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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Immerhin mögt Ihr Verstand und Vernunft bei den Spaniern finden; aber in ihren Büchern und Institutionen sucht dergleichen nicht.

Montesquieu.

Während die Mestizen und Indianer den Zambo mit seinem sogenannten Weißfärbungsdekrete von sich trieben, – im Vorbeigehen sei es bemerkt, einem der vielen Schleichwege, deren sich die spanische Regierung in diesem ebenso unwissenden, als rang- und titelsüchtigen Lande bediente, um die Kraft der gefärbten Kasten zu brechen und zugleich ihre Sporteln zu vermehren – waren die Reiter allmählich an die Hügelkette herangekommen und näherten sich nun mit aller Grandezza spanischer Kavaliere dem vordersten Haufen der Leperos, die jedoch, ihr Herankommen nicht abwartend, auf allen Seiten auseinanderkrochen wie Gewürm, das, in einen Knäuel zusammengerollt, nun durch eine unsanfte Hand aufgerüttelt wird. Der Reiter waren, wie gesagt, zehn, und die Art und Weise ihres Aufzuges geschah ganz mit der pünktlichen Rücksicht auf Rangordnung, die der Spanier selten oder nie hintansetzte, wenn er in Gesellschaft von Kreolen sich befand. An der Spitze des Zuges, oder vielmehr in der Mitte der ersten Schar, ritt ein junger Offizier mit goldbortiertem Hute, roter Kokarde und weißem Reitermantel, gefälliger Miene und noch sehr jugendlichem Gesichte, dem sein gekräuseltes Schwarzbärtchen an Ober- und Unterlippe ungemein wohl anstand. Er hatte ganz jenen kühnen Blick, der zugleich Selbstbewußtsein, Unbefangenheit und eine Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft verriet, in der er sich wenig oder gar nicht zu beugen bemüßigt gewesen. Er betrachtete die Leperos, denen sie sich nun auf einige hundert Schritte genähert hatten, neugierig und horchte mit gefälliger Aufmerksamkeit der Unterhaltung der übrigen zu, die ihn vorzüglich zu berücksichtigen schienen. Diese waren auf der einen Seite ein zweiter Stabsoffizier, auf der anderen ein alter, kleiner, dürrer Spanier im blauen, goldbortierten Mantel, mit steifem Kragen, dreieckigem goldbortierten Hute, einem harten, olivengrünen Krämergesichte, in dem sich viel von maurischer Verschlagenheit, hebräischem Wuchersinne und kastilianischer Trockenheit spiegelte. Der junge Señor Pinto, den wir bereits kennen gelernt, ritt einen halben Schritt rückwärts vom jungen Stabsoffizier, auf der einen Seite, auf der andern ein Adjutant, und hinter diesen folgten Diener und Ordonnanzen.

Die Gesellschaft schien bei dem Anblicke der Leperos sich nichts weniger als behaglich zu fühlen, und sie näherten sich offenbar mit jenem Widerwillen, mit dem der Glückliche gewöhnlich in die Nähe des Jammers tritt; auch deuteten die an die Nasen gehaltenen Hände auf Gerüche, die ihre Sinne eben nicht angenehm überraschten. Offenbar waren die Elenden bereits seit einiger Zeit der Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen.

»Es sind Guachindangos oder, wie sie auch heißen, Zaragates«, sprach der alte Spanier; »Leperos heißen sie uneigentlich erst seit einiger Zeit, da nicht alle Leperos, das heißt Aussätzige, sind, sondern nur höchstens die Hälfte.«

Der Cicerone-Ton, in dem diese Worte gesprochen wurden, schien anzudeuten, daß die beiden Stabsoffiziere noch Neulinge in Mexiko waren.

»Die Jungfrau von Achotlan sei gepriesen!« bemerkte der ältere Stabsoffizier. »Die Hälfte, sagen Sie, das heißt, wenigstens fünfzehntausend Aussätzige in einer Stadt, die keine hundertvierzigtausend Einwohner zählt? Aber wirklich ist es ein halbes Wunder, daß sie nicht alle aussätzig sind, ja ganz Mexiko schon lange verpestet haben. Sehen Sie doch, sie wälzen sich in ihrem eigenen Kote, zu träge, einen Schritt weiterzugehen.«

»Es sind dies die Wirkungen der Zivilisation, Señor,« erwiderte der alte Spanier, »der puren Zivilisation. Sehen Sie, Señor, bereits der große Marquis hat dies gesagt; er hat bereits diese Leperos gefunden bei seinem Eintritte in Mexiko.«

»Aber kräftig dafür Sorge getragen, daß von den Leperos, die er fand, und ihrer Zivilisation, wie Sie meinen, Tio, auch keine Spur übrig blieb«, erwiderte lachend der junge Señor Pinto.

