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Siebenzehntes Kapitel.

Hier sieht es nicht wie bei der Hochzeit aus.

Viel Lärmen um Nichts.

 

Die Kapelle im Schloß Ellieslaw, welche der Schauplatz dieser unheilvollen Verbindung sein sollte, war ein Gebäude von noch höherem Alter als das Schloß selbst, obgleich auch das letztere auf bedeutendes Alterthum Anspruch machte. Bevor die Kriege zwischen England und Schottland so gewöhnlich und langdauernd wurden, daß alle Gebäude an beiden Seiten der Grenze eine kriegerische Bestimmung erhielten, war in Ellieslaw eine kleine Niederlassung von Mönchen vorhanden gewesen, welche nach der Meinung von Antiquaren zur reichen Abtei von Jedborgh gehörten. Die Besitzungen der Mönche waren aber unter den Veränderungen verloren gegangen, welche der Krieg und die gegenseitigen Verwüstungen hervorriefen. Ein feudales Schloß war auf den Trümmern ihrer Zellen errichtet, und ihre Kapelle wurde von den Mauern desselben umschlossen. Der Bau zeigte in seinen runden Bögen und massiven Pfeilern so wie in deren Einfachheit seinen Ursprung in den Zeiten des sogenannten angelsächsischen Baustyles, beurkundete zu jeder Zeit ein düsteres und finsteres Aeußere, und war häufig als Begräbnißplatz von der Familie der Feudalherren eben so wie früher von den Mönchen benutzt worden. Jetzt aber schien der düstere Ausdruck der Kapelle durch die Wirkung weniger rauchender Fackeln erhöht zu sein, welche zur Erleuchtung des Raumes gebraucht wurden; während dieselben ein helles, gelbes Licht in ihrer unmittelbaren Nähe verbreiteten, waren sie jenseits desselben von einem rothen und purpurnen Ring umgeben, dessen Farbe aus dem vom Rauche zurückgeworfenen Licht entsprang; jenseits dieses Lichts dehnte sich ein Umkreis der Finsterniß aus, welcher die Ausdehnung der Kapelle zu vergrößern schien, während es dem Auge unmöglich wurde, seine Grenze zu erkennen. Einige unpassende Zierrathen, welche in der Eile angebracht waren, erhöhten noch den finstern Eindruck des Ortes. Alte Tapetenstücke, von den Wänden anderer Gemächer genommen, waren hastig an diejenigen der Kapelle gehängt, und bedeckten dieselben theilweise; die Wappenschilder und die Sinnbilder der Todten, welche an den Mauern sonst sich befanden, ragten zwischen jenen Tapeten in unpassender Weise hervor. An jeder Seite des Steinaltars stand ein Denkmal; der Styl dieser Bildwerke bildete einen eben so sonderbaren Gegensatz. Auf dem einen war die Gestalt eines finsteren Eremiten oder Mönches, der einst im Geruche der Heiligkeit starb, in Stein ausgehauen; sie war als auf dem Rücken liegend mit Kaputze und Scapulir dargestellt; das Antlitz wandte sich aufwärts wie im Gebet, und die Hände waren gefaltet, von denen ein Rosenkranz herabhing. Auf der andern Seite stand ein Grabmal in italienischem Geschmack, ein schönes Werk der Plastik, welches als Muster der neueren Kunst galt. Es war zum Andenken der Mutter Isabellens, der verstorbenen Frau Vere von Ellieslaw errichtet; sie war dargestellt als eine Sterbende, während ein weinender Cherub mit abgewandten Augen eine schwach brennende Lampe als Sinnbild ihres schnellen Todes auszulöschen schien. Das Denkmal war wirklich ein Meisterstück der Kunst, jedoch in dem plumpen Gewölbe übel angebracht, wo man es aufgestellt hatte. Viele wurden überrascht und sogar empört, daß Ellieslaw, dessen Zärtlichkeit gegen seine Gattin, so lange sie lebte, gerade nicht bemerkt wurde, nach ihrem Tode ein so kostbares Denkmal mit verstelltem Gram errichten ließ. Andere jedoch rechtfertigten ihn gegen den Vorwurf der Heuchelei, und behaupteten, daß dies Denkmal unter Leitung und auf Kosten des Herrn Ratcliffe errichtet war.

