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Vierzehntes Kapitel.


– – Thaten sind geschehn auf Erden,
Die sich're Strafe trifft, bevor das Grab
Sich über den, der sie vollbracht, verschließt.
Sey's des Gewissens Werk, sey's ein Gespenst,
Das wahrnehmbar der Erde Schooß entsteigt;
Denn jede Zeit thut's kund, daß an dem Bett
Des Mörders, des Erschlag'nen Geist
sich oft mit blutend tiefer Wunde zeig.

Alt Schauspiel.

Everard war so schnell, als sein Pferd laufen konnte, zu Josselins Hütte geeilt, und zwar mit eben so großer Hast, sein Vorhaben auszuführen, als Eile, seines Rittes Ziel zu erreichen. Er sah keinen andern Ausweg, und glaubte, seiner eignen Meinung nach, das stärkste Recht zu haben, seine Base, so sehr er sie auch liebte, zurecht zu weisen, ja sogar ihr Vorwürfe zu machen wegen der gefährlichen Machinationen, mit denen sie in Verbindung zu seyn schien. Zurück kehrte er langsam und in ganz anderer Stimmung.

Nicht allein war Alexia so verständig als schön, völlig frei von der Schwäche, die ihm einige Gewalt über sie zu geben schien, sondern ihre Ansichten über Politik waren, wenn auch weniger ausführbar, doch viel gerader und edler als seine eignen, so daß er die Frage aufwarf, ob er sich nicht zu rasch mit Cromwell eingelassen habe, ungeachtet der Zustand des Landes, durch Partheien getheilt und zerrissen, die Erhebung des Generals zur Ausübung der executiven Gewalt, unumgänglich nothwendig zu machen schien, um einer Erneuerung des Bürgerkriegs zuvorzukommen. Alexias höhere und reinere Gesinnungen setzten ihn in seinen eignen Augen herab, und obwohl seine Meinung, daß es besser sey, das Schiff würde von einem zu dem Amte nicht ganz berechtigten Steuermann regiert, als daß es an den Felsen scheitere, nicht erschüttert wurde, so fühlte er doch, daß er nicht den geradesten, männlichsten und uneigennützigsten Weg ergriffen.

Wie er so in diese unfreundlichen Betrachtungen versenkt, und durch das Vorgefallene in seiner eignen Achtung herabgesetzt vorwärts ritt, fing Wildrake, der neben ihm ritt, und kein Freund von langem Schweigen war, zu sprechen an. »Ich habe mir gedacht, Mark,« sagte er, »daß wenn Du und ich zu Gerichtspersonen bestimmt worden wären – wie mirs denn, beiläufig gesagt, in mehr als einem Sinne leicht hätte begegnen können, vor Gericht gefordert zu werden – wären wir, sage ich, Juristen geworden, so hätte ich eine glättere Zunge gehabt, wie Du, und die Gabe der Ueberredung in einem höhern Grade.«

»Vielleicht wohl,« erwiederte Everard, »indeß habe ich Dich nie Gebrauch davon machen hören, außer um einen Wucherer zu vermögen, Dir Geld zu borgen, oder einen Weinschenken die Rechnung nicht zu hoch anzusetzen,«

»Und doch hätte ich, wie ich glaube, am heutigen Tage oder vielmehr heute Abend eine Eroberung machen können, die Dich beschämt hätte.«

»Wirklich?« sagte der Oberst, und wurde aufmerksam.

»Je nun, siehst Du,« sagte Wildrake, »es war doch Dein Hauptzweck, Fräulein Alexia Lee zu vermögen – beim Himmel, es ist ein köstliches Geschöpf – ich billige Deinen Geschmack, Mark – ich sage, Du wolltest gern sie und den alten rüstigen Trojaner, ihren Vater, bereden, ins Jagdschloß zurückzukehren, um dort ruhig, wie anständige Leute, zu leben, da es ihnen vergönnt wird, anstatt in einer Hütte zu wohnen, die kaum für einen aus dem Tollhause entlaufenen Narren gut genug ist.«

»Du hast Recht; das war allerdings ein Hauptzweck bei meinem Besuche,« antwortete Everard.

»Aber vielleicht erwartetest Du auch dann selbst dort aus- und eingehen, und über das hübsche Fräulein Lee Wache halten zu können – nicht?«

»Einem so selbstsüchtigen Gedanken habe ich nie Raum gegeben,« sagte Everard, »und wenn diese nächtliche Störung im Schlosse aufgeklärt und beendigt wäre, so wollte ich mich sogleich entfernen.«

»Dein Freund, Oliver, erwartet etwas mehr von Dir,« sagte Wildrake – »er erwartet, im Fall der Ruf, in dem der Ritter wegen seiner Unterthanstreue steht, einige von unsern armen Verbannten und Wanderern in das Jagdschloß locken sollte, daß Du auf der Lauer stehen und bereit seyn sollst, sie aufzufangen. Mit einem Worte, so weit ich seine langgedehnten Redensarten verstehen kann – möchte er Woodstock zu einer Falle machen, Deinen Oheim und seine schöne Tochter aber zum Köder – ich bitte indes Deine Chloe um Verzeihung wegen des Vergleichs – du sollst das Fallgatter seyn, das ihnen den Weg versperrt – und Se. Gnaden selbst, der große Wehrwolf, der sie Alle verschlingen will.«

»Wagte es Cromwell, dieß ausdrücklich gegen Dich zu erwähnen?« sagte Everard, indem er sein Pferd mitten auf der Straße anhielt.

