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Fünfundvierzigstes Kapitel.

Er kann nämlich nicht von einem Streite zwischen seinen entferntesten Nachbarn hören, ohne Bewegungen mit seinem Knittel zu machen, und zu überlegen, ob sein Interesse und seine Ehre es nicht erfordern, sich in die Sache zu mischen, und er hat in der Tat seine verwandtschaftlichen Beziehungen, in Hinsicht auf Stolz und Politik, so über die ganze Welt ausgedehnt, daß durchaus nichts vorgehen kann, ohne einige seiner schön ersonnenen Rechte und Würden zu beeinträchtigen.

John Bull (Washington Irving).

Es war ein kleines Kabinett von etwa vierzehn Fuß Länge und Breite; ohne alle Verzierung, mit einem Tische, zwei Sesseln und drei hölzernen, sänftenartigen Kästen, jenen Behältern, in englischen Speisezimmern ähnlich, in denen John Bull seinen Verdauungswerkzeugen am liebsten, ungesehen und unbeneidet, Beschäftigung gibt. Doch schienen im gegenwärtigen Falle diese Behälter, die aus starkem Mahagoniholze gearbeitet waren, ganz anderen Bestimmungen gewidmet, denn aus zweien war das Knarren von Schreibfedern zu hören, und dumpfe, unangenehme Laute, die weder Kehlen- noch Zungenlaute schienen, sondern mehr ein unartikuliertes tierisches Geächze.

In diesem Gemache stand, an einen Tisch, auf welchem mehrere Briefe lagen, gelehnt, ein Mann, der mit den bisher beschriebenen Physiognomien und Gestalten auch nicht die mindeste Ähnlichkeit hatte. Er war groß, stark und breitschultrig, mit einem roten, vollen Gesichte, dem die zahllosen Blutäderchen das Ansehen einer unserer alten Louisianakarten gaben, wo die Flüsse, mit roten Linien bezeichnet, sich in Unzahl kreuzen und endlich in eine lange Hauptader vereinigen, die den Mississippi oder Missouri vorstellen soll. Zwei Reihen gesunde Zähne schienen weder mit der spanischen sopa de ajo, noch der mexikanischen pesca blanca Weder mit der Knoblauchsuppe, noch mit dem Weißfische. Erstere ist die gewöhnliche Nahrung der Spanier, letzterer der unteren mexikanischen Volksklassen. in genauere Bekanntschaft getreten zu sein, vielmehr dem Roastbeef gehuldigt zu haben. Das eine der graublauen Augen war recht angenehm zu schauen; es spiegelte sich darin etwas, das wie Zuversicht, männlicher Trotz oder auch ruhige Behaglichkeit aussah, was tröstlich in diesen furchtbaren Umgebungen auffiel; aber das zweite war um ein Merkbares kleiner und hatte eine fatale Schiefheit, die, durch eine ungeheure Warze am Augenlide verursacht, dem Manne den Ausdruck einer gewissen Bereitwilligkeit gab, dieses Auge nach Gefallen zuzudrücken, wenn es sein Vorteil erheischte. Sein ganzes Wesen verriet beim ersten Anblicke britische Abstammung.

Kleidung und Benehmen waren die eines Gentleman, aber nicht des geborenen Gentleman. Er hatte etwas vom Weltmanne, aber nicht jenem Weltmanne, der, in der Gesellschaft von Aristokraten gebildet und durch Unabhängigkeit begünstigt, diese durch ein leichtes und doch vornehmes Benehmen kundgibt, das vor jeder niedrigen Berührung zurückscheucht; das gegenwärtige Individuum hatte etwas von jener Klasse seiner Landsleute, die durch das Dick und Dünn der Hefen der menschlichen Gesellschaft gewatet und geschritten, alle feineren Nuancen als überflüssig und hindernd verwischen lassen und nur die gröbsten Züge ihres Nationalcharakters beibehalten. Es war eine der Physiognomien, die wir häufig an den untergeordneten diplomatischen Werkzeugen dieser Regierung bemerken, die gleich einer ungeheuern Spinne ihr endloses Netz über die ganze Welt ausgebreitet.

Als der Vizekönig eintrat, legte er das Schreiben, das er in der Hand hielt, weg und trat ihm mit einer nichts weniger als ehrfurchtsvollen Verbeugung entgegen.

»Guten Abend, Exzellenz«, sprach er mit einer, wie es schien, berechneten Derbheit; denn John Bull liebt es, sich diese vor den Großen fremder Nationen beizulegen, obwohl er vor denen seines eigenen Landes wieder ungemein bescheiden wird. »Wie befinden sich Euer Exzellenz, wenn ich zu fragen so frei sein darf.«

»Wir danken Ihrer Nachfrage, Sir George. Ziemlich wohl«, erwiderte der Gefragte.

