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IV.

Aber das ist eine Gotteslästerung.

Mus. v. Meyer-Beer.

Gotteslästerung.

Das Knarren der geöffneten Thür rief Paulinen wieder zum Bewußtsein zurück; denn das unglückliche Weib glaubte ihren Mann zu hören, hatte sich in den Schooß der Wittwe geworfen, und rief: – »Er bringt mich um, liebe Frau, beschützt mich!«

Aber als sie ihren Irrthum sah, strich sie immer noch kniend, sich die Haare aus der Stirn, blickte den eingetretenen Fremden stier an, und errieth unwillkürlich, daß es der Graf sei.

Darauf faßte sie ihn bei den Händen, bedeckte sie mit Küssen und Thränen und rief: – »Retten Sie mich, Herr Graf; um Gottes willen, retten Sie mich, – »Sie sind meine letzte Hoffnung!« –

Und da fiel sie wieder in convulsivische Zuckungen, daß ihre Glieder zitterten.

Jean Thomas, außer sich vor Erstaunen, blickte seinen Vorgesetzten stier und regungslos an.

»Der Herr Graf haben also die Bitte einer armen Witwe nicht verachtet,« – rief die alte Thomas und grüßte Heinrich ehrerbietig.

»Nein, liebe Frau, – und ich werde mich glücklich schätzen, wenn ich Ihnen nützlich sein kann. Aber wollten Sie mir gütigst erklären, was dies bedeutet, und worin ich die Dame retten kann?«

»Wenn Sie meinen Sohn davon abhalten, daß er das Geheimniß dieses unglücklichen Weibes, das sich sehr schwer vergangen hat, verräth, denn sie hat auf einen Augenblick ihre Pflicht vergessen, Herr Graf; aber sie bereut es; sehen Sie ihre Thränen – das Herz möchte einem brechen. Nun denn, können Sie es glauben, mein Sohn will ihrem Manne Alles sagen? Und sagt er's, so ist's um sie geschehen. Darum bitte ich Sie, Herr Graf, verbieten Sie es meinem Sohne; Sie sind ja sein Vorgesetzter, Herr Graf, – und wir Beide werden Sie dafür segnen.«

»Ach ja, Herr Graf, mein Leben wird nicht lang genug sein können, Ihnen meinen Dank zu beweisen,« – rief Pauline.

»Sie ist zum Entzücken schön,« dachte der Graf, und betrachtete das reizende Gesicht der Madame Lerouge, die zu seinen, Füßen kniete. – Darauf wandte er sich zu Jean Thomas: – »Ich hoffe, mein Herr, Sie –«

»Ich hoffe, mein Herr,« unterbrach Thomas den Grafen, – »ich hoffe, Sie werden sich selbst achten, und sich nicht in eine Sache mischen, die den Dienst nichts angeht.« –

»Ich bin hier bei Madame Thomas, mein Herr,« – rief Heinrich, und verneigte sich gegen die Wittwe, »und was ich thue, ist mein eigner Wille und Entschluß.«

»Nun gut! ich, mein Herr,« – rief Thomas in anmaßendem Tone, – »ich bin hier in meinen vier Pfählen und will Ihnen den meinigen sagen. Mein Wille ist, meinem Freunde dem Capitain Jacob, Alles zu offenbaren, und dies will ich auch gleich jetzt thun. Ich weiß es wohl, mein Herr, an meiner Stelle würde ein Mann des Hofes nachsichtiger oder zaghafter sein; aber ich bin kein Mann des Hofes, mein Herr, ich gehöre einem andern Stande – gehöre dem Volke an – bin ein rechtlicher Mann« –

»Ein elender Mensch bist Du, der Du es wagst, so mit einem Edelmanne zu sprechen, mit einem Herrn, der Deines Vaters Haus durch seinen Besuch beehrt!« – rief die Wittwe und steigerte so ohne ihr Wissen Thomas' Zorn; – »bitte ihn um Entschuldigung – auf der Stelle« – setzte sie hinzu.

»Mutter!« – rief Thomas aufbrausend.

