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Zehntes Kapitel.


– Zwei Körper haben Einen Kopf! –
Der Ochs mit Doppelkopf bleibt immer nur
Ein Esel gegen solch ein großes Wunder.
Nur Eine Meinung, Ein Gedank' und Rath
Beseelet beid', und spricht der Eine Kopf,
So stimmen gleich vier Füße scharrend ein.

Alt Schauspiel.

In der dicken Gestalt des ehrlichen Bürgermeisters gewahrte man eine Mischung von geschäftiger Wichtigkeit und Verlegenheit, gleich dem Benehmen eines Menschen, der wohl weiß, daß er eine wichtige Rolle zu spielen hat, wenn er nur genau herausbringen könnte, worin eigentlich diese Rolle besteht. Zu diesen beiden Gefühlen gesellte sich noch viel Vergnügen, als er Everard sahe, und er wiederholte mehr als einmal seine Begrüßungen und sein Willkommen, ehe man ihn dahin bringen konnte, auf eine Antwort zu hören.

»Guter, würdiger Oberst! Sie sind wirklich zu allen Zeiten ein erwünschter Anblick zu Woodstock, da Sie gewissermaßen fast zu unsrer Stadt gehören, weil Sie so viel und lange im Schlosse gewohnt haben. Wahrlich, die Sache fängt an, über meinen Horizont hinauszugehen, obwohl ich doch die Angelegenheiten dieses schönen Fleckens schon manchen Tag besorgt habe, und Sie kommen mir nun zu Hülfe, wie – wie«

»Tanquam Deus ex machina, wie der moralische Dichter sagt,« rief Herr Holdenough, »obwohl ich dergleichen Bücher nicht oft anführe. – Wirklich Herr Markham Everard – oder vielmehr würdiger Oberst, wie ich wohl eigentlich sagen sollte, Sie sind wohl der willkommenste Mann, der seit den Zeiten des Königs Heinrich nach Woodstock gekommen ist.«

»Ich hätte etwas mit Ihnen zu besprechen, mein guter Freund,« sagte der Oberst, sich an den Bürgermeister wendend, »und es soll mich freuen, wenn ich zugleich Gelegenheit finde, Ihnen oder Ihrem würdigen Pastor einen Gefallen zu erweisen.«

»Unstreitig können Sie das,« unterbrach Herr Holdenough, »Sie haben das Herz und zugleich die Hand, und uns mangelt es sehr an gutem Rathe, und das von einem Manne, der etwas vermag. Ich weiß sehr wohl, mein werther Herr Oberst, daß Sie und Ihr würdiger Vater sich stets in diesen Fehden als Männer von wahrhaft christlichem und mäßigem Geiste benommen haben, daß Sie sich bemüht haben, Oel in die Wunden des Landes zu gießen, die Andere gern mit Vitriol und Pfeffer gerieben hätten, und wir wissen auch, daß Sie treue Kinder der Kirche sind, die wir von ihren papistischen Prälatensätzen reformirt haben.«

»Mein guter, ehrwürdiger-Freund!« sagte Everard, »ich ehre den frommen Sinn und die Gelehrsamkeit mancher Ihrer Lehrer, aber ich bin auch dafür, Allen Gewissensfreiheit zu lassen. Weder unterstütze ich Sekten, noch wünsche ich Anhänger derselben gewaltsam unterdrückt zu sehen.«

»Herr! Herr!« sagte der Presbyterianer hastig, »das Alles klingt recht schön, aber ich wünschte auch, Sie bedächten, was wir bei den Irrthümern, Lästerungen und Spaltungen, deren täglich mehr werden in der Kirche und dem Königreich England, wahrscheinlich für ein sauberes Land und eine saubere Kirche bekommen werden, so daß der würdige Herr Edwards in seiner Gangrena erklärt, unser Vaterland sey nahe daran, der wahre Abzugsgraben und Hauptpfuhl aller Spaltungen, Ketzereien, Lästerungen und Verwirrungen zu werden, gleichwie Hannibals Armee der Auswurf aller Nationen war – Colluvies omnium gentium. – Glauben Sie mir, würdiger Oberst, die Mitglieder des verehrlichen Parlaments sehen dies. Alles nur oberflächlich durch die Finger an, gleichwie der alte Eli. Diese Lehrer, die Schismatiker, verdrängen die rechtgläubigen Diener Gottes aus ihren Kanzeln, drängen sich in Familien und stören den Frieden derselben, indem sie die Herzen der Menschen von dem begründeten Glauben abwendig machen.«