Diese Worte waren in einem Tone gesprochen, der von der Art und Weise, in welcher wir bisher die hohe Personnage sich äußern gehört haben, gänzlich verschieden war. Es war weniger Herablassung als eine Art gezwungener Herabstimmung, eine Vertraulichkeit und wieder ein Rückhalt, der eine eigene Bewandtnis zu haben schien. Auch die Weise, in der er eingetreten, war auffallend gewesen. Er war tänzelnd und sich wiegend eingetreten; sowie er aber den Briten erblickt, zuckte er zusammen, trat jedoch wieder vor und schien sich eine nachlässige Vornehmheit beilegen zu wollen. Alle diese Symptome von Verlegenheit hatte der letztere mit jenem intuitiven Blicke aufgefaßt, der dem kaufmännisch diplomatischen Charakter seiner Nation eigen ist, und den er auch keineswegs zu verhehlen strebte; denn ein leichtes höhnisches Lächeln überflog seinen Mund, als er sprach:

»Euer Exzellenz schrecken zurück? Vor mir doch nicht? Bin ich denn seit meiner Exkursion so furchtbar geworden?«

»Sie waren schnell zurück, Sir George!« erwiderte die Exzellenz in einem Tone, dessen verbindliche Artigkeit sehr gegen die gemeinen rücksichtslosen Manieren des Briten abstach.

»Ihre verdammten Cabecillas trieben mich«, entgegnete dieser lachend. »Sie regen sich ja wieder ganz erstaunlich. Haben Sie Nachrichten von Calleja?«

»Meinen Sir George Seine Exzellenz den General en chef unserer Armee vor Cuautla?«

»Nun ja, wollte, Seine Exzellenz wäre beim Teufel oder bekäme tüchtig Schläge. Ist ein gewaltiges Gerede von ihm in Kadix.«

Bei diesen Worten fixierte er die Exzellenz, die abermals zuckte, sich jedoch schnell wieder faßte und in einem fein ironischen Tone sprach: »Sir George hat der Kommunikationswege so viele.«

»Nicht so viele, als notwendig wäre für unser beiderseitiges Interesse, und als wir haben könnten, wenn Mexiko ein zivilisierteres Land wäre.«

Diese Worte, die unter obwaltenden Umständen als eine Grobheit gelten konnten, machten den Virey lächeln.

»Fürwahr, Sir George nehmen einen Anteil an unserem Gedeihen –«

Der Brite jedoch schien das Kompliment nicht verstehen zu wollen. Er erwiderte:

»Der recht aufrichtig und, was die Hauptsache, solid ist; denn, wie gesagt, er gründet sich auf unser wohlverstandenes beiderseitiges Interesse.«

»Sehr viel Ehre für uns, Sir George, uns so gütig in Ihr Interesse aufzunehmen.«

»Können versichert sein, Exzellenz, daß wir dieses tun«, fuhr der Brite mit britischer Rücksichtslosigkeit fort. »Unser Haus hat für eine Million Piaster gut gesagt und Wechsel ausgestellt für eine zweite. Es braucht eine Weile Zeit, diese zwei runden Sümmchen zusammenzuscharren. Die Wahrheit zu gestehen, so habe ich mir von der Öffnung der beiden Häfen, und hauptsächlich Tampicos, weit mehr versprochen; von Tuspan Zwei Seehäfen nördlich von Veracruz; wurden im Jahre 1811 dem britischen Handel geöffnet. habe ich nicht viel erwartet.«

»Diese Art Selbsttäuschung ist übrigens nicht ungewöhnlich, auch bei den günstigsten Unternehmungen«, bemerkte der Virey; »so ganz ungünstig aber scheint Sir George et Compagnie denn doch nicht spekuliert zu haben; denn wir ersehen aus den Berichten der Intendanten, daß Sie die Erlaubnis, Waren einzuführen, bereits um eine Million überschritten Bereits um eine Million überschritten. Unter den Emolumenten, die dem Vizekönigtum von Mexiko anklebten, war das Vorrecht, die Häfen des Staates dem ausländischen Handel für einige Zeit zu öffnen, bei weitem das einträglichste. Die Handelshäuser von Mexiko und Veracruz sowohl als die ausländischen, zur Teilnahme zugelassen bezahlten ungeheure Summen entweder en bloc oder es wurde dem Vizekönig ein Anteil an dem Gewinste der Spekulationen zugesichert.

»Wofür wir wahrlich nicht können. Aber sehen Euer Exzellenz, da haben Sie wieder Ihre verdammte Alcabala Zoll., wo von jeder Elle Tuch Eingangszoll in Tampico, in Saltillo und erst dann wieder in der Stadt genommen wird, wo die Ware en détail verkauft wird. Dann müssen Euer Exzellenz bedenken, daß die Kaufleute an diesen Weg noch nicht gewöhnt, daß Ihre Straßen heillos, Ihre Kommunikationsmittel detestabel – mein Gott, im ganzen Lande sind ja nichts als Maultiere, das heißt Packesel, zu finden – daß wir endlich den Vorteil mit dem Consulado von Mexiko teilen, kurz, daß die Bilanz noch sehr zu unserem Nachteile steht.«

»Aber«, versetzte die Exzellenz, »dies alles sollte Sir George früher bedacht haben, als er uns so dringend anlag, die beiden Häfen zu öffnen. Zudem ist dieses Sorge der spanischen Kaufleute. Sie haben fünf Millionen für Waren eingenommen, die nach dem Originalschätzungswerte bloß zwei wert sind.«

Die Reihe, verlegen zu werden, kam nun an den Briten. Er wurde blutrot, murmelte ein Damn ye, faßte sich jedoch wieder.