»Je nun, nicht so ganz in bestimmten Worten, die er, wie ich glaube, wohl nie in seinem Leben gesprochen hat. Eben sowohl könntest Du von einem Betrunkenen fordern, er sollte in gerader Linie gehen; – aber er gab mir so viel zu verstehen, daß Du Dich sehr um ihn verdient machen könntest – Pfui – der verdammte Vorschlag steckt mir noch in der Kehle – wenn Du unsern edlen und rechtmäßigen König (hier zog er seinen Hut), dem Gott Gesundheit, Reichthum und langes Leben zu seiner Regierung gebe, wie der würdige Geistliche sagt, obwohl ich fürchte, Se. Majestät wird gerade jetzt krank und traurig seyn, und noch dazu keinen Pfennig in der Tasche haben, wenn Du ihn, sage ich, verrathen wolltest.«

»Dieß stimmt mit dem überein, was mir Alexia zu verstehen gab,« sagte Markham Everard; »aber wie konnte sie das wissen? Gabst Du ihr irgend einen Wink davon?«

»Ich?« erwiederte der Cavalier, »ich, der ich Fräulein Alexia in meinem Leben heute Abend zum erstenmal sahe, und auch da nur auf einen Augenblick – Sapperment! wie sollte das möglich seyn?«

»Das ist wahr,« erwiederte Everard, und schien in Gedanken verloren. Endlich sprach er: »Ich sollte Cromwelln zur Rechenschaft ziehen wegen seiner schlechten Meinung von mir; denn wenn es auch nicht ernstlich ausgedrückt war, sondern, wie ich überzeugt bin, in der bloßen Absicht, Dich und vielleicht auch mich zu prüfen, so war es demohngeachtet eine Mißdeutung, die nicht ungeahndet bleiben sollte.«

»Ich will von ganzem Herzen eine Ausforderung für Dich hintragen,« sagte Wildrake, »und mich so gern mit dem Secundanten Sr. Gottseligkeit messen, als ich je ein Glas Sekt austrank.«

»Ach, geh doch,« erwiederte Everard, »so hochgestiegene Leute lassen sich auf keinen Zweikampf ein – aber sage mir, Roger Wildrake, hieltst Du selbst mich der Falschheit und Verrätherei fähig, die eine solche Botschaft voraussetzt?«

»Ich!« rief Wildrake – »Markham Everard, Du bist von früher Jugend an mein Freund gewesen, mein beständiger Wohlthäter. Als Colchester eingenommen wurde, rettetest Du mich vom Galgen, und seitdem hast Du mich wohl zwanzigmal vom Hungertode gerettet. Aber beim Himmel, wenn ich Dich einer solchen Büberei fähig hielt, wie sie Dein General empfahl – bei jenem blauen Himmel, und allen Werken der Schöpfung, über die er sich wölbt, so wollte ich Dich mit eignen Händen erstechen!«

»Den Tod,« erwiederte Everard, »würde ich freilich verdienen, obwohl nicht eben von Dir; – zum Glück aber kann ich, auch wenn ich wollte, mich dieses Verraths gar nicht schuldig machen. Wisse, ich erhielt heute im Geheim Nachricht, und zwar von Cromwell selbst, daß der junge Mann zur See von Bristol aus entkommen ist.«

»Nun, Gott der Allmächtige sey gesegnet, der ihn bei so vielen Gefahren beschützte!« rief Wildrake – »Hussa! – Auf, ihr herzlieben Cavaliere! – Heda, Cavaliere! – Gott segne den König Karl! – Mond und Sterne, fangt meinen Hut auf!« und hiermit warf er ihn, so hoch er nur konnte, in die Luft. Die Himmelskörper, die er anrief, empfingen das ihnen übersandte Geschenk nicht, sondern es ging damit, wie mit Sir Heinrich Lee's Degenscheide, eine alte knotige Eiche nahm zum zweitenmal das Zeichen einer treugemeinten Schwärmerei auf. Wildrake sahe ein wenig albern aus bei dem Zufall, und sein Freund ergriff die Gelegenheit, ihn zur Rede zu stellen.

»Schämst Du Dich nicht, Dich wie ein Schulknabe zu betragen?«

»Je nun,« sagte Wildrake, »habe ich doch blos eines Puritaners Hut auf eine treue Botschaft ausgesandt. Ich muß lachen, wenn ich mir denke, wie viele der Schulknaben, von denen Du da sprichst, sich betrogen finden werden, wenn sie künftiges Jahr den alten Baum hinaufklettern, in der Erwartung, statt jenes unermeßlichen Filzdeckels das Nest irgend eines unbekannten Vogels zu finden.«

»Sey doch still, um Gotteswillen, und laß uns ruhig sprechen,« sagte Everard. »Karl ist entkommen, und ich bin froh darüber. In Folge eines Vergleichs hätte ich ihn gern auf seines Vaters Thron gesehen, nur nicht uns aufgezwungen durch die schottische Armee und durch die aufgebrachten rachsüchtigen Königlichen.« –

»Herr Markham Everard,« unterbrach der Cavalier? –

»Still doch, lieber Wildrake,« sagte Everard, »laß uns nur nicht über eine Sache streiten, über die wir nie einig seyn können, und erlaube mir, fortzufahren. – Ich sage, da der junge Mann entkam, so fällt dadurch Cromwell's beleidigende Bedingung weg, und ich sehe nicht ein, warum mein Oheim und seine Familie nicht eben so gut, wie viele andere Königliche, wieder in ihr eignes Haus zurückkehren sollten. Was ich dabei zu thun habe, ist anderer Art, auch kann ich über meine Handelsweise nicht eher bestimmen, als bis ich eine Zusammenkunft mit dem General gehabt, die, wie ich denke, mit dem Geständniß endigen wird, daß er diesen beleidigenden Vorschlag nur that, um uns Beide zu prüfen. Es wäre wenigstens seinem übrigen Benehmen angemessen; denn er ist etwas geradezu, und sieht oder empfindet nie das auch in Kleinigkeiten zarte Ehrgefühl der heutigen gebildeten Welt.«

