Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

18.

D ie Thür hatte sich kaum hinter ihnen geschlossen, als der Obrist, aus seiner starren Haltung auffahrend, heftig auf Antonie zuschritt und in heftigem Tone fragte:

»Was soll das bedeuten, Antonie?«

Antonie verschränkte die Arme unter dem Busen und erwiderte mit einem Tone schneidendster Kälte, der mit dem zornigen Blick ihrer Augen seltsam contrastirte:

»Ich glaube: ich habe eher Ursache zu fragen, was es bedeutet, daß Sie in einem solchen Ton mit mir zu sprechen wagen.«

Der Obrist hatte durchaus keine Veranlassung, einen Streit mit seiner Schwägerin zu wünschen; aber sein Zorn war diesmal größer als seine Klugheit, und heftig erwiderte er:

»Ist es nicht unerhört, ist es nicht ein Skandal, daß Sie, Antonie von Hohenstein, es wagen, einen so verrufenen Menschen, wie dieser Münzer ist, bei sich zu sehen? Sollen die Freiheiten, die Sie sich nehmen, zuletzt alle Grenzen übersteigen? sollen die Leute zuletzt mit Fingern auf Sie weisen, wie sie jetzt schon hinter Ihrem Rücken die Achseln zucken?«

Die rauhe Stimme des Obristen war bei diesen Worten noch rauher und heiserer geworden; er schleuderte seinen Helm auf einen Stuhl (von wo derselbe auf den Teppich rollte) und lief, wie ein wildes Thier, mit zornsprühenden Augen heftig auf und ab.

Antonie hatte ihre Stellung um nichts verändert und der Ton ihrer Stimme war wo möglich noch eisiger, als sie sagte:

»Wenn ich nicht wüßte, mon cher, daß in diesen Augenblicken viel mehr die Eifersucht, als sonst irgend ein Gefühl aus Ihnen spricht, würde ich Sie durch meinen Bedienten hinaus führen lassen müssen. So sage ich Ihnen nur: nehmen Sie Ihren Helm wieder auf, den Sie mit gänzlicher Mißachtung der vaterländischen Farben hingeworfen haben, und gehen Sie ruhig nach Hause. Wann ich die Ehre haben werde, Sie wieder bei mir zu sehen, das hängt davon ab, ob ich morgen, wenn ich ausgeschlafen habe, noch weiß, was Sie eben gesagt und wie Sie sich eben betragen haben. Ich hoffe, daß es nicht der Fall sein wird; bis dahin aber leben Sie wohl!«

»Verzeihen Sie, Antonie;« sagte der Obrist, der fühlte, daß er zu weit gegangen war und gern wieder eingelenkt hätte; »ich war durch den Anblick dieses Menschen, der mir über alle Begriffe fatal ist, ganz außer mir. Sie wissen nicht, oder erinnern sich nicht mehr, daß es derselbe ist, der, als vor zwei Jahren der große Krawall hier war, die Bürgergarde mit den weißen Binden am Arm – Lumpengarde nannten wir die Kerls – in's Leben rief und durch Reden und Schriften Alles gethan hat, um die Schuld auf uns, respective auf mich zu werfen.«

»In der That sagte Antonie; »ich habe damals nicht darauf geachtet; also der Doctor Münzer – Sie nannten ihn ja wohl Doctor? – war in die Sache verwickelt?«

»Ja, das heißt nicht direct;« erwiderte der Obrist, seinen Helm aufnehmend und auf eine Console stellend; »nicht direct, aber er mischte sich nachträglich hinein, wie er sich in Alles mischt, was ihn nichts angeht, und gerirte sich als Advokat der Canaille, die ich mit Fug und Recht hatte zusammenhauen lassen. Er war es, der den Magistrat veranlaßte, eine Untersuchungscommission niederzusetzen, welche die Zeugen verhören sollte, und wenn die Sache auch damals von der Regierung niedergeschlagen und der Commission das Handwerk gelegt wurde, so ist er doch die Veranlassung, daß ich hinterher einen derben Putzer vom Generalcommando bekam, über den ich noch wüthend bin, wenn ich nur daran denke.«

»Aber, Sie erzählten mir damals, wenn ich nicht irre, daß Ihr Bruder Arthur Ihnen das zu Wege gebracht habe;« sagte Antonie, die sich hingesetzt hatte und dem Obrist winkte, ebenfalls Platz zu nehmen.