»Mein guter Herr Holdenough,« erwiederte der Oberst, indem er den eifrigen Prediger unterbrach, »wir haben allerdings Grund, diese unglückliche Zwietracht zu beklagen, und ich stimme Ihrer Meinung bei, daß der feurige Geist der jetzigen Zeit die Gemüther der Menschen von mäßig gesinnter und aufrichtiger Religion, wie von Anstand und gesunder Vernunft entrückt hat; aber alles, was wir hierbei thun können, ist, uns in Geduld zu fassen. Schwärmerei ist ein Bergstrom, der schon zu seiner Zeit verbraust, aber gewiß jede Schranke niederreißt, die man ihm geradezu entgegen stellt. Was haben aber diese schismatischen Vorfälle mit unserm jetzigen Vorhaben zu schaffen?«

»Theils Folgendes, Herr,« sagte Holdenough, »obwohl vielleicht Sie die Sache für geringer halten werden, als ich es vor unsrer Zusammenkunft glaubte. – Ich selbst – ich, Nehemias Holdenough, wurde mit Gewalt aus meiner Kanzel verdrängt, wie einer, der aus seinem eigenen Hause geworfen wird, und zwar von einem Fremden, einem Usurpator, einem Wolf, der sich nicht einmal die Mühe gab, Schafskleider anzulegen, sondern in seinem eigenthümlichen Wolfsanzuge, mit Koller und Bandelier kam, und an meiner Stelle den Leuten einen Vortrag hielt, deren Verhältniß zu mir, wie das einer Heerde zu ihrem gesetzlichen Hirten ist. Es ist nur zu wahr, Herr! – der Herr Bürgermeister sah es auch, und bemühte sich, so viel an ihm war, die Sache zu verhindern, obwohl (indem er sich zu dem Bürgermeister wandte) es mir immer noch so vorkömmt, als hätten Sie wohl etwas mehr thun können.«

»Lassen Sie es doch gut seyn, lieber Herr Holdenough, und kommen Sie nicht noch einmal darauf zurück,« sagte der Bürgermeister. »Guy oder Guido von Warwick Guido von Warwick, gewöhnlich der englische Herkules oder Goliath genannt, lebte, der Sage nach, im 10ten Jahrhundert, und verrichtete große Heldenthaten gegen die Dänen. So erlegte er einen großen Riesen von dieser Nation, Namens Colbrand, bei der Stadt Winchester, so wie einen wilden Eber, der die Gegend von Coventry verheerte. Als er seines Lebens Ende herannahen fühlte, zog er sich an einen einsamen Ort, Goycliff oder Gibcliff bei Warwick zurück, und starb daselbst kurze Zeit darauf. Die spätere Zeit ehrte sein Andenken durch Denkmäler und Lieder. – Weniger gewiß sind die Sagen von Bevis von Hampton, der um hundert Jahr später lebte. Anm. d. Uebers. oder Bevis von Hampton konnten wohl etwas mit dieser Brut anfangen, aber wahrlich, für den Bürgermeister von Woodstock sind sie in zu großer Menge und zu stark.«

»Der Herr Bürgermeister spricht, wie ich meine, sehr verständig,« sagte der Oberst, »wenn man den Independenten nicht gestattet, zu predigen, so werden sie, fürchte ich, auch nicht kämpfen wollen, und was wäre es dann, wenn die Cavaliere noch einmal aufstehen sollten?«

»Es können sich noch schlimmere Leute erheben, als Cavaliere,« sagte Herr Holdenough.