»Euer Exzellenz sind da im Irrtume«, versetzte der Mann; »in einem für einen Ausländer sehr verzeihlichen Irrtume. Unsere Zollhäuser in London und Liverpool –«

Der Virey lächelte. »Gar nicht übel, Sir George! Ich sehe, Sie machen sich hier bereits zu Hause. Also wir sind der Ausländer und Sie sind der Inländer.«

»Sprach vom Auslande in bezug auf unsere Zollhäuser in London und Liverpool, wo Euer Exzellenz wissen müssen, daß die Ausfuhrwaren immer fünfzig Prozent unter ihren Valoren angegeben werden.«

»Das ist eine um so generösere Überschätzung, als die Handelsleute für die ausgeführten Artikel, wenn ich recht unterrichtet bin, einen Bon erhalten«, bemerkte der Virey wieder lächelnd.

»Der für diese Art Waren aufgehoben ist«, fiel ihm der Brite ein. »Sei dem, wie ihm wolle, unsere Bilanz zeigt netto achtmalhunderttausend Dollars, die wir noch bei Euer Exzellenz zugute haben.«

»Wirklich?« fragte die Exzellenz.

»Sehr leicht auszurechnen«, sprach der Brite trocken, indem er sein Portefeuille aus der Brusttasche nahm und eine Note heraussuchte, die er dem Virey hinhielt. »Eine Million für Ihren großen Pachtschilling von Mexiko bezahlt; dito eine Million in Wechseln ausgestellt, teils nach Madrid, teils nach Frankreich; dito zweimalhunderttausend Duros oder Dollars, wie die Yankees sagen, zu Ihrer Ausrüstung, – Summa Summarum, mit Interessen, Gebühren usw., einen Rückstand von achtmalhunderttausend Duros.«

»Sehr gnädig, und wenn wir diesen Rückstand bezahlt, dürfte Sir George sehr leicht belieben, uns noch ein Item von einer halben Million Duros vorzulegen. Sir George, die Sache kurz zu machen, Sie sind bezahlt; das Monopol, das wir Ihnen für ein Jahr verliehen, geht mit dem 1. März zu Ende, und als Landeschef müssen wir dafür sorgen, daß der Handel wieder in neue oder vielmehr die legitimen Kanäle komme, die den nationalen Interessen angemessen sind.«

»Das heißt. Sie wollen eine neue Bahn einschlagen«, bemerkte der Brite ganz ruhig. »Tun Euer Exzellenz, wie beliebt. Was jedoch die achtmalhunderttausend Duros betrifft –«

»So werden wir die Rechnungen genau untersuchen, und haben Sie wirklich eine Forderung, Ihnen Wechsel ausstellen.«

»Die wir kaum annehmen dürften«, bemerkte Mister George W–n trocken.

Der Virey fuhr drohend auf: »Sir George!«

»Die wir nicht annehmen«, wiederholte der Brite noch bestimmter.

»Sir George, wie soll ich diese Sprache verstehen?«

»Als die Sprache eines ehrlichen Mannes, der keine Ursache hat. Euer Exzellenz zu schmeicheln oder zu scheuen oder die Wahrheit zu verhehlen. Ich habe Ihnen gesagt, unsere Interessen gehen Hand in Hand, das heißt, wenn Sie wollen. Wollen Sie nicht, je nun, so gehen wir verschiedene Wege.«

Diese Worte warm so trocken, so grob gesprochen, die zart betonte Exzellenz begann ihre Fassung mehr und mehr zu verlieren.

»Und warum wollen Sie unsere Wechsel nicht akzeptieren?«

»Weil auf den Fall Ihrer Trennung von uns Sie in sechs Monaten nicht mehr Virey sind.«

»Sir George!« fuhr der Virey wütend heraus.

»Verstehen Sie mich recht, Señor Vanegas!« fuhr der Brite kaltblütig fort. »Sie sind jetzt Virey von Neuspanien, das will sagen König von Mexiko, wie es keiner der Könige Europas in seinem angestammten Lande ist. Wie Sie dies geworden sind, gehört nicht zur Sache; doch erinnern Sie sich vielleicht noch, daß wir, oder vielmehr unsere guten, vollwichtigen Guineen, bei der ganzen Affäre eine gerade nicht ganz unwichtige Rolle spielten, daß wir eigentlich das Medium waren, durch welches Sie auf und in diesen glänzenden Pachthof versetzt worden, daß wir mit einer Million Duros herbeikamen, die dazu diente, die ehrenwerten Glieder der obersten Junta ein wenig freundwilliger zu stimmen, daß wir eine zweite Million uns entlocken ließen, die zu einem ähnlichen Gebrauche verwendet worden, daß wir endlich noch zweimalhunderttausend Dollars hergaben, um Sie auch vizeköniglich auszurüsten; denn Euer Exzellenz erinnern sich gefällig, daß Sie ein sehr braver, ein sehr tapferer und geschickter, aber bei alledem, was man sagt, kein reicher General, ja im Gegenteile, so was man sagt ein armer Teufel von General waren. Wohl, Euer Exzellenz haben nun die zwei Millionen abbezahlt und auch die zweimalhunderttausend Dollars; aber Sie wissen doch, daß Anleihen dieser Art auch wieder ihre Bewandtnis haben und daß die Interessen, zu den Gebühren geschlagen, uns deductis deducendis eine Summe von achtmalhunderttausend Duros zugute stellen. Nun will ich annehmen,« fuhr der Mann in demselben buchhalterischen Tone fort, »Sie mögen sich immerhin viermalhunderttausend Duros gemacht haben, will's gerne glauben. Ein schönes Sümmchen! Zwei Millionen sechsmalhunderttausend Dollars aus einem Lande gezogen zu haben! Verdammt schönes Sümmchen! – Das ist aber auch alles.«

