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Zwölftes Kapitel.


Wohl bilden ein Kollegium drei; – doch sind es vier?
Ei nun, so bring er auch, was nöthig, mit.

Beaumont und Fletcher.

Herr Bletson stand auf, und verneigte sich gegen den Obersten Everard mit aller Leichtigkeit und anständigen Sitte jener Zeit, obwohl ihn sein Eintreten in jeder Hinsicht verdroß, weil jener ein religiöser Mann war, der seine Freidenker-Grundsätze verabscheute, und seine Bekehrung Harrisons, ja selbst Desborough's verhindern würde, wenn überhaupt ein solcher Tölpel auf irgend eine Weise zur Verehrung einer Weltseele gebracht werden könnte. Ueberdies kannte Bletson Everarden als einen Mann von unwandelbarer Rechtschaffenheit, der keineswegs geneigt seyn würde, einem Plane beizustimmen, über welchen er die andern beiden schon mit Erfolg sondirt hatte, und der darauf berechnet war, den Commissarien eine kleine Privatentschädigung für die Mühe zu verschaffen, die sie in den öffentlichen Geschäften anwenden würden. Noch weniger lieb war es dem Philosophen, als er den Bürgermeister und Pastor erblickte, die ihm auf seiner Flucht vom vorigen Abend begegnet waren, als man ihn, parma non bene relicta, mit zurückgelassenem Mantel und Wams gesehen hatte.

Oberst Everards Gegenwart war für Desborough eben so unangenehm, als für Bletson. Da aber jener gar keine Philosophie hatte, noch überhaupt einen Begriff, daß es irgend einem Menschen möglich wäre, bei ungezähltem Gelde nicht zuzulangen, so beunruhigte ihn vorzüglich der Gedanke, daß die Beute, die sie auf ihrer Commission erwerben möchten, durch diese unwillkommne Vermehrung ihrer Zahl, nun in vier Theile getheilt werden würde, anstatt in drei, und diese Bemerkung vermehrte noch die natürliche Unhöflichkeit, mit der er Everard eine Art von Willkommen entgegen knurrte.

Harrison blieb indes, wie einer, der seine Gedanken auf etwas Höheres gerichtet hat, in unbeweglicher Stellung, die Augen auf die Decke gerichtet, wie zuvor, auch verrieth nichts an ihm das geringste Bewußtseyn davon, daß die Gesellschaft um ihn her sich mehr als verdoppelt hatte.

Unterdeß nahm Everard seinen Platz am Tische ein, wie Einer, der ein Recht dazu hat, und winkte seinen Begleitern sich weiter unten am Tische hinzusetzen. Wildrake verstand seinen Wink so falsch, daß er sich über den Bürgermeister setzte, doch besann er sich auf einen Blick seines Patrons, stand auf, und nahm weiter unten Platz, pfiff jedoch im Gehen ein Stückchen, worüber die Gesellschaft, als über eine höchst unschickliche Freiheit, nicht wenig staunte. Um seinen Fehler vollständig zu machen, ergriff er eine Pfeife, füllte sie aus einer großen Tabaksbüchse, und war bald ganz in eine selbstgeschaffne Wolke verhüllt, aus welcher kurz darauf eine Hand hervorkam, den Bierkrug ergriff, denselben in das Dunstheiligthum zog, und nach einem kräftigen Trunke ihn wieder auf den Tisch setzte, worauf denn die Wolke sich verdichtete, die durch unterbrochenen Gebrauch des Pfeifenrohrs sich schon ein wenig vertheilt hatte.

Niemand machte eine Bemerkung über sein Benehmen, vermuthlich aus Ehrfurcht für den Obersten Everard, der sich in die Lippen biß, aber still schwieg, weil er sich wohl denken konnte, daß ein Tadel seinem widerspenstigen Gefährten noch unzweideutigere Merkmale eines Cavaliers entlocken möchte. Da ihm das Stillschweigen aber lästig wurde, und die Andern keine Anstalt machten, es zu brechen, nachdem der gewöhnliche Gruß geschehen, sagte endlich Oberst Everard: »Ich denke mir, meine Herren, Sie werden etwas überrascht seyn, daß ich mich so in Ihre Gesellschaft dränge,«

»Ei zum Teufel, warum sollten wir uns denn wundern, Oberst?« sagte Desborough, »wir kennen schon Sr. Excellenz, meines Schwagers Oliver – ich wollte sagen, Lord Cromwell's Manier, seine Mannschaft in den Städten, durch die er marschirt, übervoll einzuquartieren. Du hast doch wohl Antheil an unserer Commission erhalten?«

»Und hierin,« sagte Bletson, sich mit einem Lächeln verneigend, »hat uns der General den angenehmsten Collegen gegeben, der uns nur beigefügt werden konnte. Ohne Zweifel ist doch Ihre Vollmacht zu uns zu stoßen, von dem Staatsrathe ausgestellt worden?«

