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Walter Scott 1826

Walter Scott 1826

Vorrede.


Es ist nicht meine Absicht, die Leser zu benachrichtigen, wie die Manuscripte jenes großen Antiquars, des Dr. J. U. Rochecliffe, in meine Hände kamen, Dergleichen Dinge ereignen sich auf mannichfache Weise, und es ist schon genug, wenn ich sage, daß sie von einem unwürdigen Schicksal gerettet und ehrlich erworben wurden. Was die Wahrheit der Anekdoten betrifft, die ich aus den Schriften dieses vortrefflichen Mannes gesammelt, und mit der an mir stets gerühmten Leichtigkeit zusammengestellt habe, so wird der Name des Doktors Rochecliffe die Genauigkeit verbürgen, wo dieser Name anders bekannt ist.

Mit seiner Geschichte ist die Lesewelt wohl vertraut, und wir möchten sie deshalb auf den ehrlichen Anthony a Wood verweisen, der ihn als einen der Hauptpfeiler der Kirche schilderte, und ihm in seinen Athenis Oxoniensibus ein musterhaftes Zeugniß giebt, obwohl der Doktor in Cambridge, Englands zweitem Auge, erzogen wurde.

Bekannt ist's, daß Doktor Rochecliffe wegen des lebhaften Antheils, den er an dem Streite mit den Puritanern nahm, früh zu ansehnlichen Aemtern in der Kirche gelangte, und daß sein Werk, Malleus haeresis, von Allen als ein niederschmetternder Streich betrachtet wurde, ausgenommen von denen, die ihn empfingen. Dies Werk machte ihn schon in einem Alter von 30 Jahren zum Pfarrer von Woodstock, und sicherte ihm späterhin einen Platz in dem Kataloge der berühmten weißen Centurie, und was noch schlimmer war, als von jenem Schwärmer auf der Liste lästerlicher und übelgesinnter Priester aufgeführt zu werden, welche die Prälaten zu Pfünden beförderten, seine Meinungen zogen ihm, vermöge des Einflusses der Presbyterianer, den Verlust seines Amtes in Woodstock zu. Er war den größten Theil des Bürgerkriegs hindurch Kaplan in Sir Heinrich Lee's Regiment, das zum Dienst König Karls II. geworben war, und es heißt, er soll mehrmals persönlich mit ihm in den Kampf gezogen seyn, Gewiß ist wenigstens, daß Doktor Rochecliffe sich verschiedenemal in großer Gefahr befand, wie sich's aus mehren Stellen in folgender Geschichte ergiebt, die von seinen eigenen Thaten, wie Cäsar in der dritten Person spricht. Ich vermuthe jedoch, daß ein presbyterianischer Commentator sich des Vergehens schuldig gemacht hat, zwei oder drei Stellen zu verfälschen. Das Manuscript war lange im Besitz der Everards, einer ausgezeichneten Familie dieser Secte.

Während der Usurpation unternahm Doktor Rochecliffe einen oder den andern voreiligen Versuch zur Wiederherstellung der Monarchie, und galt wegen seiner Kühnheit, Geistesgegenwart und Tiefe des Urtheils für einen der größten Verfechter der Sache des Königs in jener thatenvollen Zeit. Nur darf man den kleinen Umstand nicht vergessen, daß die Pläne, in die er sich einließ, fast immer entdeckt wurden. Ja man vermuthete sogar, daß Cromwell selbst Mittel fand, ihm die Pläne einzugeben, in welche er sich einließ, wodurch der arglistige Protector die Treue zweifelhafter Freunde erprobte, und mit den Plänen erklärter Feinde bekannt wurde, indem es ihm leichter dünkte, ihre Absichten zu vereiteln, als sie streng zu bestrafen.