»Schweige, wenn Kavaliere sprechen«, schnarchte ihn der alte Spanier an.

»Wie meinen Sie dies, Señor Pinto?« fragte der junge Stabsoffizier, den Zügel seines Pferdes anziehend, so daß der junge Kreole mehr in die erste Linie kam.

»Er hat sie alle mit Stumpf und Stiel ausgerottet,« lachte der junge Pinto, »und dank den guten Toledoner Klingen seiner Spanier und den schlechten verbündeten Tlascalaner, ist keiner dieser mexikanischen Leperos übrig geblieben. Wir wollten Gott danken, wenn einer unserer gnädig gebietenden Vireys mit diesen auf gleiche Weise aufräumen wollte«, fügte der Jüngling bitter hinzu. »Wenn sie alle wie Unrat in den Chalco geschmissen würden, so wäre es ein Dienst, der Menschheit erzeugt, der Jubel im Himmel, in der Hölle, auf der Erde und im See hervorbringen müßte.«

»Ihr Gedankenflug ist kühn, Señor Pinto«, versetzte der Oberst mit einem sarkastischen Lächeln und einem starken Nachklange von Unwillen; »aber wie kommt es nur,« fragte er nach einer Weile, sein Auge auf den jungen Kreolen und wieder den alten Spanier gerichtet, »daß eine so elende Brut von Menschen, denn anders kann sie wirklich nicht genannt werden, sich so ins Ungeheure vermehren konnte, und zwar in der Metropolis des reichsten Landes der Welt?«

»So daß sie Neuspanien mit Recht genannt wird«, schaltete der alte Hidalgo ein; »aber hist,« flüsterte er dem Oberst zu, »dies sind gefährliche Punkte, die führen zu Untersuchungen, sagt unser hochachtbarer Bruder Don Antonio Pinto, Oidor der hohen Audiencia dieses Königreiches, die, wie Euer Herrlichkeit wohl wissen, mit dem Rate von Indien, dem Se. geheiligte Majestät en persona präsidieren, selbst zu korrespondieren das unschätzbare Vorrecht –«

Der Mann hielt inne, gerade im letzten Worte, wahrscheinlich weil er gewahr wurde, daß er seinen Vortrag so mit Zwischensätzen verwickelt hatte, daß der junge Caballero Mühe haben dürfte, den ganzen Umfang der Vorrechte der hohen Audiencia zu erkennen. Dieser jedoch hörte ihn mit dem unerschütterlichen Phlegma eines Spaniers an, sein Auge fortwährend auf die Leperos gerichtet.

»Ja, unser hochherrlicher Bruder, der Mitglied der hohen Audiencia, das heißt, wirklicher Oidor ist, und so bekanntermaßen mit dem Rate von Indien zu korrespondieren die unschätzbare Gnade hat,« fuhr der alte Hidalgo fort, »derselbe ist der positiven Meinung, daß jeder echte Spanier sich straffällig mache, der sich in Gegenwart von Kreolen über Dinge ausspreche, die allerhöchst Se. Majestät Carlos III. höchstseligen Andenkens vor den Kreolen verborgen wissen wollte. Señor wissen doch die hochpreislichen Worte dieses weisen Königs, die da in einer allerhöchsten Landesverordnung sagen: ›Es ist nicht unser Wille, weder halten wir es angemessen, daß Kenntnisse und Wissenschaften in unsern amerikanischen Landen allgemein würden‹«.

»Alles wohl gesagt, Señor Pinto«, erwiderte der junge Oberst dem alten Spanier, »aber das beantwortet noch nicht die Frage, die wir uns zu stellen die Freiheit genommen haben.«

»Hist, hist!« mahnte der alte Pinto, mit einem Blick auf seinen Neffen, »es sind dies gefährliche Punkte.«

»Gefährliche Punkte, diese?« fragte der Oberst verwundert. »Was also ist nicht gefährlich?«

»Señor Pinto meint,« sprach der junge Señor, »es sei immer gefährlich, vom Teufel zu sprechen.«