Vor diesen Monumenten hatten sich die Hochzeitgäste versammelt; es waren wenige an Zahl, denn Viele hatten das Schloß verlassen, um Vorbereitungen zu dem bevorstehenden Aufstande zu treffen, und Ellieslaw war bei den vorhandenen Umständen weit davon entfernt, seine Einladungen über diejenigen nahen Verwandten auszudehnen, deren Gegenwart durch die Sitte des Landes unbedingt geboten war. Dem Altar zunächst stand Sir Frederik Langley finster, mürrisch und gedankenvoll, sogar noch mehr, wie er dieß sonst zu sein pflegte; neben ihm befand sich Mareschal, welcher die Rolle des sogenannten Brautführers übernommen hatte. Die gedankenlose gute Laune dieses jungen Herrn, welcher derselbe niemals den geringsten Zwang anzuthun für gut hielt, steigerte die Wolke, welche über der Stirne des Bräutigams schwebte.

»Die Braut hat noch nicht ihr Zimmer verlassen,« flüsterte er Sir Frederik zu, »ich hoffe, daß wir nicht zu den gewaltthätigen Mitteln der Römer unsere Zuflucht nehmen müssen, wovon ich auf der Schule gelesen habe. Es wäre eine harte Sache für meine hübsche Cousine, wenn man mit ihr zweimal in zwei Tagen durchgehen müßte, obgleich ich kein Mädchen kenne, welches würdiger eines so gewaltthätigen Compliments wäre.«

Sir Frederik bemühte sich, diesen Worten ein taubes Ohr zu leihen, indem er ein Lied summte und nach einer andern Richtung blickte. Mareschal aber fuhr fort, in derselben ausgelassenen Weise zu scherzen.

»Der Verzug wird dem Dr. Hobbler schwer, welcher gerade abgerufen wurde, um die Vorbereitungen dieser freudigen Ereignisse zu beschleunigen, als er den Kork aus seiner dritten Flasche herausgezogen hatte. Ich hoffe, Ihr werdet ihn vor dem Verweise seiner Oberin schützen, denn nach meiner Meinung geht die Zeit über die kanonischen Stunden – hier aber kommt Ellieslaw und meine hübsche Cousine – wie ich glaube, schöner wie jemals, wenn sie nicht so schwach und todtenblaß – hört, Herr Ritter, spricht sie nicht ihr Ja vollkommen gutwillig, so habt Ihr keine Hochzeit, ungeachtet alles dessen, was vorgegangen ist.«

»Keine Hochzeit, Herr?!« erwiderte Sir Frederik in einem lauten Geflüster, dessen Ton anzeigte, daß sein zorniges Gefühl nur mit Schwierigkeit unterdrückt wurde.

»Nein – keine Ehe,« erwiderte Mareschal, »darauf verpfände ich Euch meine Hand und Handschuh.«

Sir Frederik Langley ergriff seine Hand und sagte leiser, indem er sie heftig drückte, »Mareschall, das sollt Ihr verantworten.« Dann schleuderte er seine Hand fort.

»Dazu bin ich bereit,« sagte Mareschal, »niemals entging meinen Lippen ein Wort, wofür meine Hand nicht einstand, drum redet, meine hübsche Cousine, und sagt mir, ob es Euer freier Wille und Euer unbefangener Entschluß ist, diesen tapferen Ritter als Herrn und Gemahl anzunehmen, denn hegt Ihr hierüber nur das Zehntel einer Bedenklichkeit, so tretet bestimmt zurück, dann soll er Euch nicht erhalten.«

»Seid Ihr toll, Herr Mareschal,« fragte Ellieslaw, welcher als früherer Vormund des jungen Mannes während seiner Minderjährigkeit noch oft die Sprache der Ueberlegenheit gegen ihn einnahm. »Glaubt Ihr, ich würde meine Tochter an den Fuß des Altars schleppen, wäre dieß nicht ihre eigene Wahl?«

»Stille, Ellieslaw,« erwiderte der junge Herr, »sagt mir nicht das Gegentheil; ihre Augen sind voll Thränen und ihre Wangen weißer wie ihr weißes Kleid. Ich muß darauf bestehen, im Namen der bloßen Menschlichkeit, daß die Ceremonie bis morgen verschoben wird.«

»Sie wird es dir selbst sagen, du unverbesserlicher Naseweis, der sich in Dinge mischt, die ihn nichts angehen. – Sie wird dir selbst sagen, daß sie wünscht, die Ceremonie möge ihren Verlauf haben – ist es nicht so, Isabelle, meine Tochter?«

»So ist es,« sagte Isabelle halb ohnmächtig – »da Hülfe weder von Gott noch Menschen sich erwarten läßt.«

Das erste Wort allein war deutlich zu hören. Mareschal zuckte die Achseln und schritt zurück; Ellieslaw stützte seine Tochter auf dem Gange zum Altar; Sir Frederik trat vor und stellte sich an ihre Seite, der Geistliche öffnete sein Gebetbuch und blickte auf Herrn Vere, um das Signal zum Beginne der Ceremonie zu erwarten. »Beginnt,« sagte der Letztere.