Bei der Rückkehr des Königs erhielt Doktor Rochecliffe sein Amt in Woodstock wieder, nebst andern kirchlichen Ehrenstellen, und vertauschte die Polemik und politischen Intriguen mit der Philosophie. Er war einer der ersten Mitglieder der königlichen Gesellschaft, und derjenige, durch den Karl von dieser gelehrten Gesellschaft eine Auflösung ihres merkwürdigen Problemes forderte, warum, wenn ein Gefäß bis an den Rand voll Wasser ist, und ein großer Fisch hinein geworfen wird, es demungeachtet nicht überfließt. Doktor Rochecliffes Erklärung dieses Phänomens war die sinnreichste und belehrendste von den vieren, die darüber gegeben wurden, und gewiß ist, daß der Doktor die Ehre des Siegs davon getragen hätte, ohne die Hartnäckigkeit eines einfachen und dummen Landedelmanns, der darauf bestand, das Experiment solle vor allen Dingen öffentlich angestellt werden. Als dies geschahe, zeigte der Ausgang, daß es ein wenig unbesonnen gewesen wäre, das Factum blos auf die königliche Autorität hin angenommen zu haben, da der Fisch, so künstlich man ihn auch immer in sein eigenthümliches Element hineinbrachte, das Wasser weit umhersprützte, und nicht blos einem großen türkischen Teppich, sondern auch dem Rufe der vier sinnreichen Erklärer großen Schaden zufügte.

Doktor Rochecliffe starb, wie es scheint, ums Jahr 1685, und hinterließ mancherlei Papiere, besonders viel schätzbare Anekdoten aus der geheimen Geschichte jener Zeit, woraus folgendes Werk ein Auszug ist, über welchen wir nur noch einige Worte zur Erklärung hinzufügen wollen.

Das Daseyn von Rosamundens Labyrinth, das in diesen Blättern erwähnt wird, bezeugt Drayton unter der Regierung der Königin Elisabeth:

»Rosamundens Labyrinth, dessen Ruinen zugleich mit ihrem Brunnen unten mit Quadersteinen gepflastert sind, so wie auch ihr Thurm, von dem das Labyrinth ausging, sind noch jetzt vorhanden, und bestehen aus Bogengewölben, aus behauenen und Ziegelsteinen, die sich auf eine fast unauflösliche Weise in einander verlieren, durch welche sie, wenn einmal ihre Wohnung von der Königin umstellt war, leichter der drohenden Gefahr entgehen, und im Nothfall auf geheimen Auswegen, außerhalb um Woodstock, in Oxfordshire frische Luft schöpfen konnte.«

Es ist sehr wahrscheinlich, daß ein seltsamer Spaß, der ganz zuverlässig an den Commissarien des langen Parlaments verübt wurde, welche nach dem Tode Karls I. zur Aufhebung des Geheges und Zerstörung des Schlosses nach Woodstock geschickt wurden, vermittelst der geheimen Gänge und Schlupfwinkel in dem alten Labyrinth zu Stande gebracht wurden, um welches spätere Monarchen ein Jagdhaus oder Schloß erbauet hatten.

In Doktor Plots Naturgeschichte von Oxfordshire befindet sich eine merkwürdige Nachricht von den Störungen, welche diese ehrenwerthen Commissarien erfuhren. Da ich aber das Buch nicht bei der Hand habe, so kann ich nur auf das Werk des berühmten Glanville über die Hexen verweisen, der jene Nachricht als eine sehr beglaubigte Erzählung von übernatürlichen Spukereien ausgezogen hat. Die Betten der Commissarien und ihrer Diener wurden in die Höhe gezogen, bis die darin Liegenden fast ganz auf dem Kopfe standen, und dann so plötzlich wieder heruntergelassen, daß sie in Gefahr geriethen, sich die Rippen zu zerbrechen. Ungewöhnliches und schreckliches Geräusch störte diese unheiligen Antaster des königlichen Eigenthums. Einmal brachte ihnen der Teufel eine Kohlpfanne, ein andermal warf er sie mit Steinen und Pferdeknochen. Kübel Wasser wurden im Schlaf über sie ausgegossen, und so manche andere Streiche der Art auf ihre Kosten gespielt, so daß sie mit ihrem Haushalte aufbrachen, und die beabsichtigte Beraubung nur halb zu Stande brachten. Doktor Plots gesunder Verstand vermuthet, daß diese Dinge durch Verabredung zu Stande kamen, welches Glanville mit all seiner Macht zu widerlegen versucht; denn es ließ sich nicht leicht erwarten, daß der, der eine so bequeme Auflösung als die eines übernatürlichen Einflusses glaubte, den Gebrauch eines Schlüssels aufgeben würde, der zu jedem noch so künstlichen Schlosse paßt.

