Friedrich Spielhagen
Noblesse oblige
Friedrich Spielhagen

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Drittes Kapitel.

Das Spiel begann.

Wenn Oskar und Johanna ernsthaft in ihre geliebte Musik geraten waren, ließen sie sich in der Tat so leicht durch nichts stören. Minna wußte es, und daß sie während der ganzen Zeit zu einem Tête-à-tête mit Billow verurteilt sein würde. Es war recht häßlich von Johanna, die doch wiederum ihrerseits recht gut wußte, wie peinlich ihr eine solche Situation sei und, als der Vater, freilich unerwartet, das Zimmer verließ, hätte einlenken und mit Sandström zum Teetische zurückkommen sollen, an dem sie nun allein mit Billow saß, ängstlich die Entfernung messend, die zwischen dem Teetische und dem Flügel in dem großen Gemache sich schier endlos dehnte. Dabei schien es dunkler geworden zu sein als vorhin, trotzdem zu der einen Kerze am Flügel Johanna eine zweite entzündet und Billow die beiden Kerzen auf dem Teetische mit großer Sorgfalt geschneuzt hatte.

Billow hatte zu dem Zwecke aufstehen müssen, sich aber dann nicht wieder auf seinen alten Platz, ihr gegenüber, an den runden Tisch gesetzt, sondern um einen Stuhl näher, den vorhin Sandström innegehabt, so daß jetzt nur noch ein Stuhl zwischen ihr und ihm war. Es mochte das absichtslos oder eine bloße Höflichkeit sein. Dennoch war Minna, als der Stuhl leise unter ihm krachte, in sich zusammengeschaudert und starrte nun mit halb geschlossenen Lidern vor sich nieder, als ob sie gänzlich im Anhören der Musik versunken sei, die sie doch nur als wirres, mißtönendes Geräusch vernahm. Es hätte laut sein sollen wie Donner, damit sie kein Wort verstand von dem, was der Mann da an ihrer Seite jetzt sprechen würde. Warum sprach er nicht? Einmal würde er es doch. Da war es gleich, ob heute oder morgen. Und besser heute als morgen!

Inzwischen hatte Billow, trotzdem auch er die Augen halb eingedrückt hielt, von der Seite blickend, Minna fortwährend beobachtet, in aller Eile noch einmal die Chancen gegeneinander abwägend. Es war derselbe Kalkül, den er nun schon ein paar hundertmal angestellt, bloß, daß die Ansätze sich heute vielleicht ein wenig günstiger gestaltet hatten. War doch die Lage des Vaters von Tag zu Tag mißlicher geworden, so mißlich, daß nur noch eines, vielmehr: einer ihn retten konnte; einer, den Minna kannte und dessen Hand sie nehmen, ja ergreifen mußte, oder aber den Vater verloren geben; auf deutsch: ihn zum Bettler machen und sich selbst und die Schwester zu Bettlers Kindern. Zweitens: die ebenfalls von Tag zu Tag sich mehrende Wahrscheinlichkeit, daß sie von dem französischen Herrn Galan vergessen sei, er nur sein Spiel mit dem schönen Mädchen getrieben habe, das nun froh sein werde, wenn sich ein ehrlicher Mann, ein solider Mann, ein reicher Mann der treulos Verlassenen erbarmte. Drittens: – und der blinzelnde Rechner empfand dies Dritte mit voller Macht, daß ihm schier das Herz darüber zu klopfen begann – sie schien ihm von Tag zu Tag schöner geworden: das gewellte, blauschwarze Haar noch glänzender, die Stirn noch weißer, die scharf gezogenen Brauen über den großen Augen noch dunkler – Wangen, Mund, Kinn – und der kräftige Hals und der volle Busen, während er die Taille mit beiden Händen schier umspannen konnte – ja, es mußte sein! Er hatte es bereits der ganzen Stadt erzählt; auch dem Alten Wort und Hand darauf gegeben: das war so gut wie ein abgeschlossener Handel –

Fräulein Minna –

Sie hatte es bereits seit Minuten, die ihr eine Ewigkeit dünkten, vorausgehört, und doch schrak sie jetzt innerlich zusammen und erhob warnend, Schweigen heischend, mit einem vorwurfsvollen Blicke nach den Spielenden die Hand.