Aber eine Stimme, die aus dem Grabe seiner verstorbenen Gemahlin hervorzukommen schien, rief in so lautem und scharfem Tone, daß jedes Echo der gewölbten Kapelle widerhallte:

»Haltet ein!« – Alle waren stumm und bewegungslos, bis ein entferntes Geräusch und das Geklirre von Degen oder etwas Aehnliches, von den entfernteren Gemächern her vernommen wurde. Es hörte beinahe sogleich auf.

»Was ist das für eine neue Kabale?« fragte Sir Frederik mit trotzigem Ton, indem er Ellieslaw und Mareschal mit Blicken boshaften Argwohns betrachtete.

»Es kann nur der Scherz eines betrunkenen Gastes sein,« sagte Ellieslaw, obgleich er sehr betroffen war; »wir müssen große Nachsicht bei dem Uebermaß der Festlichkeit von heute Abend hegen. Vollbringt die Ceremonie.«

Bevor der Geistliche gehorchen konnte, wurde das vorher vernommene Verbot von demselben Ort aus wiederholt; die Begleiterinnen der Braut schrieen auf und flohen aus der Kapelle; die Herren legten die Hand an den Degen. Bevor der erste Augenblick der Ueberraschung vorüber war, schritt der Zwerg hinter dem Grabdenkmal hervor, und stellte sich vor Herrn Vere mit der vollen Erscheinung seines Körpers hin. Die Wirkung einer so wunderbaren und scheußlichen Erscheinung an solchem Orte und unter solchen Umständen, bestürzte alle Anwesenden, aber schien den Gutsherrn von Ellieslaw zu vernichten; er ließ den Arm seiner Tochter fahren, wankte zum nächsten Pfeiler, umklammerte denselben mit seinen Händen, als wolle er sich stützen, und lehnte seine Stirn an die Säule.

»Wer ist dieser Kerl?« fragte Sir Frederik, »was hat seine Zudringlichkeit zu bedeuten?«

»Es ist Jemand, welcher kömmt, dir zu sagen,« sprach der Zwerg mit der eigenthümlichen Bitterkeit seines Wesens, »daß du, wenn du diese junge Dame heirathest, weder mit der Erbin von Ellieslaw, noch von Mauleyhall, noch von Polverton, noch von einer Furche Landes dich vermählst, wenn sie nicht meine Einwilligung erhält; diese wird dir nie gegeben werden. Nieder auf deine Kniee, danke dem Himmel, daß du verhindert wirst, dich mit Eigenschaften zu vermählen, mit denen du nichts zu schaffen hast – mit Wahrhaftigkeit ohne Brautschatz, mit Tugend und Unschuld – und du, elender Undankbarer,« indem er seine Worte an Ellieslaw richtete – »worin besteht jetzt deine elende Ausflucht? der du deine Tochter verkaufen wolltest, um dir eine Gefahr vom Halse zu schaffen, wie du sie im Hunger ermordet und verschlungen haben würdest, um dein eigenes, elendes Leben zu bewahren! – Ha, verberge dein Gesicht mit den Händen; wohl darfst du erröthen, ihm in das Gesicht zu blicken, dessen Leib du einst in Ketten, dessen Hand du der Blutschuld, und dessen Seele du dem Elend überliefertest. Noch einmal bist du durch die Tugend von ihr gerettet, welche dich Vater nennt; packe dich, und mögen die Wohlthaten und die Verzeihung, die ich dir übertragen, zu feurigen Kohlen werden, bis dein Gehirn versengt und verbrannt ist, wie das meinige!«

Ellieslaw verließ die Kapelle mit einer Bewegung stummer Verzweiflung.