Demungeachtet wurde später entdeckt, daß Doktor Plot ganz recht gehabt habe, und daß der einzige Teufel, der alle diese Wunder zu Stande brachte, ein verkleideter Royalist war – ein Bursch, der den Namen des getreuen Josephs oder doch etwas dem Aehnliches führte, und der früher im Dienst des Parkaufsehers gewesen war, sich aber in die der Commissarien begab, um seine Ränke an ihnen auszulassen. Ich glaube, ich habe eine Nachricht von dem wirklichen Verfahren und von der Maschinerie gesehen, durch welche der Zauberer seine Wunder zu Stande brachte, ob aber in einem Buche, oder in einer Flugschrift, das weiß ich nicht gewiß. Nur einer Stelle erinnere ich mich besonders. Die Commissarien waren mit einander übereingekommen, einige Artikel nicht öffentlich zu berechnen, um sie unter sich selbst zu theilen, und hatten einen Vertrag mit einander gemacht sich ihren Antheil an dem Veruntreuten dadurch zu sichern, daß sie ihn in einen Blumentopf verbargen. Als nun eine Versammlung von Geistlichen, von den religiösen Leuten in der Nähe von Woodstock unterstützt, zusammengekommen waren, um den vermeintlichen Teufel zu beschwören, brannte der getreue Joseph mitten in dem Exorcismus ein Feuerwerk ab, das den Blumentopf zerbrach, und zur Beschämung der Commissarien ihren geheimen Vertrag mitten unter die versammelten Geisterseher warf, die auf diese Weise mit den Plänen der Veruntreuer bekannt wurden.

Es nützt mir jedoch wenig, mein Gedächtniß über die alten unvollkommnen Erinnerungen hinsichtlich des Einzelnen jener wunderlichen Störungen in Woodstock anzustrengen, da Doktor Rochecliffes Papiere eine viel genauere Erzählung liefern, als aus irgend einer andern Nachricht vor ihrer Bekanntmachung zu erlangen war. Wirklich hätte ich in diesem Theile meines Gegenstandes weitläuftiger seyn können, denn an Materialien fehlt es nicht – aber um aufrichtig gegen den Leser zu seyn, es waren einige freundschaftliche Kritiker der Meinung, sie machten die Geschichte schleppend, und so wurde ich verleitet, mich kürzer hierüber zu fassen, als ich sonst wohl gethan hätte.

Der ungeduldige Leser wird mich vielleicht beschuldigen, ihm durch ein Licht die Sonne vorzuenthalten. Wäre jedoch der Sonnenschein so glänzend, als er sich wahrscheinlich erweisen wird, und die Kerze oder die Pechfackel noch zwölfmal so räuchrig, so muß derselbe doch noch eine Minute länger hier verweilen, bis ich die Meinung entfernt, hier mich einer andern Feder bedient zu haben. Habichte, heißt es in Schottland, müssen einander nicht die Augen aushacken, oder eins auf des andern Raubstoßen. Hätte ich daher gewußt, daß sowohl in Hinsicht des Zeitraums als der Charaktere diese Erzählung wahrscheinlich mit der kürzlich herausgegebenen eines ausgezeichneten Zeitgenossen zusammentreffen würde, so hätte ich unstreitig für jetzt Doktor Rochecliffes Manuscript in Ruhe gelassen. Aber ehe ich diesen Umstand erfuhr, war das Büchlein schon halb gedruckt. Es blieb mir also nichts anders übrig, um jede absichtliche Nachahmung dadurch zu vermeiden, daß ich es verschob, das besagte gleichzeitige Werk zu lesen. Einige zufällige Collisionen müssen entstehen, wo Werke ähnlicher Art allgemeine historische Sitten beschreiben und dieselben historischen Personen aufführen. Natürlich werde ich, wenn solche vorkommen, der leidende Theil dabei seyn. Aber meine Absicht war wenigstens unschuldig, da ich es als einen der Vortheile bei dem Schlusse von Woodstock betrachte, daß die Beendigung meines eigenen Geschäfts mir das Vergnügen gestatten wird, Brambletye-House zu lesen, was ich mir bis jetzt gewissenhaft versagt hatte.

Walter Scott.


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