»Der liebenswürdige Arthur war auch dabei betheiligt,« erwiderte der Obrist: »denn damals war der Herr Stadtrath noch liberal, während er jetzt, wie ich höre, die Farbe gewechselt hat und äußerst conservativ thut. Wer weiß, vielleicht wird Herr Münzer bald seinem Beispiele folgen und wartet nur noch, bis die Regierung ihm einen annehmbaren Preis bietet. Glauben Sie mir, Antonie: diese Menschen sind zu Allem fähig, wenn man sie nur bei ihrer schwachen Seite faßt, das heißt, ihnen das nöthige Geld giebt. Ja, ich glaube halb und halb, daß ich einem schändlichen Complott auf der Spur bin, in das der saubere Herr Stadtrath und der ebenso saubere Herr Münzer und der treffliche Peter Schmitz, der verdammte Demokrat, gleicherweise verwickelt sind.«

»Sie machen mich äußerst neugierig,« sagte Antonie; »wollen Sie sich nicht ein Glas Wein einschenken?«

»Danke ma trés-chère et trè-belle soeur;« erwiderte der Obrist, »ich weiß es ja und habe es immer gesagt, daß Sie ein Engel sind, wenn Sie auch manchmal, wie vorhin, ein kleines Teufelsmäskchen vorbinden. Da Sie doch einmal so gnädig sind, so erlauben Sie mir auch, meine Spadille abzulegen. Famoser Burgunder! Chambertin, sechsundvierziger? und solchen Wein konnten Sie dem Menschen vorsetzen, weil er Sie von dem Pöbel befreit, den er jedenfalls selbst vorher aufgehetzt hatte? Sacré nom! ich wollte, ich hätte Ihnen mit einer halben Compagnie von meinen Kerls Ruhe schaffen können; ich wollte das Gesindel zusammengeschmissen haben!«

»Wie war das mit dem Complott, dem Sie auf der Spur zu sein glauben?« warf Antonie ein.

»Ich komme gleich darauf, um so mehr, als die Sache neben meinem Wunsch, Sie zu sehen, meine angebetete Antonie,« – hier verbeugte sich der galante Obrist – »der Hauptgrund war, weshalb ich noch so spät bei Ihnen vorsprach. Ich habe Ihnen doch erzählt, daß der Arthur – der Teufel mag wissen, durch welche Ränke – sich bei dem alten Sünder auf Rheinfelden wieder zu Gnaden gebracht hat, und daß der Alte, der, glaube ich, nächstens verrückt wird, an dem Jungen, dem Wolfgang, einen Narren gefressen zu haben scheint. Der Junge ist bis auf diesen Augenblick, zusammen mit der albernen Clotilde und ihrem Backfisch von Camilla, bei dem Alten zum Besuch; und Selma behauptet steif und fest, es sei darauf abgesehen, daß die Beiden sich später einmal heirathen und den Alten beerben sollen. Sie können sich denken, daß Selma in ihrer beliebten Weise mir den lieben Tag lang die Ohren davon voll jammert, und ich müßte lügen, wenn mir bei der Affaire gut zu Muthe wäre; Sie wissen, daß ich, wenn uns die Erbschaft entgehen sollte, ein ruinirter Mann bin. Ich habe aber bis jetzt die Sache leichter genommen und mich damit beruhigt, daß der Alte der größte Schuft ist, den die Erde trägt, und es mit Niemand wirklich gut meint, also auch den Monsieur Wolfgang über kurz oder lang zum Kukuk schicken werde. Seit heute Morgen ist mir die Geschichte aber doch bedenklich geworden. Ich bekomme nämlich heute Morgen, wie ich zum Exerciren reiten will, einen Brief von dem Alten – ich glaube den zweiten, mit dem er mich überhaupt im Leben beehrt hat – worin er mir schreibt – ich habe das Dings ja noch bei mir; hier, hören Sie und sagen Sie selbst, ob den Alten der Teufel reitet, oder nicht:

 

›Mein lieber Neffe Guisbert!