»Ich bitte Sie, liebe Frau,« – rief der Graf mit seiner gewöhnlichen Ruhe, – »vergessen Sie, so wie ich, was der Herr gesagt hat;« – dann wandte er sich zu Thomas: »Sie behandeln die Leute meines Standes sehr hart, mein Herr; ich habe eine bessere Meinung von denen des Ihrigen, – da Sie selbst diesen Unterschied, der mir nie eingefallen ist, aufgestellt haben, und da ich Sie als einen rechtlichen und braven Mann kenne, nehme ich mir die Freiheit, mich mit Ihrer Frau Mutter zu vereinigen, um Ihr Stillschweigen über diese traurige Geschichte zu erbitten. Sie sehen wohl ein, mein Herr, daß ich sehr thöricht sein würde, wenn ich dächte, mein Einfluß als Commandant könnte Sie nur in Etwas bestimmen; auch bitte ich Sie, vergessen Sie unsern Stand und Rang, und sehen Sie mich nur für einen rechtlichen Mann an, der einen rechtlichen Mann um eine Gefälligkeit bittet. Ich bitte Sie, Herr Thomas, setzen Sie ihren Plan nicht in's Werk; wahrlich, es würde schlimmer kommen, als Sie denken, das weiß ich gewiß« –

Thomas antwortete kein Wort, blickte den Grafen sardonisch an, zog seine Uhr heraus, und sagte: – »Schon Mittag, das ist die Stunde, wo die Kutsche von Lambeseleq ankommt. Mein Freund muß da sein; ich eile ihm entgegen.«

Und er verschwand.

»Mein Sohn! – mein Sohn!« rief die Wittwe, – bittend –

»Ach, mein Herr,« rief Pauline, »er holt meinen Henker!« –

»Um Gottes willen, Herr Thomas, thun Sie das nicht!« rief Heinrich, und eilte seinem Lieutenant nach.

Es war zu spät –

Die Personen dieses seltsamen Auftritts blickten sich, regungslos vor Staunen, einander an.

»O, mein Gott, so ist es denn aus mit mir!« – rief Pauline, – »ich muß sterben – sterben« –

»Was nun anfangen, Herr Graf?« – rief die Witwe in der Angst ihres Herzens.

Heinrich sann einen Augenblick nach, konnte ein Lächeln nicht verbergen, und fragte dann entschlossen: – »Außer dem, was gestern geschehen, hat mein verteufelter Lieutenant keinen Beweis gegen Sie?« –

»Nein, Herr Graf, – ich schwöre es Ihnen.« –

»Nun gut, so läugnen Sie nur Alles steif und fest, wenn Ihr Mann kommt; und da Ihr Sohn, Frau Thomas, bloß von der gestrigen Begebenheit reden kann, so behaupten Sie, daß die Dame von gestern früh bis auf den Abend nicht aus Ihrer Stube gekommen ist; merken Sie sich's; nicht gestottert. Sehen Sie, bestes Weibchen,« – rief der Graf, immer noch lächelnd, – »in diesem so häufigen Falle glaubt der Mann lieber das Gute, als das Böse; und ich weiß gewiß, Ihr Zeugniß wird das des Lieutenants unwirksam machen.«

– »Aber das ist gelogen, Herr Graf,« – rief ernst die Witwe.

»Aber auch Ihrem Nächsten das Leben gerettet, liebe Frau,« – erwiederte der Graf.

»Lügen!« wiederholte die Witwe mit dem Ausdrucke des Schmerzes und der Unentschlossenheit. – Da fielen ihre thränenfeuchten Augen auf die Nachahmung Jesu Christi, die noch offen auf dem Tische lag, und sie las:

Es ist nicht Alles verloren, wenn ihr auch in Angst und Noth seid.

Ihr seid Mensch, nicht Gott; seid Fleisch, nicht Engel. Wie wollt ihr Euch stets erhalten in gleicher Tugend, da solches Beharren selbst dem Engel im Himmel und dem ersten Menschen im Paradiese mangelte?

Ich bin Christus, der da aufrecht hält die, welche seufzen, und zu sich erhebt die, so ihre Schwäche erkennen.

Der Menschen Zeugniß ist oft Trug, aber mein Gericht ist das einzig wahre und unerschütterliche, und Gottes Langmuth ist ohn' Ende.

»Gottes Wille geschehe!« – rief die Witwe und schlug das Buch zu. – »Seine Gerichte sind unerforschlich, und er allein sieht in's Herz des Menschen« –

Da ließen sich Stimmen vor der Thür hören; es war die des Lieutenants, und noch eine andere –

»Das ist mein Mann,« stöhnte Pauline, – »ich fühle den Tod, – ich bin verloren« –

»Jesus Maria! still, keine Blöße!« rief Heinrich, und laut klopfte das Herz in seiner Brust.

