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Dreizehntes Kapitel.


– – Sie kniete; einer Heil'gen gleich
Warf sie die Augen, inbrünstig betend, himmelwärts.

König Richard III.

Oberst Everards Abreise zu einer so späten Stunde, denn dafür galt 7 Uhr Abends damals, erregte viel Vermuthungen. Die niedere und höhere Dienerschaft versammelte sich in dem äußern Zimmer oder der Halle; denn Niemand zweifelte, daß sein plötzliches Wegreiten darum geschehe, weil, wie sie es ausdrückten, er etwas gesehen habe, und Alle wollten gern wissen, wie ein Mann, von so anerkanntem Muthe, als Everard, aussehen möchte, wenn ihn so eben eine Erscheinung in Schrecken gesetzt. Aber er ließ ihnen nicht Zeit, Commentare zu machen, sondern schritt rasch durch die Halle, in seinen Reitermantel gehüllt, schwang sich aufs Pferd, und jagte wie wüthend durch das Gehege der Hütte des Försters Joliff zu.

Markham Everard war von Natur hitzig, heftig, ungeduldig und voll übereilter Entschlossenheit. Die durch Erziehung errungenen Gewohnheiten, durch die strenge sittliche und religiöse Zucht seiner Sekte verstärkt, setzten ihn in den Stand, diese angeborne Heftigkeit zu verbergen und zu unterdrücken, so wie sie ihn auch fähig machten, auf seiner Hut dagegen zu seyn. Aber in dem Strom aufgeregter Leidenschaft pflegte der natürliche Ungestüm des jungen Kriegers zuweilen diese künstlichen Schranken zu durchbrechen, und wurde dann wie ein über ein Wehr hinrauschender Strom nur um so wüthender, als wollte er sich für die Stille rächen, die er eine Zeitlang gezwungen worden, anzunehmen. Bei solchen Gelegenheiten pflegte er nur den Punkt ins Auge zu fassen, auf den seine Gedanken gerichtet waren, und gerade darauf los zu gehen, es mochte nun ein moralischer Gegenstand seyn, oder Erstürmung einer Bresche, ohne daß er die Schwierigkeiten, die vor ihm lagen, berechnete, oder auch nur wahrzunehmen schien.

Jetzt war der Hauptbeweggrund zu seiner Handelsweise, wo möglich seine geliebte Base von den gefährlichen und unrühmlichen Machinationen zurückzubringen, worein er sie verwickelt glaubte, oder andererseits zu entdecken, daß sie wirklich nichts mit diesen Ränken zu thun hatte. Er würde das, wie er meinte, einigermaßen beurtheilen können; je nachdem er sie abwesend oder gegenwärtig in der Hütte fand, auf die er jetzt zu galoppirte. Er hatte allerdings wohl in einer Ballade oder Minnesänger-Erzählung von einem sonderbaren Betruge gelesen, der an einem eifersüchtigen alten Mann, vermittelst einer unterirdischen Verbindung zwischen seinem Hause und dem eines Nachbars war verübt worden, welchen die besagte Dame benutzte, um sich wechselsweise so schnell und so geschickt an beiden Orten zu zeigen, daß nach wiederholten Experimenten der alte Narr zu der Ueberzeugung gebracht wurde, seine Frau, und die Dame, die ihr so sehr glich, und gegen die sein Nachbar sich so aufmerksam erwies, wären zwei verschiedene Personen. Aber in dem gegenwärtigen Falle war eine solche Täuschung nicht denkbar. Die Entfernung war zu groß, und da er bei weitem den nächsten Weg vom Schlosse einschlug, und im vollen Galopp ritt, so war es, so viel er wußte, seiner Base, die selbst am Tage eine schüchterne Reiterin war, nicht möglich, eher als er nach Hause zu kommen.

Ihr Vater mochte freilich verdrießlich über seine Dazwischenkunft werden; aber welch ein Recht hatte er dazu? – War nicht Alexia Lee seine nahe Blutsverwandte, der theuerste Gegenstand seines Herzens, und sollte er jetzt von der Bemühung abstehen, sie vor den Folgen einer albernen und wilden Verschwörung zu retten, weil des alten Ritters üble Laune dadurch geweckt werden konnte, daß Everard, gegen seinen Befehl, in ihrer jetzigen Wohnung erschien? Nein. Er wollte des alten Mannes harte Sprache ertragen, wie das Wehen des Herbstwindes, der um ihn her heulte, und die knarrenden Zweige der Bäume, unter denen er hinritt, wohl hin und her warf, doch aber sich seinem Ritte nicht widersetzen, oder ihn auch nur verzögern konnte.

