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Drittes Kapitel.

Du Zwerg, der dort den Sumpf durcheilt,
Sprich deines Namens Laute!
»Des Moors Gespenst, das gern verweilt
In duft'gem Haidekraute.

Joh. v. Leyden.

 

Der Gegenstand, welcher den jungen Pächter in Mitte seiner Behauptungen erschreckte, beunruhigte sogar auf einen Augenblick seinen weniger in Vorurtheilen befangenen Gefährten. Der Mond, welcher während ihres Gespräches aufgegangen war, kämpfte gleichsam mit den Wolken und verbreitete nur gelegentlich ein zweifelhaftes Licht. Bei einem seiner Strahlen, welcher sich über die große Granitsäule, der sie jetzt nahe waren, ergoß, entdeckten sie eine scheinbar menschliche Gestalt, die aber eine geringere Größe wie die gewöhnliche zeigte; sie bewegte sich langsam unter den großen grauen Steinen, nicht wie eine Person, die einem bestimmten Ziele zugeht, sondern mit der langsamen, unregelmäßigen, wankenden Bewegung eines Wesens, welches einen Ort von trauriger Erinnerung umschwebt; von Zeit zu Zeit ließ die Gestalt eine Art unbestimmten murmelnden Tones vernehmen. Dieß glich so sehr den Vorstellungen, welche Hobbie Elliot über die Bewegungen einer Erscheinung hegte, daß er still stand, während sein Haar auf seinem Schädel sich aufrichtete. Dann flüsterte er seinem Gefährten zu, »es ist die alte Aillie selbst, soll ich auf sie schießen im Namen Gottes?«

»Um des Himmels willen nein,« sagte sein Gefährte, indem er das Gewehr niederhielt, welches jener zum Zielen schon anlegen wollte. »Um des Himmels willen, nein, es ist ein armes wahnsinniges Geschöpf.«

»Ihr seid selbst wahnsinnig, daß Ihr daran denkt, ihr so nahe zu kommen,« sagte Elliot, indem er seinerseits seinen Gefährten zurückhielt, als derselbe vorwärts gehen wollte, »wir werden gewiß noch Zeit haben, ein kleines Gebet zu sprechen, bevor sie die Strecke bis zu uns zurückgelegt hat. Wenn mir nur ein Gebet einfiele! Gott, sie hat keine Eile,« fuhr er fort, indem er bei der Ruhe seines Gefährten und bei dem Verfahren der Erscheinung kühner wurde, welche sich wenig um sie zu kümmern schien.

»Sie geht so lahm wie eine Henne auf einer heißen Hühnersteige; ich rathe Euch, Earnscliff« (dieß fügte er in einem leisen Geflüster hinzu), »laßt uns einen Umweg machen, als wollten wir einem Hirsch den Wind abgewinnen. Der Sumpf hat nur eine Tiefe bis an's Knie, und besser ist ein weicher Weg, wie schlechte Gesellschaft.«

Earnscliff jedoch fuhr fort, ungeachtet des Widerstandes und der Vorstellungen seines Gefährten, auf dem ursprünglich eingeschlagenen Wege voranzuschreiten und stand bald dem Gegenstand seiner Nachforschung gegenüber.

Die Höhe der Erscheinung, welche bei der Annäherung sich noch zu mindern schien, betrug weniger wie vier Fuß; ihre Gestalt, so weit sie sich bei dem unvollkommenen Lichte erkennen ließ, war beinahe ebenso breit wie lang, oder vielmehr eine Kugelform, welche nur durch merkwürdige persönliche Entstellung veranlaßt sein konnte. Der junge Jäger begrüßte zweimal diese außerordentliche Erscheinung, ohne eine Antwort zu erhalten, oder sich um das Kneipen seines Gefährten zu bekümmern, welcher sich bemühte, ihm eindringlich zu machen, das beste Verfahren bestehe darin, daß man weiter gehe, ohne ein Wesen von so sonderbarem und übernatürlichem Aeußeren weiter zu stören.

Auf die dritte wiederholte Frage: »Wer seid Ihr? was thut Ihr hier in dieser nächtlichen Stunde?« erwiderte eine Stimme, deren gelle, rauhe und übelklingenden Töne Elliot um zwei Schritte zurückscheuchten und sogar seinen Gefährten erschreckten:

»Geht eurer Wege und fragt nicht Solche, die auch an euch keine Fragen richten.«

»Was thut Ihr hier so fern von einem Obdach? habt Ihr Euch auf Eurer Reise verspätet? wollt Ihr uns nach Hause folgen« (»Gott behüte,« rief Hobbie Elliot unwillkürlich aus), »so will ich Euch ein Obdach geben?«

»Lieber möcht' ich mich auf dem tiefsten Grunde des Tarrasflusses verbergen,« flüsterte wieder Hobbie.