»Wie, Herr!« entgegnete Oberst Everard, »erlauben Sie mir, Sie zu erinnern, Herr Holdenough, daß dies bei dem gegenwärtigen Zustande der Nation eine gefährliche Sprache ist.«

»Ich sage,« rief der Presbyterianer, »daß sich schlimmere Leute erheben können, als Cavaliere, und ich will auch beweisen, was ich gesagt habe. Der Teufel ist schlimmer als der schlimmste Cavalier, der je eine Gesundheit trank, oder einen Fluch ausstieß – und der Teufel hat sich im Woodstocker Jagdschloß erhoben.«

»Ja, wahrlich, das hat er,« sagte der Bürgermeister, »verkörpert und sichtbar, in leibhaftiger Gestalt – es ist eine furchtbare Zeit, in der wir leben.«

»Meine Herren, ich weiß in der That nicht, wie ich Sie zu verstehen habe,« sagte Everard.

»Je nun, eben wegen des Teufels kamen wir her, mit Ihnen zu sprechen,« sagte der Bürgermeister, »aber der würdige Prediger ist immer so hitzig, wenn von Sektirern die Rede ist.« –

»Sie sind auch des Teufels Brut und nahe mit ihm verwandt,« sagte Herr Holdenough. »Aber wahr ist es, daß das Aufwachsen dieser Sekten den Bösen selbst auf die Oberfläche der Erde gebracht hat, damit er seinen Vortheil wahrnehme, wo es ihm am Besten gelingen will.«

»Herr Holdenough!« sagte der Oberst, »wenn Sie figürlich sprechen, so habe ich Ihnen schon gesagt, daß ich weder hinreichende Mittel noch Geschicklichkeit besitze, diesen religiösen Brand zu löschen. Wollen Sie aber damit sagen, daß der Teufel wirklich erschienen ist, so würden Sie, glaube ich, mit Ihren Lehrsätzen und Ihrer Gelehrsamkeit eher gegen ihn auftreten können, als ein Krieger, wie ich.«

»Sehr wahr, Herr! Auch habe ich so viel Zutrauen zu dem Amte, das ich bekleide, daß ich unverzüglich gegen den bösen Feind ins Feld rücken würde. Nur ist der Ort, in welchem er zuletzt erschien, nämlich Woodstock, mit jenen gefährlichen und gottlosen Leuten angefüllt, über die ich eben jetzt Klage führte; und obwohl ich es wagen wollte, mich mit ihrem Großmeister selbst in eine Disputation einzulassen, so seh ich doch nicht recht ein, wie ich ohne Ihren Schutz, würdigster Herr Oberst, mich klüglich in die Nähe des stoßenden und durchbohrenden Ochsen Desborough, des blutigen und verschlingenden Bären Harrison, oder der kalten vergiftenden Schlange Bletson begeben darf – welche Alle jetzt im Jagdschlosse sind, zügelloses Wesen treibend, und Beute machend, wie es ihnen gut dünkt; und wie alle Leute sagen, ist der Teufel als Vierter unter sie gekommen.«

»Ja wahrhaftig, mein würdiger und edler Herr,« sagte der Bürgermeister, »es ist gerade so, wie Herr Holdenough sagt. – Unsere Privilegien werden für Null und nichtig erklärt. Unser Vieh mitten auf den Weideplätzen aufgegriffen. Man spricht davon, das schöne Jagdgehege niederzureißen, das so lange die Freude mancher Könige war, und Woodstock so unbedeutend zu machen, wie jedes lumpige Dorf. Ich kann Ihnen versichern, wir hörten mit Freuden von Ihrer Ankunft, und wunderten uns, daß Sie so in Ihrem Zimmer blieben, Wir kennen. Niemand, außer Ihrem Vater oder Sie, der uns armen Bürgern wohl in dieser Noth beistände; denn fast alle Edelleute in der Gegend umher sind übelgesinnt und stehen unter Sequester. Wir hoffen daher, Sie werden sich kräftig für uns verwenden.«