Wenn er Alexia nicht fand, wie er denn Grund hatte zu glauben, daß sie abwesend seyn würde, so wollte er Sir Heinrich Lee selbst erklären, wovon er ein Zeuge gewesen. Wenn gleich sie sich hatte zu den in Woodstock verübten Gaukeleien verleiten lassen, so war er dennoch fest überzeugt, es müsse ohne ihres Vaters Wissen geschehen seyn, da der alte Ritter ein viel zu strenger Richter und Vertheidiger weiblicher Schicklichkeit und weiblichen Anstandes war. Er wollte, meinte er, dieselbe Gelegenheit ergreifen, um ihm die wohlgegründeten Hoffnungen mitzutheilen, die er hegte, daß sein Aufenthalt in dem Jagdschlosse verlängert, und die Sequestratoren aus der königlichen Domäne entfernt werden könnten, ohne daß man zu dieser abgeschmackten Art, sie einzuschüchtern, seine Zuflucht nähme, welche nur angewendet zu seyn schien, um sie von dort zu verscheuchen.

Dies Alles schien so sehr innerhalb der Gränzen seiner Pflicht als Verwandter zu liegen, daß erst, als er vor der Thür der Förstershütte Halt machte, und den Zügel in Wildrake's Hand warf, Everard sich des hitzigen, stolzen und ungebeugten Charakters Sir Heinrich Lee's erinnerte, und als er eben die Hand an die Thürklinke legte, ein Widerstreben fühlte, sich bei dem reizbaren alten Ritter einzudrängen.

Aber es war keine Zeit mehr zu zögern. Bevis, der schon mehr als einmal in der Hütte gebellt hatte, wurde ungeduldig, und Everard hatte nur eben Zeit, Wildraken zu sagen, er möchte die Pferde halten, bis er ihm Josselin zu Hülfe schickte, als die alte Hanne die Thür aufmachte, um zu fragen, wer bei nächtlicher Zeit draußen wäre. Irgend etwas einer Antwort ähnliches bei der armen Mutter Hanne zu versuchen, wäre vergebliche Mühe gewesen; der Oberst schob sie daher leise bei Seite, und machte sich von ihr los, da sie ihn am Mantel packte, und trat in die Küche von Josselins Wohnung. Bevis, der herangekommen war, um der Alten in ihrem Widerstande beizustehen, demüthigte seine Löwengestalt mit dem wundersamen Instinkt, mit welchem diese Thiere sich so lange noch derer erinnern, mit denen sie vertraut gewesen, und erkannte seines Herrn Verwandten auf seine Weise durch Huldigung mit Kopf und Schwanz an.

Oberst Everard, immer ungewisser in seinem Vorhaben, jemehr die Nothwendigkeit der Ausführung näher rückte, schlich über den Flur hin, wie einer, der in ein Krankenzimmer tritt, und indem er die Thür des inneren Zimmers mit langsamer und zitternder Hand öffnete, wie er die Vorhänge eines sterbenden Freundes weggezogen haben würde, erblickte er im Innern die Scene, die wir jetzt beschreiben wollen.

Sir Heinrich Lee saß in einem von Binsen geflochtenen Lehnstuhle am Feuer. Er war in einen Mantel gehüllt, und seine Beine ruhten ausgestreckt auf einem Fußschemel, als litt er an der Gicht oder sonst einer Krankheit. Sein langer, über einen dunkelfarbigen Anzug herabfließender weißer Bart gab ihm mehr das Ansehn eines Einsiedlers, als das eines alten Kriegers oder Mannes vom Stande; was noch durch die tiefe Andacht vermehrt wurde, mit der er einem ehrwürdigen alten Manne zuhörte, dessen abgetragene Kleidung noch einigermaßen den geistlichen Stand andeutete, und der mit leiser, aber voller und tiefer Stimme den Abendsegen nach dem-Ritus der englischen Kirche las; Alexia Lee kniete zu den Füßen ihres Vaters, und sang die Antworten mit einer Stimme, die zu dem Chor der Engel gepaßt hätte, und mit einer sittsamen und ernsten Andacht, die mit dem Wohllaut ihrer Töne übereinstimmte. Das Gesicht des Geistlichen hätte gutmüthig ausgesehen, wäre es nicht durch ein schwarzes Pflaster, das ihm das linke Auge und einen Theil des Gesichtes verdeckte, entstellt worden, und hätten die noch sichtbaren Züge nicht zu viel Spuren von Sorge und Leiden verrathen.