»Geht eurer Wege,« begann wieder die Gestalt, indem der Zorn die Rauheit in den Tönen ihrer Stimme noch steigerte, »ich bedarf nicht eurer Wohnung; vor fünf Jahren ruhte mein Haupt in einer menschlichen Wohnung, und ich hoffe, es war das letzte Mal.«

»Er ist wahnsinnig,« sagte Earnscliff.

»Er sieht aus wie der alte Humphrey Ettercap der Klempner, welcher vor ungefähr fünf Jahren gerade in diesem Moraste umkam,« sagte sein abergläubischer Gefährte, »Humphrey hatte aber keinen so dicken Leib.«

»Geht eurer Wege,« wiederholte der Gegenstand ihrer Neugier. »Der Athem menschlicher Körper vergiftet die Luft, die mich umgibt, der Schall menschlicher Stimmen dringt durch meine Ohren wie scharfe Nadeln!«

»Gott beschütze uns,« flüsterte Hobbie, »daß die Todten eine so furchtbare Bosheit gegen die Lebenden hegen! Seine Seele muß sich, wie ich vermuthe, in elendem Zustand befinden.«

»Kommt Freund,« sagte Earnscliff, »Ihr scheint einen starken Kummer zu erleiden; die Menschlichkeit gestattet nicht, daß wir Euch hier allein lassen.«

»Die Menschlichkeit!« rief das Wesen mit einem höhnischen Lachen, »wo habt ihr dieß Wort, um Andere zu locken, aufgegriffen – diese Schlinge für Schnepfen – diese gewöhnliche Verkappung von Fallen für Menschen – dieser Köder, den der unglückliche Thor verschlingt und dann in ihm eine Angel mit zehnmal schärferen Widerhaken entdeckt, wie diejenigen, welche ihr bei solchen Thieren anwendet, die ihr wegen eurer Ueppigkeit mordet!«

»Ich sage Euch, Freund,« erwiderte Earnscliff, »Ihr seid unfähig, Eure Lage zu beurtheilen; Ihr werdet in der Wildniß umkommen, und wir müssen aus Mitleid Euch mit uns zu gehen zwingen.«

»Ich will nichts damit zu thun haben,« sagte Hobbie, »lasset das Gespenst seinen eigenen Weg gehen, um Gottes willen!«

»Mein Blut komme über mein eigen Haupt, wenn ich hier umkomme,« sagte die Gestalt; als sie bemerkte, daß Earnscliff darüber nachsann, ob er Hand an sie legen solle, fügte sie hinzu, »und euer Blut komme über euer Haupt, wenn ihr den Saum meiner Kleider berührt und mich mit den Flecken der Sterblichkeit beschmutzt!«

Der Mond schien glänzender, als jene Gestalt dieß sagte, und Earnscliff bemerkte, daß sie in der emporgestreckten rechten Hand eine Waffe hielt, welche in dem kalten Strahl wie die Klinge eines langen Messers oder wie der Lauf einer Pistole glänzte.

Es wäre Wahnsinn gewesen, in dem Versuche gegen einen so bewaffneten Menschen zu beharren, welcher eine so verzweifelte Sprache führte. Ohnedem war es Earnscliff klar, daß er auf keine Hülfe von seinem Gefährten rechnen könne, denn dieser hatte ihn im Stich gelassen, um seine Angelegenheiten mit der Erscheinung, so gut er konnte, auszugleichen. Derselbe war einige Schritte auf seinem Heimwege weiter gegangen. Earnscliff wandte sich deßhalb um und folgte Hobbie, nachdem er auf den vermuthlichen Wahnsinnigen noch einige Blicke hingewandt hatte. Dieser schweifte wild um den großen Stein umher, als habe die Unterredung seine Raserei gesteigert, und erschöpfte seine Stimme in Geschrei und Verwünschungen, welche wild über die öde Haide klangen.

Die beiden Jäger gingen einige Zeit schweigend nebeneinander, bis sie jene rauhen Töne nicht mehr vernahmen; dieß geschah aber nicht eher, als bis sie eine beträchtliche Entfernung von der Säule zurückgelegt hatten, welche dem Moore den Namen ertheilte.

