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IX.

Der erste Verdacht.

Es war noch nicht sechs Uhr Morgens, als ein heftiges Klopfen an der Thür seines Schlafzimmers den Präsidenten weckte. Er hatte so fest geschlafen, daß er einige Zeit bedurfte, um völlig zur Besinnung zu kommen; noch fühlte er sich so müde und matt, daß er gewiß wieder eingeschlafen wäre, wenn nicht ein erneutes starkes Pochen ihn endlich ermuntert hätte.

»Wer ist da?« fragte er unwillig.

»Ich bin's, ich, Johann!« antwortete der Bediente. »Bitte, Herr Präsident wollen schnell öffnen. Es ist wahrscheinlich ein Unglück geschehen.«

Der Präsident sprang aus dem Bett. Seine volle Besinnung kehrte zurück und mit ihr die Erinnerung an den vergangenen Abend. Er wußte jetzt, welches Unglück ihm Johann melden wollte, und er war vorbereitet, es zu hören. Schnell entriegelte er die aus seinem Schlafzimmer nach dem Vorsaal führende Thür.

Johann trat ins Zimmer, er sah blaß und höchst aufgeregt aus.

»Was ist geschehen? Weshalb machst Du so früh solchen Lärm?« fragte der Präsident scheinbar sehr ärgerlich.

»Verzeihen, Herr Präsident, aber ich mußte wohl. Ich möchte darauf schwören, daß in der Nacht bei uns eingebrochen ist, und zwar in des Herrn Präsidenten Arbeitszimmer. Die Thür zum Vorsaal ist verschlossen.«

»Natürlich. Ich habe sie selbst verschlossen und den Schlüssel mitgenommen. – Gieb einmal meinen Rock her. – Hier ist der Schlüssel. Uebrigens kannst Du ja auch von hier aus hinein gehen.«

Johann versuchte die Thür zu öffnen. »Ich dachte es wohl! Sie ist von innen verriegelt,« sagte er.

»Verriegelt? Das habe ich nicht gethan. Schnell, schließe die Vorsaalthür auf. Hier ist wirklich etwas nicht in Ordnung,« rief der Präsident.

Johann eilte fort, aber schon in der nächsten Minute kam er noch bleicher als zuvor zurück und berichtete: »Die Thür ist auch von innen verriegelt. Ganz sicher ist der Kerl, der Weinert, in der Nacht hier gewesen, ich hab' es wohl vorher gesagt. Als ich soeben im Garten war, sah ich das Fenster von des Herrn Präsidenten Arbeitszimmer offen stehen. Eine Scheibe ist entzwei und unmittelbar unter dem Fenster ist der Kalk abgefallen, da hat der Kerl die Leiter angelehnt. Im Kiesweg sieht man noch die Spur von seinen großen Füßen und von der Leiter. Ich will nicht gesund hier stehen, wenn nicht der Zuchthäusler in der Nacht in des Herrn Präsidenten Zimmer gewesen ist.«

»Das wäre entsetzlich!« entgegnete der Präsident. »Wir müssen Gewißheit darüber haben; die Thüren müssen aufgebrochen werden. Geh', Johann, hole schnell den nächsten Schlosser.«

»Den Weinert?«

»Nein, den Bernard oder einen andern; aber beeile Dich. Doch halt, noch eins. Geh' beim Polizei-Kommissarius Habicht vorbei und bitte ihn, so schnell wie möglich hierher zu kommen. Ich werde mich inzwischen anziehen.«

Johann ließ sich nicht zweimal zur Eile mahnen. So schnell wie ihn seine Füße tragen wollten, lief er davon. Nach kaum einer Viertelstunde war er zurück und, ihm fast auf dem Fuße folgend, kamen auch zuerst der alte Schlosser Bernard und gleich nach ihm der Polizei-Kommissarius Habicht.

»Der Herr Präsident haben befohlen?« sagte der Beamte respektvoll dienstlich grüßend.