Als Oberst Everard eintrat, erhob der Geistliche den Finger, um ihn zu warnen, den Abendgottesdienst nicht zu stören, und zeigte auf einen Sitz, wohin, tief ergriffen von der eben erblickten Scene, der Eintretende mit so leisem Schritte als möglich hinschlich und andächtig niederkniete, als gehöre er zu der kleinen Gemeinde.

Everard war von seinem Vater als ein sogenannter Puritaner erzogen worden; ein Mitglied einer Sekte, die in dem ursprünglichen Sinne des Wortes keine Einwendungen gegen die Lehren der englischen Kirche machte, noch auch sogar in jeder Beziehung gegen die Hierarchie derselben, sondern vorzüglich von ihr abwich, in Hinsicht gewisser Ceremonien und Formen des Ritual, auf welche der berühmte und unglückliche Laud William Laud oder Lawd, geb. zu Reading in Berckshire den 7ten October 1573, wurde vom König Jacob I, der ihm anfangs sehr abgeneigt gewesen, 1621 zum Bischoff von St. David, 1628 zum Bischoff von London und 1633 zum Erzbischoff von Canterbury ernannt. Sorgfältig bemüht, die königliche Macht zu befördern und Gleichförmigkeit des Gottesdienstes in der englischen Kirche, durch Einführung einer allgemeinen Liturgie, zu bewirken, erregte er bei Vielen den Verdacht, daß er König Karl I gerathen, den katholischen Lehrbegriff wieder einzuführen. Er wurde deshalb, während des langen Parlaments, 1640 gefangen gesetzt und 1644 enthauptet. Anm. d. Uebers. mit unzeitiger Hartnäckigkeit bestand. Aber selbst wenn, nach der angenommenen Gewohnheit in seines Vaters Hause, Everards Meinungen geradezu den Lehren der englischen Kirche entgegen gewesen wären, so hätte die Regelmäßigkeit, mit welcher der Gottesdienst im häuslichen Kreise seines Oheims zu Woodstock verrichtet wurde, der in seiner glücklichen Zeit gewöhnlich zu diesem Zwecke einen Capellan im Jagdschlosse hatte, ihn damit aussühnen müssen.

Doch so tief auch die durch Gewohnheit erzeugte Verehrung war, mit der er den Gottesdienst mit anhörte, konnten doch Everards Augen nicht umhin, nach Alexia hinzuschweifen, so wie seine Gedanken sich auf den Zweck seines Hierseyns zu wenden. Sie schien ihn gleich erkannt zu haben; denn eine tiefere Glut färbte ihre Wangen, ihre Hand zitterte, wenn sie ein Blatt im Gebetbuche umschlug, und ihre Stimme, vorher so fest, als melodisch, ward beim Wiederholen der Antworten unsicher. Es schien auch Everarden, so viel es ihm nach den verstohlenen Blicken, die er hinrichtete, zu beurtheilen möglich war, als ob der Charakter ihrer Schönheit, wie ihr Aeußeres überhaupt, mit ihrer Lage sich geändert habe.