Jeder machte im Geheimen seine besonderen Bemerkungen über den Auftritt, dessen Zeugen sie gewesen waren, bis Hobbie Elliot plötzlich ausrief: »Wohl, ich behaupte, daß jener Geist, wenn er ein Geist ist, im Fleische viel Böses gethan und gelitten hat, und daß dieß ihn jetzt in solcher Weise zu wüthen zwingt, nachdem er gestorben ist.«

»Mir scheint dieß der Wahnsinn des Menschenhasses zu sein,« sagte Earnscliff, indem er die Richtung seiner Gedanken aussprach.

»Ihr glaubt also nicht, daß es ein Gespenst war,« fragte Hobbie seinen Gefährten.

»Nein, gewiß nicht.«

»Wohl, ich bin zum Theil selbst der Meinung, daß es ein lebendes Ding sein kann, aber so viel ich weiß, möchte ich nicht dafürhalten, daß irgend Etwas einem Kobold ähnlicher sehe.«

»Jedenfalls,« sagte Earnscliff, »will ich morgen hinreiten und nachsehen, was aus dem unglücklichen Wesen geworden ist.«

»Bei hellem Tageslicht?« fragte der Reiter der Miliz, »dann will ich mit Gottes Gnade Euch begleiten, hier aber befinden wir uns meinem Pachtgute um zwei Meilen näher, als Eurem Hause; Ihr thut besser, mit mir heimzugehen; alsdann will ich meinen Burschen auf dem Klepper abschicken, um Euren Leuten sagen zu lassen, daß Ihr bei uns seid. Ich glaube, Euch erwartet Niemand, als die Bedienten und der Kater.«

»Gut, Freund Hobbie, ich will mit Euch gehen,« sagte der junge Jäger, »und da ich nicht wissentlich die Ursache sein möchte, daß meine Bedienten während meiner Abwesenheit sich ängstigen oder der Kater kein Abendessen bekömmt, so werde ich Euch verbunden sein, wenn Ihr Euren Burschen, wie Ihr vorschlagt, absenden wollt.«

»Wahrlich, ich muß sagen, das ist gütig gehandelt; wir gehen also heim nach Heugh-foot; meine Leute werden sich sehr freuen, Euch zu sehen.«

Nachdem Beide hierin überein gekommen waren, gingen sie mit schnellen Schritten etwas weiter. Als sie auf den Rücken eines ziemlich steilen Hügels gelangten, rief Hobbie Elliot aus: »Nun, Earnscliff, ich bin stets vergnügt, wenn ich auf diesen Platz komme; Ihr seht das Licht dort unten; dasselbe kömmt vom Fenster der Halle, wo die Großmutter, die alte geschwätzige Frau, ihr Spinnrad schnurren läßt. Seht Ihr dort das andere Licht, welches an den Fenstern sich rückwärts und vorwärts bewegt? Das ist meine Cousine, Grace Armstrong; sie ist in der Haushaltung zweimal so geschickt, wie meine Schwestern; auch sagen diese es selbst, denn sie sind so gutmüthige Mädchen, wie jemals ein junges Ding die Haide betrat; und die Großmutter sagt es auch, daß sie bei weitem thätiger ist und am besten in die Stadt zu Markt gehen kann, jetzt, wo die Großmutter das Haus nicht mehr verlassen darf. Von meinen Brüdern ist der eine fortgegangen, um dem Lord Kammerherrn seine Aufwartung zu machen, und einer ist in Moß-phadraig, unserem Pachthofe, den wir mit einem Anderen verwalten; er kann mit dem Rindvieh ebenso gut, wie ich selbst, umgehen.«

»Ihr seid glücklich, guter Freund, so viele treffliche Verwandte zu besitzen.«

»Wahrlich, das bin ich, – Grace macht mich dankbar, ich werde es nie verläugnen – Aber Earnscliff, Ihr seid ja auf gelehrten Schulen und auf der Universität in Edinburgh gewesen und habt dort gelernt, wo man am besten lernen kann – sagt mir doch – nicht daß die Sache mich im Besondern beträfe – ich hörte aber den Prediger von St. John und unsern eigenen Pfarrer, die darüber auf dem Wintermarkte stritten, und wahrlich, sie sprachen Beide sehr wohl – nun, der Priester sagt, es sei ungesetzlich, seine Cousine zu heirathen; ich kann jedoch nicht sagen, daß er nach meiner Meinung die Sprüche aus der Bibel halb so gut wie unser Pfarrer anführte – unser Pfarrer wird für den besten Gottesgelehrten und für den besten Prediger zwischen diesem Ort und Edinburgh gehalten – glaubt Ihr nicht, daß er Recht hatte?«