»Ja, von dem feinen Gefühl spreche ich ihn frei,« sagte Wildrake, »sowohl im Punkt der Ehre, als der Rechtlichkeit. – Um nun auf das zurückzukommen, wovon wir vorher sprachen – vorausgesetzt, daß Du nicht persönlich in dem Jagdschlosse wohnst, und sogar jeden Besuch dort unterläßt, ausgenommen bei einer Einladung, wenn so etwas möglich ist, so sage ich Dir frei heraus, ich glaube, Dein Oheim und seine Tochter könnten dazu vermocht werden, ins Jagdschloß zurückzukehren, und dort, wie gewöhnlich, zu wohnen, wenigstens ließ es mich der Geistliche, der alte würdige Hahn, hoffen.«

»Nun, der hat sich sehr beeilt, Dir sein Vertrauen zu schenken.«

»Das ist wahr,« erwiederte Wildrake, »er vertraute mir auf einmal; denn er sahe gleich meine Achtung für die Kirche. Ich danke dem Himmel, daß ich nie vor einem Geistlichen in Amtstracht vorüber ging, ohne den Hut abzuziehen (und Du weißt, der verzweifeltste Kampf, den ich jemals bestand, war mit dem jungen Grayleß von Inner Temple, weil er den ehrwürdigen Dr. Bunce hatte untenan gehen lassen) – Ach! Eines Geistlichen Ohr weiß ich sogleich zu gewinnen. – Sapperment! sie wissen, mit wem sie's zu thun haben, wenn sie so einem, wie mir, Vertrauen schenken.«

»Du glaubst also,« sagte Oberst Everard, »oder vielmehr der Geistliche meint, daß wenn sie vor meinen Besuchen sicher wären, die Familie ins Jagdschloß zurückkehren würde, sobald die Commissarien fort, und diese nächtlichen Störungen aufgeklärt und zu Ende wären?«

»Den alten Ritter,« antwortete Wildrake, »könnte der Doktor zur Rückkehr vermögen, wenn er gegen Besuche sicher ist, Was die Störungen betrifft, so lacht der rüstige alte Knabe, so viel ich aus einem zwei Minuten langen Gespräch vernommen habe, über alle den Tumult, den er blos als das Werk der Einbildung, als eine Folge ihres eignen bösen Gewissens betrachtet; und er sagt, man habe nie etwas von einem Teufel oder Kobolde in Woodstock vernommen, bis es der Aufenthalt solcher Menschen wurde, wie die, die jetzt den Besitz an sich gerissen haben.«

»Es ist mehr als Einbildung dabei,« sagte Everard. »Ich habe persönlichen Grund zu der Vermuthung, daß eine Verschwörung im Werke ist, um den Commissarien das Haus zu verleiden. Meinen Oheim spreche ich frei von der Theilnahme an einem so albernen Spaße, aber die Sache muß zu Ende kommen, ehe ich darein willigen kann, daß er und meine Base da wohnen, wo ein solches Bündniß besteht; denn man würde sie höchst wahrscheinlich als Mitwisser um diese Ränke betrachten, die handelnden Personen mögen nun seyn, wer sie wollen.«

»Deine bessere Bekanntschaft mit dem Herrn in Ehren, Everard, ich würde eher vermuthen, daß der Alt-Vater der Puritaner, der Gott sey bei uns (ich bitte nochmals um Verzeihung), etwas mit der Sache zu thun hat, und ist es so, so wird Lucifer gewiß nimmermehr auf des treuen alten Ritters Bart hinsehen, noch gegen einen Blick aus den unschuldigen blauen Augen jenes Mädchens Stand halten. Diese sind, das behaupte ich, so sicher, wie reines Gold in dem Kasten eines Geizhalses.«

»Sahst Du selbst etwas, daß Du dies glaubst?«

»Nicht einen Kiel aus des Teufels Fittig sahe ich,« erwiederte Wildrake, »der meint, er ist eines alten Cavaliers nur zu gewiß, der auf die Länge stehlen, sich aufhängen oder ersäufen muß. Er giebt sich also gar nicht die Mühe, einmal nach einer Beute zu sehen, die ihm ohnedies gewiß ist. Aber ich hörte die Dienerschaft von dem schwatzen, was sie gesehen oder gehört hatten, und obwohl ihre Erzählungen verwirrt genug klangen, so muß ich doch sagen, wenn auch nur etwas Wahres daran war, so muß der Teufel mit im Spiele seyn. – Doch, Holla! Da kommt. Jemand. – Steh, Freund – wer bist Du?«

»Ein armer Tagarbeiter in dem großen Werke Englands – Joseph Tomkins mit Namen – Sekretär eines gottseligen und wohlbegabten Anführers dieser armen christlichen Armee von England, Namens General Harrison.«

»Was giebt es Neues, Herr Tomkins?« sagte Everard; »und warum sind Sie so spät noch auf der Landstraße?«

»Vermuthlich spreche ich mit dem würdigen Obersten Everard,« sagte Tomkins, »und wahrlich, es freut mich, Ew. Gnaden zu treffen. – Der Himmel weiß, ich brauche solchen Beistand, wie den Ihrigen. – O würdiger Herr Everard! – hier hat es ein Trompetenstoßen, ein Flaschenzerbrechen, eine Verzückung gegeben, und« –

Ich bitte, sagen Sie mir mit kurzen Worten, was es giebt. – Wo ist Ihr Herr? – Und mit einem Worte, was hat sich zugetragen?«

»Mein Herr ist hier in der Nähe, er haut mit dem Degen in der kleinen Wiese herum, neben der ungeheuren Eiche, die von dem vorigen Manne ihren Namen erhielt; reiten Sie nur zwei Schritte vorwärts, so können Sie sehen, wie er mit dem bloßen Degen hin und herfährt.«