»Hierüber, meine Herren,« sagte der Oberst, »will ich Ihnen sogleich Auskunft geben.« – Er zog demzufolge seine Vollmacht heraus, und war eben im Begriff, den Inhalt derselben mitzutheilen; da er aber drei oder vier halbleere Weinflaschen auf dem Tische stehen sah, und bemerkte, daß Desborough ein noch dümmeres Ansehn hatte, als gewöhnlich, und daß die Augen des Philosophen, ungeachtet seiner gewöhnlichen Mäßigkeit, ihm im Kopfe rollten, so schloß er daraus, daß sie sich gegen das Grauen des von Geistern heimgesuchten Hauses dadurch gestärkt hätten, daß sie einen Vorrath von sogenannten holländischem Muthe eingelegt hatten, und nahm sich daher klüglich vor, sein wichtiges Geschäft bis zur kühleren Morgenstunde aufzuschieben. Statt daher des Generals Vollmacht hinsichtlich ihrer Commission vorzuzeigen, erwiederte er blos: – »Mein Geschäft hat allerdings einigen Bezug auf Ihr Verfahren hier. Doch – entschuldigen Sie meine Neugier – hier dieser ehrwürdige Herr,« auf Holdenough zeigend, »hat mir gesagt, Sie befänden sich hier in so seltsamer Verlegenheit, daß Sie sowohl bürgerliches als geistliches Ansehen bedürften, um sich in den Besitz von Woodstock zu setzen.«

»Ehe wir in dieser Sache weiter gehen,« sagte Bletson, der bis über die Augen roth wurde, bei der Erinnerung an seine so offenbar gezeigte, und doch mit seinen Grundsätzen so unverträgliche Furcht, möchte ich gern wissen, wer der andere Fremde ist, der mit dem würdigen Bürgermeister und dem nicht minder würdigen Presbyterianer gekommen ist.«

»Meinen Sie mich?« sagte Wildrake, und legte seine Pfeife bei Seite, »mein Sir, es war einmal eine Zeit, wo ich diese Frage mit einem besseren Titel hätte beantworten können; gegenwärtig aber bin ich nur Sr. Gnaden armer Schreiber oder Secretär, oder wie sonst die Modebenennung seyn mag.«

»Nun, meiner Treu, Du bist ein munterer Kerl, und recht vorlaut mit Deinem Geplapper,« sagte Desborough. »Da ist mein Secretär Tomkins, den die Leute einfältiger Weise Gauch nennen, und der Secretär des verehrten General-Lieutenants Harrison Schlauch, sie sind jetzt unten im Bedienten-Zimmer beim Abendessen, die dürften sichs aber nicht unterstehen, in Gegenwart ihrer Herren ein Wort anders, als ganz leise zu sprechen, sie müßten denn gefragt werden.«

»Ja, Oberst Everard,« sagte der Philosoph mit seinem ruhigen Lächeln, der, wie es schien, froh war, das Gespräch von der Unruhe der vorigen Nacht und den Erinnerungen abzulenken, die seine Selbstliebe und Selbstzufriedenheit demüthigten – »ja, und wenn Herr Gauch und Herr Schlauch sprechen, so sind ihre Betheuerungen so vollkommen übereinstimmend, wie ihre Namen in den Versen eines Dichters. Wenn Herr Gauch zufällig eine Lüge sagt, so schwört Herr Schlauch, es wäre wahr. Wenn Herr Schlauch in der Furcht des Herrn sich betrinkt, so schwört Herr Gauch, er wäre nüchtern. Meinen eigenen Secretär habe ich daher Strauch genannt, obwohl sein Name eigentlich Straubing ist. Es ist nämlich, mit Ihrer Erlaubniß, ein ehrsamer Israelit, aber ein so reiner Jüngling, als nur je einer am Pascha-Feste einen Lammsknochen abnagte. Aber ich nenne ihn nur Strauch blos, um das heilige Kleeblatt mit einem dritten Reime voll zu machen. Hier Ihr Diener, Oberst Everard, sieht aus, als wäre er würdig, jener Brüderschaft zugesellt zu werden.«

»Ich wahrhaftig nicht,« sagte der Cavalier; »ich lasse mich nicht mit einem Juden paaren, der je geheckt wurde, und mit einer Jüdin auch nicht.«

»Verachte ihn darum nur nicht, junger Mann,« sagte der Philosoph; »Du weißt ja, die Juden sind im Punkte der Religion unsere ältern Brüder.«

»Die Juden älter als die Christen?« sagte Desborough; »nun meiner Treu, Bletson, Du wirst vor die Generalversammlung citirt werden, wenn Du Dich unterstehst, das laut zu sagen.«

Wildrake lachte ohne Umstände über Desborough's grobe Unwissenheit, und ein Kichern hinter dem Schenktische stimmte mit ein, das, als man sich nach der Ursach desselben erkundigte, von den Bedienten herrührte. Diese ehrsamen Leutchen, eben so furchtsam als ihre Herren, hatten, als sie die Lichter gebracht, und man voraussetzte, daß sie das Zimmer verließen, sich nur bis in ihren jetzigen Versteckwinkel zurückgezogen.

»Was soll das bedeuten, Ihr Schurken,« sagte Bletson ärgerlich, »kennt Ihr Eure Pflicht nicht besser?«

»Wir bitten Ew, Gnaden um Verzeihung,« sagte einer der Leute, »aber wir hatten die Leuchter auf den Tisch gesetzt, und unterstanden uns wahrhaftig nicht, ohne Licht die Treppe hinunter zu gehen.«

»Ein Licht, Ihr feigen Memmen?« sagte der Philosoph, »was – um zu zeigen, wer von Euch am bleichsten aussieht, wenn eine Ratte quiekt? – Aber nehmt nur einen Leuchter und packt Euch, Ihr feigen Buben!«

Die Teufel, vor denen Ihr Euch so sehr fürchtet, müssen armselige Wichte seyn, wenn sie auf solche Fledermäuse, wie Ihr seyd, stoßen.«

Die Diener nahmen ohne Widerrede einen der Leuchter und schickten sich zum Gehen an, der getreue Tomkins an der Spitze, als auf einmal, so wie sie an die halb offengebliebene Thür des Zimmers kamen, diese mit Gewalt zugeworfen wurde. Die drei erschreckten Bedienten taumelten bis in die Mitte des Zimmers zurück, als ob ein Schuß vor ihrer Nase losgegangen wäre, und Alle, die am Tische saßen, sprangen auf.