»Gewiß halten alle protestantischen Christen die Ehe für so frei, wie sie Gott nach dem mosaischen Gesetz einsetzte; deßhalb, Hobbie, kann kein gesetzliches oder religiöses Hinderniß zwischen Euch und Miß Armstrong vorhanden sein.«

»Laßt den Scherz bei Seite, Earnscliff,« erwiderte sein Gefährte, »Ihr werdet ja selbst zornig genug, wenn Euch Jemand auf einem zarten Fleck berührt. Ich fragte nicht in Bezug auf Grace, denn Ihr müßt wissen, sie ist nicht mein leibliches Geschwisterkind, sondern nur die Tochter von der Frau meines Oheims aus erster Ehe, somit ist sie mit mir nicht blutsverwandt, nur so etwas wie verschwägert. Jetzt aber sind wir am Shelling-hill. Ich will mein Gewehr abfeuern, um den Leuten im Hause Kunde von meiner Ankunft zu geben; das ist immer meine Art: habe ich ein Stück Rothwild geschossen, so schieße ich zweimal, einmal für das Wildpret, und einmal für mich.«

Er schoß demgemäß sein Gewehr ab, worauf die Zahl der Lichter das Haus zu durchziehen und sogar vor demselben zu leuchten schien; Hobbie Elliot zeigte seinem Gefährten eines derselben, welches aus dem Hause nach einem der Wirthschaftsgebäude zu gleiten schien. »Das ist Grace selbst,« sagte Hobbie, »sie wird mir nicht an der Thür entgegen kommen, dafür bürge ich; sie wird aber dennoch fortgegangen sein, um nachzusehen, ob für meine Hunde, die armen Thiere, das Abendessen fertig ist.«

»Liebst du mich, so liebe meinen Hund,« antwortete Earnscliff; »Hobbie, Ihr seid ein glücklicher junger Mann.«

Diese Bemerkung wurde mit einem Etwas, wie mit einem Seufzer ausgesprochen, welcher dem Ohre des Gefährten nicht entging.

»Halt, andre Leute können ebenso glücklich sein, wie ich – wie habe ich gesehen, daß Miß Isabel Vere ihren Kopf nach Jemand hinwandte, als sie bei dem Wettrennen in Carlisle bei Jemand vorbeikam. Wer weiß, welche Dinge in dieser Welt vorgehen können?«

Earnscliff murmelte etwas wie eine Antwort; es ließ sich jedoch nicht unterscheiden, ob er damit dem soeben ausgesprochenen Satze seine Beistimmung gab, oder die Anwendung zurückweisen wollte; wahrscheinlich wünschte er selbst, daß seine Ansicht zweifelhaft und dunkel bleibe. Sie waren jetzt den breiten Pfad hinabgestiegen, welcher, um den Fuß einer steilen Erhöhung gewunden, nach der Vorderseite des mit Stroh bedeckten aber behaglichen Pächterhauses führte, worin Hobbie mit seiner Familie wohnte.

An der Thür drängten sich vergnügte Gesichter; die Erscheinung des Fremden stumpfte aber manchen Hohn ab, der für Hobbie's schlechten Erfolg bei der Jagd bereit gehalten war. Es herrschte einige Unruhe unter den drei schönen jungen Mädchen, von welchen eine jede einer anderen die Aufgabe, den Fremden in das Zimmer zu führen, zuzuschieben suchte, während wahrscheinlich alle sehr eifrig an die Entweichung dachten, um einige kleine persönliche Anordnungen zu treffen, bevor sie sich einem jungen Herrn im Hauskleide zeigten, welches nur für ihren Bruder bestimmt war.