Als sie so leise als möglich in der angewiesenen Richtung weiter ritten, bemerkten sie einen Mann, von dem sie natürlich schlossen, daß es Harrison wäre, der unter der Königseiche immer hin und her ging, wie eine Schildwache vor dem Posten, nur wilder in seinem Benehmen. Das Pferdegetrappel entging seinem Ohre nicht, und sie hörten ihn rufen, wie wenn er an der Spitze seiner Brigade stände: – »Tiefer herunter mit den Picken gegen die Reiterei! – Hier kommt Prinz Ruprecht – steht fest, so werft Ihr sie Alle, wie ein Stier einen nichtsnutzigen Hund fortschleudert! – Immer noch tiefer die Picken, Ihr Bursche, stemmet das Ende gegen den Fuß – hinunter aufs rechte Knie, das vorderste Glied. – Schont Eure blauen Schürzen nur nicht. – Ha! – Zerubabel! – Ja, das ist das Wort.«

»Ums Himmelswillen!« sagte Everard, »von wem oder wovon spricht er denn, warum geht er so mit dem bloßen Degen herum?«

»Wahrlich, Herr, wenn irgend etwas meinen Herrn, den General Harrison beunruhigt, so ist er einigermaßen im Geiste verzückt, und bildet sich ein, er commandire eine Reserve Lanzenträger bei der großen Schlacht von Armageddon – und was seine Waffe betrifft, ach! würdiger Herr, warum sollte er denn Sheffielder Stahl in Kalbsleder stecken, so lange noch Feinde zu bekämpfen sind – eingefleischte Teufel auf Erden, und tobende höllische Feinde unter der Erde?«

»Das ist doch unausstehlich,« sagte Everard. »Höre, Tomkins, Du stehst jetzt nicht auf der Kanzel, und ich mag in Deinem predigenden Tone nichts von Dir hören. Ich weiß, Du kannst verständlich sprechen, wenn es Dir so beliebt. Bedenke, ich kann Dir helfen oder schaden, und insofern Du etwas von mir hoffst oder fürchtest, antworte mir gerade heraus. – Was hat sich zugetragen, das Deinen Herrn zu dieser nächtlichen Zeit in den wilden Forst hinausgetrieben hat?«

»Fürwahr, würdiger und-geehrter Herr, ich will so bestimmt sprechen, als ich nur kann. Wahr und wahrhaftig ist es, daß der Odem des Menschen, der aus seiner Nase weht, hingeht und zurückkehrt« –

»Hör,« sagte Oberst Everard, »nimm Dich in Acht, und treib es nicht zu weit mit mir. Ihr habt vernommen, wie bei der großen Schlacht von Dunbar in Schottland der General selbst dem Lieutenant Hewcreed eine Pistole vor den Kopf hielt, und ihm das Gehirn zu zerschmettern drohete, wenn er nicht das Predigen seyn ließe, und seine Schwadron in Schlachtordnung stellte. Hüte Dich also!«

»Ja, wahrlich, der Lieutenant griff damals in größter Ordnung an,« sagte Tomkins, »und drängte wohl tausend schottische Plaids und Mützen über das Gestade in die See. Auch will ich die Befehle Ew. Gnaden keineswegs versäumen oder verschieben, sondern ihnen gehorchen, und das ohne Verzug.«

»Nur zu, Du weißt schon, was ich will,« sagte Everard; »sprich nur ohne Umschweife – ich weiß, Du kannst es, sobald Du willst. Der getreue Tomkins ist besser bekannt, als er meint.«

»Würdiger Herr,« sagte Tomkins, mit weit weniger Umschweifen, als bisher, »ich will Ew. Gnaden gehorchen, so weit es der Geist mir erlaubt. Wahrlich, es ist noch keine Stunde her, als mein verehrter Herr bei Tische saß mit Herrn Schlauch und mir, der verehrten Herrn Bletson und Desborough nicht zu gedenken, siehe, da gab es ein heftiges Pochen an der Thür, wie wenn einer eilig käme. Nun war gewißlich seit Kurzem unser Haushalt so von Hexen und Geistern und andern hör- und sichtbaren Gegenständen geplagt worden, daß die Schildwachen nicht dazu gebracht werden konnten, außerhalb der Thür auf ihrem Posten zu bleiben, und nur durch einen Vorrath von Rindfleisch und starken Getränken konnten wir eine Wache von drei Mann in der Halle erhalten, die es demungeachtet nicht wagten, die Thür aufzumachen, damit sie nicht von irgend einem der Kobolde überrascht würden, von denen ihr Kopf voll war. Und sie hörten das Pochen, das immer stärker wurde, bis es schien, als würde die Thür fast eingeworfen. Der würdige Herr Schlauch war ein wenig benebelt, der gute Mann, denn das pflegt er so in dieser Abendstunde zu seyn, nicht daß er im geringsten dem Trunke ergeben wäre, sondern blos, weil er seit dem schottischen Feldzuge ein beständiges Fieber bekommen hat, das ihn nöthigt, seinen Körper gegen die feuchten Dünste der Nacht zu stärken, weshalb ich auch, wie es Ew. Gnaden wohl bekannt ist, das Amt eines treuen Dieners, sowohl bei dem General-Major Harrison und den andern Commissarien, als bei meinem rechtmäßigen und gesetzlichen Herren, dem Obersten Desborough verrichte.« –

»Das Alles weiß ich – und jetzt, da Dir beide trauen, bitte ich den Himmel, daß Du dieses Vertrauen verdienen mögest,« sagte Oberst Everard.

»Und andächtig bete ich,« sagte Tomkins, »daß Ew. Gnaden Gebet günstig erhört werden möge; denn ganz gewiß, der ehrliche Joseph, und der getreue Tomkins genannt und betitelt zu werden, ist mir mehr werth, als ein Grafentitel, wenn solche Dinge je wieder in diesem wiedergebornen Reiche ertheilt werden sollten.