Der Mann hielt inne.

Der Virey ließ ihn ausreden, aber sein Gesicht wechselte alle Farben. Es hob sich seine Brust, und er tat sich sichtlich Zwang an, ruhig zu bleiben.

»Fürwahr, Sir George führte eine Sprache,« hob er endlich an, »die alles übertrifft, was wir je gehört haben, und zu welcher Sprache«, fuhr er mit stärkerer Stimme fort, »ihn weder seine Stellung noch sein Verhältnis zu uns ermächtigen. Oder ist diese Sprache in der Instruktion, die Sir George von Lord Castlereagh –?«

»Das nicht, Exzellenz!« erwiderte der Brite trocken, »obwohl ich überzeugt bin, daß Mylord Castlereagh meine Sprache ganz billigen wird, um so mehr billigen wird, als sie die Sprache des gesunden Menschenverstandes ist. – Wir haben Ihnen zum Besitze eines Königreiches verholfen.«

»Um drei Fünftel seiner Einkünfte in echt britischer Manier als Ihren Anteil zu nehmen.«

»No, das nicht, liebe Exzellenz,« meinte der Brite lachend; »die direkten Einkünfte, um die kümmern wir uns nicht, die gehören Ihnen; aber die indirekten, ja, Exzellenz, das ist eine andere Sache. Eine Hand wäscht die andere; und wenn Sie glauben, daß die Ehre, einen Virey gemacht zu haben, uns als Entschädigung für unsere Mühen und das Risiko dienen sollte – das Risiko, zwei Millionen zum Teufel gehen zu sehen, Exzellenz, da irren Sie sich gewaltig. – No, Sir.«

Für einen britischen Diplomaten oder Unterdiplomaten war der Mann wirklich etwas zu grob, so grob diese Gattung von Leuten auch zuweilen sein kann.

»Und glauben Sie, mit Ihrem Gelde auch dieses Land zu beherrschen und in Ihr Netz zu ziehen?« brach der Virey los.

»Das würde uns wenig nützen, Exzellenz! Und wenn wir es wollten, glauben Sie, wir fragten Sie viel? Es kostete nur ein paar Zeilen nach unserer Jamaika-Station. Nur ein Vierteldutzend Linienschiffe und ein Dutzend britischer Kompagnien, die den armen Teufeln von Rebellen unter die Arme griffen. Nur zweitausend Briten, – und sie blasen Ihre zehntausend spanischen Grenadiere und Flanqueadores und Cazadores, und wie sie alle heißen mögen, zum Teufel, das heißt, aus Mexiko hinaus. – Seien Sie aber ruhig, wir sind Ihre Alliierten«, sprach der sackgrobe Brite.

»Gott behüte uns vor dieser Allianz!« versetzte der Virey, kaum mehr seiner mächtig.

»Sie mögen sie in dieser Stunde lösen. Zwar sind wir bei Ihnen akkreditiert, von unserem Staatssekretär als Agent der britischen Interessen akkreditiert; aber Sie brauchen um unsere Abberufung nicht erst zu schreiben. Ein kurzes Ja oder Nein; Sie bezahlen die achtmalhunderttausend Dollars durch das Monopol, das Sie uns in den Häfen von Tampico und Tuspan für ein folgendes Jahr verleihen – ein halbes Jahr meine ich. – Ja oder nein – und wir bleiben oder ziehen ab.«

Der Virey zitterte vor Wut, indem er sprach: »Und seit wann ist Sir George so bereitwillig geworden, das Land zu verlassen, in das er zu kommen sich so sehr gedrängt hat?«

»Seit wir gesehen, daß wir dem Manne nicht trauen dürfen, dem wir zwei Millionen anvertraut haben.«

»Und wollen unsere Wechsel nicht akzeptieren?«

»Nein.«

»Und wie wollen Sie sich bezahlt machen?«

»Sie haben sich viermalhunderttausend Duros gemacht, fünfmalhunderttausend machen Sie sich in den laufenden vier Monaten, macht neunmalhunderttausend Duros. Von diesen werden wir uns bezahlt machen.«

»Sehr positiv. Sir George rechnet also darauf, daß wir noch vier Monate dieses Land regieren?«

»Wenn Sie mit uns brechen, ja, und keinen Tag länger.«

»Wirklich? Und woher wissen Sie das, Sir George? Zwar sind Sir George einer der Hebel des großen Castlereagh, zudem der Associé eines großen Hauses, zudem ein Brite.«