Sie hören uns nicht, flüsterte Billow.

Er hatte nur zu recht: sie hörten nichts, konnten nichts hören von dem, was da etwa am Tische gesprochen wurde. Oskar hatte nun doch das im zweiten Satze vorgezeichnete b übersehen und mußte die wohlverdiente Schelte von Johanna entgegennehmen. Nicht ohne zu erwidern, daß seine Partnerin dafür das Tempo im ersten Satze viel zu rasch gegriffen habe! Der Zank konnte in einer Minute beendet fein; er konnte ebensogut eine Viertelstunde dauern. Billow lächelte.

Wir sind wirklich so gut wie allein, Fräulein Minna, begann er von neuem; und da würde ich Ihnen recht dankbar sein, wenn Sie mir auf ein paar Minuten Ihre Aufmerksamkeit liehen. Darf ich?

Er wartete die Erlaubnis des Mädchens nicht ab, sondern wechselte den Stuhl, den er jetzt innehatte, mit dem neben ihr und fuhr in leisem Tone fort:

Ich habe es wohl gesehen, Fräulein Minna, Sie waren erzürnt, als ich vorhin Ihrem Herrn Vater den Vorwurf machte, daß er seinen Kredit nicht in der rechten Weise anspanne; aber Sie werden mir zugeben, ich war zu der Äußerung, die sich vielleicht in Ihrer Gegenwart nicht schickte, provoziert durch die Klagen Ihres Herrn Vaters, die denn doch auch in Ihrer Gegenwart gemacht waren! Hätte ich geschwiegen, so mußte ich als einer erscheinen, der ihn nicht verstanden hatte, oder in den schlimmeren Verdacht geraten, ihn nicht verstehen zu wollen.

Sie haben recht, murmelte Minna; Sie waren provoziert.

Sie hatte sagen wollen: absichtlich provoziert; aber im letzten Augenblicke verschluckte sie das Wort. Wenn sie das Spiel auch durchschaute, sie durfte es sich um ihres Vaters willen nicht merken lassen.

Nicht wahr? sagte Billow eifrig; und wenn ich so schon aus Schicklichkeitsrücksichten nicht wohl schweigen durfte, so hatte ich außerdem einen sehr triftigen Grund zu sprechen. Dieser Grund aber ist das aufrichtige, innige Interesse, das ich an Ihrem Herrn Vater, an Ihrer ganzen Familie und deren Wohlergehen nehme und immer genommen habe.

Ich zweifle nicht daran, murmelte Minna.

Sie können es nicht, sagte der junge Kaufmann, in demselben leisen und eifrigen Tone weitersprechend. Und wie sollte es anders sein? Ich bin der Lehrling Ihres Herrn Vaters gewesen, ehe ich sein Geschäftsfreund wurde, und seine Geschäfte wären besser gegangen, hätte er meinen Ratschlägen, an denen ich es nicht habe fehlen lassen, williger Folge geleistet. Ihr Bruder, ist er auch ein Paar Jahre jünger als ich, war, seitdem er herangewachsen, mein Freund, ich darf wohl sagen: ich war sein bester Freund; und Sie wissen, meine Schuld ist es nicht, wenn er, als er im Frühjahre konskribiert wurde, von mir, seinem Chef, das Geld, mit dem er sich hätte loskaufen können, und das ihm freilich Ihr Herr Vater zu geben nicht mehr imstande war, nicht nehmen wollte. Und, glauben Sie mir, Fräulein Minna, was ich immer gesagt: Georg wäre nie auf die Konskriptionsliste gesetzt, hätte Ihr Herr Vater im vorigen Jahre nicht seine Stelle im Munizipalrate niedergelegt. Ein unvermögender Mann dürfe nicht hoher, öffentlicher Beamter sein! Ganz gut; aber es wäre eben niemals so weit gekommen, hätte er sich schon damals meine Hilfe gefallen lassen, wie –

Er sie sich heute wird gefallen lassen müssen, sagte Minna.