Oberst Everard war unfähig, sich auch nur einen Augenblick zu fürchten, selbst wenn man etwas Schreckliches gesehen hätte; doch blieb er stehen, um zu sehen, was seine Gefährten thun würden, und wo möglich ihrer Unruhe bei einer so geringfügigen Gelegenheit auf den Grund zu kommen. Der Philosoph schien zu meinen, daß es ihm vor allen Andern gebühre, sich bei dieser Gelegenheit mannhaft zu zeigen.

Er ging also mit Murren über die Feigheit der Bedienten auf die Thür zu, aber in einem solchen Schneckenschritt, daß man wohl sah, er hätte sich recht gerne von einem, den seine Vorwürfe in Harnisch gebracht, zuvorkommen lassen, »Ihr feigen Tölpel,« sagte er endlich, und legte die Hand an den Drücker, ohne ihn wirklich zu drehen – »wagt Ihr es nicht, eine Thür aufzumachen? – (wobei er immer noch an dem Schloß herum drehte) – wagt Ihr es nicht, ohne Licht die Treppe hinunter zu gehen? Kommt, bringt mir das Licht her, Ihr feigen Buben! – Beim Himmel, es seufzt etwas da draußen!«

Wie er das sagte, ließ er den Thürdrücker fahren, und trat ein oder zwei Schritte in das Zimmer zurück, mit einem Gesicht, so blaß, als die Binde, die er trug, »Deus, adjutor meus,« sagte der presbyterianische Geistliche, sich von seinem Sitz erhebend, und sich zu Bletson wendend, fuhr er fort: »Mach Platz, es scheint, ich verstehe mehr von dieser Sache als Du, und ich danke dem Himmel, daß ich zu dem Kampfe gewaffnet bin.«

Kühn wie ein Grenadier, der eben eine Bresche besteigen will, aber mit demselben Glauben an das Daseyn einer zu begegnenden Gefahr, demselben Vertrauen auf die Gerechtigkeit seiner Sache, schritt der würdige Mann vor dem Philosophen Bletson hin, und ein Licht von einem Wandleuchter in die eine Hand nehmend, öffnete er ruhig die Thür mit der andern, und sagte auf der Schwelle stehend: »Hier ist nichts!«

»Und wer erwartete denn etwas zu sehen,« antwortete Bletson, »ausgenommen diese eingeschüchterten Narren, die über jeden Windstoß erschrecken, der durch die Gänge dieses alten Kerkers pfeift?«

»Merkt wohl, Herr Tomkins,« flüsterte einer der Aufwärter dem Secretär zu – »seht, wie kühnlich der Pastor sich vor ihnen allen vorausdrängte. Ja, ja, Herr Tomkins, unser Pfarrer ist der wahre erwählte Diener der Kirche – Ihr Layen-Priester seyd nicht besser, als ein Haufe Keulenträger und Freiwillige.«

»Es folge mir, wer Lust hat,« sagte Herr Holdenough, »oder gehe voraus, wem es beliebt. Ich will die bewohnbaren Räume des Hauses durchwandern, ehe ich es verlasse, und mich überführen, ob Satan wirklich diese furchtbaren Höhlen alter Gottlosigkeit bewohnt, oder ob wir, gleich den Gottlosen, von denen der heilige David spricht, erschrecken und fliehen, wenn Niemand uns verfolgt.«

Harrison, der diese Worte gehört hatte, sprang von seinem Sitze auf, und rief, sein Schwert ziehend: »Wären auch so viel höllische Feinde im Hause, als Haare auf meinem Kopfe, auf diese Sache will ich sie bis in ihre Verschanzungen angreifen.«

Mit diesen Worten schwang er seine Waffe und drängte sich an die Spitze des Zugs, wo er dicht neben dem Geistlichen vorwärts schritt. Zunächst an sie schloß sich der Bürgermeister von Woodstock, der sich in Gesellschaft seines Pastors vielleicht für sicherer hielt, und so brach der ganze Zug in dichter Reihe auf, von den Bedienten begleitet, die Lichter trugen, um das Jagdschloß, wegen jenes panischen Schreckens, zu durchsuchen, das sie plötzlich ergriffen zu haben schien.

»Ei, nehmt mich doch mit, Ihr Leute,« sagte Oberst Everard, der erstaunt zugesehen hatte, und nun im Begriff war, der Gesellschaft zu folgen, als Bletson seinen Mantel erfaßte, und ihn bat, zu bleiben.