Die schöne, im hohen Stande geborne junge Dame kam jetzt in ihrem Anzuge dem eines gewöhnlichen Dorfmädchens so nahe als möglich; was sie aber dadurch an heiterer Ausschmückung verloren hatte, schien sie an Würde gewonnen zu haben. Ihre schönen, lichtbraunen Haarflechten, die jetzt um ihren Kopf geschlungen, nur einige natürliche Locken bildeten, gaben ihr ein Ansehn edler Einfachheit, das sie nicht hatte, als ihr Kopfputz noch die Geschicklichkeit einer Kammerfrau beurkundete. Jene muntere, fröhliche Miene, mit einem etwas launigen Ausdruck, die sich nach Vergnügen umzusehen schien, war gewichen, als Trübsal sie betroffen und eine ruhige Schwermuth an die Stelle getreten, die darauf zu sinnen schien, wo sie Andern Trost gewähren könne. Vielleicht hatte der frühere muthwillige, obwohl unschuldige Ausdruck ihres Gesichts ihrem Geliebten zunächst vor Augen gestanden, als er schloß, daß Alexia eine Rolle bei den Unruhen im Jagdschlosse gespielt habe. Gewiß ist, daß, als er sie jetzt ansahe, er sich schämte, einen solchen Verdacht gehegt zu haben, und eher zu glauben beschloß, der Teufel habe ihre Stimme nachgeahmt, als daß ein Wesen, das so sehr über die Gefühle dieser Welt erhaben, und so nahe mit der Reinheit einer andern Welt verwandt sey, so unzart seyn sollte, sich in Dinge einzulassen, wie sie ihm und Andern begegnet waren.

Diese Gedanken gingen ihm durch den Sinn, trotz der Unschicklichkeit, ihnen in einem solchen Augenblick nachzuhängen. Der Gottesdienst nahete sich nun dem Schluß, und zum großen Erstaunen sowohl, als zur Beschämung des Obersten Everard, betete der Priester in festem und hörbarem Tone und mit aller möglichen Würde zu dem Allmächtigen: »Unsern regierenden Herrn, den König Karl, den gesetzlichen und unzweifelhaften König dieser Reiche, zu segnen und zu erhalten.« Das in diesen Zeiten höchst gefährliche Gebet wurde mit voller, lauter Stimme deutlich ausgesprochen, gleich als ob der Priester Alle, die es hörten, herausforderte, gegen ihn aufzutreten. Stimmte der republikanische Offizier auch gleich nicht in das Gebet ein, so meinte er doch wenigstens, es sey jetzt keine Zeit, dagegen zu protestiren.

Der Gottesdienst wurde, auf die gewöhnliche Weise beschlossen, und die kleine Gemeinde stand auf. Jetzt gehörte auch Wildrake dazu, der während des letzten Gebets hereingetreten war, und jetzt zuerst sprach, indem er zu dem Priester lief, ihm die Hand herzlich schüttelte, und zugleich schwur, er freue sich wahrhaft, ihn zu sehen. Der gute Geistliche erwiederte den Druck mit einem Lächeln, und bemerkte dabei, er würde seine Versicherung auch ohne einen Schwur geglaubt haben. Unterdessen nahte sich Oberst Everard dem Sitz seines Oheims, und verneigte sich tief und ehrerbietig erst gegen Sir Heinrich Lee, dann vor Alexia, deren ganzes Gesicht jetzt eine glühende Röthe übergoß.

»Ich muß um Entschuldigung bitten,« sagte der Oberst zögernd, »daß ich zu meinem Besuche, den ich wohl zu keiner Zeit als angenehm voraussetzen darf, eine so besonders unpassende Zeit gewählt habe.«

»Ganz im Gegentheil, Neffe,« antwortete Sir Heinrich, viel milder, als Everard erwartete, »würden Eure Besuche auch zu anderer Zeit viel willkommner seyn, wenn wir das Glück hätten, Euch öfter in unsern Andachtsstunden zu sehen.«

»Ich hoffe, die Zeit wird bald kommen,« erwiederte Everard, »wo Engländer von allen Sekten und allen Benennungen die Freiheit haben werden, nach ihrem Gewissen den großen Vater anzubeten, den sie Alle auf ihre Weise bei diesem liebevollen Namen nennen.«

»Das hoffe ich auch, Neffe,« sagte der alte Mann in demselben unveränderten Tone, »und wir wollen jetzt nicht darüber streiten, ob Ihr wollt, daß die englische Kirche sich nach dem Convent fügen soll, oder der Convent nach der Kirche. Es war, denke ich, wohl nicht, um streitige Glaubenspunkte auszumachen, daß Ihr unsere arme Wohnung wieder beehrt, wo, die Wahrheit zu sagen, wir kaum erwarten durften, Euch wieder zu sehen, da unser letzter Willkommen sogar unfreundlich war.«