Der Eifrige an ihrer Seite überhörte die bittere Ironie, die in den Worten lag und aus dem Tone, mit dem sie gesprochen wurden, für ein feineres Ohr deutlich genug hervorgeklungen wäre. Er war mit dem bisherigen Gange der Unterhandlung sehr zufrieden; die Sache erwies sich leichter, als er sie sich gedacht hatte! Freilich, er traute sich immer zu wenig zu und wußte doch aus Erfahrung: er brauchte nur etwas erst einmal ernsthaft in die Hand zu nehmen, und es gelang!

Ich glaube: ja; ich hoffe: ja; sagte er. Denn einmal ist seine Lage wirklich verzweifelt, und – ich muß mich nun schon heute ganz aufknöpfen, Fräulein Minna – ich bin der einzige, der ihm nicht bloß helfen kann – das wären schon noch mehrere imstande, wenn zwar nicht eben viele – sondern helfen will. Ihr Herr Vater ist nicht beliebt in unseren Kreisen, Fräulein Minna. Er hat immer zu viel auf einmal gewollt, zu oft sein Geschäft gewechselt; ich meine: den Schwerpunkt bald hierhin, bald dorthin gelegt. Und dann stammt er nicht aus einer der alten eingesessenen Familien, denen schon manches eher verziehen wird. Und – aber das gehört nicht eigentlich hierher, und ich komme auch nur so im Vorübergehen darauf zu sprechen. Die Hauptsache ist: ich allein kann und will ihm helfen.

Und der Preis?

Sie hatte zum erstenmal, seitdem diese Szene spielte, die Augen aufgeschlagen. Diese großen Augen waren jetzt mit einem starren Blicke auf ihn gerichtet und erschienen in dem flackernden Lichte der Kerzen unheimlich dunkel, während aus den Wangen jede Spur von Röte verschwunden war. Billow entging das alles nicht; aber er sagte sich zu seiner Beruhigung, daß er denn doch ebenfalls, trotzdem er sich nichts merken ließ, innerlich ungewöhnlich aufgeregt war; und vor allem, daß er zu weit gegangen sei, um jetzt nicht noch weiter gehen, die Sache zu Ende bringen zu müssen. Indessen konnte es nicht schaden, wenn er ein paar Momente gewann, sich die Ausdrücke zurechtzulegen, und so sagte er:

Ich verstehe Sie nicht, Fräulein Minna.

Das wundert mich, erwiderte sie, ohne die bedenkliche Miene zu verändern. Ein Kaufmann, wie Sie, kreditiert nicht einem Manne, dessen Lage verzweifelt ist, aus purer Freundschaft, ohne alle und jede Sicherheit; ohne zu überlegen, wann und wie er wieder zu seinen Auslagen kommt – à fonds perdu? Das ist, meine ich, das Wort, das ihr für dergleichen habt? Ich sagte vorhin: »der Preis«; aber auf den Ausdruck kommt es ja wohl nicht an.

Der Preis sind – Sie selbst, schönes Fräulein Minna.

Er hatte ihr dabei in die Augen sehen wollen – es gelang ihm nicht. Und nun mußten die beiden am Flügel ganz plötzlich ihren Streit zu Ende gebracht haben. Es war so still im Saale; Billow hörte deutlich das kurze, heftige Atmen der Dame; er wußte nicht, ob er nicht doch wünschen solle, die Stille möge anhalten und ihr das Antworten unmöglich machen, wenn auch nur für heute abend.

So vergingen ein paar peinliche Sekunden, in die plötzliches lautes Gelächter der beiden jungen Leute da hinten am Flügel wie ein Hohn hereinschaute – als hatten sie alles gehört, was hier am Teetische gesprochen war – auch seine letzten Worte – und könnten nun beim besten Willen nicht länger ernst bleiben. Aber der Himmel mochte wissen, worüber sie so toll gelacht hatten. Im nächsten Augenblicke schon setzten sie, ohne weiter ein Wort zu sprechen, die unterbrochene Musik eifrig fort. Jetzt mußte Minnas Antwort kommen. Er hob die Augen zu ihr auf mit einem halb trotzigen, halb zaghaften Blicke.

Ich kann den Preis nicht zahlen, sagte sie.

