 301 eine sehr gute Armenanstalt, ein herrliches Institut, worüber ich noch immer weine; daß es unsre Vorfahren so liederlich durchgebracht und durch den Hals gejagt haben, wie man sich auszudrücken pflegt. Seitdem ist der Teufel in der Welt gar los.

In Gherhardi's Italiänischem Theater steckt immer ein großer Trost für mich, und für verständige Leute sollte dieses Buch in der Noth eine ordentliche Postille sein. Vernunft nützt wenig, wenn man verdrüßlich ist, (ich mag ungern das Wort unglücklich niederschreiben) aber das kurirt mich sehr oft, wenn man die Menschen so recht bis in die innerste Haut hinein verspottet: dieser Spott ist eine Sorte von Vernunft, die bei mir immer sehr gut anschlägt. Das Wort Spott scheint mir hier auch gar nicht zu passen; es ist bloß eine größere und freiere Ansicht der Dinge, mit dem Zeuge amalgamirt, das wir Poesie nennen, damit wir uns nicht beim Hinunterschlucken zu sehr sperren.

Es kann leicht sein, daß in diesem Italiänischen Theater die meisten Stücke klüger sind, als es ihre Verfasser jemals waren, (doch nehm' ich das sogenannte Nouveau Theatre Italien aus, wo es umgekehrt ist, oder wo Verfasser und Stück wenigstens sehr nahe gränzen) indessen thut das nichts zur Sache. Wenn die Menschen konsequent wären, so müßten sie über nichts in der Welt weinen können, wenn sie nur irgend etwas zu belachen im Stande sind. Darum gefallen mir eben die alten Einseitigen Heraklitus und Demokritus so sehr, weil sie doch aus System diese possirlichen Konvulsionen bekamen. – So weit hat es nachher kein einziger wieder gebracht. Die Stoiker gefallen mir aber noch viel mehr, (das ist 302 alles bloß in diesem Augenblicke wahr, in welchem ich schreibe, das weiß ich schon vorher) weil sie weder lachten, noch weinten; dies scheinen mir diejenigen Menschen zu sein, die vor allen am reellsten lustig gewesen sind.

Es fügte sich heute, daß ich eine sehr zärtliche Scene mit Emilien hatte, und ich will darauf schwören, daß sie mich wiederliebt. Ja sie hat es mir sogar gestanden, und sie hätte es mir zugeschworen, wenn ich es verlangt hätte. Doch der Schwur ist ja nur eine andre Formel des Geständnisses, diesen erließ ich ihr also.

Aber ich bin nun um so viel übler dran! Wir härmen uns beide, denn ich habe keine bestimmte Aussicht. Mein Onkel will, ich soll erst große Reisen durch die Welt machen, um mich zu bilden; Emiliens Vater will sie bald verheirathen. – Jetzt will ich einmal ernsthaft schreiben. – Ich bin wirklich sehr verdrüßlich; das Italiänische Theater ist mir wieder aus dem Kopfe gekommen. Die Wirklichkeit brennt am Ende den besten Humor durch, wenn man diesen Ofenschirm zu nahe an's Feuer rückt. Ich bin, wie gesagt, verdrüßlich, und wenn ich jetzt nur Leser hätte, so sollten sie es gewiß empfinden.

Der Schlaf ist der beste Trost in allen Widerwärtigkeiten, und darum will ich auch zu schreiben aufhören und mich in der That niederlegen. – Verflucht lächerlich kömmt's heraus, daß ich mir das alles erst in die Feder diktire, ich könnt's ja stillschweigend thun, – und nun könnt' ich doch wenigstens das Raisonniren darüber lassen. – Aber wahrhaftig nicht! Es sind zwei Prinzipe in mir, die ein drittes (das, wie ich glaube, ich selber bin) ordentlicherweise zum Narren haben. – 303 Ich muß nur das Licht ausputzen, sonst schreib' ich bis morgen früh. – Aber –



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