»Sie sehen, mein guter Oberst,« sagte er, einen Muth heuchelnd, den seine zitternde Stimme Lügen strafte, »es ist Niemand in Garnison zurückgeblieben, als Sie, ich und der ehrliche Desborough, indeß alle Andern auf einen Ausfall ausgezogen sind. Wir müssen nicht alle Truppen bei einem Ausfall Preis geben – das wäre ja nicht militärisch – ha! ha! ha!«

»Ums Himmelswillen, was soll das Alles bedeuten?« sagte Everard. »Ich hörte eine tolle Geschichte über Erscheinungen, als ich hierher kam, und nun finde ich Sie alle halb wahnsinnig vor Furcht, und kann kein verständiges Wort von Ihnen herausbringen, so viel ihrer sind. Pfui, Oberst Desborough – pfui, Herr Bletson – suchen Sie sich doch zu fassen, und sagen Sie mir die Ursache von aller dieser Unruhe. Man sollte ja wirklich glauben, Ihr Kopf wäre verdreht.«

»Ei, mit meinem könnte das wohl seyn,« sagte Desborough, »und übergeschnappt noch dazu; denn mein Bett wurde die vorige Nacht über den Haufen geworfen, und ich stand wohl zehn Minuten lang mit dem Kopfe unten, den Beinen oben, wie ein Ochse, der eben beschlagen werden soll.«

»Was bedeutet der Unsinn, Herr Bletson? – Herrn Desborough muß der Alp gedrückt haben.«

»Nein, wahrhaftig, Oberst, die Kobolde, oder was es sonst seyn mochte, hatten es gut mit dem ehrlichen Desborough gemeint, denn sie stellten seine ganze Person auf den Theil seines Körpers, der – horch! hörten Sie nicht etwas? – der Central-Schwerpunkt ist, nämlich seinen Kopf.«

»Sahen Sie etwas, das Sie besorgt machte?« sagte der Oberst.

»Nichts,« sagte Bletson, »aber wir hörten höllischen Lärm, und alle unsere Leute dazu, und ich, der ich wenig an Geister und Erscheinungen glaube, schloß daraus, die Cavaliers überrumpelten uns; da mir nun zugleich Rainsborough's Schicksal einfiel, so sprang ich aus dem Fenster, und lief nach Woodstock, um die Soldaten zu Harrison's und Desborough's Rettung herbeizuholen.«

»Und gingen Sie nicht erst hin, um zu sehen, worin die Gefahr bestand?«

»Ei, mein guter Freund, Sie vergessen, daß ich meinen militärischen Posten zu der Zeit, wo Selbstverleugnung gefordert wurde, niederlegte. Es würde sich mit meiner Pflicht als Parlaments-Mitglied nicht vertragen haben, ohne militärische Gewalt unter einem Haufen Räuber herum zu toben. Nein – wenn das Parlament mir befiehlt, mein Schwert in die Scheide zu stecken, Oberst, so habe ich zu viel Ehrerbietung für die Gewalt desselben, um es wieder entblößt zur Hand zu nehmen.«

»Aber das Parlament,« sagte Desborough eilig, befahl Ihnen nicht, Ihre Beine in Bewegung zu setzen, wenn Ihre Hände einen Mann vom Ersticken retten konnten. Potz Teufel, Sie hätten wohl still stehen können, als Sie mein Bett, das oberste zu unterst gekehrt, und mich halb erstickt in den Betttüchern sahen – Sie konnten, sage ich, wohl still stehen, und mir helfen, es wieder in Ordnung zu bringen, statt aus dem Fenster zu springen, wie ein eben geschornes Schaf, sobald Sie durch mein Zimmer gelaufen waren. –

»Ei! mein werther Herr Desborough, « sagte Bletson, indem er Everarden winkte, um ihm zu zeigen, daß er sich mit seinem dickköpfigen Collegen einen Spaß mache, wie konnte ich Ihre besondere Weise im Schlafe kennen – der Geschmack ist ja verschieden – ich habe Leute gekannt, die nicht anders schlafen möchten, als abschüssig unter einem Winkel von 45 Grad.«

»Schon gut, aber hat je ein Mensch, außer durch ein Wunder, auf dem Kopfe stehend geschlafen?« sagte Desborough.

»Nun, was die Wunder betrifft« – sagte der Philosoph, dem Everards Gegenwart mehr Sicherheit gab, so wie die Gelegenheit, über Religion zu spotten, wirklich einigermaßen seine Furcht zerstreute – »diese lasse ich aus dem Spiele, da ich sehe, daß selbst der Augenschein bei solchen Dingen so wenig geeignet ist, Ueberzeugung zu bewirken, als ein Pferdehaar im Stande ist, einen Leviathan ans Land zu ziehen.«

Ein lauter Donnerschlag, oder doch ein eben so furchtbares Geräusch erklang durch das Jagdschloß, so wie der Spötter diese Worte gesprochen hatte, so daß er auf einmal bleich und bewegungslos da stand, und Desborough auf die Kniee fiel, indem er Ausrufungen und Gebete bunt durch einander ausstieß.

»Dahinter steckt etwas!« rief Everard, nahm schnell ein Licht aus einem der Wandleuchter, und stürzte aus dem Zimmer, sich wenig an die Bitten des Philosophen kehrend, der in seiner äußersten Noth ihn bei dem animus mundi beschwor, zur Hülfe eines bedrängten, von Hexen gefährdeten Philosophen, eines von Räubern angegriffenen Parlaments-Mitgliedes, da zu bleiben. Desborough sperrte blos das Maul auf, wie ein Hanswurst in einer Bude, und zweifelhaft, ob er folgen oder bleiben sollte, behielt seine natürliche Trägheit die Oberhand, und er blieb.