»Schon gut, nur weiter – weiter – oder wenn Du noch länger zauderst, werde ich so frei seyn, den Artikel von Deiner Rechtlichkeit zu bestreiten. Ich habe gern kurze Erzählungen, und bezweifele das, was mit einem langen unnöthigen Wortschwall gesagt wird.

»Nun gut, Herr, seyn Sie nur nicht zu eilig. Wie ich also zuvor sagte, die Thüren rasselten, daß man hätte meinen sollen, das Pochen würde in jedem Zimmer des Palastes wiederholt. Die Glocke klingelte zur Gesellschaft mit, obwohl wir nicht sahen, daß irgend einer an dem Klöpfel zog, und Wachen schossen ihre Gewehre ab, blos, weil sie nichts besseres zu thun wußten. Da nun Herr Schlauch, wie ich sagte, unfähig war, seine Pflicht zu thun, so ging ich mit meinem armen Degen hinunter an die Thür, und fragte, wer da sey, und es antwortete mir eine Stimme, die, das muß ich sagen, so ziemlich wie eine andere Stimme war, daß Jemand den General-Major Harrison sprechen wolle. Da es nun aber spät war, so antwortete ich gelassen, der General Harrison ginge eben zur Ruhe, und wer ihn sprechen wolle, müsse den andern Morgen früh zurückkehren, denn nach Einbruch der Nacht würde die Thür des Palastes Niemanden mehr geöffnet, da derselbe jetzt als eine Festung zu betrachten sey. Hierauf erwiederte die Stimme, und hieß mich sogleich öffnen, sonst würde man die Flügelthüren mitten in die Halle schlagen, und hiermit fing das Geräusch wieder an, daß wir dachten, das Haus würde einstürzen, und ich ward gewissermaßen gezwungen, die Thür zu öffnen, gleich einer belagerten Garnison, die sich nicht länger halten kann.«

»Auf Ehre, das war brav von Euch, das muß ich sagen,« fiel Wildrake ein, der mit vieler Theilnahme zugehört hatte, »ich bin ein ziemlich kühner Wagehals, aber wenn sich ein zwei Zoll dickes eichnes Bret zwischen dem Teufel und mir befände, so wollte ich den aufhängen, der die Scheidewand zwischen uns wegrisse, sage ich – ich wollte eben so gern, bei einer Seereise ein Loch in das Schiff bohren und die Wellen hineinlassen; denn Ihr wißt, wir vergleichen immer den Teufel mit der tiefen See.«

»Ich bitte Dich, sey still, Wildrake,« sagte Everard, »und laß ihn in seiner Geschichte fortfahren. – Nun wohl, und was sahst Du, als die Thür offen war? – Den großen Teufel, wirst Du sagen, mit Hörnern und Klauen, nicht wahr?«

»Nein, Herr, ich will nichts sagen, als was wahr ist: als ich die Thür aufmachte, stand ein Mann da, und zwar, wie es schien, ein Mann, der nichts Außerordentliches an sich hatte. Er war in einem scharlachenen Taffetmantel mit rothem Untersatter gehüllt. Er schien zu seiner Zeit ein recht hübscher Mann gewesen zu seyn, doch war sein Gesicht etwas bleich und kummervoll – er trug eine lange Liebeslocke und langes Haar auf die greuelvolle Weise der Cavaliers, und die Unlieblichkeit der Liebeslocken, wie es der gelehrte Herr Prynne sehr wohl benannte Zu Shakspeare's und noch zu Karls I. Zeiten trug man vom linken Ohr herab eine lange, oft mit Bändern durchflochtene Haarlocke. Verschiedene Prediger jener Zeit eiferten dagegen, und Prynne schrieb sogar dagegen eine besondere Abhandlung unter dem Titel: the Unloveliness of Love-lock's. Anm. d. Uebers. – ein Juwel im Ohr – eine blaue Scherpe über die Schulter, wie ein königlicher Kriegs-Befehlshaber, und einen Hut mit einer weißen Feder nebst einer besondern Hutschnur.

»Doch vermuthlich ein unglücklicher Offizier von den Cavalieren, von denen sich so viele verbergen und Obdach im Lande suchen,« erwiederte Everard.

»Wahr, würdiger Herr – so richtig wie irgend ein verständiger Schluß. Aber es war etwas an diesem Manne (wenn es ein Mensch war), daß ich ihn nicht ohne Zittern ansehen konnte; und selbst die Musketiere in der Halle zeigten große Furcht, und verschluckten sogar, wie sie selbst bestätigen werden, die Kugeln, die sie im Munde hatten, um ihre Karabiner und Musketen zu laden. Ja sogar der Wolf und die Jagdhunde, die doch die grimmigsten ihrer Art sind, flohen vor diesem Besuch und verkrochen sich in Löcher und Winkel, wo sie in leisem und gebrochenem Tone heulten und winselten. Er kam in die Mitte der Halle, und schien noch immer nichts weiter, als ein gewöhnlicher Mensch, nur etwas phantastisch gekleidet, in einen schwarzsammtnen Wams, auf scharlachrothen Atlas, gesteppt, ein Juwel im Ohr, mit großen Rosen auf den Schuhen und ein Schnupftuch in der Hand, das er zuweilen gegen die linke Seite drückte.«

»Gütiger Himmel,« sagte Wildrake, indem er dicht an Everard heran kam, und ihm mit einem vor Entsetzen zitternden Tone ins Ohr flüsterte (eine Stimmung, die dem kühnen Manne ganz ungewöhnlich war, ihn aber jetzt überwältigt zu haben schien): »das muß der arme Richard Robison, der Schauspieler, gewesen seyn; – in derselben Kleidung habe ich ihn den Philaster spielen sehen, und stach nachher in der Seejungfrau eine Flasche mit ihm aus! Was haben wir für Spaß mit einander getrieben, und was hatte er für artige phantastische Einfälle! Er diente für seinen alten Herrn Carl unter Mohun's Truppen, und wurde, wie ich gehört habe, nach der Uebergabe auf dem Schlachtfelde von Naseby von diesem Bullenbeißer Harrison ermordet.«

