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Fünfzehntes Kapitel.

Die Tage waren schon merkwürdig lang. Kaum, daß das Blau des Himmels in ein unbestimmteres Grau überdämmerte und der anbrechende Abend seine dunkelnden Fittiche über die Felder zu spannen begann. Erst als der Reiter in den Waldweg eingebogen war, wurde ihm die Machtlosigkeit des zu Ende gehenden Tageslichtes bemerkbarer, und über ihm in den Wipfeln kündigte sich auch das Brausen des Abendwindes als Vorbote der Nacht an.

Die Luft hatte sich abgekühlt, und von dem feuchten Waldgrunde stieg ein fast eisiger Hauch auf. der das Duften des knospenden Baumwerks nicht mehr aufkommen ließ. Von Westen her goß die untergehende Sonne noch ein trügerisches Gold auf die leise schaukelnden Gipfel, von der entgegengesetzten Seite kam das Dunkel durch die Stammreihen und das Buschwerk tiefer und tiefer schattend herangekrochen.

Als das Birkhaus in Sicht kam, hielt der Graf sein Pferd an. Durch eine Schneise warf der tief stehende Sonnenball eine letzte Lichtflut auf die Fenster und erzeugte ein blendendes, rotgoldiges Licht- und Farbenspiel, dessen Glänzen und Sprühen auch die Umgebung des Häuschens in eine berückende Beleuchtung tauchte. Die zurückgeworfenen Strahlen spielten nieder auf die Erde und empor in das Astwerk, glitten über noch aushängende Wäsche und lockten ein silbernes Glitzern auf das blanke Eisen eines Handbeils, das mit der Schneide in einen niedrigen Holzblock eingeschlagen war.

Von den Bewohnern des Birkhauses war niemand zu sehen, und auch, als der Reiter den Zügel seines Pferdes um einen jungen Birkenstamm knotete, meldete sich weder Sophie noch der Förster zu seinem Empfang. Dennoch mußte wenigstens die erstere zugegen sein, denn die Tür stand offen und aus dem Schornstein kräuselte ein spärlicher, bleigrauer Rauch.

»Halloh!« rief Luckner, ehe er eintrat, vor sich her und suchte sich auch noch durch absichtlich lautes Auftreten bemerkbar zu machen. Aber einen Erfolg erzielte er damit nicht, und erst als er die Stubentür aufgezogen hatte, sah er Sophie Löhr sich schlaftrunken aus einer Sofaecke erheben und ihm erschreckt entgegenstarren.

»Herr – Herr Graf –« stotterte sie verwirrt.

»Entschuldigen Sie den Eindringling, mein liebes Fräulein,« sagte Luckner freundlich. »Aber Sie müssen schon fest eingenickt gewesen sein, denn sonst hätten Sie mich hören müssen.«

Die dumpfe Luft des Zimmers fiel ihm unangenehm auf, und die unvorteilhafte Hauskleidung des Mädchens wirkte ebenso ungünstig auf ihn. Trotzdem fand er den Ton warmer Liebenswürdigkeit.

»Mein liebes Fräulein« – er streckte ihr herzlich die Hand entgegen – »wir haben beide recht Ueberraschendes und wenig Erfreuliches erleben müssen – ich hoffe, Sie urteilen verständig und kommen so leicht darüber hinweg wie ich. Nicht wahr, unseren Freund kennen wir besser, den kann uns ein dummer Klatsch nicht entfremden! Hat's Ihnen denn sehr weh getan?«

Sophie Löhr hatte die ihr gebotene Rechte nur zögernd angenommen. Nach der teilnehmenden Frage des Grafen zog sie ihre Hand zurück und glättete unsicher an ihrer Schürze. Ein Rot stieg ihr langsam bis über die breite Stirn, und die verdunkelten Augen blickten herb und abweisend.

»Ja, eine schöne Ueberraschung!« entgegnete sie hart. »Mit den Fingern weisen die Leute auf mich, und ich traue mich nicht aus dem Hause. Alle Zeitungen sind voll davon, und mich werden sie auch noch hineinziehen –«

Luckner war erstaunt.

»Aber, mein liebes Kind –«

Sie ließ ihn nicht ausreden.