Als Everard die Treppe erreicht hatte, stand er einen Augenblick still, um zu erwägen, wohin es wohl am besten sey, sich zu wenden. Im unteren Stockwerk hörte er Alle schnell und laut sprechen, wie Leute, die ihre Furcht übertäuben wollen, und da er sich wohl denken konnte, daß durch Forschungen, die mit solchem Geräusch angestellt wurden, nichts zu entdecken sey, beschloß er, nach einer andern Richtung hinzugehen, und das zweite Stockwerk zu untersuchen, das er eben jetzt erreicht hatte.

Er hatte früher jeden bewohnten und unbewohnten Winkel des Hauses gekannt, und bediente sich jetzt des Lichts, um durch zwei oder drei verwickelte Gänge zu gehen, die er besorgte, nicht ganz genau wieder finden zu können. Dies brachte ihn in eine Art von achteckige Halle, wohin verschiedene Zimmer ihren Ausgang hatten. Unter diesen Thüren wählte Everard die, welche in eine sehr lange, schmale und verfallene Gallerie führte, die zur Zeit Heinrichs VIII. gebaut, längs der ganzen Südwest-Seite des Gebäudes hinlief, und an verschiedenen Punkten mit dem übrigen Theile desselben in Verbindung stand. Dies, meinte er, würde wahrscheinlich der Ort seyn, in welchem sich diejenigen aufhalten würden, die bei dieser Gelegenheit die Geister spielten, besonders da die Länge und Form der Gallerie ihn vermuthen ließ, daß man hier den Donner auf mannichfache Art nachahmen könne.

Entschlossen, womöglich die Wahrheit herauszubringen, stellte er sein Licht auf einen Tisch in die Vorhalle, und schickte sich an, die Thür, die in die Gallerie ging, zu öffnen. – Hier aber fand er einen starken Widerstand, entweder durch einen vorgeschobenen Riegel, oder wie es ihm eher vorkam, durch Jemanden, der von Innen sich seinen Versuchen widersetzte. Dies letzte vermuthete er um so mehr, weil der Widerstand, wie der von menschlicher Kraft erzeugte, bald nachließ, bald erneuert wurde, anstatt ihm den fortwährenden eines leblosen Hindernisses entgegenzustellen. Ob nun wohl Everard ein starker und rüstiger junger Mann war, erschöpfte er doch seine Kraft in dem vergeblichen Versuche, die Thür zu öffnen, und nachdem er eine Weile angehalten hatte, um zu Athem zu kommen, wollte er eben seine Anstrengungen mit Fuß und Schultern wieder erneuern, und zugleich nach Hülfe rufen, als zu seinem Erstaunen bei einem abermaligen leiseren Versuche, wobei er nur wo möglich herausbringen wollte, wo die Hauptkraft des Widerstandes läge, die Thür bei einem ganz geringen Anstoße nachgab, wobei zugleich ein Hinderniß zerbrochen auf die Erde fiel, und die Thür weit aufflog. Der Windstoß, den das plötzliche Auffliegen der Thür veranlaßte, blies das Licht aus, und Everard befand sich in völliger Dunkelheit, ausgenommen da, wo der Mondenschein durch die lange Reihe vergitterter Fenster dunkel und unsicher in die Gallerie hineinschimmerte, die sich in düsterer Länge vor ihm ausdehnte.

Das melancholische und unsichere Zwielicht wurde noch unsicherer durch eine Menge Schlingpflanzen, die, seitdem Alles in diesen alten Hallen vernachlässigt worden, die Gitter überwachsen, und an manchen Stellen völlig verdeckt hatten, indem sie sowohl der Länge als der Queere an den massiven Pfeilern zwischen den Fenstern hinwuchsen. Auf der andern Seite waren gar keine Fenster, und die Gallerie war früher ganz voll Gemälde gewesen, meistens Portraits, die jene Seite des Zimmers schmückten. Die meisten Bilder waren weggeschafft worden, aber die leeren Rahmen einiger, und die zerrissenen Lumpen an andern sah man noch immer längs der wüsten Galerie, die überhaupt so öde und so eingerichtet aussah, Spukereien anzustellen, im Fall etwas Feindliches in seiner Nähe wäre, daß er nicht umhin konnte, am Eingang einen Augenblick inne zu halten, und sich Gott zu befehlen, ehe er mit gezogenem Schwerte in das Zimmer eintrat, und zwar so leise als möglich, und sich immer, so viel er nur konnte, im Schatten haltend.

Markham Everard war keineswegs abergläubisch, aber er hatte die gewöhnliche Leichtgläubigkeit seiner Zeit, und wenn er sich auch nicht leicht von Erzählungen übernatürlicher Heimsuchungen täuschen ließ, so konnte er sich doch des Gedankens nicht erwehren, daß wenn solche Dinge je gestattet würden, er sich gerade in einer Lage befände, wo man sie erwarten könne, indeß sein eigener verstohlner und unsicherer Schritt, seine entblößte Waffe und ausgestreckten Arme, recht eigentlich die Stellung und Gebehrde des Zweifels und Argwohns, in seiner Seele noch das düstere Gefühl vermehrten, welches sie gewöhnlich anzudeuten pflegen, und womit sie immer in Verbindung stehen. Unter so unerfreulichen Eindrücken und der Nähe von etwas Unbefreundetem sich bewußt, war Oberst Everard schon bis auf die Mitte der Gallerie gekommen, als er Jemanden dicht bei sich seufzen hörte, und eine leise, sanfte Stimme seinen Namen aussprach.