Ich finde daß mein Großneffe Wolfgang der in diesem Augenblicke bei mich ist‹ – als wenn man den alten Sünder selbst hörte, nicht? – ›ein sehr charmanter und cavaliermäßiger junger Mensch ist der es mindestens eben so gut verdient als Deine Jungens des Königs Rock zu tragen darumb ich wünsche daß er Officier wird wie ich es gewesen bin und alle Hohensteins es gewesen sind mit wenige Ausnahmen die ich durchaus nicht billigen noch goutiren kann weswegen ich Dich ersuchen möchte da Du die Affaire am besten arrangiren kannst daß Du den Jungen in Dein Regiment auf Avancement eintreten ließest sintemalen mein Vater und mein Großvater bei selbigem Regimente gestanden haben wie denn der Junge wie obbemeldet ein echter und rechter Kavalier dessen sich kein Regimentscommandeur nicht zu schämen braucht wogegen ich Dir gern wenn Du etwa was nöthig hättest eintausend Thaler oder so geben will nota bene, wenn Du erfüllst den Wunsch Deines wohl affectionirten Onkels

Eberhard von Hohenstein,
Generallieutenant a. D. auf Rheinfelden.

 

Post-Scriptum. Ich habe mit dem Jungen noch nicht gesprochen weil ich erst Deine Antwort haben muß und will welche mit umgehender Post erwartet der Obige.‹

Was sagen Sie nun,« fragte der Obrist, indem er den Brief zusammendrückte und einsteckte; »ist das nicht zum Tollwerden? Ich soll den Jungen von meinem Hallunken von Bruder in mein Regiment nehmen? einen Jungen, dessen Mutter eine Krämertochter oder dergleichen ist, die mein lüderlicher Herr Bruder verführt und dann dummerweise geheirathet, und um derentwillen er sich mit seiner ganzen Familie überwerfen hat? einen Jungen, der uns vielleicht die ganze Erbschaft vor der Nase wegschnappt? ist das nicht ein wahrer Hohn? ich möchte darüber verrückt werden!«

»Warum schreiben Sie denn dem General nicht, daß Sie nicht wollen? So ist die Sache ja abgemacht.«

»Nicht so ganz,« erwiderte der Obrist mit finstrem Lächeln; »einmal ist zu bedenken, daß, wenn ich nicht darauf eingehe, der alte Sünder, der noch überall in der Armee Verbindungen hat, sich an einen andern Regimentschef wendet, der weniger scrupulös ist, als ich, und also mit meiner Weigerung im Grunde wenig geholfen ist. Sodann habe ich gar keine Veranlassung, den Alten noch mehr gegen mich aufzubringen, als er es, Gott sei's geklagt und der Teufel mag wissen weshalb, schon seit langer Zeit und eigentlich von jeher gegen mich, Selma und selbst meine Jungens gewesen ist. Und drittens« –

Der Obrist wurde ein wenig roth und warf einen schnellen Blick aus seinen kleinen stechenden Augen zu Antonien hinüber, die, den Kopf auf die Hand gestützt, nachdenklich in ihrem Lehnstuhl saß.

»Und drittens,« fuhr er langsam fort, »hat der Alte mit seiner gewöhnlichen Schlauheit einen Köder an den Haken gebunden, der – Ihnen kann ich es ja gestehen! – gerade in diesem Augenblicke eine große Anziehungskraft für mich hat. Um es gerade heraus zu sagen: ich brauche Geld, nothwendig Geld, und ich weiß nicht, woher ich's nehmen soll – meine gewöhnlichen Quellen sind erschöpft und« –

»So thun Sie doch, was der Großonkel will,« sagte Antonie; »da es Ihnen schließlich doch nichts hilft, wenn Sie sich weigern, auf seinen Vorschlag einzugehen, so wären, Sie ja ein großer Narr, wollten Sie das Geld nicht nehmen.«

Der Obrist hatte etwas Anderes erwartet, als Antonie zu sprechen anfing; und er erwiderte daher ärgerlich:

»Sie haben gut reden; man verkauft doch auch nicht gern seine Ueberzeugungen und seine Grundsätze für ein paar lumpige Thaler.«

»Tausend Thaler sind eine schöne Summe,« meinte Antonie achselzuckend; »aber was hat mit dem Allem der Dr. Münzer zu thun? und wo ist das Complott, von dem Sie vorhin gesprochen haben: ich sehe kein Complott.«