»Nicht befohlen, aber ich habe Sie bitten lassen, hierher zu kommen, Herr Polizei-Kommissarius,« erwiderte der Präsident sehr gnädig; »ich fürchte, daß in der Nacht bei mir ein Einbruch versucht worden ist. Der Schlosser Bernard ist eben dabei beschäftigt, die von innen verriegelte Thür meines Arbeitszimmers aufzubrechen. Es war mir wünschenswerth, daß Sie bei der Eröffnung des Zimmers gegenwärtig seien, vielleicht kann dies für eine etwaige spätere Untersuchung von Nutzen sein.«

»Ich stehe ganz zu Befehl, Herr Präsident.«

Dem Schlosser war es inzwischen gelungen, den Riegel von außen zurückzuschieben und die Thür des Zimmers vom Vorsaal aus zu öffnen. Der Präsident trat zuerst ein, ihm folgte der Polizist. Diesem genügte ein Blick nach dem offenen Fenster mit der zersplitterten Scheibe, nach dem Schreibtisch, neben dem am Fußboden rings zerstreut Holzsplitter und Späne lagen, um zu erkennen, was hier geschehen war.

»Es ist ein Einbruch verübt worden!« sagte er mit so geschäftsmäßiger Ruhe, als handle es sich um die einfachste Sache der Welt.

Der Präsident stürzte auf den Schreibtisch zu. Er riß die Platte in die Höhe, aber gleich darauf ließ er sie wieder sinken und mit dem Schreckensruf:

»Mein eiserner Geldkasten ist geraubt. Ich bin ein ruinirter Mann!« wankte er zurück.

Er sank in einen Sessel nieder, und die Augen fürchterlich verdrehend, brach er zusammen.

»Der Herr Präsident stirbt! Der Schlag hat ihn getroffen!« schrie Johann entsetzt.

»Wasser herbei, schnell! Kaltes Wasser!« befahl der Polizist.

Johann flog nach dem Schlafzimmer, augenblicklich kam er mit einer Wasserkaraffe zurück. Ein reicher Theil des Inhalts, welchen der Polizei-Kommissarius dem Ohnmächtigen ins Gesicht spritzte, genügte, um ihn ins Leben zurückzurufen.

Der Präsident schlug die Augen wieder auf. Sein erster Blick traf den Schreibtisch; ein krampfhaftes Zittern durchschauerte seinen Körper. – »Großer Gott!« rief er verzweiflungsvoll aus. »Es ist wahr, es ist wirklich wahr! Ich bin beraubt, ruinirt für immer!«

»Um Gotteswillen, beruhigen Sie sich, Herr Präsident,« sagte der von der Verzweiflung des sonst so kalten, vornehmen Mannes sehr bewegte Polizeibeamte gutmüthig.

»Ja, Sie sagen wohl: »»Beruhigen Sie sich;«« aber wissen Sie, was mir geraubt ist? In jenem Geldkasten lag ein Vermögen, und es war nicht mein Eigenthum, sondern mir anvertraut.«

»Nun, vielleicht gelingt es, den Thäter zu entdecken und das Geraubte wiederzuerhalten. Haben Sie nicht irgend einen Verdacht?«

»Nein, ich weiß nichts. Ich bin rathlos.«

»Ich aber habe einen Verdacht,« rief Johann, »und ich will nicht gesund hier stehen, wenn er falsch ist. Der Schlosser Weinert, der Schuft, der Zuchthäusler, der Einbrecher ist's gewesen und kein Anderer!«