»Aber Señor, was hat der Teufel mit den Leperos zu tun?«

»Vieles, Señoria«, erwiderte der junge Kreole. »Erinnern sich Eure Herrlichkeit der Vision Quevedos, in welcher der Tod dem Dichter drei Gespenster vorführt, die mit einem hohnlachenden Ungeheuer im Kampfe begriffen sind, und die er als den Teufel, das Fleisch und die Welt bezeichnet, und das hohnlachende Ungeheuer, mit dem sie im Kampfe begriffen sind, als die Habsucht; beifügend, daß, welches der drei Gespenster immer des Menschen habhaft werde, er dem Teufel verfallen sei. Señoria,« versicherte der Kreole lachend, »dieses braune Gewimmel da,« seine Augen schweiften von der Hügelkette auf die Straße, an deren beiden Seiten die Leperos eine halbe Meile weit hinauf und hinab gelagert waren, »nennt die drei Gespenster und das Ungeheuer der Habgier seine Väter und Mütter.«

»Hören Sie ihn nicht, Oberst,« wisperte der alte Señor Pinto dem jungen Offizier in die Ohren, »er ist ein Kreole, er lügt.«

Der Oberst sah den Onkel an, dann den Neffen, dessen etwas hölzern vorgebrachte Parabel wieder durch den Ton der Stimme eine ungemeine Bedeutsamkeit erhielt, und dann winkte er dem letzteren, fortzufahren.

»Es geht alles wie an der Schnur, Señoria«, sprach Señor Lopez Pinto mit einer Mischung von Ironie und Bitterkeit. »Sehen Sie, da war einmal ein gewisser Adelantado Velázquez, der auf der Insel Santo Domingo herrschte und hauste, und vom Ungeheuer der Habsucht geplagt, Señor Hernán Cortés –«

»Respekt vor dem Namen des großen Marquis, Señor«, fiel ihm der ältere Stabsoffizier streng ein.

»Fahren Sie fort«, bedeutete ihm der junge Oberst, den der pikante Ton des Erzählers anzusprechen anfing.

»Allen möglichen,« meinte lachend der junge Kreole, »um so mehr, als wir ohne den großen Marquis nicht das Glück hätten, uns in Mexiko unseres Lebens und Daseins zu freuen; und da in Spanien die Lebensfreuden etwas spärlich zugemessen sind, so –. Aber mit allem Respekt für Señor Hernán, werden mir Señoria eingestehen, daß er den Teufel im hohen Grade im Leibe hatte, und daß ihn dieser nach Mexiko trieb, wo er ihn ein paarmal hunderttausend Indianer abschlachten hieß, um das höllische Ungeheuer Habsucht zu befriedigen, das nun Meister Mexikos geworden war, nebst Sr. geheiligten Majestät, versteht sich von selbst, die das Land en bloc allergnädigst in Ihre Disposition zu nehmen geruht, und den Soldados, die das Geld nahmen, und den Padres, die auch um ihren Anteil zu holen kamen und sich behalfen mit dem, was noch übrig geblieben war. Und nachdem sich nun alle diese vollgepfropft und dem Ungetüm der Habgier geopfert und die armen Indianer ihres Geldes, ihrer Habe, ihrer Felder enthoben und in die Bergwerke getrieben oder als Lasttiere verschmachten lassen, kam der Teufel der Wollust unter die geistlichen und weltlichen Kriegshelden und trieb sie zu den Indianerinnen, denen sie Pfänder hinterließen, die nach neun Monaten zu Mestizen wurden und als sie heranwuchsen zu Guachindangos oder Zaragates, das heißt Unkraut, und als sie alt wurden zu Leperos, das heißt Aussätzigen.«

»Da lügst du wieder«, fiel ihm der Onkel giftig ein.

»Ich glaube vielmehr, Ihre Mutter hat gelogen«, schrie ihm der junge Mann mit Heftigkeit zu, und seine Hand spielte unwillkürlich unter der Manga.

»Silencio!« mahnte oder befahl vielmehr der junge Oberst. »Fahren Sie fort, Señor Pinto!« sprach er zum Neffen aufmunternd.