»Ganz gewiß, Herr Bürgermeister,« sagte der Oberst, der es gern sah, daß Andere ihm zuvorkamen. »Es war schon vorher mein Plan, in diese Sache einzugreifen, und ich hielt mich nur so lange still, bis ich mir eine Vollmacht vom General verschafft.«

»Vollmacht von dem Herrn General!« sagte der Bürgermeister, indem er den Geistlichen mit dem Ellenbogen stieß. – »Hörst Du das? – Welcher Hahn wird gegen den kämpfen wollen? Nun haben wir gewonnen Spiel, und Woodstock wird das schöne Woodstock seyn und bleiben.«

»Halte Deinen Ellenbogen fern von meiner Seite, Freund,« sagte Holdenough, den die Stöße, mit welchen der Bürgermeister seine Worte begleitet hatte, belästigten, »und gebe es der Herr, daß Cromwell sich nicht so hart erweise an dem Volke Englands, als Deine Knochen gegen meinen Körper. Doch billige ich es allerdings, daß wir uns seines Ansehns bedienen, um dem Verfahren jener Menschen Einhalt zu thun.«

»So lassen Sie uns denn gehen,« sagte der Oberst Everard, »und ich denke, wir wollen die Herren schon vernünftig und gehorsam finden.«

Die Amtspersonen, sowohl der Laie als der Geistliche, stimmten freudig bei, und der Oberst rief Wildraken, der ihm Mantel und Degen anlegte, als sey er wirklich der Diener, dessen Rolle er spielte; doch konnte es der Cavalier nicht unterlassen, während er seinem Freunde diesen Dienst erwies, ihn muthwilliger Weise zu kneipen, um wenigstens im Geheim die Gleichheit zwischen Beiden aufrecht zu erhalten.

Während sie durch die Straßen gingen, wurde der Oberst von mehren ängstlichen Einwohnern begrüßt, die sein Dazwischenkommen als die einzige Hoffnung zu betrachten schienen, ihren schönen Park und die Rechte der Innungen sowohl, als der Einzelnen zu erhalten.

Beim Eintritt in den Park fragte der Oberst seine Gefährten: »Was war es denn, was Sie vorhin über gesehene Erscheinungen äußerten?«

»Je nun, Oberst,« sagte der Geistliche, »Sie wissen ja wohl selbst, daß Woodstock immer von Geistern, heimgesucht wurde.«

»Ich habe doch manchen Tag darin gewohnt,« entgegnete der Oberst, »ich weiß aber blos, daß ich nie das Geringste davon sah, wenn gleich müßige Leute von dem Hause, wie von allen alten Herrenwohnungen sprachen, und die Zimmer mit Geistern und Gespenstern anfüllten, statt der abgeschiedenen Großen, welche sie früher bewohnten.«

»Ei, ei, guter Oberst,« sagte der Geistliche, »ich hoffe doch nicht, daß Sie in die Sünde der jetzigen Zeit verfallen, und gleichgültig gegen das Zeugniß zu Gunsten der Erscheinungen werden, die doch Allen, außer den Atheisten und Sachwaltern der Hexen, so bündig vorkommen.«

»Was so allgemein bestätigt wird, möchte ich nicht geradezu läugnen,« sagte der Oberst, »doch bin ich sehr geneigt, die meisten Geschichten, die ich in dieser Art gehört, zu bezweifeln; und meine eigene Erfahrung hat mir wenigstens nie eine einzige bestätigt.«

»Doch glauben Sie mir,« sagte Holdenough, »ein oder die andere Art von bösem Geist, war immer um Woodstock her zu finden. Da ist kein Mann und keine Frau in der Stadt, die nicht Geschichten vom Erscheinungen im Walde oder um das alte Schloß her gehört hätten. Zuweilen ist es eine Koppel-Hunde, die vorbeisausen, und das Hussasah der Jäger, und Hörnerschall und Pferdegetrappel, das man erst in der Ferne, dann ganz dicht in der Nähe hört – dann ist es wieder ein einsamer Jäger, der Einen fragt, ob man ihm sagen kann, welchen Weg der Hirsch eingeschlagen; grün ist er immer gekleidet, aber dem Schnitte, seines Rocks nach muß er wenigstens fünfhundert Jahr alt seyn. Dies ist, was wir Daemonem meridianum – das mittägige Gespenst nennen.«