»Es würde mich glücklich machen, wenn ich glauben dürfte,« sagte Oberst Everard zögernd, »daß – daß – nun daß meine Gegenwart jetzt hier nicht so unwillkommen wäre, als bei jener Gelegenheit.«

»Neffe,« sagte Sir Heinrich, »ich will aufrichtig gegen Euch seyn. Als Ihr das letzte Mal hier waret, meinte ich, Ihr hättet mir eine kostbare Perle gestohlen, die es früher einmal mein Stolz und mein Glück gewesen wäre, Euch zu ertheilen, die ich aber, seitdem Ihr so seyd, wie jetzt, lieber in die Tiefe der Erde vergraben, als Euch aufzubewahren geben möchte. Dieß erhitzte einigermaßen, wie der ehrliche Wilhelm sagt, »den raschen Sinn, den meine Mutter mir gab.« Ich hielt mich für beraubt, und glaubte den Räuber vor mir zu sehen. Ich irrte mich – ich bin nicht beraubt, und den Versuch ohne die That kann ich verzeihen.«

»Ich möchte nicht gern etwas Beleidigendes in Ihren Worten suchen, Herr,« sagte Oberst Everard, »da sie im Allgemeinen gütig klingen; aber ich kann im Angesicht des Himmels betheuren, daß meine Absichten und Wünsche gegen Sie und Ihre Familie so frei sind von selbstsüchtigen Hoffnungen und selbstsüchtigen Zwecken, als voll von Liebe gegen Sie und die Ihrigen.

»So lasset sie denn hören; wir sind heut zu Tage nicht sehr an gute Wünsche gewöhnt, und gerade ihre Seltenheit wird sie um so willkommner machen.«

»Ich möchte gern, Sir Heinrich, da Sie mir wohl nicht gestatten werden, Ihnen einen zärtlicheren Namen zu ertheilen, diese Wünsche in etwas Wirksames zu Ihrem Wohlseyn verwandeln, Ihr Schicksal ist, so wie es jetzt in der Welt steht, schlimm, und könnte, fürchte ich, leicht noch schlimmer werden.«

»Schlimmer, als ichs erwarte, kann es nicht seyn. Neffe, ich schaudere nicht zurück vor meinem Glückswechsel. Ich werde gröbere Kleider tragen – gemeinere Speise essen – die Menschen werden nicht ihre Mütze vor mir abnehmen, wie sie pflegten, als ich noch der Große und Reiche war. Was ists nun weiter? Der alte Heinrich Lee hatte seine Ehre lieber, als seinen Titel, seine Treue lieber, als seine Ländereien und seine Herrschaft. Habe ich nicht den 30sten Januar erlebt? Ich bin weder ein Grübler noch ein Sterndeuter, aber der alte Wilhelm lehrt mich, daß wenn das grüne Laub abfällt, der Winter in der Nähe ist, und die Dunkelheit einbrechen wird, wenn die Sonne untergeht.«

»Bedenken Sie, Herr,« sagte Oberst Everard, »wenn ohne Unterwerfung, noch Eid, noch irgend eine ausgesprochene oder schweigend übernommene Verpflichtung, das abgerechnet, daß Sie nicht den öffentlichen Frieden stören wollen, Ihnen Ihr Aufenthalt im Jagdschlosse und Ihre gewöhnlichen Einkünfte daselbst wieder gestattet werden sollten – ich habe große Ursache zu der Hoffnung, daß Ihnen dieß erlaubt würde, wenn es auch nicht gerad so ausgesprochen wird.«

»Ja, ich verstehe Euch, ich soll behandelt werden, wie die königliche Münze, die mit dem Stempel des Rumpfs Ein gewöhnlicher Name, den das Volk dem langen Parlamente gab. bezeichnet wird, um sie gangbar zu machen, obwohl ich nun zu alt bin, als daß der königliche Stempel ganz von mir abgeschabt werden könnte? Neffe, ich will das nicht. Ich bin nur zu lange schon in dem Schlosse geblieben, und muß Euch sagen, ich hätte es schon längst voll Verachtung verlassen, ohne die Befehle desjenigen, dem ich wohl noch einen Dienst leisten könnte. Von den Usurpatoren mag ich nichts haben, ihr Name mag nun Rumpf oder Cromwell seyn – sie mögen aus Einem Teufel oder aus einer Legion bestehen – auch nicht einmal eine alte Mütze, um meine grauen Haare damit zu bedecken – nicht einen weggeworfenen Mantel mag ich haben, um meine gebrechlichen Glieder gegen die Kälte zu schützen. Sie sollen nicht sagen, daß sie durch erzwungene Wohlthaten Abraham reich gemacht haben – ich will leben und sterben als der treue Lee.«