»Folget ihm, Hubert Ratcliffe,« sagte der Zwerg, »und verkündigt ihm sein Schicksal, er wird sich freuen; als Glück gilt es ihm, die Luft zu athmen und Gold in den Händen zu haben.«

»Ich verstehe nichts davon,« sagte Sir Frederik Langley, »wir sind aber hier ein Corps von Edelleuten in Waffen für König Jakob und mit dessen Gewalt; seid Ihr wirklich oder nicht jener Sir Edward Mauley, den man schon so lang für verstorben im Irrenhaus hielt, oder seid Ihr ein Betrüger, der seinen Namen und Titel annimmt, so sind wir so frei, Euch hier zu verhaften, bis Ihr über Eure Erscheinung in diesem Augenblick bessere Rechenschaft gegeben habt. Wir wollen unter uns keine Spione. – Ergreift ihn, Freunde!«

Die Diener aber fuhren zweifelnd und erschreckt zurück; Sir Frederik schritt selbst auf den Klausner zu, als wolle er Hand an ihn legen, wurde aber plötzlich durch die glänzende Spitze einer Partisane zum Anhalten gezwungen, welche die derbe Hand von Hobbie Elliot gegen seine Brust richtete.

»Ich will machen, daß Euch das Tageslicht durchscheint, wenn Ihr es wagt, auf ihn zuzugehen,« sagte der kräftige Grenzbewohner, »zurück, oder ich durchstoße Euch; Niemand soll einen Finger an Elshie legen; er ist ein kluger, nachbarlicher Mann, stets bereit, einem Freund zu helfen; und wenn Ihr ihn auch für einen Krüppel haltet, Freund, so wette ich doch einen Widder – Griff für Griff genommen – daß er Euch das Blut aus den Nägeln spritzen läßt. Elshie ist ein rauher Gesell, er quetscht so derb wie eine Schraube.«

»Was hat Euch hieher gebracht, Elliot?« fragte Mareschal, »wer hat Euch berufen, Euch hier einzumischen?«

»Wahrhaftig, Mareschal Wells,« erwiderte Hobbie, »ich bin gerade hieher gekommen mit Zwanzig bis Dreißig, mehr in meinem eigenen Namen und im Namen des Königs oder der Königin, wie man jetzt sagt, und noch dazu im Namen des klugen Elshie, uns den Frieden zu erhalten, und um eine Gewaltthätigkeit zurückzugeben, die mir Ellieslaw angethan hat. Ein gutes Frühstück haben mir die Schelme neulich gegeben, und er hatte die Hand im Spiele, und glaubt Ihr, ich wäre nicht bereit, ihm ein Abendessen zu geben? – Ihr Herrn braucht nicht die Hand an den Degen zu legen, das Haus ist schon unser mit wenig Lärm, denn die Thür stand offen, und Euer Volk hatte viel Punsch gesoffen. Wir nahmen ihre Degen und Pistolen so leicht, als schälten wir Erbsenschoten aus.«

Mareschal stürzte hinaus, und kam sogleich wieder in die Kapelle zurück.

»Beim Himmel, es ist wahr, Sir Frederik, das Haus ist mit Bewaffneten gefüllt, und unser besoffenes Gesindel ist entwaffnet; zieht den Degen, wir wollen uns durchschlagen.«

»Nicht zu rasch, nicht zu rasch,« rief Hobbie aus, »hört mich nur ein wenig an, wir wollen Euch kein Leid thun; da Ihr aber für König Jakob, wie Ihr ihn nennt, und die Prälaten in Waffen seid, so hielten wir es für Recht, den alten Nachbarkrieg zu beginnen und für den andern König und unsere Kirche aufzustehen; wir wollen Euch aber kein Haar krümmen, wenn Ihr Euch ruhig nach Hause packt, und das ist für Euch das Beste, denn es ist sichere Nachricht von London angelangt, daß Bang oder Byng, wie Ihr ihn nennt, die französischen Schiffe und den neuen König von der Küste weggejagt habe; somit bleibt Ihr am besten zufrieden mit der alten Anna, weil Ihr keinen andern König oder Königin jetzt bekommen könnt.«

Ratcliffe trat in diesem Augenblick ein, und bestätigte die für die Jakobiten so ungünstige Nachricht. Sir Frederik verließ beinahe sogleich das Schloß mit denjenigen seiner Begleiter, die ihm im Augenblick folgen konnten, ohne von Jemand Abschied zu nehmen.

»Und was wollt Ihr thun, Mareschal?« fragte Ratcliffe.