Mittlerweile gab Hobbie Allen einen herzlichen und allgemeinen Verweis (Grace war nicht darunter); er riß das Licht aus der Hand einer jener ländlichen Koketten, als dieselbe in ihrer Hand ziemlich geschickt damit spielte, und führte seinen Gast in das Familienzimmer oder vielmehr in die Halle; da nämlich der Ort früher ein zur Vertheidigung bestimmtes Gebäude gewesen war, so war das Wohnzimmer gewölbt und gepflastert, feucht und unheimlich genug, im Vergleich mit den Wohnungen der Landleute unserer Tage; da es aber durch ein großes hellbrennendes Feuer von Torf und Erlenholz gut erleuchtet war, schien es Earnscliff ein bequemer Tausch mit der Dunkelheit und dem rauhen Winde des Hügels. Er ward höflich und mit wiederholten Bewillkommnungen von der ehrwürdigen alten Dame, der Gebieterin der Familie, empfangen, die mit Käppchen und Flügelhaube, enganschließendem und anständigem Rock aus Hausgespinnst, aber mit großer goldener Halskette und Ohrringen, sowohl eine Edeldame, als die Frau eines Pächters vorstellte, was sie auch Beides wirklich war, während sie, in dem Lehnstuhl mit Geflecht am Ende des großen Kamines sitzend, die Abendbeschäftigungen der jungen Mädchen und von zwei oder drei Hausmägden leitete, welche hinter ihren jungen Gebieterinnen saßen und fleißig die Spindeln trieben.

Sobald Earnscliff pflichtgemäß bewillkommt und der hastige Befehl zu einer Vermehrung des Abendessens gegeben war, eröffneten Hobbie's Großmutter und Schwestern gegen denselben ihre Batterie über sein schlechtes Glück auf der Jagd.

»Jenny brauchte nicht ihr Küchenfeuer in Glut zu erhalten für dasjenige, was Hobbie nach Haus gebracht,« sagte eine Schwester.

»Wahrhaftig,« sagte eine zweite, »die glimmende Torfasche, wenn sie gehörig angeblasen wird, könnte Hobbie's Wildpret anrichten.«

»Oder auch ein Lichterstumpf, wenn der Wind ihn anbliese,« sagte eine dritte; »wäre ich an seiner Stelle, so würde ich lieber eine schwarze Krähe heimbringen, als dreimal ohne ein Hirschgeweih heimkehren, um damit zu prahlen.«

Hobbie wandte sich von der Einen zur Andern, indem er sie abwechselnd mit Stirnrunzeln betrachtete, obgleich dieser Ausdruck durch ein Lächeln guter Laune im unteren Theil des Gesichts widerlegt wurde. Er bemühte sich sogar, die Frauen günstig zu stimmen, indem er das beabsichtigte Geschenk seines Gefährten erwähnte.

»In meinen jungen Tagen,« sagte die alte Dame, »hätte sich ein Mann geschämt, wäre er ohne einen Rehbock an jeder Seite seines Pferdes wie ein Krämer, der mit Kalbfellen handelt, heimgekehrt.«

»Ich wünsche nur, daß die alten Jäger uns einiges Wild zurückgelassen hätten,« erwiderte Hobbie, »Eure Freunde haben, wie ich glaube, das Land von Wild gereinigt.«

»Ihr seht, andere Leute können Wild finden, wenn es auch Euch unmöglich ist, Hobbie,« sagte die älteste Schwester, indem sie einen Blick auf den jungen Earnscliff warf.

»Schon gut, Weib, hat nicht jeder Hund seinen Tag? – ich bitte Earnscliff um Verzeihung wegen dieses alten Sprüchworts – Kann ich nicht ein andermal dasselbe Glück haben, und er das meinige? es ist keine Kleinigkeit für einen Mann, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, und auf der Heimkehr von Kobolden erschreckt zu werden – nun dieß will ich gerade nicht sagen, aber doch einigen Schauder zu fühlen und alsdann mit einer Anzahl Weiber keifen zu müssen, die den ganzen Tag nichts zu thun hatten, als daß sie einen kreisenden Stock mit einem Faden drehten, oder an einem Lappen nähten.«

»Von Kobolden erschreckt!« riefen die Weiber alle zusammen, denn in jenen Gebirgsschluchten wurde damals große Rücksicht den Gespenstern erwiesen, und so ist es vielleicht noch jetzt.

»Ich sage nicht, daß ich erschreckt wurde, ich wurde nur etwas über das Ding bestürzt, und ein Kobold war es auch nicht. Earnscliff, Ihr habt ihn ja auch ebensogut wie ich gesehen.« Hierauf erzählte er ohne viele Uebertreibung nach seiner Weise die Begegnung mit dem geheimnißvollen Wesen in Mucklestane-Moor, indem er schloß, er könne nicht vermuthen, was das auf Erden hätte gewesen sein können, wenn es nicht entweder der böse Feind selbst, oder einer der alten Picten war, welche das Land vor langer Zeit beherrschten.