Ein tückisches Lächeln überflog den Mund des Neffen, und dann sprach er im hingeworfenen Tone:

»Die Hauptsache ist bereits gesagt, Señoria, und Sie werden es begreiflich finden, daß diese Progenitur«, er deutete auf die Leperos, »ganz spanisches Produkt oder Erzeugnis ist, just so gehegt und gepflegt durch Anhäufung des Unrates, wie man Unkraut hegt. Zuerst machten die frommen Eroberer Mexikos die Kinder, dann machten sie diese Kinder infames von Rechts und Gesetzes wegen, und dann ließen sie sie auf der Straße herumkriechen und liegen, just wie Sie 's Gewürm in einem faulen, fetten Leichnam herumkriechen sehen. Zwar hätten sie dieses leicht vermeiden können, wenn sie ihren elenden Müttern nur vierzig oder hundert Fuß ins Gevierte zu einem Bananenfleckchen gegeben hätten; aber daß sie es nicht getan, hatte auch wieder seine guten Gründe.«

Es lag etwas im Tone des jungen Kreolen, das den jungen Oberst im hohen Grade aufmerksam machte: eine tief liegende, scharf hervorstechende Tücke, ein Zug geheimer Schadenfreude, der aus dem ganzen Wesen des Jünglings hervorleuchtete und ihn seltsam unnatürlich kleidete. Es war eine Art geheimer, versteckter Freude über die unheilbaren Wunden, die spanische Tyrannei dem Lande geschlagen, die aus jedem seiner Züge durchschimmerte. Zugleich hatte das ganze Wesen des Erzählers einen Nachklang von so grimmiger Bitterkeit und kalter Ironie, die ihm etwas Eigentümliches, Disparates gaben. Der Oberst sah wechselweise den Jüngling und wieder seinen Oheim an, der schweigend einhergeritten war.

»Und die Regierung hat nicht Sorge getragen, diesen unnützen Mäulern nützliche Hände zu geben?«

»Das heißt, sie sollte Sorge getragen haben, sie in die Wälder von Potosi, Señora oder Texas zu schicken oder an die Küsten von Veracruz, Yucatan und so fort, um diese – in Dörfer, Städte und Felder umzuwandeln. Glauben Sie mir, Señoria, es macht bereits Mexiko, so wie es ist, dem Consejo de las Indias genug zu schaffen, und deshalb darf auch nach den königlichen Verordnungen keine Stadt angelegt werden, nicht einmal eine Niederlassung, ausgenommen in der Nähe einer Garnison, eines Klosters oder einer Mission. Die Madre Patria braucht keine Menschen, sondern Duros, und seien Sie versichert, könnten die Minen von Guanaxuato und Monte Real mit Büffeln betrieben werden. Tausende gegen eines, unsere hohen Wohltäter schlachteten uns alle samt und sonders und zögen die Büffelherden aus Señora und Santa Fe herab.«

Indem der Jüngling so sprach, wandte er sich auf einmal an den Oberst und Major, denen er beiden einen Blick zuwarf, der sie durchbohren zu wollen schien, und der, seltsam genug, die beiden Kriegsmänner in eine nicht zu verkennende Verlegenheit brachte. Diese Verlegenheit mochte ihren Grund vielleicht in der Wahrheit der soeben gehörten Bitterkeiten, vielleicht aber auch noch andere Veranlassungen haben. Der Zeitpunkt war wirklich ein gefährlicher für die Gesamtbevölkerung von Mexiko, und alles ließ sich von einer Regierung befürchten, die sich zu so entsetzlichen Grundsätzen bekannt hatte wie die spanische. Man hatte kein Hehl mehr gemacht von dem Plane, alle diejenigen, die sich rebellischer Gesinnungen auch nur verdächtig gemacht hatten, zu vertilgen. So ausschweifend, ja absurd ein solcher Gedanke uns erscheinen mag, in den Augen von Menschen, die sich um jeden Preis im Besitze des Landes erhalten wollten und deren Politik so unverbrüchlich dahin gerichtet gewesen, die Bevölkerung dieses Landes durch alle nur möglichen Mittel zu verdünnen, war diese Politik nichts weniger als unnatürlich, ja vielmehr eine konsequente Durchführung der von jeher aufgestellten Staatsmaximen. Nach dieser Staatsmaxime war es nicht nur ausdrücklich untersagt gewesen, neue Städte, Dörfer und Niederlassungen, was immer für einer Art, wenn sie nicht in der Nähe von Minen gelegen waren, zu gründen; mehrere Abgaben, und besonders die furchtbare Alcavala zielten auch offenbar dahin, die nötigsten Lebensbedürfnisse ins Ungeheure zu verteuern; selbst jene Produkte, die dem Kreolen zum Leben unentbehrlich sind, wurden ihm anzubauen verboten, und so im fruchtbarsten Lande der Welt künstliche Hungersnöte hervorgebracht, die oft ganzen Städten ihre Bevölkerung raubten.