»Still, ich habe von der That gehört,« sagte Everard, »höre doch nur den Mann zu Ende. – Sprach der Eintretende mit Dir, mein Freund?«

»Ja, Herr, in einem angenehmen Tone, aber etwas wunderlich in der Aussprache, mehr wie einer, der vor Gericht oder auf der Kanzel spricht, als mit der Stimme gewöhnlicher Menschen bei gewöhnlichen Dingen. Er verlangte den General-Major Harrison zu sehen.«

»Wirklich! – und Ihr,« sagte Everard, von dem Zeitgeiste angesteckt, der sich zur Leichtgläubigkeit in allen übernatürlichen Dingen hinneigte – »was thatet ihr?«

»Ich ging in das Zimmer, und erzählte, daß ein solcher Mann sich nach ihm erkundigte. Er fuhr auf, als ich es ihm sagte, und verlangte mit großer Hast die Kleidung des Mannes zu wissen. Kaum hatte ich diese erwähnt, und das Juwel in seinem Ohr, als er ausrief: »Gehe! sage ihm, daß ich ihn nicht vor mir lasse. Sage, daß ich ihn herausfordere, und meiner Herausforderung Genüge leisten will, bei der großen Schlacht im Thale von Armageddon, wo die Stimme des Engels alle Vögel unter dem Himmel zusammenberufen wird, um das Fleisch der Anführer und Krieger, der Reiter und Rosse zu fressen. Sage dem Bösen, ich habe Macht, unsern Streit bis auf den Tag hinauszuschieben, und erst an jenem furchtbaren Tage wird er Harrison wieder treffen.« Ich ging zurück mit dieser Antwort zu dem Fremden, dessen Gesicht so fürchterlich finster wurde, wie es einem bloß menschlichen wohl selten möglich ist. »Kehre zu ihm zurück,« sagte er, »und sage ihm, meine Stunde ist da, und wenn er nicht augenblicklich herabkommt, um mit mir zu sprechen, so komme ich die Treppe hinauf zu ihm. Sage, daß ich ihm gebiete, herunter zu kommen, bei dem Andenken daran, daß er auf dem Schlachtfelde von Naseby das Werk nicht nachlässig verrichte

»Ich habe gehört,« flüsterte Wildrake, der mehr und mehr die Ansteckung des Aberglaubens empfand, »daß Harrison diese Worte lästernd ausstieß, als er meinen armen Freund Richard erschoß.«

»Was begab sich zunächst?« fragte Everard. »Merke wohl auf, daß Du die Wahrheit sprichst.«

»Wie das noch von keinem Pfaffen erklärte Evangelium,« sagte der Independent; »doch wahrlich, es ist nur wenig, was ich zu sagen habe. Ich sahe meinen Herrn mit einem bleichen, aber entschlossenen Gesicht herunter kommen, und als er in die Halle trat, und den Fremden erblickte, hielt er inne. Der Andere winkte ihm, als ob er folgen solle, und schritt aus der Thür. Mein würdiger Patron schien im Begriff zu seyn, ihm zu folgen, doch stand er wieder still, als der Fremde, er mochte nun ein Mensch oder der böse Feindseyn, wieder eintrat und sagte: »Gehorche Deinem Schicksal.«

Durch pfadlose Sümpfe, durch grünenden Hayn,
Wird mir stets zu folgen, Dein Schicksal nun seyn –
Zu folgen mir bei des Mondes Erbleichen –
Zu folgen, wenn nächtliche Schatten sich zeigen –
Zu folgen, Genosse, bist Du nun verbunden:
Ich ruf' Dich bei den noch klaffenden Wunden,
Ich ruf' Dich bei dem letzten Wort, das ich sprach,
Als der Körper entschlummert, und mein Geist ward wach,
Nach des Todesstreich's letztem quaalvollen Ach!

»Hiermit schritt er hinaus, und mein Herr folgte ihm in den Wald. – Ich folgte ihm ebenfalls von ferne, aber als ich herbeikam, war mein Herr allein, und gebehrdete sich so, wie Sie ihn jetzt sehen.«

»Du hast ein wunderbares Gedächtniß, Freund,« sagte der Oberst kalt, »daß Du diese Reime noch weißt, nachdem Du sie ein einziges Mal gehört – die ganze Sache scheint mir angelegt.«

»Ein einziges Mal gehört, mein verehrter Herr?« rief der Independent – »ach die Reime sind ja immer in meines armen Herrn Munde, wenn, wie sich das zuweilen zuträgt, er weniger siegreich im Kampfe mit dem Satan ist. Aber es war zum erstenmal, daß ich sie je von einem Andern hörte, und die Wahrheit zu gestehen, scheint er sie auch immer wider Willen herzusagen, und zwar wie ein Kind seinem Lehrer nachspricht, und als wäre es ihm nicht vom eignen Geiste eingegeben, wie der Psalm sagt.«

»Es ist seltsam,« sagte Everard. »Ich habe gehört und gelesen, daß die Geister der Gemordeten eine wunderbare Gewalt über den Mörder haben. Aber ich kann mir nicht denken, daß etwas Wahres an solchen Erzählungen ist. – Roger Wildrake – was fürchtest Du, Mensch? – Warum gehst Du so unruhig umher?«

»Furcht? die ist es nicht – es ist Haß, tödtlicher Haß. – Ich sehe den Mörder des armen Richard vor mir, und – sieh, er nimmt eine kampffertige Stellung an –– wa – wa – was sagst Du, Mörderbrut? An einem Gegner soll Dirs nicht fehlen!«