Die Thür öffnete sich.

Es war wirklich der Capitain und Thomas.

Der Capitain war vierzig Jahr alt, und von Athletengestalt; sein braunes, kräftig gezeichnetes Gesicht war blaß und verzogen, seine Lippen weiß und enggeschlossen, seine Augen gläsern und sein Wesen hatte eine scheinbare Ruhe, die schrecklicher war, als der Ausbruch des Zornes.

Festen Schrittes ging er aus Paulinen zu, die sich in die Arme der Witwe geflüchtet hatte.

Und sein Weib bei der Schulter fassend, fragte er ruhig:

»Weib, was machst Du hier?«

»Herr Capitain,« rief Heinrich, – der allein noch Besonnenheit genug besaß, – »ich bin der Graf von Vaudrey, und Frau Thomas hat mich beauftragt, Sie zu verständigen, warum die Dame (hier wies er auf Paulinen) hier ist. Herr Jean Thomas, von falschen Gerüchten, die seinem Gewissen Zwang anthaten, getäuscht, hat Ihnen vielleicht gesagt, gestern gegen 2 Uhr sei Ihre Frau vor der Stadt in einem tête-à-tête gesehen worden.« –

»Ja, das hab' ich gesagt, und es ist wahr; wer wagt es, mich Lügen zu strafen?« – rief Thomas.

»Ich, mein Sohn!« – betonte die Witwe mit einem Seufzer; – »denn diese Frau ist gestern den ganzen Tag bei mir gewesen, – von früh 8 Uhr bis Abends 9 Uhr.«

»Bei Gott im Himmel! das ist niederträchtig,« – rief Thomas außer sich.

Der Capitain sah Thomas stier an, ohne ein Wort zu sagen; dann rief er: »Thomas, ist's möglich? Du, mein Freund, – Du, wenigstens hielt ich Dich dafür, – Du konntest mich betrügen?« – Heftig stampfte er mit dem Fuße, und fuhr fort: – »Ja, Elender, Du verleumdest mein Weib; denn nie, nie war Deine Mutter einer Lüge fähig« –

Und in seinen wilden Zügen schienen Zweifel, Zorn und Hoffnung zu kämpfen.

»Ha, das ist teuflisch!« – rief Jean Thomas wüthend.

»Ich bin gestern nicht von hier weggekommen, und weiß, weshalb Herr Thomas meinen Beschuldigern geglaubt hat,« – rief Pauline, die in ihrem Herzen wieder einen Schein von Hoffnung erwachen fühlte und Muth faßte.

»O, über die Weiber! – über die Weiber!« – dachte Heinrich, in sich lächelnd.

Jetzt trat ein Augenblick des Stillschweigens ein, den die schwache Feder nicht zu schildern vermag.

Endlich begann der Capitain mit barscher Stimme, und konnte kaum noch seine schreckliche Aufwallung bezähmen:

»Höre, Thomas, – ich habe Dich stets als rechtlich und männlich gekannt; in einer Minute kann ich nicht gleich anders von Dir denken lernen, und Dich für einen Schuft und Lügner ansehen, nein, das ist unmöglich; noch ein Mal, das ist unmöglich. – Thomas, – sag' mir die Wahrheit. – Man hat Dich so berichtet, – nicht wahr? – dann hast Du es als guter Freund mir wiedererzählt; aber selbst gesehen hast Du nichts, nicht wahr? – Nichts selbst gesehen? Du hast gedacht, mir einen Dienst zu erweisen, wenn Du mir diese Sage mittheiltest; aber so sprich doch, Du hast nichts mit eignen Augen gesehen?«

»Gestern, Nachmittag 2 Uhr, –habe ich, Thomas, Dein Weib auf dem Walle am Arme eines jungen, blaugekleideten Menschen gesehen, – ich habe gesehen, wie sie sich bei den Händen hielten, – sich den Arm reichten, – ich habe gesehen, wie sie seitwärts vom Walle, wo sie keinen Lauscher befürchteten, sich umarmten.«

»Thomas!« rief der Capitain; und ein dunkler Purpur trat auf seine Wangen.

»Ich habe sie gesehen,« – fuhr schonungslos Thomas fort – »ich habe sie gesehen, und meine Mutter lügt, ja, bei Gott, sie lügt!«

»Du hast sie gesehen, – genau gesehen?« stammelte Jacob.