Der alte Schlosser Bernard hatte inzwischen die Klappe des Schreibtisches geöffnet, das Schloß geprüft und einen Blick in das Innere des Tisches geworfen. Jetzt wendete er sich zu dem Polizisten: »Ich traue dem Weinert alles Schlechte zu; hierbei aber ist der nicht thätig gewesen. Solche Pfuscherarbeit macht kein gelernter Schlosser und am wenigsten der Weinert. Ein geschickter Kerl ist er, wenn er auch auf dem Zuchthause gesessen hat. Sehen Sie nur hier, Herr Kommissarius, der Dieb hat das Schloß aufgebrochen. Was hat er dabei für Lärm machen müssen! Ein Schlosser hätte das alte Ding ohne allen Lärm aufgemacht! Und hier inwendig! Das sieht ja aus, als ob die Schweine gewühlt hätten, und das soll Schlosserarbeit sein? Im Leben nicht! Der Kerl, der den Kasten aus dem Holz gestemmt hat, hat noch nie einen Meißel oder ein Stemmeisen in der Hand gehabt. Drauf losgeschlagen hat er ohne Sinn und Verstand. Ein ordentlicher Schlosser ist's nun und nimmermehr gewesen.«

Der Alte hatte sich ins Feuer geredet, seine Handwerksehre war gekränkt, aber er hat kein Glück mit seiner Beweisführung, denn die Aufmerksamkeit des Polizeibeamten war wieder ganz dem Präsidenten zugewendet, den eine neue Ohnmacht überfiel. Er war, während der Schlosser sprach, leichenblaß geworden, das konvulsivische Zittern kehrte zurück und nur durch eine reichliche Anwendung des Wassers wurde er wieder ins Bewußtsein zurückgerufen.

»Wir müssen einen Arzt rufen!« sagte der besorgte Beamte.

»Es ist unnöthig; mir ist wieder ganz wohl,« entgegnete der Präsident schnell. »Es war nur eine augenblickliche, durch den Schreck erzeugte Anwandlung von Schwäche. Sie ist vorüber und wird nicht wiederkehren.«

»Aber ein Arzt würde doch – –«

»Ich will keinen Arzt und verbiete, daß einer geholt werde. – Haben Sie jetzt die Güte, Herr Polizei-Kommissarius, den Thatbestand genau zu untersuchen. – Ich kann Ihnen nichts mittheilen. Als ich gestern Abend gegen neun Uhr durch den Garten nach der Stadt ging, – bis dahin habe ich in diesem Zimmer gearbeitet, – habe ich nichts Verdächtiges bemerkt. Gegen zwei Uhr in der Nacht bin ich nach Haus zurückgekommen, aber nicht durch den Garten, sondern wie ich dies immer thue, wenn ich in der Nacht nach Haus komme, durch die vordere Hausthür. – Ich bin bald eingeschlafen und habe nichts gehört, allerdings habe ich sehr fest geschlafen.«

»Na, von dem Lärm, den der Spitzbube beim Aufbrechen des Schlosses und beim ungeschickten Ausstemmen des Kastens gemacht haben muß, wäre wohl auch ein Halbtodter im Nebenzimmer aufgewacht,« bemerkte der Schlosser Bernard trocken.

Der Präsident unterdrückte nur mit Mühe eine neue Bewegung. »Hiernach wäre anzunehmen,« sagte er, »daß der Einbruch zwischen neun und zwei Uhr in der Nacht stattgefunden haben muß.«

»Um halbzehn Uhr bin ich nach Haus gekommen,« – bemerkte Johann. »Da kein Licht mehr in des Herrn Präsidenten Stube war, habe ich die Akten in den Vorsaal gelegt. – Um zehn Uhr bin ich zu Bett gegangen, aber ich habe kein Auge zugethan, bis ich den Herrn Präsidenten die Treppe heraufkommen hörte; ich hatte solche Angst, der Kerl, der Weinert, könnte einbrechen. Ich habe auf jedes Geräusch gelauscht, und wenn nur eine Katze sich gerührt hat, hab' ich's gehört. Darauf will ich einen Eid schwören, daß nach halbzehn Uhr nichts passirt ist.«

»Dann müßte also der Einbruch zwischen neun und halbzehn Uhr geschehen sein!« sagte der Polizei-Kommissarius.