Ehe noch Jemand ihn zurückhalten konnte, warf Wildrake seinen Mantel ab, zog sein Schwert, und stand fast mit einem einzigen Sprunge vor Harrison, der noch immer seine Waffe schwenkte, als erwarte er jeden Augenblick einen Angriff. Der republikanische General wurde deßhalb auch nicht unversehens überfallen, sondern, so wie die Schwerter an einander klirrten, rief er jauchzend aus: »Ha! jetzt fühle ich Dich, nun bist Du endlich verkörpert gekommen – willkommen! willkommen! – Das Schwert des Herrn und Gideon!«

»Trennt sie, trennt sie,« rief Everard, als er und Tomkins, zuerst erschreckt über den plötzlichen Angriff, eiligst sich dazwischen legten. Everard, der den Cavalier ergriff, zog ihn mit Gewalt zurück, indeß Tomkins mit Mühe und Gefahr sich Harrisons Schwert zu bemächtigen wußte, und der General ausrief: »Ha! zwei gegen einen – zwei gegen einen! – So kämpfen die Teufel.« Wildrake seinerseits rief nach einem fürchterlichen Fluche: »Markham, Du hast jeden Dank, den ich Dir schuldig war, aufgehoben – wir sind quitt – hol mich der Teufel, ganz quitt!«

»Du hast wirklich, was ich an Dir gethan, ganz vortrefflich vergolten. Wie soll nun diese Sache gedeutet und verantwortet werden?«

»Mit meinem Leben will ich es verantworten,« sagte Wildrake.

»Lassen Sie es nur gut seyn,« sagte Tomkins, nur still, und lassen Sie mich machen, es soll schon so eingerichtet werden, daß der gute General es nie erfährt, daß er mit einem sterblichen Manne gefochten hat; nur lassen Sie den Moabiter da sein Schwert in die Scheide stecken, und ruhig seyn.«

»Wildrake,« sagte Everard, »steck Dein Schwert in die Scheide, sonst mußt Du, so wahr ich lebe, es gegen mich kehren.«

»Nein, beim heiligen Georg, so toll bin ich noch nicht, aber ich will ihn schon wieder finden.«

»Du mich wieder finden!« rief Harrison, dessen Auge noch immer starr dahin gerichtet blieb, wo er so handgreiflichen Widerstand gefunden hatte. »Ja, ich kenne Dich wohl; Tag für Tag, Woche für Woche thust Du dieselbe vergebliche Forderung, denn Du weißt, daß mein Herz ob Deiner Stimme bebt. – Aber meine Hand zittert nicht, der Deinen gegenüber – der Geist ist willig zum Kampf, wenn das Fleisch auch schwach ist, dem gegenüber, was nicht vom Fleische ist.«

»Nur still jetzt, ums Himmelswillen« – sagte Tomkins, dann sich zu seinem Herrn wendend, fügte er hinzu: »Erlauben Ew. Excellenz, es ist Niemand hier, als Tomkins und der würdige Oberst Everard.«

General Harrison, wie es zuweilen im partiellen Wahnsinn der Fall ist (vorausgesetzt nämlich, daß er sich in diesem Falle befand), war zwar vollkommen und fest von der Wahrheit seiner Erscheinungen überzeugt, doch sprach er nicht gern darüber gegen solche, die, wie er wußte, sie für Einbildungen halten würden. Dießmal nun stellte er sich auf einmal ganz ruhig und gelassen nach der heftigen Bewegung, die er eben geäußert hatte, und zwar auf eine Weise, welche anzeigte, wie sehr er seine wahren Empfindungen vor Everard zu verbergen suchte, von dem er nicht glaubte, daß er sie theilen würde.

Er machte dem Obersten eine tiefe Verbeugung, sprach von dem schönen Abend, der ihn aus dem Jagdschlosse gelockt hätte, um einen Spaziergang in den Park zu machen und das schöne Wetter zu genießen. Hierauf nahm er Everarden beim Arm und ging mit ihm nach dem Schlosse zurück, indeß Wildrake und Tomkins hinterher gingen und die Pferde führten. Everard, der einiges Licht über die geheimnißvollen Vorfälle zu haben wünschte, suchte mehr als einmal durch Fragen auf die Sache zurückzukommen, denen Harrison (denn Wahnsinnige lassen sich oft nicht gern auf das ein, was ihre geistige Täuschung veranlaßt) mit vieler Geschicklichkeit begegnete, oder auch seinen Schreiber Tomkins zu Hülfe rief, der bei allen Gelegenheiten die Aussagen seines Herrn zu bekräftigen pflegte, was ihm bei Desborough den sinnreichen Spottnamen Gauch verschaffte.

»Und weßhalb hatten Sie Ihr Schwert gezogen, mein würdiger General,« sagte Everard, »da Sie doch nur auf einem Abendspazierganz begriffen waren?«

»Wahrlich, mein vortrefflicher Oberst, dieß sind Zeiten, wo die Menschen mit gegürteten Lenden und brennenden Lampen und entblößten Schwertern Wache halten müssen. Der Tag ist nahe, Sie mögen es nun glauben oder nicht, wo die Menschen wachen müssen, damit sie nicht nackt und unbewaffnet gefunden werden, wenn die sieben Trompeten ertönen: »Auf! zu Roß!« und wenn die Pfeifen Jezers spielen: »Zu Roß! hinweg!«

»Sehr wahr, guter General; aber mich dünkt, ich sahe Sie eben jetzt auspariren, als wenn Sie kämpften,« sagte Everard.