»Ich aber bin der Meinung,« hob der ältere Pinto, der gleichfalls verstummt war, nach einer Weile wieder an, »ich bin der festen Meinung, daß diese Leperos da bessere Untertanen Sr. geheiligten Majestät sind als du selbst, der, beim heiligen Jago, verdiente, in dasselbe Loch geworfen zu werden, wo der Tagedieb Quevedo für seine spitze Zunge und Feder büßte. Señoria,« fuhr er zum Oberst gewendet fort, »es sind ruhige Untertanen, diese Leperos, und sie haben ihre Ordnungen und Gewerbe; nur daß sie nicht arbeiten wollen und unflätig sind, so daß sie, mit hohem Respekt salva venia zu melden, in ihren eigenen effluviis –«

»Bitte, bitte. Wir sehen ja ohnedem«, bemerkte der Oberst.

»Ja, ja, Señoria. Stellen Sie sich aber vor ein Wachsbild der roten Jungfrau von Guadeloupe, oder ein hölzernes des Erlösers von Atolnico, oder lassen Sie sich von einem ihrer Evangelistas eine letra schreiben mit Herzen und Schnörkeln und Pfeilen, auf die Ehre eines Hidalgo, Kastilien selbst hat keine besseren Evangelistas, und ich sage Ihnen, wenn sie Pulque und Tortillas haben zu Mittag, nachmittags ein Fleckchen in der Sonne und abends ein Stück Manga, so lassen sie Mexiko sein und bekümmern sich ebensowenig um die Wege und Stege einer hochpreislichen Regierung, als es guten loyalen Untertanen ziemt. Und deshalb wäre zu wünschen, daß auch andere«, hier fiel sein Blick stechend auf den jungen Señor, »ein gutes Beispiel nähmen.«

»Und loyale und gute Untertanen wie diese Leperos würden«, lachte der junge Pinto.

»Bei meiner Seele!« rief der Spanier giftig dem Oberst zu. »Señoria! Wenn Sie nicht selbst die aufrührerischen Reden dieses Gavacho Spitzname, den Franzosen gegeben, treuloser Affe. anzeigen, so tun wir es. Über Mangel an Freiheit klagen sie, diese Kreolen. Ich sage Ihnen, alle sind Ketzer, Gottesleugner und Rebellen.«

»Von wem sprechen Sie?« fragte der Oberst ernst. »Wenn ich nicht irre, so ist es der Sohn Ihres Bruders. Vergessen Sie nicht,« setzte er mit leiser Stimme hinzu, »daß wir Spanier angewiesen sind, in der gegenwärtigen Krisis so vorsichtig als möglich zu sein.«

»Das ist wahr, Prudencia«, zischte ihm der Spanier zu; »aber was den Sohn meines Bruders betrifft, so sage ich Ihnen, ich habe keinen Neffen. Kein Spanier kann Sohn oder Neffe in Mexiko haben. Es liegt der Fluch auf diesem Lande. Sie kennen dieses Land nicht. Hüten Sie sich vor diesem Mexiko. Der Vater ist vor seinem eigenen Sohne, der Mann vor seinem Weibe nicht sicher. Alle konspirieren gegen uns. Ich sage Ihnen aber mehr, Señoria. Diese Lustigkeit gerade jetzt, diese Frechheit – es ist wunderbar! Eine Fügung der heiligen Jungfrau. Ich sage Ihnen, die Kreolen führen etwas im Schilde, und der junge Gavacho hat sich verschnappt.«

»Sie wollten – Sie wollten Ihren eigenen Bruderssohn verraten?« fragte der Oberst mit Abscheu, den Alten zugleich von sich schüttelnd, der ihn mit verwundert-höhnischer Miene ansah.

»Sie sind jung, Señoria!« flüsterte der alte Spanier ihm zu; »aber merken Sie sich das, daß der eigene Vater dieses jungen Menschen, wenn er seine Äußerungen hörte, nicht anstehen würde, ihn auf das San Lorenzo-Bette Folter. legen zu lassen. Und«, setzte er mit größerem Nachdrucke hinzu, »mit Fug und Recht.«

»Sie hatten recht«, flüsterte der junge Oberst dem alten Major zu. »Man sollte in diesem Lande weder links noch rechts, sondern nur in sein Reglamentobuch sehen. Jeder Blick zur Seite und vorwärts macht uns schwindeln.«

»Ei, ei,« versetzte der Stabsoffizier, »Sie haben hier sechzigtausend Könige, Graf! Und es könnte wohl sein, daß Sie Fernando ebensowohl heimsenden würden, wie sie es mit Iturrigaray getan.«


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