»Ich habe sie gesehen.«

»Ha!« – rief der Capitain und fuhr sich mit der Hand über Stirn und Augen; dann machte er noch einen letzten Versuch, denn man hörte kaum, was er sprach: – »Höre, Thomas,« – murmelte er, – »schwöre mir, aber schwöre mir bei Deiner Seemannsehre, beim Andenken Deines Vaters, bei Deiner Rechtlichkeit, daß Du sie gesehen hast – schwöre mir, und ich will Dir glauben.«

Als nun Thomas sprechen wollte, faßte ihn der Capitain kräftig bei der Hand, und sprach zu ihm mit bedeutungsvoller Miene: – »Du kennst mich, Thomas; sieh, – es ist ein Todesurtheil, – was Du aussprichst; – bedenke es wohl: ein Todesurtheil« –

»Todesurtheil, verstehst Du recht?« – – wiederholte noch ein Mal der Capitain, und convulsivisch zitterte seine Stimme, und fest noch hielt er den Arm des Lieutenants.

»Halt!!!« riefen auf einmal Heinrich, die Witwe und Pauline, und streckten die Hände gegen Jean Thomas hin, der mit lauter Stimme rief:

»Ich schwöre also bei meiner Rechtlichkeit, beim Andenken meines Vaters, bei meiner Seemannsehre, ich schwöre, daß ich sie gesehen habe.«

»Nun ist's aus, Unglückliche!« – rief dumpf der Capitain, und zückte einen langen Dolch, den er unter seinem Rocke verborgen gehalten hatte, und bevor der Graf sich seiner Wuth widersetzen konnte, stürzte er wie ein Tiger über sein Weib her und faßte sie bei den Haaren. Die Klinge ritzte schon Paulinens Busen, und keine menschliche Macht konnte sie einem schrecklichen Tode entreißen. –

»Halt, mein Herr! « rief die Witwe mit solch einem gewichtigen Tone, daß des Capitains Arm, der schon den Dolch auf sein Weib zückte, wie gelähmt zurücksank.

Dann erhob sich die Witwe ruhig, ehrwürdig, und legte ihre Hand auf ein Crucifix, das sie an ihrem Halse trug, und rief mit lauter und fester Stimme:

»Ich schwöre hier, beim Bilde des Erlösers der Menschen, daß Ihr Weib unschuldig, und gestern den ganzen Tag keinen Augenblick von mir weggekommen ist; möge ich verdammt sein zu den ewigen Strafen, wenn ich lüge!« –

»O, Mutter, Mutter!« rief Thomas und erhob die Hände zum Himmel. –

»Elender!« – schrie Jacob und drohte dem Thomas mit dem Dolche – denn der Capitain glaubte der Wittwe, da die ächte Frömmigkeit dieser heiligen Frau in der Recouvrance so bekannt war, daß Niemand ihr eine so schreckliche Todsünde zugetraut hätte. –

»Armer Thor!« – antwortete Thomas kalt, und blickte, ohne zu erblassen, auf den über ihn gezückten Dolch. –

Aber Jacob warf die Waffe zu Boden, und sagte zu Thomas: – »Das Blut einer so elenden Canaille, wie Du, würde diesen Dolch beflecken; geh, – Lügner, ich verachte Dich!«

Darauf stürzte er sich seiner Frau zu Füßen – »Pauline! – Verzeih, ach, vergieb! – mein Gott! – ich, ich liebte Dich so sehr, daß – und dann – Aber nein, ich bin von Sinnen, es ist ein Traum; – ein schrecklicher Traum; aber Du bist unschuldig; – jener Schuft hat gelogen – vergieb –«

Und auf dem wilden Antlitz des rohen Menschen waren Schmerz und Güte wunderbar ausgedrückt. Er weinte, wie ein Kind, er umarmte sein Weib, küßte der Witwe die Hände, lachte, hüpfte, dankte dem Grafen. Er konnte nur unzusammenhängende Worte, Seufzer, Laute der Freude ausstoßen. Endlich nahm er, als fehlten ihm die Worte, und um das, was er fühlte, auszudrücken, sein Weib in seine Arme, und bevor noch eine bei dieser seltsamen Scene betheiligte Person ein einziges Wort sagen konnte, entfloh er mit ihr, als hätte er nur ein Kind auf den Armen.

Thomas stand noch, wie versteinert; er sah und hörte nichts; das unerhörte Benehmen seiner Mutter lähmte seine ganze Kraft; und dies Alles war ihm nur wie ein Traum.