»Das soll mir Keiner einreden!« rief der Schlosser. »Ein so ungeschickter Teufel, wie der, der diese Arbeit gemacht hat, braucht dazu längere Zeit, als eine halbe Stunde.«

»Der Weinert ist's gewesen, dabei bleibe ich!« sagte Johann. »Der ist schlau. Damit man nichts merken soll, hat er sich so ungeschickt angestellt.«

»Das wäre nicht unmöglich, und dann wäre es auch erklärlich, daß er in einer halben Stunde fertig geworden ist, denn er ist ein schneller und geschickter Arbeiter« entgegnete der Polizei-Kommissarius beistimmend. – »Vor allem aber muß ich wissen, auf welche Thatsachen sich der Verdacht gegen Weinert begründet, ehe ich ein Urtheil fällen oder gar etwas gegen den Mann unternehmen kann.«

Johann mußte erzählen und er that es mit der selbstgefälligen Wichtigkeit, welche ungebildeten Leuten bei solchen Gelegenheiten eigen ist. Er theilte alle Details der Unterhaltung zwischen dem Präsidenten und Weinert mit, er beschrieb die Miene des Zuchthäuslers, wie er bald roth, bald bleich geworden, wie er bei Erwähnung der letzten Einbrüche in Verlegenheit gerathen sei, wie seine Augen geleuchtet hätten, als der Präsident von dem im Schreibtisch aufbewahrten Gelde gesprochen habe. Seine Erzählung gestaltete sich zu einer wirklichen Anklage gegen den verhaßten Zuchthäusler.

»Darf ich fragen, Herr Präsident, ob die Mittheilungen Ihres Dieners begründet sind und ob Sie ebenfalls einen Verdacht gegen Weinert hegen?«

»Johann hat zwar im Wesentlichen die Wahrheit erzählt,« erwiderte der Präsident sehr ernst, »aber er hat sich zu sehr seinem vorgefaßten Urtheil gegen den unglücklichen Mann, dessen Vergangenheit zu einem solchen Verdacht herausfordert, hingegeben. – Auf mich hat Weinerts ganzes Auftreten einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck gemacht. Ich kann nicht glauben, daß dieser Mensch meine Güte mit solchem Undank belohnt habe, ich theile daher auch Johanns Verdacht durchaus nicht. – Um keinen Preis möchte ich den vielleicht unschuldigen Mann von neuem durch meine Veranlassung in eine Untersuchung verwickelt wissen.«

Der Polizei-Kommissarius verbeugte sich sehr respektvoll, als er sagte: »Der Herr Präsident sind sehr edelmüthig und großherzig. Ich glaube versprechen zu dürfen, daß, wenn sich keine weiteren Verdachtsmomente gegen Weinert ergeben, eine Untersuchung gegen ihn wohl schwerlich eingeleitet werden wird. Jetzt aber bitte ich um Erlaubniß, den Garten untersuchen zu dürfen. Vielleicht finden wir dort noch Spuren des Verbrechers, welche uns zu dessen Entdeckung führen können.«

»Gehen Sie, Herr Kommissarius. Thun Sie Ihre Pflicht. Jedenfalls werden Sie mir wohl über die Resultate Ihrer Untersuchung Bericht erstatten.«