»Mein würdiger, verehrter Herr,« sagte der Oberst, »ich habe viele Jahre in Woodstock gelebt und das Jagdgehege zu allen Stunden durchstrichen. Glauben Sie mir, was Sie von den Landleuten gehört haben, ist nur ein Kind ihres müßigen und tollen Aberglaubens.«

»Oberst,« erwiederte Holdenough, »daß Sie Nichts sahen, beweist noch nichts. Was hat, mit Ihrer Erlaubniß, das, daß Sie gar nichts, weder Irdisches noch Ueberirdisches gesehen haben, mit dem Zeugnis einer Menge anderer Leute zu schaffen, die etwas sahen? – Und außerdem giebt es noch einen Daemonem nocturnum – ein Wesen, das bei Nacht herumwandelt – dies hat sich vorige Nacht den Independenten und Schismatikern sehen lassen. – Ja ja, Oberst, Sie mögen immer staunen, aber dem ist wirklich so. – Mögen sie es doch versuchen, ob er ihre Gaben des Vortrags und Gebets, wie sie dieselben unheiliger Weise nennen, vermehren wird. Nein, Herr, ich behaupte, um den bösen Feind zu überwältigen, dazu gehört hinreichende Kenntnis der Gottesgelahrtheit und Bekanntschaft mit den humanen Wissenschaften, und eine regelmäßige geistliche Erziehung und ein geistlicher Beruf.«

»Ich zweifele nicht im Geringsten,« entgegnete der Oberst, »daß Sie völlig geeignet sind, den Teufel zur Ruhe zu bringen, aber ich glaube doch eher, daß irgend ein wunderlich Mißverständnis diese Verwirrung unter ihnen erregt hat, als daß wirklich etwas vorhanden war. Desborough ist ein ausgemachter Dummkopf, und Harrison fanatisch genug, um Alles zu glauben. Andererseits aber ist Bletson dabei, der gar nichts glaubt, – Was wissen Sie denn von der Sache, mein guter Herr Bürgermeister?«

»Meiner Treue, es war ja Herr Bletson, der den ersten Lärmen machte,« erwiederte der Bürgermeister, oder wenigstens den ersten deutlichen Lärmen. Sehen Sie, Herr, ich lag im Bette mit meiner Frau und sonst Niemand weiter, und ich schlief so fest, als man nur wünschen kann um zwei Uhr nach Mitternacht zu schlafen. Sehen Sie, da kommt es und pocht an meine Schlafkammerthür, um mir zu sagen, es wäre ein Aufruhr in Woodstock, und die Glocke im Jagdschlosse läutete in der einsamen Nachtzeit so laut, als wenn das Hofgesinde zum Mittagsessen zusammenberufen würde.«

»Nun wohl, aber die Ursache dieses Aufruhrs?« fragte der Oberst.

»Das sollen Sie hören, würdiger Herr Oberst, das sollen Sie hören,« antwortete der Bürgermeister mit einer würdevollen Bewegung der Hand, denn er gehörte zu den Leuten, die sich nicht aus ihrem Geleise bringen lassen. »So wollte nun meine Frau, das arme Ding, aus lauter Liebe und Anhänglichkeit, mich überreden, daß wenn ich zu solcher Stunde aus dem warmen Bette ginge, ich mir mein altes Hüftweh wieder holen könnte, und ich sollte die Leute zum Alderman Dutton schicken. – Zum Alderman Teufel, Frau Bürgermeisterin, sagte ich – ich bitte Ew. Ehrwürden um Verzeihung, daß ich einen solchen Ausdruck brauchte – meinst Du, ich werde hier im Bett liegen bleiben, wenn die Stadt brennt und die Cavaliers los sind, und der Teufel Zahltag hält – ich bitte nochmals um Verzeihung, Herr Pastor – aber hier sind wir vor dem Thore des Schlosses. Ist es Ihnen nicht gefällig, einzutreten?«