»Wie Sie wollen, Exzellenz!« sprach der Brite trocken. »Lesen Sie und Sie werden sehen. Es mag ein Glück sein und ein Unglück, wie Sie es nehmen wollen, daß ich so zur rechten Zeit gekommen bin. Das Ministerium zu Cádiz ist verändert. Unser Einfluß hat gesiegt, Ihre Freunde sind vom Ruder entfernt, und Ihrem Feinde, der am Ruder sitzen will, bietet das Haus G – die nötigen Summen an, um Mexiko, wenn er will, heute zu kaufen.«

Der Virey hatte gelächelt, während der Brite sprach; aber es war ein schmerzhaft bitteres Lächeln; er griff nachlässig und doch wieder zitternd hastig nach dem Papiere, warf einen oberflächlichen Blick darauf und wurde auf einmal erdfahl. Indem er weiterlas, wurden seine Züge seltsam, ja grausig entstellt, so beispiellos entstellt, daß der Brite den Mann am Arme ergriff und ihm mitleidsvoll zurief: »Fassen Sie sich, schonen Sie sich, Señor Vanegas!«

Der Mann sah ihn stier an. »Ah, Sir George! Sind Sie es? Lieber, teurer Sir George! – Unser teurer Sir George!«

»Dachte es«, sprach Mister George; »also hören Sie, Señor Vanegas! Bleibt es dabei, die Häfen von Tampico und Tuspan noch für ein Jahr?«

»Sie sagten ein halbes Jahr, teurer Sir George!«

»Ah bah, sagen Sie ein Jahr; dafür streichen wir die achtmalhunderttausend Duros, zahlen Ihnen ein reines Gratuit von fünfmalhunderttausend Duros binnen Jahr und Tag; Sie bleiben noch drei Jahre Virey, machen sich, nebst dem, noch ein und das andere Milliönchen und kommen mit einem runden Sümmchen von zwei bis drei Millionen Piastern nach Hause, leben wie ein Fürst und verlachen alle Residencias Die Untersuchung, der die Vizekönige des spanischen Amerika nach ihrer Rückkehr in Spanien unterworfen wurden. Natürlich war wieder Bestechung das vorzüglichste Mittel, dieser Untersuchung zu entgehen. Auch weiß man von keinem Beispiele, daß, Iturrigaray ausgenommen, einer der Vireys durch den Spruch der Residencia gelitten hätte. der Welt, und dafür, Exzellenz, fordern wir nichts als Ihr eigenes Bestes, für Ihre erbärmlichen Woll- und Baumwollstoffe unsere prächtigen Leeds- und Manchesterfabrikate zu substituieren; alles zum Besten Mexikos.«

»Dann sind die Fabriken in Mexiko ganz ruiniert.«

»Schofles Zeug, kein Schade, wenn es zugrunde geht. Dafür regieren Sie.«

»Und Sie versprechen?«

»Sogleich nach der Madre Patria zu schreiben, und nach London gleichfalls; dann mögen Sie zehn Fernandos und tausend Cortés verlachen, wenn Sie wollen.«

»Sie wollen es also?« fragte der Virey mit einer halb zitternden Stimme.

Es trat nun eine lange Pause ein, während welcher die Exzellenz allmählich ihre Fassung wieder zu erlangen bemüht war. Gewissermaßen glich er dem Gefolterten, der nach überstandener Todesqual die Marterwerkzeuge in einer jener Launen anstiert, die in dem bizarren Menschengemüte sich so häufig vorfinden. Er las und verglich einen Brief mit dem andern. Der Brite hatte ihn am Lebenspunkte angegriffen.

»Und jetzt zu etwas anderem«, hob er nach einer Weile an. »Haben Euer Exzellenz Nachrichten aus dem Lager der Rebellen?«

»Nicht sehr günstige.«

»So habe ich gehört«, sprach er, indem er einen andern Brief hervorzog. »Dieses Schreiben ist viel wert. Wissen Sie von wem?«

Der Virey verneinte es.

»Von unserem Agenten bei Ihrer Armee. Die drei Navarresen, die wir Ihnen aus der Madre Patria verschrieben, es sind die durchtriebensten Spitzbuben, halb Franzosen, halb Spanier, oder vielmehr ganze Franzosen; sie reden gut französisch und liberal, sind aber eingefleischte Bourbonisten. Sie sind zu Morellos desertiert.«

»Demonio!« rief der Virey.

»Calleja«, fuhr der Brite fort, »hat einen Preis von fünfhundert Dollars auf ihre Köpfe gesetzt. Sie lachen aber nur darüber, und was dieses Rindvieh von blutigem Metzgerknecht in gutem Ernste getan, kommt uns trefflich zustatten. Morellos hat sie ganz liebgewonnen; der eine exerziert seine Indianer und Mestizen, den andern hat er als Leutnant bei der Artillerie angestellt, der dritte ist um seine Person.«

Des Vizekönigs Gesicht begann wieder seinen gewöhnlichen Ausdruck anzunehmen. »Das ist wirklich ein Meisterstück.«

»Gelt, Exzellenz!« sprach der Brite. »Wir wollen die Rebellen zusammenhetzen. Jetzt lesen Sie; aber wir brauchen glühende Kohlen, denn der Brief ist mit sympathetischer Tinte geschrieben.«

Der Virey nahm das Papier und eilte mit dem Briten in die Staatskanzlei zurück, wo er das Blatt über den Brassero hielt.