»Zu befehlen, Herr Präsident.«

Der Kommissarius entfernte sich, begleitet von dem Schlosser Bernard und Johann. Nach kaum einer halben Stunde kehrte er zurück. »Es thut mir leid, Herr Präsident,« sagte er, – »daß sich die Verdachtsgründe gegen den Schlosser Weinert mehren. Es wird meine Pflicht sein, dem Herrn Polizei-Direktor sofort einen Rapport abzustatten, der wohl Weinerts Verhaftung zur Folge haben wird. – Der Einbrecher ist, darüber kann kein Zweifel walten, von der Gartengasse, die nach Weinerts Werkstatt führt, über die Mauer geklettert und in den Garten gesprungen. Er ist direkt, die starken Spuren seiner schweren, mit Nägeln beschlagenen Stiefel zeigen dies deutlich, nach dem Geräthschuppen gegangen, hat diesen erbrochen, die Gartenleiter herausgeholt und sie zum Hause getragen. – Daß der Dieb ein geübter Einbrecher ist, zeigt seine Sicherheit und besonders mich die Kenntniß des Pechpflasters, welches er, wie der Augenschein lehrt, benutzt hat, um die Fensterscheibe hier einzudrücken. – Nach vollbrachtem Raube ist er auf demselben Wege zurückgekehrt und hat er es sich, wahrscheinlich, weil er mit dem schweren eisernen Geldkasten nicht über die Mauer klettern konnte, bequem gemacht. Er hat die Leiter mitgenommen und sie, nachdem er sie benutzt hat, ins Gebüsch geworfen, wo sie noch liegt. Dieser ganze Vorgang spricht dafür, daß ein geübter und mit der Oertlichkeit genau bekannter Einbrecher die That verübt hat, er erhöht den Verdacht gegen Weinert.«

»Und er ist es doch nicht gewesen!« rief der Schlosser Bernard, der der Untersuchung des Gartens beigewohnt hatte, mit dem Polizisten zurückgekommen war und jetzt noch einmal aufmerksam das erbrochene Schloß und das Innere des Schreibtisches prüfte. »Wenn er sich noch so ungeschickt hätte stellen wollen, solche Arbeit kriegt kein Schlosser fertig!«

»Lassen Sie das gut sein, Meister Bernard,« erwiderte der Polizist mit einem vornehmen, mitleidigen Lächeln. »Auf die Pfiffe und Kniffe eines so abgefeimten, im Zuchthaus ausgelernten Spitzbuben verstehen Sie sich nicht. Ich werde jetzt gleich zum Herrn Polizei-Direktor eilen und ihm Rapport abstatten. Der Herr Präsident wollen nur noch die Güte haben, mir das Aeußere des gestohlenen Geldkastens zu beschreiben und mir mitzutheilen, wie viel Geld etwa, und in welchen Geldsorten, in dem Kasten vorhanden war.«

Der Präsident folgte dieser Aufforderung. Nachdem er den Geldkasten genau beschrieben hatte, gab er an, daß ihm etwa 12,000 Thaler, meist in Papiergeld, größeren und kleineren Scheinen, deren Nummern er nicht wisse, aus der Kirchenbaukasse und etwa 1000 Thaler eigenes Geld, die genaue Summe könne er nicht angeben, in Gold und Papiergeld gestohlen worden seien. Er bat schließlich noch einmal, nicht voreilig mit dem Verdacht und der Untersuchung gegen den Schlosser Weinert, den er gewiß für unschuldig halte, zu sein.

»Dies zu versprechen bin ich jetzt leider außer Stande, so gern ich auch die Befehle des Herrn Präsidenten befolgen möchte,« entgegnete der Beamte. »Ich halte es für meine Pflicht, jede weitere Bestimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit dem Herrn Polizei-Direktor selbst zu überlassen, und habe daher auch Anstand genommen, ein Protokoll aufzunehmen, um dem Herrn Polizei-Direktor nicht vorzugreifen. Ich möchte deshalb auch bitten, dieses Zimmer ganz in dem Zustande zu lassen, wie es sich befindet, bis von höherer Stelle aus das Weitere bestimmt ist, was sicherlich in der nächsten Stunde geschehen wird.«

Nachdem der Polizei-Kommissarius vom Präsidenten die gewünschte Zusicherung erhalten hatte, verabschiedete er sich mit der respektvollsten Verbeugung, um nach der Polizei-Direktion zu eilen. Er hatte eben das Haus verlassen, als er hinter sich den Ruf: »Habicht! Habicht! Ein Wort!« hörte.

Als er sich nach dem Rufenden umwendete, erkannte er einen seiner Kollegen, den Polizei-Kommissarius Wetter, der von der andern Seite der Straße aus ihm nacheilte.