»Erst möchte ich das Ende Ihrer Geschichte hören, Herr Bürgermeister,« sagte der Oberst, »wenn sie nämlich ein Ende hat.«

»Jedes Ding hat ein Ende,« sagte der Bürgermeister, »und eine Wurst hat zwei Enden – Ew. Gnaden werden verzeihen, daß ich gern ein Späßchen mache. Wo war ich doch stehen geblieben? – Ach ja! ich sprang aus dem Bette, zog meine rothen Plüschbeinkleider an mit den blauen Strümpfen, denn ich suche etwas darin, Tag und Nacht, Sommer und Winter meiner Würde angemessen gekleidet zu seyn, Herr Oberst Everard; und so nehme ich den Constabler mit mir, im Fall der Lärm durch Nachtwandler oder Diebe erregt seyn sollte, und holte den würdigen Herrn Holdenough aus dem Bette, im Fall es sich zeigen solle, daß es der Teufel wäre, und so meinte ich, ich wäre auch auf das Schlimmste versehen – und so gingen wir fort, und die Soldaten, die mit Herrn Tomkins nach der Stadt gekommen waren und zu den Waffen gerufen wurden, kamen auch so schnell nach Woodstock herunter, als ihre Füße nur laufen wollten. So gab ich denn unsern Leuten ein Zeichen, sie vorbei, und ihnen, so zu sagen, den Vorrang zu lassen, und das aus zwei Gründen.«

»Ich will mich schon mit einem guten Grunde begnügen,« unterbrach der Oberst. »Sie wollten gern die Rothröcke zuerst in den Kampf lassen.«

»Richtig, Herr, sehr wahr – und auch das Letzte vom Kampfe wollte ich ihnen lassen, insofern nämlich kämpfen ihr besonderes Gewerbe ist. Indeß gingen wir mit langsamen Schritten, wie Männer, die entschlossen sind, ihre Pflicht ohne Furcht oder Rücksicht zu thun, als wir auf einmal etwas Weißes die Allee nach der Stadt zu hinaufeilen sahen, worauf sechs von unsern Constablern und Gehilfen auf einmal davon liefen, weil sie es für eine Erscheinung hielten, die man die weiße Frau von Woodstock nennt.«

»Sehen Sie, Herr Oberst,« sagte Herr Holdenough, »sagte ich es Ihnen nicht, daß es Dämonen von mehr als einer Art giebt, welche die alten Schauplätze königlicher Schwelgerei und Grausamkeit bewohnen.«

»Ich hoffe doch, Sie hielten Stand, Herr Bürgermeister,« sagte der Oberst.

»Ich? – Ja – allerdings – das heißt, eigentlich hielt ich nicht Stand; sondern der Stadtschreiber und ich retirirten – retirirten, Oberst, ohne Verwirrung oder Unehre, und postirten uns hinter den würdigen Herrn Holdenough, der sich mit Löwenmuthe dem vermeintlichen Gespenste in den Weg warf, und es mit einem solchen Schwall von Latein angriff, daß er wohl den Teufel selbst hätte verscheuchen müssen, und dadurch deutlich entdeckte, daß es gar kein Teufel, noch auch eine weiße Frau war, noch überhaupt eine Frau von irgend einer Farbe, sondern der verehrteste Bletson, ein Mitglied des Unterhauses und einer der Commissarien, die zu dieser unglücklichen Einziehung des Waldes und Jagdgeheges und Jagdschlosses von Woodstock hieher geschickt wurden.«

»Und das war alles, was Sie von dem bösen Geiste sahen?« fragte der Oberst.