»Alte Picten!« rief die alte Dame aus, »nein, nein – Gott schütze dich vor Unheil, mein Kind, das war keine Picte; es war der braune Mann des Moors! Unglück befalle die bösen Tage! wie können böse Wesen kommen, um ein armes Land zu quälen, jetzt da es im Frieden sich befindet und Alles in Liebe und Gesetz lebt? Unglück komme über ihn! er hat niemals diesem Lande und seinen Einwohnern Gutes gebracht. Mein Vater erzählte mir oft, daß er im Jahre der blutigen Schlacht von Marston-Moor gesehen wurde, und dann wieder bei den Unruhen Montrose's, und wiederum vor der Niederlage von Dunbar zum Vorschein kam, und in meinen eigenen Tagen ward er zur Zeit der Schlacht an der Bothwellbrücke gesehen, und man sagt, daß der Laird von Benarbuck, mit der Sehergabe, einige Zeit mit ihm Unterredungen hielt, kurz bevor der Herzog von Argyle landete, allein das kann ich nicht genau sagen; es geschah im fernen Westen. O, Kinder, es ist ihm nie gestattet zu erscheinen, als in schlimmen Tagen, darum bete ein Jedes von euch zu Ihm, welcher zur Zeit der Verwirrung helfen kann.«

Earnscliff schritt jetzt ein und sprach seine feste Ueberzeugung aus, daß die von ihm gesehene Person ein armer Wahnsinniger sei und keinen Auftrag von der unsichtbaren Welt habe, um Krieg oder Unheil anzukündigen; allein seine Meinung fand nur sehr kühle Zuhörer, und Alle vereinigten sich in ihren Bitten, daß er seine Absicht, am nächsten Tage zu dem Platz zurückzukehren, aufgeben möchte.

»O, mein gutes Kind,« sagte die alte Dame, (in der Güte ihres Herzens dehnte sie nämlich die elterliche Anrede auf Alle aus, an denen sie Interesse nahm,) »Ihr solltet Euch mehr wie andere Leute schonen; Euer Haus hat einen schweren Verlust durch das vergossene Blut Eures Vaters, durch Prozesse und mancherlei Schaden erlitten; Ihr seid die Blume der Heerde, und der Jüngling, welcher wieder den alten Bau aufrichten wird, um eine Ehre zu sein in dem Vaterlande, und eine Feste für Alle, die darinnen wohnen. Ihr vor Allen seid berufen, Euch in keine raschen Abenteuer zu stürzen. Euer Stamm war immer verwegen und hat viel Unglück dadurch erlitten.«

»Aber sicherlich, gute Freundin, Ihr wollt doch nicht, daß ich mich fürchte, beim hellen Tageslicht mich in ein offenes Moor zu begeben?«

»Ich weiß nicht,« sagte die gute alte Dame, »ich würde niemals einem Sohne oder Freunde von mir rathen, die Hand in einer guten Sache zurück zu halten, mag es die eigene oder die eines Freundes sein, dazu würde ich ebensowenig auffordern, wie irgend Jemand, der von edlem Geschlechte stammt. Ein grauer Kopf, wie der meine, kann sich aber des Gedankens nicht erwehren, daß es dem Gesetz und der heiligen Schrift widerspricht, wenn Ihr ausgeht, um Böses zu suchen, mit dem Ihr nichts zu schaffen habt.«

Earnscliff verzichtete auf die weitere Erörterung seiner Ansicht, da er keine Hoffnung hatte, dieselbe mit guter Wirkung zu vertreten; das herbeigebrachte Abendessen schnitt ohnedem das Gespräch ab. Miß Grace war mittlerweile hinzugekommen, und Hobbie setzte sich an ihre Seite, nicht ohne einen bezeichnenden Blick auf Earnscliff zu werfen. Munterkeit und lebhafte Unterhaltung, woran die alte Dame mit der guten Laune Antheil nahm, welche dem Greisenalter so schön ansteht, färbte die Wangen der jungen Mädchen wiederum mit den Rosen, welche die Erzählung ihres Bruders über die Erscheinung verscheucht hatte; sie tanzten und sangen noch eine Stunde nach dem Abendessen, als gäbe es keine Kobolde in der Welt.


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