»Zweitausend Infanterie – viertausend Lanzenträger – dreihundert Reiter und fünfzehn Kanonen. Die Junta mit Morellos zerfallen. Viele Köche verderben die Olla.«

»Das ist die genaue Angabe der Stärke der Armee der Patrioten. Die Maulaffen haben auch eine Art Kongreß nach dem Exempel der Yankees aufstellen wollen, haben aber vergessen, was das Sprichwort sagt: ›Mach' den brummigen Bären immer zum großen Herrn, hast doch nur einen Brummbären.‹ Machen Sie einem Spanier oder Kreolen hundert Konstitutionen, er bleibt immer nur Sklave.«

»Ohne Komplimente, Sir George!« bemerkte der Virey, der nun seine Fassung ganz wieder erlangt hatte. »Was soll alles das eigentlich heißen?«

»Daß die Kongreßmänner, statt einen Kongreß zu bilden, Ihren Kriegsrat nachäffen und Morellos seine Operationen vorschreiben. Cos will auf Mexiko los – lesen Sie nur. Rainon will hinab nach Valladolid, Vicente Guerrero will Oaxaca und Acapulco, Vitoria Veracruz. Jeder etwas anderes. Die beiden letzteren sind noch die gescheitesten.«

»Die Nachrichten sind allerdings wichtig«, bemerkte der Virey.

»Unschätzbar«, fügte der Brite bei. »Lesen Euer Exzellenz weiter, und Sie werden auch die Namen derjenigen Kreolen finden, die Neigung verraten, sich wieder von der Sache der Insurgenten zu trennen.«

Der Virey las weiter. »Und wie haben Sie, Sir,« er betonte das Wort Sie, »die Nachrichten erhalten? Wir erinnern uns, daß wir die drei Menschen durch Ruy Gómez in unsere Dienste nehmen ließen.«

»Dem sie auch recht getreulich rapportiert, der aber, statt die Rapporte zu bezahlen, das Geld in seine eigene Tasche gesteckt. Deshalb haben sie sich an mich gewandt. Die Menschen müssen leben.«

Der Virey sah den Briten forschend an.

»Bei meiner Ehre, Sir George! Sie sind ein furchtbarer Mann. Ich glaube, die drei Spanier sind im Interesse der Bourbonen.«

»Fernando ist doch auch ein Bourbon. Was weiter?«

»Offen wenigstens«, bemerkte der Virey.

»Sie werden die bestimmtesten Nachrichten erhalten durch diese drei,« fuhr Mister George fort, »aber sie lassen sie durch meine Hand gehen.«

»Und uns so ganz in Ihre Gewalt geben.«

»Besser, als wenn Sie sich der Ihrer Landsleute überlassen, die soeben beim Erzbischofe gegen Sie konspirieren.«

Der Virey lächelte ungläubig.

»So, wie ich sage. – Doch auf die Spione zurückzukommen. Was sind Sie willens zu tun?«

»Mich zuerst von der Richtigkeit der Daten zu überzeugen.«

»Und den Zeitpunkt verstreichen lassen, die Rebellen zu vernichten? Tun Sie, wie Sie wollen; daß wir es aufrichtig meinen, mögen Sie glauben. Sie haben ein paar hundert Spione im Lager Morellos'; aber diese drei wiegen sie alle auf, und wenn sie Ihnen nicht Morellos binnen Jahr und Tag in die Hände liefern, so heißen Sie mich etwas.«

Noch schien sich die Exzellenz zu besinnen.

»Was ist da zu besinnen, Señor Vanegas?« sprach der Brite. »Sehen Sie die Sache an, wie sie ist. Sie wollen Morellos, das Haupt der Rebellen, in Ihre Gewalt bekommen, womöglich ohne Zutun Callejas in Ihre Gewalt bekommen. Wohlan, dann müssen Sie entweder selbst mit den Spionen korrespondieren oder mir es überlassen. Ihren Spaniern dürfen Sie nicht trauen; die verraten Sie an Calleja, den sie als Virey haben wollen. Was nun mich betrifft, so ist unser Interesse an das von Eurer Exzellenz geknüpft, und wir haben Ursache, Sie am Ruder zu erhalten, solange Sie Ihr Wort nicht brechen. Für hunderttausend Dollars liefern wir Ihnen Morellos und seine Armee binnen Jahr und Tag aus.«

»Sie wollen,« sprach die Exzellenz lächelnd, »Sie wollen, und dies mit Ihren eigenen Hilfsmitteln?«

»Mit unseren eigenen Hilfsmitteln,« sprach der Brite. »Das heißt, wir wollen Ihnen bloß die Mittel und Wege anzeigen. Ja, ja, Exzellenz, wir wissen die Sachen einzufädeln. Mit Eurem Spionenwesen, wie Ihr es hier habt, ist alles Lappalie. Unser Spionensystem ist ein bißchen anders; weder französisch, noch spanisch, noch russisch, noch deutsch; aber wir treffen den Nagel auf den Kopf. Ihr System des Einsteckens in der Nacht, des Verschwindenmachens geht für einige Zeit, taugt aber für die Länge nichts. Das heißt mit Pulverfässern spielen. Da lesen Sie, Señor Vanegas!«

Der Virey hatte einige Briefe vom Tische aufgenommen, legte sie aber wieder weg.