»Erst sind Sie gekommen und haben mich zu schanden machen wollen, und dann kommt Der und will mir die große Ehre schenken, und hat viele Worte und ist dann so einer – so einer –!«

Eine verächtliche Betonung lag auf dem wiederholten ›so einer‹, und ein abgerissenes, wegwerfendes Auflachen folgte nach.

»Mein liebes Fräulein. –« hob Luckner wieder an. Aber sofort schnitt sie ihm abermals die Rede ab.

»Weil er was aus dem Gewissen hatte, war ihm eine andere wohl zu gut. Bloß ich nicht. So 'ne dumme Landdirn, was ist die auch! Die konnte ja froh sein, daß er sich erbarmen und sie haben wollte –«

»Mein Fräulein – –«

»Aber einmal bin ich bloß so dumm gewesen, ihm zu glauben. Den Wisch zu schreiben brauchte er mir nicht mehr. Was ich zu wissen brauchte, das hatte ich schon gedruckt gelesen. Lieber will ich mich wegwerfen und eine Dirn' werden als die Frau von so einem!«

Luckner mußte an sich halten, um sie nicht anzufahren. »Mein liebes Fräulein,« sagte er mit freundlicher Ueberredung, »Sie sehen ja viel zu schwarz. Viel zu schwarz. Was hat er denn getan –?«

»Ach, bloß einen halbtot geschlagen!« fiel sie höhnend ein.

»Einen Dieb, einen verkommenen Menschen!« beschwichtigte der Graf.

»Das ist mir ganz gleich, und ich will nichts mehr von ihm wissen, und dabei bleibt es.«

Luckner stieß einen Zischlaut aus.

»Mein Fräulein, Sie richten ungerecht. Er muß Ihnen doch alles erklärt haben. Hat er nicht?«

»Ach was, eine Menge geschrieben hat er. Das kann er ja leicht. Bloß glauben muß ich es auch.«

»Eine Menge geschrieben?« wiederholte Luckner bitter. »Ahnen Sie denn nicht, welche Herzenspein ihm diktiert haben mag?«

»Bloß reinwaschen will er sich –«

Es wurde Luckner mit einem Male klar, daß sie ihre Entrüstung so breit und derb vorschob, weil ihr geistiger Fond zu armselig war und die Hoheit der tiefen, bewußten, echten Sittlichkeit ihr abging. Ihr Aufgebrachtsein entsprang aus einem hohlen Kopfe und war nichts als ein hirnloser, prahlerischer Selbstbetrug.

Eitel hatte sie sich eine Weile im unerwarteten Glanze gesonnt; die erste Prüfung auf ihren Edelgehalt zeigte ihre klaffende Leere.

»Wo ist der Brief?« fragte der Graf in verändertem Tone. Sie nestelte ein paar zerknüllte Bogen aus der Tasche ihres Rockes und warf sie auf den Tisch.

»Da. Zwölf so'ne Seiten. Ich hab's kaum lesen können.«

»Jedenfalls nicht verstehen,« sagte Luckner schroff. »Kann ich die Bogen an mich nehmen oder – legen Sie noch Wert darauf?«

»Wenn Sie sie haben wollen – ich wollte sie verbrennen.«

Luckner kämpfte nicht mehr gegen die heiß in ihm aufsteigende Empörung.

»Was haben Sie geantwortet?« fragte er mergisch.

»Geantwortet?« stellte sie die blöde Gegenfrage. »Kann ich ihm den Ring im Briefe schicken?«

»Geben Sie ihn her!« forderte Luckner scharf.

Sie hatte ihn bereits vom Finger abgezogen gehabt und holte ihn aus einem Schubfach.

»Lieber keine Frau als von so einem,« beharrte sie trotzig. »Bis jetzt bin ich ein ehrliches Mädchen.«

»Eine Gans sind Sie!« belehrte Luckner derb und ging, ohne noch ein Wort an sie zu verschwenden.

Vor dem Hause traf er auf den jungen Förster.

»Herr Graf –« redete ihn Löhr schüchtern an.

»Schon gut, Löhr. Wir bleiben, die wir waren. Die da drin – kann sich zum Kuckuck scheren.«

Wütend schwang er sich in den Sattel und stob auf dem erschreckten Gaul davon, als würde er von Furien gejagt.