»Wahrhaftig,« antwortete derselbe lächelnd, »mein Muth ist zu groß und mein Vermögen ist zu klein, um dem Beispiel dieses wackeren Bräutigams zu folgen. Es liegt nicht in meiner Natur und ist auch kaum der Mühe werth.«

»Wohlan denn, so zerstreut Eure Leute und bleibt ruhig; man wird den ganzen Streich übersehen, da kein öffentlicher Aufruhr stattgefunden hat.«

»Halt, halt,« sagte Elliot, »was vergangen ist, sei vergangen, und laßt uns Alle Freunde wieder sein; ich habe gegen Niemand Bosheit, als gegen Westburnflat, und dem habe ich das Fell heiß und kalt gemacht. Mein Pallasch hatte kaum drei Schläge mit dem seinen gewechselt, als er durch das Fenster in den Schloßgraben sprang und sich hindurch arbeitete wie eine wilde Ente. Er ist wahrhaftig ein geschickter Kerl, er ging durch mit einem hübschen Mädchen am Morgen und mit einem andern zur Nacht; mit weniger war er nicht zufrieden! Wenn er aber nicht selbst aus dem Lande durchgeht, so will ich ihn an einem Stricke tanzen lassen, denn mit der Zusammenkunft in Castleton ist es vorbei; seine Freunde wollen ihn nicht unterstützen.«

Während der allgemeinen Verwirrung hatte sich Isabelle ihrem Verwandten Sir Edward Mauley zu Füßen geworfen (denn so müssen wir jetzt den Klausner nennen), um zugleich ihre Dankbarkeit auszudrücken und um die Vergebung ihres Vaters zu erflehen. Die Augen Aller begannen sich auf sie zu richten, sobald ihre eigene Aufregung und der Lärm der Begleiter etwas nachgelassen hatte. Miß Vere kniete am Grabe ihrer Mutter, mit deren Statue ihre Züge eine auffallende Aehnlichkeit darboten. Sie hielt die Hand des Zwerges, welche sie zu wiederholten Malen küßte, und badete dieselbe mit Thränen. Er stand starr und regungslos, nur seine Augen blickten abwechselnd auf die marmorne Gestalt und die lebendige Bittende. Zuletzt zwangen ihn große Tropfen, welche sich auf seinen Augenwimpern sammelten, mit der Hand dieselben zu bedecken.

»Ich dachte,« sagte er, »daß Thränen mit mir schon lange nichts mehr gemein hätten, allein wir vergießen sie bei unserer Geburt, und ihre Quelle vertrocknet nicht eher, als bis wir im Grabe liegen. Kein Schmerz des Herzens soll aber meinen Entschluß erschüttern, ich trenne mich hier zugleich und auf immer von Allen, dessen Erinnerung (er blickte auf das Grab) oder dessen Gegenwart (er drückte die Hand der Isabelle) mir theuer ist – redet nicht mit mir, versucht nicht, mir meinen Entschluß auszureden, es wird Euch nichts helfen; Ihr werdet von diesem Klumpen der Häßlichkeit nichts weiter hören und sehen. Für Euch werde ich todt sein, bevor ich mich im Grabe befinde, und Ihr werdet meiner als eines Freundes gedenken, welcher von dem Verbrechen und Leiden des Daseins befreit ist.« Er küßte Isabelle auf die Stirn, drückte einen zweiten Kuß auf die Stirn der Statue, neben welcher er kniete, und verließ die Kapelle unter der Begleitung Ratcliffe's.

Isabelle, von den Regungen des Tages beinahe erschöpft, ward von ihren Dienerinnen in ihr Gemach geführt; die meisten andern Gäste zerstreuten sich, nachdem jeder Einzelne abgesondert sich bemüht hatte, vor allen Herren, die ihn hören wollten, eine entschiedene Mißbilligung der Verschwörung gegen die Regierung oder ein Bedauern an der Theilnahme derselben auszusprechen. Hobbie Elliot übernahm den Befehl des Schlosses für diese Nacht, und ließ eine regelmäßige Wache aufziehen. Er rühmte sich nicht wenig des Eifers, womit er und seine Freunde der hastigen Aufforderung Elshie's gehorcht hatten, die ihnen durch den treuen Ratcliffe zukam. Wie er sagte, war es ein glücklicher Zufall, daß sie an demselben Tage Kunde erhalten hatten, Westburnflat beabsichtige nicht, seinen Vertrag hinsichtlich der Zusammenkunft in Castleton zu halten, sondern biete Trotz den Elliots; somit hatte sich eine beträchtliche Schaar in Heugh-foot versammelt, um dem Thurme des Räubers am nächsten Morgen einen Besuch abzustatten. Die Schaar wurde leicht bewogen, nach Ellieslaw aufzubrechen.


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