»Was sollen diese Korrespondenzen, Sir George? Mir bekräftigen, was wir leider nur zu sehr wissen, daß Sie während Ihres zwölfmonatlichen Aufenthaltes in Mexiko bereits das ganze Land in Ihr unsichtbares Netz gezogen, ausspioniert?« –

»Ja, ja, so sind sie alle, diese großen Staatsmänner,« fuhr der Brite fort, ohne auf die Worte des Satrapen zu hören. »Wenn ich nun im Vertrauen gewispert hätte, daß irgendein Conde Muera el mal gobierno! oder tiranno geschrien, so wäre diese Nachricht unfehlbar weit erwünschter gekommen.«

»Sir George, aber wozu diese Umschweife?« bemerkte der Virey ungeduldig.

»Sie sind so unsere Art,« erwiderte der Brite; »unsere Manier, wissen Sie. Jede Nation hat ihre Eigentümlichkeiten, und John Bull, – Gott sei Dank! –«

»Nun bei Gott! Sir George, Sie spannen unsere Geduld aufs Höchste.«

»Das wollen wir nicht; im Gegenteile, wir wollen Freunde bleiben, um so mehr, als diese Freundschaft unserem beiderseitigen Interesse förderlich ist und Eure Exzellenz noch ein paar Jahre im souveränen Besitze von Nueva España erhalten soll, trotz allen Callejas erhalten, und nebstdem noch mit einigen Millionen Duros ausstatten soll, die Sie am Ende Ihrer glorreichen Laufbahn in der Tasche haben und damit alle Angriffe zurückschlagen werden. Kein Maravedi wird Ihnen genommen werden. Dafür lassen Sie aber die Abfälle.«

Der Virey knirschte mit den Zähnen.

»Aber nun zur Sache!« fuhr der Brite in demselben trockenen, langweiligen Tone fort. »Sehen Sie, diese Briefe sind nicht ganz so unwichtig, wie Sie wähnen mögen. Dieser hier von Oaxaca oder der Mistecca zeigt pro primo, daß die Cochenilleernte zwar recht gut ausgefallen, daß sie aber um einige tausend Seroons weniger gegeben als Anno acht, neun und zehn, wegen Abgangs der Pflanzer; mit anderen Worten, weil Tausende dieser Pflanzer sich an die Rebellen angeschlossen haben; – das steht zwar nicht im Briefe, aber das gibt der gesunde Menschenverstand. Sehen Sie, das ist die wahre Spionerie. Hören Sie weiter: Von Puebla schreibt uns unser Agent gute Nachrichten. Die Baumwollen- und Porzellanfabriken haben dieses Jahr um beinahe eine Million weniger Fabrikate geliefert; warum? Weil so etwa fünftausend Arbeiter das Machet statt der Spindel zur Hand genommen haben.«

Er nahm einen dritten Brief. »Von Zacatecas schreibt unser Agent, daß die dortigen Fabriken zum Teile ganz still stehen, weil an die sechstausend Arbeiter ein gleiches getan.«

Der Virey war sehr aufmerksam geworden.

»Bis morgen früh sollen Euer Exzellenz eine Übersicht des Zustandes des Landes haben, die Ihnen eine halbe Million Piaster für Spione ersparen wird,« fuhr der Brite fort, »und in zwei Tagen will ich Ihnen über Mexiko nähere Auskunft geben.«

Die Augen des Virey funkelten; aber sein Triumph war gemischter Art. Er sah den Mann mit einer Art Entsetzen an, das wieder in Furcht und Verachtung übergehen zu wollen schien, je nach seinen verschiedenen Äußerungen.

»Wissen Sie noch etwas Neues?«

Der Virey verneinte es.

»Alt-England hat den Yankees den Krieg erklärt. Wir wollen diese Zwiebelkrämer und Mehlhändler züchtigen.«

»Wir haben das Gegenteil vernommen«, bemerkte der Virey gedehnt. »Nach den offiziellen Mitteilungen, die uns gemacht worden, haben die vereinten Staaten Ihnen den Krieg erklärt.«

»Sei dem, wie ihm wolle,« sprach der Brite; »genug, wir wollen sie züchtigen. Und für Sie ist es gut; denn von dieser Seite haben die Rebellen nun keine Unterstützung zu hoffen.«

»Wir waren von dieser Seite sicher,« bemerkte die Exzellenz, »die Regierung von Washington hat ihre Neutralität strenge beobachtet, strenger als unsere Alliierten.«

»Pah, und doch sind einige hundert Yankees auf Ihren Grund und Boden mit bewaffneter Hand eingedrungen.«

»Sie sind zurück, und die übrigen gefangen oder tot.«

»Was glauben Sie mit ihnen anzufangen?«

»Sie sind in San Juán de Ulloa.«

»Brr,« murmelte der Brite, »lassen Sie sie los; es ist britisches Blut, tut mir leid um die armen Teufel.«

»Kann nicht sein«, bemerkte der Virey.