Ein paar Arbeiter wichen ihm scheu aus, und ein Rudel Wild flüchtete aufgescheucht in sicheres Dickicht.

Die durch die Wipfel schimmernden Sterne beleuchteten den Weg nur dürftig und versagten ihren Dienst fast ganz, wo der Boden moorig schwarz war. Aber das Pferd wußte allein Bescheid, und der Reiter hätte es auch an scharfen Biegungen nicht vorsichtig zu zügeln brauchen.

An der Waldgrenze trabte Luckner in einen dicken Nebel, aus dem die Arbeiterkaten und dann die Wirtschaftsgebäude und das Schloß nur verschwommen auftauchten.

Luckner verweilte in seinem Arbeitszimmer und las den mißachteten Brief Herbrincks an die Braut.

Dem persönlichen Eingange folgte eine klare, sachliche Beschreibung des weit zurückliegenden Vergehens, die ähnlich, wenn auch kürzer war als in dem Berichte an den Grafen. Von einer erfreulichen Offenheit und Männlichkeit war der Schluß.

»Herr Graf Luckner,« hieß es, »wird die Güte haben, mein Entlassungsgesuch, das ich ihm sogleich unterbreitet habe, zu genehmigen. Ich werde dann den mir teuren Menschen auf Timmhusen nicht wieder zu begegnen brauchen.

Fritz soll auf seinem Posten bleiben, und er wird es nicht bereuen, wenn er das Vertrauen des ihm gut gesinnten Grafen hoch hält. Dich aber, meine Braut, darf ich fragen, ob die mit der Jugend verknüpften Erinnerungen stark genug sind, Dich in der schönen Waldheimat festzuhalten. oder ob die Neigung Dich dem Manne folgen heißt, der den Ring als Symbol der Treue mit Dir ausgetauscht hat.

Ich will nicht in Dich dringen, aber ich werbe um Dein Vertrauen und will Dir die Heimat, die Du um meinetwillen aufgibst, zu ersetzen suchen. Ich habe über meine Vermögensverhältnisse nicht mit Dir gesprochen; sie sind ausreichend, jede Sorge von uns fernzuhalten. Und wenn wir in eine Ferne ziehen, in der niemand von Vergangenem weiß, kann die Zufriedenheit uns dauernd einen.

Ich bin noch nicht entschlossen, welches Dorado ich Dir vorschlagen soll. Ich werde auch keinen Schritt ohne Deine Zustimmung unternehmen. Aber ich werde Vorsorge treffen, daß die Trauung in aller Stille vollzogen wird, sobald ich Kenntnis erhalten habe, daß Du Dein Ja zu halten gesonnen bist. Ein Berliner Geistlicher, den ich mir freundlich zugetan weiß, wird Dir die Aufnahme in sein Haus und seine Familie bis zur Trauung nicht versagen, und vereint können wir dann einer Zukunft entgegengehen, die vielleicht Licht und Schatten gerechter verteilt, als die Vergangenheit es getan hat.

Meine Braut! In all dem Leide hat das Wort für mich einen guten Klang. Ich bin nicht überschwenglich; aber ich habe Vertrauen, und ich bitte Dich um das gleiche.

Schreibe mir nach Berlin. (Wieder die auch dem Grafen angegebene Adresse.)

Ich grüße Dich und Fritz und sehne mich nach einem Gruße von Dir.

Laß mich nicht warten.

Hans.«

 

Nein, heucheln konnte der Schreiber nicht. Das Wort ›Liebe‹ war nirgends eingeflossen. Sie konnte ja auch nicht da sein, überdachte Luckner. Zu dieser eckigen, beschränkten Person, setzte er in Gedanken hinzu. Und mitten in seinem Zorn dämmerte ihm eine Genugtuung auf, daß es so gekommen, daß der Ferne von der unwürdigen Fessel erlöst war.

Mit vor Erregung brennendem Kopfe trat er wieder unter seine Gäste.

»Meine Herrschaften, Gnade für Recht, daß ich so lange geblieben bin,« bat er. »Ich habe einen kleinen Ritt nach der Birkwiese gemacht und nach Körtens Schlingen gesehen – Pardon, nach der gnädigen Braut. Ihre Gnaden waren leider nicht gnädig,« witzelte er grimmig und holte Brief und Ring hervor. »Eine kleine Bestellung an den Bräutigam: der Ring paßt nicht.«

»Nanu, reiß keine Possen!« mahnte Tönndorp ernst.