»Hier bin ich,« erwiederte er, indem sein Herz schwer und rascher schlug, »wer ruft Markham Everard?«

Ein zweiter Seufzer war die einzige Antwort.

»Sprecht,« sagte der Oberst, »wer oder was Ihr auch seyd, und sagt, in welcher Absicht Ihr hier in diesen Zimmern herumschleicht?»

»Mit einer bessern als die Deine,« erwiederte die sanfte Stimme.

»Als die meine?« antwortete Everard sehr überrascht; »wer bist Du, daß Du meine Absichten zu beurtheilen wagst?«

»Wer oder was bist Du, Markham Everard, der Du beim Mondlicht durch diese wüsten königlichen Hallen wandelst, wo Niemand seyn sollte, als die, die um ihren Fall trauren, oder die sie zu rächen geschworen haben?«

»Es ist – und doch kann es nicht seyn,« sagte Everard; »und dennoch ist es so, es muß seyn. Alexia Lee, es ist ihre Stimme, oder der Teufel selbst muß gesprochen haben. Antworten Sie mir, ich beschwöre Sie – sprechen Sie offen – in welchen gefährlichen Plan haben Sie sich eingelassen? Wo ist Ihr Vater? Warum sind Sie hier? – Warum setzen Sie sich einem so tödtlichen Wagstücke aus? – Sprechen Sie, Alexia Lee, ich beschwöre Sie.«

»Sie, die Du anrufst, ist Meilen weit von hier. Wie, wenn ihr guter Geist in ihrer Abwesenheit spräche? – Wenn nun der Geist ihrer und Deiner Ahnfrau Dich anredete? – Wenn« –

»Oder vielmehr,« antwortete Everard, »wenn nun die Theuerste unter den menschlichen Wesen sich von ihres Vaters Schwärmerei hätte anstecken lassen? Wenn sie sich der Gefahr, ihren Ruf den Lästerzungen aussetzte, indem sie verkleidet und in der Dunkelheit ein mit bewaffneten Männern angefülltes Haus durchwandelt? Sprechen Sie zu mir, schöne Base, in Ihrer eignen Gestalt. Ich bin mit Vollmacht versehen, um meinen Oheim, Sir Heinrich, zu beschützen – um auch Sie, theuerste Alexia, zu sichern, selbst gegen die Folgen dieses träumerischen und wilden Versuchs. Sprechen Sie – ich sehe, wo Sie sind, und kann mit aller meiner Achtung für Sie, nicht somit mir spielen lassen. Vertrauen Sie mir – vertrauen Sie Ihrem Vetter Markham Ihre Hand, und glauben Sie, daß er entweder sterben, oder Sie auf ehrenvolle Weise in Sicherheit bringen wird.«

Während er so sprach, strengte er seine Augen so sehr als möglich an, um zu entdecken, wo die Sprecherin stand, und es war ihm, als sähe er etwa drei Schritte vor sich eine dunkele Gestalt, deren Umrisse er nicht einmal unterscheiden konnte, da sie innerhalb des tiefen Schattens stand, den ein Fensterpfeiler von der Seite des Zimmers herwarf, von wo das wenige Licht eindrang. Er bemühete sich, so gut er konnte, den Raum zwischen sich und dem Gegenstande, dem er auflauerte, auszumessen, überzeugt, daß, wenn er, selbst durch ein wenig Zwang, seine geliebte Alexia von dem Bündniß losmachen könnte, in welches, wie er voraussetzte, ihres Vaters Eifer für die Sache des Königs sie verwickelt, er Beiden den wesentlichsten Dienst erweisen würde. Er konnte nicht umhin zu schließen, daß, wie glücklich auch immer der Plan, den er vermuthete, gegen den furchtsamen Bletson, den einfältigen Desborough und den verrückten Harrison gelungen sey, es dennoch kaum zu bezweifeln stände, daß ihre List auf die Länge denen, die sich darauf eingelassen, Schande und Gefahr bringen müsse.

Man muß zugleich nicht vergessen, daß Everard's Liebe zu seiner Base, so ehrerbietig und hingebend sie auch immer seyn mochte, doch weniger von der sich fern haltenden Verehrung an sich hatte, mit der ein Liebhaber jener Zeit die Dame seines Herzens in schüchterner Demuth verehrte, sondern vielmehr dem zärtlichen und vertraulichen Gefühle eines Bruders für eine jüngere Schwester glich, die er sich berechtigt glaubt zu leiten, ihr zu rathen, und sogar bis auf einen gewissen Grad zu hofmeistern. Ihr Umgang war stets so freundschaftlich und vertraut gewesen, daß er wenig mehr anstand, ihr Fortschreiten auf dem gefährlichen Wege, auf dem sie ihm begriffen schien, zu hemmen, selbst auf die Gefahr, sie einen Augenblick zu beleidigen, als er angestanden haben würde, sie aus einem reißenden Strome oder einem Feuer zu retten, selbst auf die Gefahr, ihr durch heftiges Angreifen wehe zu thun. Dies Alles ging ihm in Zeit von einer Minute durch den Kopf, und er beschloß, in jedem Falle sie auf der Stelle aufzuhalten, und sie womöglich zu einer Erklärung zu zwingen.