Es war sehr leise gesagt, aber auch sehr bestimmt, so bestimmt, daß Billow seine Sache sofort verloren gab: eine zurückgewiesene Offerte, eine verunglückte Spekulation, die ihn grimmig ärgerte, über die er sehr wütend war, ohne sich seinen Ärger, seine Wut merken lassen zu dürfen! Weshalb dem Gegner den Vorteil gönnen? Daß er ein Narr wäre! Und wenn das Unternehmen für den Augenblick gescheitert war – es kam vielleicht eine bessere Konjunktur. Man mußte sich die Möglichkeit reservieren, auf das Geschäft zurückzugreifen.

Das alles fuhr ihm blitzschnell durch den Kopf und zugleich der Gedanke, jetzt sei der Augenblick gekommen, sich über die Natur des Verhältnisses zwischen Minna und dem Marquis Gewißheit zu verschaffen. Zum Tausend! er hatte doch das Recht, zu fragen, weshalb man ihn zurückwies! Das war das wenigste, was er verlangen durfte, und was für die Zukunft sehr viel werden konnte. Man hatte dann doch sicheren Boden unter den Füßen!

Sie können den Preis nicht zahlen, sagte er in einem Tone, der zugleich traurig und bescheiden klingen sollte und auch wirklich ungefähr so klang. Es war ein häßliches Wort, das wir nicht hätten brauchen sollen – mein Gott, wir sind ja hier nicht auf der Börse! Gleichviel: ich habe Sie doch richtig dahin verstanden, daß Sie meine aufrichtige, respektvolle Werbung zurückweisen? Ist es mir verstattet, zu fragen, ob Sie mir gar keine Hoffnung lassen können?

Ich bitte, brechen wir von dem Gegenstande ab! erwiderte Minna viel weicher, als sie vorhin ihre Absage gesprochen hatte. Und sie machte eine Bewegung, sich zu erheben. Billow legte ihr leicht die Hand auf den Arm, zog sie aber, als sie sich wieder in den Sessel sinken ließ, sofort zurück und sagte:

Sie müssen mir verstatten, Ihnen noch ein paar Momente unbequem zu fallen, schon, um in Zukunft vor mir sicher zu sein. Man weiß in meiner Lage gern, ob man seiner selbst willen verschmäht wird, oder ob man nur hinter einem anderen zurückstehen muß.

Ich glaube nicht, daß ich Ihnen darauf eine Antwort schuldig bin, erwiderte Minna, diesmal in augenscheinlicher Verwirrung.

Ich glaube doch, sagte Billow, eben aus dem angeführten Grunde. Sehen Sie, Fräulein Minna, ich will mich nicht unwissender stellen, als ich bin. Ich müßte blind gewesen sein, hätte ich seinerzeit nicht bemerken sollen, mit welcher Geflissentlichkeit sich ein gewisser Jemand um Sie bewarb. Es haben ja auch andere bemerkt, die weniger als ich Ursache hatten, die Augen aufzumachen. Von Ihrem Bruder spreche ich nicht. Sein Haß gegen alles Französische und alle Franzosen machte ihn unzurechnungsfähig, und so habe ich ihm nie geglaubt – obgleich er es mit wilder Heftigkeit versicherte und beschwor – daß – Sie wissen, was ich sagen will, Fräulein Minna?

Ich weiß es und muß Ihnen allerdings jetzt sagen, daß Georg Ihnen nur die Wahrheit berichtet hat: ich bin die Verlobte des Herrn von Héricourt.

Billow lächelte sarkastisch.

Was man so verlobt nennt, sagte er, oder auch nicht, wenigstens nicht bei uns in Hamburg. Bei uns pflegt wenigstens der Vater es zu wissen, wenn die Tochter verlobt ist.

Mein Vater wird nie das Gegenteil behauptet haben, erwiderte Minna rasch.

Da muß ich submissest um Entschuldigung bitten! Er hat mich noch gestern versichert, daß Fräulein Minna völlig frei sei und Freiheit habe, ihre Hand einem ehrlichen Bewerber zu geben.

Wie konnte mein Vater das! rief Minna, die Hände im Schoße krampfhaft ringend.