»Ich habe eine seltsame Grille, Freund Everard,« antwortete Harrison, »und wenn ich allein gehe, und zufällig, wie eben jetzt, meine Waffe gezogen habe, so mache ich mitunter zur Uebung einen Gang gegen einen Baum. Es ist ein alberner Stolz, den die Menschen in den Gebrauch der Waffen setzen. Ich habe für einen Meister in der Fechtkunst gegolten und um Preise gefochten, als ich noch nicht wiedergeboren war, und ehe ich berufen wurde, meinen Antheil zu verrichten in dem großen Werke, wo ich als gemeiner Reiter in das erste Cavallerie-Regiment unsers siegreichen Generals trat.«

»Aber mich dünkt,« sagte Everard, »ich hörte eine Waffe mit der Ihrigen zusammenklirren.«

»Wie eine Waffe mit meinem Schwerte zusammenklirren? – Wie mochte das zugehen, Tomkins?«

»Wahrlich, Herr,« sagte Tomkins, »es muß ein Baumzweig gewesen seyn; man hat sie hier von allen Arten, und Ew, Gnaden mögen vielleicht gegen einen gestoßen haben, den die Brasilianer Eisenholz nennen. Wenn man auf einen Block von diesem mit einem Hammer schlägt, sagt Purchas in seiner Pilgerreise, so klingt es wie ein Amboß.«

»Ja wahrlich, so kann es seyn,« sagte Harrison; »denn die Beherrscher, die dahin sind, versammelten in diesem ihren Lustaufenthalte viele ausländische Bäume und Gewächse, obwohl sie nicht von der Frucht jenes Baumes sammelten, welcher zwölf Arten von Früchten trägt, noch von jenem Laube, welches das Heilmittel der Völker ist.«

Everard setzte seine Forschungen weiter fort, denn es fiel ihm auf, wie geschickt Harrison seinen Fragen auswich, und seine allgemeinen schwärmerischen Begriffe, wie eine Art von Schleier über die düsteren Erscheinungen warf, welche Gewissensquaal und Bewußtseyn der Schuld erregte.

»Aber,« sagte er, »wenn ich meinen Augen und Ohren trauen darf, so kann ich doch nicht umhin zu denken, daß Sie einen wirklichen Gegner hatten. – Ja ich bin sogar überzeugt, ich sahe einen Burschen in dunkelfarbigem Wams sich durch den Wald entfernen.«

»Wirklich!«, sagte Harrison in einem Tone der Ueberraschung, indeß seine Stimme wider Willen zitterte, wer konnte das seyn? – Tomkins, sahest Du den Burschen, von dem Oberst Everard spricht, mit dem Tuche in der Hand – dem blutigen Tuche, mit dem er immer in die Seite drückte?«

Diese letzte Aeußerung, wodurch Harrison ein ganz anderes Merkmal angab, als das von Everard angedeutete, das aber mit Tomkins ursprünglicher Beschreibung des vermeintlichen Gespenstes übereinstimmte, that mehr Wirkung auf Everarden zur Bestätigung jener Geschichte des Sekretärs, als Alles, was er außerdem gesehen oder gehört. Er beantwortete übrigens die an ihn gerichtete Frage so schnell als gewöhnlich, er habe einen solchen Burschen bei ihm vorbei ins Dickicht schleichen sehen – es würde doch wohl ein Wilddieb seyn; denn er habe gehört, daß sie sehr verwegen geworden wären.

»Sehen Sie nun, Herr Everard,« sagte Harrison, über den Gegenstand hinwegeilend, »ist es nicht Zeit, daß wir unsere Streitigkeiten bei Seite setzen, und uns Hand in Hand vereinen, um die eingestürzten Mauern unsers Zion wieder aufzurichten? Glücklich und zufrieden wollt' ich seyn, mein vortrefflicher Freund, bei dieser Gelegenheit ein Mörtel- oder Kalkträger unter unserm großen Anführer zu seyn, den die Vorsehung in diesen großen National-Streit zum Anführer erkor; und wahrlich, so andächtig halte ich an unserm vortrefflichen und siegreichen General Oliver, den der Himmel lange erhalten möge – daß, wenn er es mir geböte, ich nicht anstehen würde, den Mann, den sie den Sprecher nennen, von seinem hohen Standorte herunter zu reißen, gerade so, wie ich meine armselige Hand dazu hergab, den Mann herunter zu reißen, den sie König nannten. – Deßhalb, da ich weiß, daß Ihr Urtheil mit dem meinen gleichen Schritt hält, so fordere ich Sie liebend auf, daß wir als Brüder handeln, und die Breschen wieder aufbauen und die Bollwerke unsers englischen Zion wieder herstellen, wobei wir ohne Zweifel zu Säulen und Strebepfeilern unter unserm vortrefflichen Herrn General erwählt werden, um denselben zu unterstützen und aufrecht zu erhalten, so wie auch mit gehörigen Renten und Einkommen begabt, sowohl geistlichen als zeitigen, um als Fußgestell zu dienen, auf welchem wir stehen mögen, da wir sehen, daß wir sonst auf lockern Sand bauen. – »Demungeachtet,« fuhr er fort, indem sein Verstand abermals von den Aussichten des zeitlichen Ehrgeizes in die Träumereien der fünften Monarchie überging, »diese Dinge sind nur Eitelkeit im Vergleich mit dem Oeffnen des Buches, das versiegelt ist; denn alle Dinge nahen sich schnell dem Blitz und Donner, und dem Losbinden des großen Drachen aus dem bodenlosen Abgrunde, worin er gefesselt liegt.«

»Mit diesem verwirrten Gemisch irdischer Politik und schwärmerischer Weissagung überschüttete Harrison den Obersten Everard so, daß er ihm keine Zeit ließ, über die besondern Umstände seines nächtlichen Scharmützels in ihn zu dringen, über welche er offenbar nicht befragt seyn wollte. Auch traten sie eben jetzt in das Jagdschloß zu Woodstock.


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