In dieser Absicht beschwor Everard seine Base noch einmal ums Himmelswillen, diese eitle und gefährliche Mummerei aufzugeben, und aufmerksam auf ihre Antwort horchend, bemühete er sich aus dem Tone die Entfernung zwischen ihnen so genau als möglich zu berechnen.

»Ich bin nicht die, für welche Du mich hältst,« sagte die Stimme, »und werthere Rücksichten, als ihr Leben oder Tod, gebieten mir, Dich zu warnen, daß Du Dich von hinnen hebest, und diesen Platz verlässest.«

»Nicht eher, bis ich Sie von Ihrer kindischen Thorheit überzeugt habe,« sagte der Oberst, indem er vorwärts sprang, und sich bemühete, die zu ergreifen, die mit ihm sprach, aber er faßte keine weibliche Gestalt. Im Gegentheil erhielt er einen Stoß, der von keinem weiblichen Arme kommen konnte, und derb genug war, ihn der Länge lang auf den Rücken hinzustrecken. Zugleich fühlte er die Spitze eines Degens auf der Kehle, und seine Arme so fest gepackt, daß ihm auch nicht das geringste Vertheidigungsmittel übrig blieb.

»Ein Ruf nach Hülfe,« sagte eine Stimme in seiner Nähe, aber nicht die bisher vernommene, »wird in Deinem Blute erstickt – Du hast nichts Arges zu besorgen –sey klug und schweige.«

Die Todesfurcht, der Everard oft im Schlachtfelde getrotzt hatte, ward graunvoller, als er sich in den Händen unbekannter Mörder fühlte, und aller Vertheidigungsmittel beraubt. Die scharfe Degenspitze fühlte er an dem entblößten Halse, und den Fuß dessen, der ihn hielt, auf seiner Brust. Es bedurfte nur eines einzigen Stoßes, so war es aus mit dem Leben und mit allen den fieberhaften Freuden und Sorgen, die uns so seltsam bewegen, und von denen wir doch so ungern scheiden. Große Schweißtropfen standen auf seiner Stirn – sein Herz schlug, als wollte es die Schranken seiner Brust durchbrechen. – Er erfuhr die Todesangst, welche Furcht dem braven Manne auferlegt, und die in eben demselben Verhältniß, wie eine Krankheit den Gesunden und Kräftigen stärker angreift, um so peinlicher ist.

»Base Alexia« – versuchte er zu sprechen, und die Degenspitze drückte fester – «Base, laß mich nicht auf so fürchterliche Weise morden.«

»Ich sage Dir,« erwiederte die Stimme, »Du sprichst zu einer, die nicht hier ist; aber auf Dein Leben ist es nicht abgesehen, wenn Du nur auf Deinen Glauben als Christ und auf Deine Ehre als Edelmann schwörst, daß Du das, was vorgefallen, vor den Leuten da unten sowohl, als vor jedem Andern verbergen willst. Unter dieser Bedingung magst Du aufstehen, und suchst Du Alexia Lee, so wirst Du sie in Josselins Hütte im Walde finden.«

»Da ich mir nicht anders helfen kann,« sagte Everard, »so schwöre ich bei meinem Gefühle von Religion und Ehre, nichts von dieser Gewaltthat zu entdecken, noch auch denen nachzuforschen, die darin verwickelt sind.«

»Darum kümmern wir uns nicht,« sagte die Stimme, »Du hast ein Beispiel, daß Du selbst dabei in Schaden gerathen kannst; wir aber sind im Stande, Dir Trotz zu bieten. Stehe auf und geh!«

Der Fuß und die Degenspitze wurden weggenommen, und Everard war im Begriff, schnell aufzuspringen, als die Stimme in dem vorherigen sanften Tone sagte: »Uebereile Dich nicht – noch bedroht Dich rings kalter entblößter Stahl. Nun – nun – nun – (diese Worte erschollen immermehr aus der Ferne) – bist Du frei. Sey verschwiegen, so bist Du geborgen.«

Markham Everard stand auf, und stieß beim Aufstehen mit dem Fuße an seinen eignen Degen, den er hatte fallen lassen, als er vorwärts sprang, um, wie er meinte, seine schöne Base zu erfassen. Er hob ihn eiligst auf, und so wie er die Hand an den Griff legte, kehrte sein Muth, der ihn bei der Besorgniß eines schnellen Todes auf einen Augenblick verlassen hatte, wieder zurück, und er bedachte, mit fast gewöhnlicher Fassung, was zunächst zu thun sey. Tief beleidigt durch den Schimpf, den er erlitten hatte, bedachte er sich einen Augenblick, ob er das von ihm erpreßte Versprechen halten oder nicht viele mehr Hülfe herbeirufen und eilen solle, diejenigen zu entdecken und zu ergreifen, die sich solche Gewaltthat erlaubt hatten. Indeß hatten diese Leute, wer sie auch seyn mochten, sein Leben in ihrer Gewalt gehabt. – Er hatte sein Wort verpfändet, um dasselbe zu lösen – und was mehr war, er konnte den Gedanken nicht los werden, daß seine geliebte Alexia, wenn auch nicht Theilnehmerin, doch wenigstens Vertraute des Bundes sey, der ihn so beschämt hatte. Diese vorgefaßte Meinung bestimmte sein Betragen; denn obgleich ihn die Voraussetzung ärgerte, daß sie Mitwisserin des an ihm Verübten sey, so konnte er doch in keinem Fall auf eine Untersuchung des Hauses denken, die ihre Sicherheit oder die seines Oheims hätte gefährden können. »Aber ich will in die Hütte,« sagte er – »ich will sogleich in die Hütte, um mich zu überzeugen, wie viel sie Theil hat an diesem wilden gefährlichen Bunde, und sie, wo möglich, dem Verderben entreißen.«