Billow sah es; aber die augenscheinliche Verzweiflung des Mädchens vermehrte nur seine eifersüchtige Wut. Sie mußte also den vornehmen französischen Herrn mit den verfluchten melancholischen braunen Augen sehr lieben auf Kosten eines Hamburger Patriziersohnes, der ihren Vater in der Tasche hatte, und von dem es abhing, ob die Warburgs noch in nächster Woche einen »Empfangsabend« in ihrem Hause, vielmehr, ob sie überhaupt noch ein Dach über dem Kopfe haben, oder, als Abgehauste, der Armenkasse zur Last fallen sollten. Er sagte mit einer Ironie, die er jetzt nicht einmal mehr zu verhüllen strebte:

Ein Mann in der Lage Ihres Herrn Vaters, mein Fräulein, versichert freilich gar manches, was mit der wirklichen Situation nicht immer strikte übereinstimmt. Und in diesem Falle würde ihm eine besondere Entschuldigung zur Seite stehen. Durch die Bekanntwerdung der Verlobung seiner Tochter mit einem Franzosen, wenn er auch noch so vornehmer Abkunft ist, würde sein Kredit bei den Hamburgern – ich meine: bei den echten, ehrlichen, patriotischen – nicht gewonnen haben. Unter anderen ganz gewiß nicht bei mir.

Ich muß es Ihnen überlassen, die geschäftlichen Konsequenzen aus einer Mitteilung zu ziehen, die Sie mir abgezwungen haben –

Mein Fräulein –

Ja, mein Herr: abgezwungen!

Ich schwöre Ihnen bei allem, was mir heilig ist –

Billow kam nicht weiter. Von dem Flügel her erschallte abermals lautes Gelächter. Johanna war von ihrem Sessel aufgesprungen und kam nach dem Teetische gerannt, schon von weitem rufend: Habt ihr es gehört? Ist es erhört? Eine Viertelstunde lang habe ich ihm auseinandergesetzt, warum der zweite Satz ein b hat, haben muß, wenn die rechte Wirkung herauskommen soll. Wir quälen euch nochmals mit dem ersten Satze, damit ihr den schönen Übergang recht genießen könnt, und richtig – im zweiten Satze – ist es nicht, um sich tot zu ärgern!

Und die junge Schöne lachte, daß es silbern durch das weite Gemach schallte; und Oskar, der mittlerweile seine Geige in den Kasten gelegt hatte und nun herangekommen war, lachte ebenfalls trotz seiner Verlegenheit nicht minder herzlich, während sie sich zwischendurch, einander verklagend, mit lebhafter Rede und Gestikulation zu den beiden wandten, die sich vom Teetische erhoben hatten. Warburg, der just zur Tür – an der er bereits eine Weile gelauscht – hereintrat, mußte dafür halten, daß diese soeben ihre Verlobung mitgeteilt hätten und von jenen beglückwünscht würden. Sollte er den Überraschten spielen? oder den weisen Vater, der dies langst hat kommen sehen, Wenn es ihn auch, nachdem es nun gekommen, darum nicht weniger beglückt?

Die Täuschung währte nur kürzeste Frist. Minnas Blässe, der Ausdruck ihres Gesichtes, die zornige Röte auf Billows niedriger Stirn und seine aus Ärger, Hohn und Verlegenheit gemischte Miene; dazu die Reden der anderen mit den harmlosen Scherzen, die sich um die törichte Musik drehten, keineswegs um das, was ihm allein am Herzen lag und dessen Eintreten er so sehnlich erhofft, so bestimmt erwartet hatte – er war außer sich. Wenn es ihm auch mit Aufbieten seiner ganzen Kraft gelang, sich so weit zu beherrschen, daß seine innere Empörung nicht zum vollen Ausbruch kam, konnte doch seine Verstörung niemand entgehen. Oskar und Johanna fragten wie aus einem Munde, ob ihm etwas Unangenehmes begegnet sei? ob er sich unwohl fühle? Auch Billow murmelte etwas der Art durch die Zähne; Minna war nicht imstande, ein Wort hervorzubringen. Sie hatte den schnellen Blick, den der Vater und Billow gewechselt hatten, aufgefangen; sie wußte jetzt, was sie vorhin nur geargwohnt: daß Billow ihr mit Wissen, vielleicht auf den Antrieb des Vaters den Antrag gemacht; der Vater sie Billow ausgeliefert habe, nachdem er damals ihrem Verlöbnis mit Héricourt seinen Segen erteilt. Da mußte es allerdings weit mit ihm gekommen, da mußte freilich seine Lage, wie Billow es ausdrückte, verzweifelt sein.


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