»Je nun, wie Euer Exzellenz wollen.«

Die Exzellenz schien sich nun allmählich zu ennuyieren und gab Symptome steigender Ungeduld von sich.

»Noch etwas. Was haben Sie mit dem Conde de San Jago?«

Der Virey fuhr auf. »Sir George! Wir gaben Ihnen bedeutende Befugnisse – sehr bedeutende – aber verstehen Sie, innerhalb der Grenzen unserer Gewalt. – Der Conde ist mexikanischer Untertan.«

»Den Teufel ist er's, Exzellenz, so wenig als ich es bin. – Der Conde ist mehr König als Fernando VII.«

»Das ist wieder eines Ihrer beliebten Paradoxen.«

»In Mexiko ist der Conde keine zweimalhunderttausend Duros wert; denn für seine Ländereien gäbe ich sie nicht, weil sie unter einer despotischen Regierung nichts wert sind; aber in London und Newyork ist er drei Millionen wert, und deshalb mag er Ihrer lachen.«

»Wissen Sie es für bestimmt, daß er seine Kapitalien außer Landes gesandt?«

»Nicht nur er, sondern auch noch die zwei andern Großen.«

»Dann wollen wir ihm kurzen Prozeß machen.«

»Hüten Sie sich; der Conde ist der Mann, diesen Ihnen zu machen.«

»Y basta!« sprach die Exzellenz, die Miene machte sich zu entfernen.

»Exzellenz!« sprach der Brite.

»Sir George! Wollen Sie mir gefällig Ihre Notizen morgen übergeben.«

»Wir wollen es tun. Wir sind kein Spion; was wir tun, ist der Ordnung willen, bei der der Handel allein gedeiht, und Rebellen müssen vertilgt werden.«

»Das ist wie ein braver Mann gesprochen«, erwiderte der Virey.

»Exzellenz, noch ein Wort!«

»Und dieses Wort?«

»Was zum Teufel haben Sie mit dem Conde? An sein Vermögen wollen Sie? Dieses ist in Sicherheit, und wenn Sie der leibhafte Teufel Bonaparte selbst wären, Sie könnten ihm keinen Maravedi abnehmen. Hören Sie, er ist für Sie zu stark, der J – o ist Minister, haben Sie das übersehen?«

»Demonio!« rief der Virey.

»So ist es. Sie wissen, er ist sein Busenfreund. Castlereagh ist sein Amigo gleichfalls,« fuhr der Brite fort. »Ich bin gebunden, ausdrücklich gebunden. Hören Sie mehr. Er hat in unserer Bank über viermalhunderttausend Pfund, bei den Yankees eine Million. Wenn er nun diese Million springen läßt, so sprengt er Sie in die Luft.«

Der Virey lächelte.

»Dafür kauft er zwanzig Kanonen bei den Yankees, zehntausend Gewehre und findet zehntausend Yankees, die durch Texas eindringen und Sie wegblasen. Verderben Sie es mit dem Manne nicht; er ist beliebt, selbst in Valençay.«

Der Virey schüttelte das Haupt.

»Auch weiß er von unserem Verkehr.«

»Demonio!« rief der Vizekönig wieder.

»Wie kann es anders sein? Er steht mit dem Consulado, Veracruz, der Haban und Cádiz in Verbindung; deshalb ist es nötig, auch dem Teufel den Köder zu kratzen.«

Der Brite, nachdem er so gesprochen, verbeugte sich gemächlich und verließ mit einem » Good evening to your Excellency« das Kabinett. Die Türe schloß er von außen.

Der Virey war wie erstarrt gestanden. – Endlich schwankte er in die Staatskanzlei zurück und warf sich erschöpft in das Sofa. Einige Minuten hielt er das Haupt, als würde es zu schwer, in beide Hände gestützt. Dann entschlüpften ihm abgebrochene Seufzer, zwischen denen die Worte: »Furchtbarer Charakter – wie ein Vampir sich hergesetzt – das Land auszubeuten – grob, selbstsüchtig – uns hinabzieht ins Verderben« – zu hören waren. Nach einer Weile erhob er sich langsam und besah sich im Spiegel; »muß aber sein«, meinte er, die Halskrause ordnend.

Die große Glocke am Hauptportale des Palastes läutete.

»So spät – ein so später Besuch! Seltsam! Wer mag dieser sein?«

Er besah sich nochmals im Spiegel, goß einige Tropfen eau de Cologne in das Taschentuch, wischte sich die Stirn und trat wieder als Virey in den nächsten Salon, von welchem er in sein Appartement zurückkehrte.

Die armen Geschöpfe, die in den Mahagonibuden eingeschlossen waren, wurden nun gleichfalls von einem der Familiares der Staatskanzlei befreit. Aus ihrem Geächze war zu entnehmen, daß sie Taubstumme waren.


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