Als Everard, nachdem er diesen Entschluß gefaßt, sich zurück durch die Gallerie tappte, und die Halle erreichte, hörte er Wildrake's wohlbekannte Stimme seinen Namen rufen: »Heda! – He! – Holla! – Oberst Everard! – Mark Everard! – es ist so dunkel, wie in des Teufels Schlund! – sprich, wo bist Du? – Die Hexen halten hier, glaube ich, ihren höllischen Sabbath! – Wo bist Du?«

»Hier, hier,« antwortete Everard. »Höre nur auf zu schreien. Wende Dich links, so wirst Du mich finden.«

Durch seine Stimme geleitet, erschien Wildrake bald darauf, ein Licht in einer Hand, den bloßen Degen in der andern. »Wo bist Du gewesen?« sagte er – »was hat Dich zurückgehalten? – Bletson und das Vieh Desborough sind bis zum Tode erschrocken, und Harrison tobt wie ein Wahnsinniger, weil der Teufel nicht so höflich seyn will, sich zu zeigen, um mit ihm zu kämpfen.«

»Hast Du nichts gesehen oder gehört, als Du hierher kamst?« fragte Everard.

»Nichts,« sagte sein Freund, »außer daß, als ich zuerst in dieses verwünschte baufällige Labyrinth trat, mir das Licht, wie mit einer Gerte, aus der Hand geschlagen wurde, und ich mußte nach einem andern umkehren.«

»Ich muß sogleich ein Pferd haben, Wildrake, und wo möglich auch eins für Dich.«

»Wir können zwei von denen bekommen, die den Reitern gehören,« antwortete Wildrake. »Aber wozu sollen wir denn, wie Ratten in dieser nächtlichen Zeit davon laufen? – Stürzt das Haus etwa ein?«

»Ich kann Dir nicht antworten,« sagte der Oberst, und eilte vorwärts in ein Zimmer, wo sich noch einiger Hausrath befand.

Hier sahe der Cavalier ihn genauer an, und rief verwundert aus: »Was zum Teufel, Markham! Womit hast Du denn gefochten, das Dich so schlimm ausstaffirt hat?«

»Gefochten?« rief Everard.

»Ja,« erwiederte sein treuer Begleiter, »gefochten, sage ich. Besieh Dich doch im Spiegel.«

Er thats, und sahe sich ganz mit Staube und Blut bedeckt. Letzteres kam daher, weil er beim Ringen, um los zu kommen, sich in die Kehle geritzt hatte. Mit unverstellter Besorgniß lößte Wildrake seines Freundes Halsbinde, und untersuchte mit eifriger Hast die Wunde, wobei seine Hände zitterten, und seine Augen feucht wurden, vor Besorgnis um das Leben seines Wohlthäters.

Als er, ohngeachtet Everards Widerstand, den Schaden untersucht hatte, und ihn so unbedeutend fand, kehrte seine natürliche Ausgelassenheit wieder zurück, vielleicht um so bereitwilliger, da er sich schämte, davon abgewichen zu seyn, und mehr Gefühl ausgedrückt zu haben, als er zeigen wollte.

»Wenn das des Teufels Werk ist, Mark,« sagte er, »so sind die Klauen des bösen Feindes doch nicht ganz so furchtbar, als man sagt; Niemand aber soll sprechen können, daß Dein Blut ungerochen vergossen wurde, so lange Roger Wildrake an Deiner Seite war. Wo hast Du den Kobold gelassen? Ich will zurück ins Schlachtfeld, ihm mit meinem Degen entgegen treten, und wären seine Nägel auch Zehnkreuzernägel, und seine Zähne so lang, wie die einer Egge, so soll er mir doch Genugthuung geben für die Beleidigung, die er Dir angethan hat.«

»Ach Tollheit! – Tollheit!« rief Everard. »Ich ritzte mich ein wenig beim Hinfallen – ein Waschbecken und Handtuch macht das Alles wieder gut. Willst Du mir indes einen Gefallen erweisen, so schaffe mir die Pferde von den Reitern – bestelle sie zum öffentlichen Dienst im Namen Sr. Excellenz des Generals. Ich will mich nur waschen, und bin den Augenblick bei Dir vor dem Thore.«

»Gut, ich will Dir dienen, Everard, wie ein Stummer dem Großherrn, ohne zu wissen, warum oder weßhalb. Aber willst Du fort gehen, ohne mit den Leuten da unten zu sprechen?«

»Ohne mit irgend Jemanden zu sprechen,« sagte Everard; »um Gotteswillen, verliere keine Zeit.«

Wildrake suchte den Corporal auf, und verlangte die Pferde mit einer Amtsmiene, welcher der Corporal ohne Bedenken Gehorsam leistete, indem ihm Oberst Everards Rang wohl bekannt war. So war daher Alles in einer oder zwei Minuten zum Abmarsch bereit.


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