»Reiß ich nicht, ist mir aber eine vorgespielt worden. Ist eine Kreatur, das Weib. Da –« er pochte sich gegen die Stirn – »da ist's Nacht.«

»Sie will ihn nicht mehr?« fragte Tönndorp mit einer Thomasmiene.

»Nein, dankt – ach was, schimpft!«

Tönndorp war aufgestanden.

»Bravo!« sagte er mit gesuchter Trockenheit, während der Zorn doch auch in ihm aufkochte.

Luckner erzählte ausführlicher.

»Den Igel erkennt man an seinen Stacheln,« glossierte er, »und den Unverstand am langen Haar –«

»Die Gans an den Federn,« ergänzte Tönndorp beifällig.

»Und an ihrem Schnabel,« fuhr Luckner fort. »Vergebung, meine Damen; ich bin noch im Birkhause. Zuerst ließ sie mich kaum zu Worte kommen –«

»Hm –,« knurrte Tönndorp.

»Liebe Gräfin,« wandte sich Luckner an die Gattin des harmlosen Spötters, »wenn Sie auch bei mir das Präsidium übernehmen wollten – ein Ordnungsruf mochte nicht vom Uebel sein ... Dann kamen wir aneinander. Zum Schluß der schöne Effekt ...«

»Und wie wird Herbrinck die Nachricht aufnehmen?« fragte Menge.

»Als ein Mann!« entgegnete Luckner kurz und überzeugt. »Und nicht er ist der verlierende Teil, sondern sie.«

Die Gräfin Tönndorp strich sich das ergraute Haar von der hohen Stirn.

»Die Wendung macht mich fast froh,« sagte sie freundlich. »Sie waren ein ungleiches Paar, und das hätte nicht gut getan.«

»Strich durch!« bekräftigte der Hausherr und weckte seine Tochter aus einem tiefen Sinnen. »Hausmütterchen, wie steht's mit einem Imbiß?«

Helene fuhr zusammen.

»Ja, Papa –«

Sie sah wie träumend um sich.

»Hat man wieder im stillen philosophiert?« fragte Luckner scherzend. »Ja, ja, die Welt ist rund und kunterbunt. Heute rot, morgen tot – – einmal Lachen, zweimal Krachen. Und das Kopfzerbrechen ist schön, nützt aber nichts, nicht einmal, wenn's in die ausgeklügelste philosophische Formel gebracht wird. Und stillt den Hunger auch nicht.«

»Ich werde gleich nachsehen, Papa!«

Sie huschte in den Speisesaal, sah sich allein und drückte die Hand auf das klopfende Herz. Sie hätte hinausjubeln mögen in seliger Befreiung und mußte das stürmende Empfinden doch verstecken hinter undurchsichtiger geselliger Konvenienz.

Luckner trank das erste Glas goldglänzenden Mosel auf Hans von Herbrincks Wohl.

»Ich habe eine doppelte Aufgabe zu erfüllen. Möge sie gelingen. Prosit!«

»Lieber Luckner, wenn Sie gestatten wollen,« sagte Menge in einer Eßpause, »erzähle ich noch eine Entlobungsgeschichte ... Darf ich?« fragte er auch seine Frau.

Die Frau nickte nur lächelnd.

»Vielleicht ist sie lehrreich,« meinte Luckner.