»Darf ich hoffen, daß Sie es überlegen wollen, und daß Sie vielleicht, wenn Sie bedacht haben, wie wenig gefordert wird, mir eine günstigere Antwort ertheilen?«

»Wenn ich meine Meinung zurücknehme, was ich nicht eben pflege, so sollt Ihr es hören – und nun, Vetter, habt Ihr noch etwas zu sagen? Wir halten den würdigen Geistlichen zu lange im vorderen Zimmer auf.«

»Ich hätte wohl etwas zu sagen – etwas über meine Base Alexia,« sagte Everard verlegen; »aber ich fürchte, die Vorurtheile beider sind so stark gegen mich« –

»Ich kann meine Tochter allein mit Euch lassen – ich will zu dem guten Pfarrer in Mutter Hannens Zimmer gehen. Es ist mir recht lieb, wenn Ihr sehet, daß das Mädchen in allen vernünftigen Dingen ihren freien Willen hat.«

Er ging, und ließ die jungen Leute mit einander allein.

Oberst Everard näherte sich Alexia'n und wollte ihre Hand ergreifen. Sie zog dieselbe zurück, nahm den Sitz ihres Vaters ein, und wies ihm einen andern in einiger Entfernung an.

»Sind wir denn einander so fremd geworden, meine theuerste Alexia?« sagte er.

»Davon wollen wir nachher sprechen,« erwiederte sie. »Zuerst lassen Sie mich nach der Ursache Ihres Besuchs hier in einer so späten Stunde fragen.«

»Sie haben gehört,« sagte Everard, « was ich Ihrem Vater darüber angab.«

»Das habe ich, doch schien dieß nur ein Theil Ihres Anliegens zu seyn – es schien noch etwas dabei besonders auf mich sich zu beziehen.«

»Es war Einbildung – ein seltsamer Irrthum,« antwortete Everard. »Darf ich Sie fragen, ob Sie heute außer dem Hause gewesen sind?«

»Ganz gewiß nicht,« erwiederte sie, »ich habe wenig Versuchungen meine jetzige Wohnung zu verlassen, so ärmlich sie auch ist; und so lange ich hier bin, habe ich wichtigeren Pflichten vorzustehen. Aber warum thut Oberst Everard eine so seltsame Frage?«

»Sagen Sie mir dagegen, warum Ihr Vetter Markham den Namen verloren hat, den Freundschaft, Verwandtschaft, ja sogar ein noch innigeres Gefühl ihm gab, dann will ich Ihnen antworten, Alexia.«

»Das ist bald beantwortet,« sagte sie. »Als Sie Ihr Schwert gegen meines Vaters Sache zogen – fast gegen seine Person – strebte ich mehr, als ich wohl sollte, eine Entschuldigung für Sie zu finden. Ich kannte Ihr hohes Gefühl für Vaterlandspflichten, oder vielmehr, glaubte es zu kennen – ich wußte, in welchen Meinungen Sie auferzogen waren, und ich sagte: Ich will auch deshalb ihn noch nicht verwerfen – er widersetzt sich seinem Könige, weiter treu gegen sein Vaterland ist. Sie bemühten sich, das große Schlußtrauerspiel vom 30sten Januar zu verhindern, und das bestärkte mich in meiner Meinung, daß Markham Everard irre geleitet werden, aber nicht niedrig oder selbstsüchtig seyn könne.«

»Und was hat Ihre Meinung geändert, Alexia? Oder wer wagte es,« sagte Everard erröthend, »dem Namen Markham Everard solche Benennungen beizufügen?«