»Zum Donnerwetter, was läufst Du denn so? Ist etwas im Hause des Herrn Präsidenten vorgefallen?« fragte Wetter.

»Ja, ein nächtlicher Einbruch. Aber ich habe nicht einen Augenblick Zeit. Ich muß nach dem Direktorium, um Rapport zu erstatten.«

»Ich will Dich nicht aufhalten; ich begleite Dich.«

Wetter schloß sich dem im Sturmschritt davoneilenden Kollegen an, fuhr dann aber fort:

»Ein Einbruch also wieder! Haben sie viel gefunden?«

»Ungefähr 13,000 Thaler.«

»Donnerwetter! Das lohnt schon. Hast Du irgend einen Verdacht?«

Habicht schwankte einen Augenblick, ob er die Frage beantworten solle, da aber sein Kollege als einer der schlauesten, freilich auch der gewissenlosesten Diebesfänger bekannt war, entschloß er sich, ihm alle Details der eben vorgenommenen Untersuchung zu erzählen, in der Hoffnung, die auch nicht betrogen wurde, Wetter werde ihm einen guten Rath für die weitere Verfolgung der Angelegenheit geben.

»Sackerment, Du hast Glück, Kerl!« sagte Wetter, sich den wüst über den Mund herabhängenden rothen Schnurrbart in die Höhe streichend, nachdem Habicht seine Erzählung beendet hatte. »Solche Untersuchung giebt ein Avancement, dafür wird der Herr Präsident schon sorgen, wenn Du etwas entdeckst. Aber ich gönne es Dir, Du bist ein guter Kerl.«

»Sehr verbunden. So weit sind wir aber leider noch nicht.«

»Wird schon kommen, es ist ja alles in gutem Zuge. Also 13,000 Thaler und den eisernen Geldkasten mitgenommen? Der Tausend, das ist ein einträgliches Stück Arbeit. Willst Du einen guten Rath haben?«

»Kannst Du mir einen Rath geben, Wetter? Es soll Dein Schaden nicht sein. Ein Dutzend Flaschen Rothen gebe ich zum Besten, wenn ich durch Deine Hilfe etwas entdecke.«

»Nun, das ist nicht viel, aber etwas. Unsereins ist nicht eigennützig. Man gönnt einem Freunde den Vortheil. Wenn der Weinert, wie Du meinst, den Kasten gestohlen hat, dann hat er ihn sicher heut in der Nacht erbrochen, das Geld herausgenommen und Geld und Kasten versteckt. Heut findest Du vielleicht noch etwas bei ihm; beeile Dich aber mit der Haussuchung, denn der Kunde ist schlau, wie der Teufel. Morgen, vielleicht in ein paar Stunden schon, hast Du das Nachsehen.«

»Meinst Du?«

»Darauf kannst Du Gift nehmen! Mit dem eisernen Kasten kann er freilich nicht so schnell fort, den kann er nur des Nachts fortbringen, wenn er sich nicht verdächtig machen will. Das Geld mag vielleicht jetzt schon zum Teufel sein.«

»Aber was soll ich thun?«

»Beeile Dich mit der Haussuchung. Wenn Du nur erst den Kasten findest, dann wird sich das Geld auch wohl schaffen lassen. Aber leicht wird's Dir mit der Haussuchung nicht werden, der schlaue Kunde hat sicherlich einen guten Versteck für den Kasten gewählt. Schau besonders im Garten nach, ob irgend eine Stelle frisch gegrabene Erde zeigt. Laß die Dielen auf dem Boden aufreißen, die Kohlen umschaufeln und vergiß auch nicht die alte Düngergrube im Hofe auspumpen zu lassen. Solchem Kunden muß man auf den Dienst passen, sonst hat er uns. Nun, Glück auf den Weg! Wenn Du den Kasten findest, gilt es die zwölf Flaschen Rothen.«

Lachend grüßte er den Freund, der nun allein seinen Weg nach dem Polizei-Direktorium fortsetzte.


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