»Die Geschichte liegt schon etwas zurück,« leitete Menge ein. »Ich habe sie aber miterlebt und deshalb auch in den langen Jahren nicht vergessen. Erzählt ist sie bald. Der Bräutigam war, wie Herbrinck, ein junger Landwirt, nicht ohne Talent und auch nicht ohne Vermögen, aber mit einem nur sehr simplen Namen und einem sehr großen Ehrgeiz. Dieser letztere, der Ehrgeiz nämlich, hatte ihn die Augen zu einer jungen Dame adeliger Herkunft erheben lassen, deren Eltern dem Frechling aber statt der erbetenen Hand des Töchterchens einen recht niedlichen Korb gaben. Darob großes Herzbrechen bei dem Freiersmann – ja, und auch redlicher Schmerz, weil er wußte, daß er nicht allein, sondern auch die Heißgeliebte mit ihm litt. In der Sorge um die Angebetete vergaß er zuletzt den eigenen Kummer, und um das Mädchen zu bewegen, ihrer Wahl zu entsagen, legte er sich sogar das Opfer auf, sich mit einer anderen zu verloben. Die andere war auch äußerlich nicht so übel, nur – ein bißchen dumm. Zuerst schadete das nicht, dann fiel es ihm auf; dann wurde es ihm unangenehm, endlich unerträglich. Ein Zwischenfall ließ die Verlobung zurückgehen. Er hatte einen Teil seines Vermögens verloren, und die entrüstete Braut ließ ihn samt dem zusammengeschmolzenen Mammon laufen. Er war zum erstenmal wieder herzensfroh ... Vielleicht geht's Herbrinck auch so, was das Frohsein betrifft.«

»Darum würde ich viel geben,« sagte Luckner. »Eine stille Liebe, wie Ihr Held, wird er aber wohl nicht gehabt haben. Davon habe ich wenigstens nichts gemerkt.«

»Das habe ich auch nicht behaupten wollen. Aber ich müßte mich sehr irren, wenn er den Unterschied zwischen sich und der Verlobten nicht auch unliebsam erfahren hätte. Ich habe so meine Anzeichen dafür, und ich spreche aus Erfahrung.«

»Waren Sie am Ende selbst – –«

»Allerdings.«

»Sagen Sie mal, Menge, wieviel Lieben haben Sie denn gehabt?« suchte Tönndorp mit einem Blick auf die junge Frau zu foppen.

»Bloß eine. Und die habe ich geheiratet.«

»Also war es mit Ihrer ersten heißen Liebe auch nichts?«

»Doch. Die hat so lange treu ausgehalten, bis die Eltern nachgaben.«

»Liebe Frau Menge – –«

Tönndorp stieß lebhaft an, und keiner in der kleinen Runde blieb zurück.

Helene hatte die liebenswürdige Frau schon immer gern gehabt. Der intime Zug erhöhte ihre Verehrung zur Bewunderung. Sie geleitete sie an den Wagen, als der Besuch die Heimfahrt antrat, und drückte ihr noch einmal zärtlich die Hand, als die Pferde bereits angezogen hatten.

»Luckner, depeschiere!« rief Tönndorp noch zurück.

»Selbstredend!«

Luckner zündete sich eine neue Zigarre an und blieb noch mit der Tochter im Gespräch.

»Ich fahre um acht,« setzte er auseinander. »In Neumünster erreiche ich den Kiel-Hamburger Schnellzug, und der D-Zug braucht von Hamburg nach Berlin nur drei und eine halbe Stunde. Um vier bin ich im Hotel Bristol, Unter den Linden. Magst du nachsehen, ob Eveline schon schläft?«

»Das Zimmer war vorhin dunkel, Papa.«

»Auch gut. Morgen früh will ich sie sprechen, allein. Schicke sie zu mir.«

Er küßte sie und zog sich zurück.

Der Morgen fand ihn früh auf, und als die ältere Komteß auf sich warten ließ, schickte er nach ihr und ließ sie auffordern.

Eveline kam unsicher.

»Du hast befohlen, Papa?«

»Ich war so frei! Du hast dich gestern unwohl gemeldet. Die Komödie im Hause ist mir verhaßt, und eine Wiederholung will ich mir verbitten. Ich fahre nach Berlin, um Herbrinck zu ersuchen, den alten Platz einzunehmen auf dem Gute und in meinem Vertrauen. Die Heimkehr wünsche ich nicht getrübt. Und wenn du dich nicht fügen kannst, dann erinnere dich einer Einladung der Gräfin Soden, deren Kieler Heim dir Timmhusen so lange ersetzen wird, bis du zur Einsicht gekommen bist. Der Dame bitte ich meine ergebenen Empfehlungen zu bestellen ... Jetzt habe ich zu tun. Guten Morgen, mein Kind.

Er kramte auf dem Schreibtisch.

»Papa –«

»Geh!« forderte er fest.


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