»Ich bin kein Gegenstand, an dem Sie Ihre Tapferkeit üben können, Oberst Everard, auch ist es meine Absicht nicht, Sie zu beleidigen. Aber Sie werden Andere genug finden, welche behaupten, daß Oberst Everard sich vor dem Usurpator Cromwell demüthigt, und daß sogar sein schönes Vorgeben, die Freiheiten seines Vaterlandes zu schützen, nur ein Schirm ist, hinter welchem er mit dem glücklichen Usurpator einen Handel schließen will, und für sich und seine Familie die besten Bedingungen zu erhalten sucht.«

»Für mich – nimmermehr!«

»Aber doch für Ihre Familie. – Ja, man versichert mir sogar, daß Sie dem militärischen Tyrannen den Weg angedeutet haben, auf dem er und seine Satrapen sich der Regierung bemeistern könnten. Glauben Sie, mein Vater oder ich könnte einen Zufluchtsort annehmen, der auf Kosten von Englands Freiheit und Ihrer Ehre erkauft wäre?«

»Gütiger Himmel, Alexia, was ist das? Sie werfen mir vor, dieselbe Bahn zu verfolgen, die so kürzlich noch Ihren Beifall hatte?«

»Als Sie im Auftrage Ihres Vaters sprachen, und uns Unterwerfung an die bestehende Regierung empfahlen, wie sie nun eben war; so gestehe ich, ich meinte – meines Vaters graues Haupt könne wohl ohne Unehre unter dem Dache bleiben, wo es so lange Schutz gefunden hatte. Aber billigte Ihr Vater es auch, daß Sie der Rathgeber jenes ehrgeizigen Kriegers zu einer Bahn von Neuerungen werden, und ihn in Begründung einer neuen Tyrannei unterstützen sollten? – Es ist etwas Anderes, sich der Unterdrückung zu unterwerfen, als ein Diener von Tyrannen – und, o Markham – ihr Spürhund zu seyn!«

»Wie! Spürhund? – Was meinen Sie? – Ich gestehe es, ich wollte gern die Wunden dieses blutenden Landes gestillt sehen, selbst auf die Gefahr hin, daß Cromwell, nachdem er so unerhört emporgestiegen, der Gewalt noch um einen Schritt näher träte; – aber sein Spürhund zu seyn! was meinen Sie damit?«

»So ist es denn falsch? – Hätte ich doch gleich darauf schwören wollen, daß es falsch wäre.«

»Aber was denn, um Gotteswillen?«

»Ist es falsch, daß Sie sich anheischig gemacht haben, den jungen König von Schottland zu verrathen?«

»Ihn verrathen? Ich ihn oder irgend einen Flüchtling verrathen? Nimmermehr! Ich wollte, er wäre glücklich aus England hinaus – ich würde ihm beistehen, zu entkommen, wäre er in diesem Augenblicke im Hause, und meine, ich thäte seinen Feinden einen guten Dienst, wenn ich sie verhinderte, sich mit seinem Blute zu besudeln – aber ihn verrathen, nimmermehr!«

»Ich wußte es – ich war von der Unmöglichkeit überzeugt. O seyn Sie noch redlicher, machen Sie sich los von jenem finstern, ehrgeizigen Krieger, meiden Sie, ihn und seine Pläne, die mit Ungerechtigkeit begannen, und nur durch noch mehr Blutvergießen ausgeführt werden können.«

»Glauben Sie mir,« erwiederte Everard, »ich wähle den Weg, der sich am besten für die Zeiten schickt.«

»Wählen Sie den,« sagte sie, »der sich am besten mit der Pflicht verträgt, Markham – am besten mit der Wahrheit und der Ehre. Thun Sie Ihre Pflicht, und dann mag die Vorsehung das Uebrige entscheiden. – Leben Sie wohl! Wir prüfen meines Vaters Geduld zu sehr. – Sie kennen ihn – leben Sie wohl, Markham.«

Sie streckte ihre Hand aus, die er an seine Lippen drückte und dann das Zimmer verließ. Eine schweigende Verneigung gegen seinen Oheim, und ein Wink an Wildrake, den er in der Küche der Hütte fand, waren das einzige, das er zu erkennen gab, und aus der Hütte schreitend, bestieg er sein Pferd und kehrte mit seinem Begleiter nach dem Jagdschlosse zurück.


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