Endlich fuhr er mit den Händen über die Stirn, drückte sie mächtig und stammelte die Worte: »Ha! ich möchte rasend werden! –«

Und ohne Hut und Degen stürzte er hinaus.

Die Witwe vermochte nicht, einer so heftigen Erschütterung zu widerstehen, schloß die Augen und ward ohnmächtig.

Der Graf rief um Hülfe, ließ die Witwe Thomas in den Händen der Nachbarinnen, und während er nach Haus ging, sprach er bei sich: – »Bei meiner Edelsmannsehre, das war eine merkwürdige Geschichte: das war eine Betschwester, die eine Todsünde beging; ein Ehrenmann, der als Schuft behandelt, ein anderer Ehrenmann, der wie ein Narr geprellt wurde, und dies Alles, um das Leben einer Puppe zu retten, die nun wieder von Neuem anfangen wird. Mein Gott, das Menschendasein ist ein komisch Ding! Ich muß doch sehen, ob ich diese Pauline erobern kann; sie ist herrlich von Wuchs – Ach, der vortreffliche Herr Lerouge.« – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

– Acht Tage nach diesem Auftritte war die Witwe Thomas nicht mehr!

Den dritten Tag nach seiner Mutter Tode empfing Jean Thomas folgende Zeilen von dem Capitain Jacob Lerouge:

 

»Ich habe erfahren, daß Ihre Mutter gestorben ist; dies neue Unglück macht Sie einigen Mitleids werth. Ich habe Sie einen Lügner gescholten; ich will dies Wort als eine Beleidigung von meiner Seite ansehen, und gebe Ihnen gern Rechenschaft darüber. »Wählen Sie Ort, Waffen und Zeit.«

Lerouge.

 

Jean Thomas antwortete, wie folgt:

»Ich bin kein Lügner, aber ich nehme die Genugthuung, die Sie mir anbieten, nicht an, weil ich meiner Mutter geschworen habe, nie die Hand in einem Duelle ans Schwert zu legen. – Ich habe es ein Mal geschworen, und vor ihrem Tode habe ich diesen Schwur noch ein Mal wiederholt. Sie kennen mich; – Sie wissen, aus Furcht schlage ich es nicht ab, aber ich habe nie in meinem Leben einen Schwur gebrochen.«

Thomas

 

»Nein, bei Gott! aus Furcht schlägt er es nicht ab,« rief der Capitain Jacob, als er diese Worte las. – »Aus Furcht geschieht's nicht; ich habe ihn im Feuer gesehen, aber er hat entschiedenes Unglück.«

Madame Lerouge bat, um alle üble Nachrede zu vermeiden, ihren herrlichen Gemahl, den Capitain, um die Erlaubniß, Rennes statt Brest zum Wohnsitz zu wählen.

Der Capitain willigte ein, und ließ sich dort mit seiner tugendhaften Gattin, wie er sie nannte, nieder.

Wie nach einer stillschweigenden Uebereinkunft sprachen der Graf und der Lieutenant in der Folge kein Wort von diesem seltsamen Austritte. – Nur schlug Heinrich seinem Lieutenant, damit dieser sich zufriedener fühle, eine Versetzung vor. Der Lieutenant fragte ihn, ob er sich an seinen Vorgesetzten vergangen habe.

Jean Thomas blieb also an Bord.

Bald darauf schiffte sich auch Perez – als Beamter des Ober-Proviantmeisters am Bord der Sylphide ein.

Rita folgte ihm in Mannskleidern, und galt für seinen Gehülfen.

Aber nur wenige Matrosen bemerkten ihre Gegenwart an Bord, denn sie hatte sich des Abends eingeschifft. –

Eines Abends, im nämlichen Augenblicke, wo auch der Graf an Bord zurückkam, wobei er in seinem Rausche etwas lärmte, denn er kam, Gott weiß von was für einem Souper, fragte er, als er im Dunkel des Wegs Rita und Perez sah, wer das wäre?

Man antwortete ihm: – »Commandant, es ist der Proviantmeister und sein Gehülfe.«

Und der Graf machte eine Geberde sorgloser Nichtbeachtung, und schlenderte in seine prachtvoll vergoldete Gallerie.

Perez und Rita betraten im Schiffsraume das dunkle und feuchte Gemach, das ihnen angewiesen war.


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