»Ich kann Ihnen das auch nicht so schwarz auf weiß zeigen,« brummte der Obrist; »ich habe nur so meinen Verdacht und wie ich diese Schurken kenne, hat die Sache gar nichts Unmögliches. Ganz zufällig habe ich nämlich erfahren, daß dieser Monsieur Wolfgang ein sehr guter Freund von diesem Dr. Münzer ist, der ihm, glaube ich, Französisch beigebracht hat und vermuthlich all' seine kommunistischen Teufelsideen mit in den Kauf.«

»Was Sie sagen! Der hübsche Wolfgang ein Freund des Dr. Münzer? Jetzt wird die Geschichte aber wirklich spannend; erzählen Sie doch mehr davon!«

»Sie scheinen sich in der That sehr für diesen Münzer zu interessiren,« sagte der Obrist mit einem Grinsen, das ein Lächeln sein sollte.

»Allerdings thue ich das,« erwiderte Antonie lustig; »der Mann scheint sich ja wirklich in alle Verhältnisse zu mischen, der allgegenwärtige Graf von St. Germain ist ja gar nichts gegen ihn. Ich hab's ihm heute Abend doch gleich gesagt, daß er ein heimlicher Prinz ist, der nur zum Zeitvertreib den Demokraten spielt. Aber ich sehe noch immer kein Komplott! Monsieur le Colonel, Sie sind mir noch immer ein Complott schuldig, savez-vous bien! vite, vite monsieur! votre complot!«

Dem Obrist behagte der Scherz der Dame offenbar sehr wenig; er schlürfte mürrisch seinen Wein und sagte:

»Nun, eine Möglichkeit ist wenigstens, daß Arthur, sein Schwager Schmitz und dieser Dr. Münzer zusammen den Plan ausgeheckt haben, diesen Wolfgang auf alle Fälle und durch jedes Mittel bei dem Alten zu Gnaden zu bringen. Wissen wir denn, welche Instructionen der Junge mit nach Rheinfelden gebracht hat? Kann der Plan, ihn zum Officier zu machen, nicht dem Alten so unter der Hand zugespielt sein? Ich habe mir erzählen lassen, daß dieser Peter Schmitz noch immer in seine Schwester, die Stadträthin, wie vernarrt ist. Sollte er da nicht wünschen, den Sohn seiner Schwester hoch zu bringen? und Münzer ist wieder der Intimus von diesem Schmitz, und Beide stecken, ich möchte drauf schwören, mit Arthur unter einer Decke. Wenn Arthur jetzt den Ultra-Conservativen herausbeißt, so geschieht es nur, einmal, um sich bei dem Alten in Rheinfelden einzuschmeicheln, und zweitens, um seinen Spießgesellen den Weg zu ebnen. Lassen Sie den Wolfgang nur erst den erklärten Erben des Alten sein, so sollen Sie einmal sehen, wie schnell sein Onkel Schmitz und sein Freund Münzer ihre politische Farbe wechseln werden, besonders wenn zu gleicher Zeit die Regierung mit einer Concession und dergleichen für Schmitz und mit einer gut dotirten Professorstelle oder dergleichen für Herrn Münzer nachhilft.«

» Mon dieu! das klingt ja ordentlich schauerlich,« rief Antonie lachend; »ich fange mit Ihnen an, diesen Münzer für einen äußerst gefährlichen Menschen zu halten; es sollte mich jetzt gar nicht mehr wundern, wenn ich erführe, daß er den Skandal heute Abend vor meinem Hause wirklich selbst arrangirt hat, blos um eine Gelegenheit zu haben, sich bei mir zu introduciren, und mich, Gott weiß wie, ebenfalls in das große, schreckliche Complott zu verwickeln.«

»Lachen Sie, soviel Sie wollen,« sagte der Obrist ärgerlich, indem er aufstand, seinen Degen ansteckte und seinen Helm ergriff; »mir ist auf Ehre bei der ganzen Sache gar nicht lächerlich zu Muth. Ich glaubte, daß Sie, wenn ich auch nachgerade die Hoffnung aufgebe, Ihr wetterwendisches Herz zu fesseln, doch zum mindesten meine Freundin seien; aber ich sehe wohl, daß ich mich auch darin getäuscht habe. Leben Sie wohl! Nach dem heutigen Abend werde ich Ihrer Entscheidung, ob Sie wieder gut sein wollen, oder nicht, mit größerer Ruhe entgegensehen. Das aber sage ich Ihnen« – und bei diesen Worten sprühten die kleinen Augen des Obristen Funken brennender Eifersucht; – »wenn Sie etwa, zur Abwechselung, ein kleines unschuldiges Verhältniß mit diesem Münzer versuchen wollten, so gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich nicht Guisbert von Hohenstein heißen will, wenn ich dem Kerl nicht bei nächster passender Gelegenheit meinen Degen durch den Leib renne.«

»Oder ihm ein Bataillon von meinem Regiment über den Hals schicke, falls ich allein nicht mit ihm fertig werden sollte. O, mon cher Guisbert, Sie sind, bei Gott, heute Abend zu komisch! Aergern kann und will ich mich nicht mehr über Sie; sehen Sie sich doch nur einen Augenblick in dem Spiegel, ob Sie nicht ein ganz pudelnärrisches Gesicht schneiden.«

Und Antonie warf sich in ihren Fauteuil und lachte mit ausgelassenster Lustigkeit.

»Gute Nacht!« sagte der Obrist kurz und scharf; »lachen Sie, aber lachen Sie wenigstens allein; ich will mich nicht zum Narren halten lassen, von Keinem, selbst von Ihnen nicht.«

»Gute Nacht, mein schwägerlicher Othello, gute Nacht, mein uneigennütziger Freund;« rief Antonie, ihm unter Lachen ihre Hand hinstreckend, aber der Obrist wandte sich von ihr ab, und eilte, die Thür hart hinter sich zuwerfend, aus dem Zimmer.

Antonien's Lachen verstummte, sobald sich die Thür hinter dem Erzürnten geschlossen hatte. Ihr schönes Gesicht nahm den Ausdruck ernsten, fast peinlichen Nachdenkens an. Eine Menge verschiedenartigster Empfindungen arbeiteten in ihren Zügen – einmal lächelte sie wie in seliger Erinnerung eines wonnig süßen Augenblicks – dann aber verfiel sie sofort wieder in düstres Sinnen.

»Er ist schön,« murmelte sie; »sehr schön; wenn er mein würde, es wäre doch etwas Anderes als – Einer mehr! Und warum nicht? er ist verheirathet, pah! er sieht nicht aus, als ob ihn das allzusehr hindern würde; aber er ist ein Idealist und solche Leute nehmen die Sache ernst, nicht in der komischen Weise, wie mon cher beau-frère, sondern in jener wirklich ernsten Weise, die so verzweifelt unbequem ist. Wie war's denn mit Castruccio in Rom? Armer Junge! Du könntest noch glücklich leben und schöne Mädchen küssen und schöne Bilder malen! – ich kann nichts dafür; ich hatt's Dir gesagt, oft genug gesagt, Du wolltest es nicht glauben – was kann ich dafür! ich kann nicht treu sein! diesen Männern nicht! sie sind's nicht werth. Ob dieser Münzer mich wirklich fesseln könnte? vielleicht er mich länger, stärker, als ich ihn? den Versuch verlohnte es wohl – und wir waren auf so gutem Wege. Weshalb kam der Tölpel von Guisbert dazu – und der alberne Jean! ja so! das muß heute Abend noch abgemacht werden; morgen hätt' ich es vielleicht vergessen, oder wäre nicht in der rechten Stimmung.«

Sie klingelte.

Ein paar Augenblicke später trat ihr Kammerdiener in's Zimmer. Der Mensch mußte kein gutes Gewissen haben; er warf einen schnellen lauernden Blick auf seine Gebieterin und sagte in demüthig schmeichelndem Ton:

»Gnädige Frau befehlen?«

»Daß Sie morgen Ihre Sachen packen. Ich kann keine Leute brauchen, auf die ich mich nicht unbedingt verlassen kann. Sie können gehen; schicken Sie mir Elisen.«

Des Mannes gelbbleiches Antlitz war noch bleicher geworden.

»Aber, gnädige Frau« – stammelte er.

»Es bleibt dabei,« sagte Antonie streng; »gehen Sie.«

Der Bediente entfernte sich, ohne auch nur noch ein Wort der Erwiderung zu wagen.

»Eine Lästerzunge mehr, die ich in die Welt schicke,« sagte Antonie, sich in den Fauteuil werfend; »was thut's? je mehr von mir erzählt wird, desto geringeren Glauben findet es. Ah, da bist Du ja, Elise!«

Ende des ersten Bandes.



 << zurück