»Ja, allerdings,« antwortete der Bürgermeister, »ich hatte auch gar kein Verlangen, mehr zu sehn. Jedoch führten wir Herrn Bletson, unserer Pflicht gemäß, zurück zum Jagdschlosse, und unterwegs murmelte er immer etwas von einem Haufen scharlachrother Teufel, denen er begegnet wäre, und die auf das Jagdschloß zugingen, obwohl dies, meinen einfältigen Gedanken nach, die Dragoner der Independenten seyn mußten, die wir vorausgelassen hatten.«

»Und eingefleischtere Teufel möchte ich nimmermehr sehen,« rief Wildrake, der nicht länger stillschweigen konnte. – Seine Stimme, die sich auf einmal vernehmen ließ, gab zu erkennen, wie sehr die Nerven des Bürgermeisters noch immer aufgeregt wären; denn er fuhr auf und sprang seitwärts mit einer Behendigkeit, die man beim ersten Anblick einem so gravitätischen Manne wohl nicht zugetraut hätte. Everard gebot seinem Gefährten Schweigen, und da er wünschte, den Schluß dieser seltsamen Geschichte zu vernehmen, so ersuchte er den Bürgermeister, ihm zu erzählen, was die Sache für einen Ausgang genommen, und ob sie das vermeintliche Gespenst angehalten hätten.

»Allerdings, würdiger Herr,« sagte der Bürgermeister, »Herr Holdenough wagte viel, daß er so gewissermaßen dem Teufel entgegentrat, und ihn zwang, in der Gestalt des Herrn Josua Bletson, Parlaments-Mitglied des Fleckens Littlefaith zu erscheinen.«

»Wahrhaftig, Herr Bürgermeister,« sagte der Geistliche, »ich müßte doch meinen Beruf und dessen Vorrechte sehr wenig kennen, wenn ich anstehen wollte, mich dem Satan oder irgend einem Independenten in seiner Gestalt zu widersetzen, welche ich alle im Namen dessen, dem ich diene, herausfordere, anspeie und mit Füßen trete, und da der Herr Bürgermeister ein wenig langweilig erzählt, so will ich Ew. Gnaden nur kürzlich berichten, daß wir die Nacht wenig von dem Feinde sahen, das ausgenommen, was Herr Bletson in dem ersten Gefühl seines Schreckens aussagte, und was wir selbst aus dem unordentlichen Aeußeren des ehrsamen Obersten Desborough und des Generalmajors Harrison abnehmen konnten.«

»Und in welchem Zustande waren sie?« fragte der Oberst.

»Je nun, würdiger Herr, jeder Mann konnte schon mit einem halben Auge sehen, daß sie einen Kampf gekämpft hatten, in welchem die Ehre des Siegs nicht auf ihrer Seite war; denn der General Harrison schritt im Zimmer auf und nieder mit gezogenem Schwerte, aufgeknöpftem Wamms, herabhängenden Nesteln und Hosenbändern, so daß es aussah, als würde er hinfallen, wenn er von Zeit zu Zeit darauf trat, und grinzte und Fratzen schnitt, wie ein verrückter Schauspieler, und dort saß Desborough, mit einer eben geleerten Flasche Sekt vor sich, welche, ob sie gleich das Element war, auf das er baute, ihm doch noch nicht Verstand genug gegeben hatte, zu sprechen, oder Muth genug, sich umzusehen. Eine Bibel hatte er freilich auch in der Hand, als wollte er in den Kampf ziehen gegen den Bösen; aber als ich ihm über die Schulter sah, ach! da hatte der gute Mann das Buch verkehrt genommen. Es war gerade, als wenn einer Ihrer Musketiere, mein edler und hochgeschätzter Herr, dem Feinde den Kolben entgegen halten wollte, statt des Laufs. – Hahaha! daran konnte man recht die Schismatiker erkennen, sowohl hinsichtlich des Kopfs als des Herzens, der Geschicklichkeit und des Muths. – Ja, Oberst, da war die Zeit, wo man das unterscheidende Merkmal eines bevollmächtigten Seelenhirten vor jenen unglücklichen Menschen erkennen konnte, die in die Hürde springen, ohne gehörige und gesetzliche Vollmacht, und predigen, lehren und ermahnen, und dann gotteslästerlicher Weise die Lehren der Kirche ungesalzene Brühe und trockenes Brod nennen.«

»Ich zweifele keineswegs an Ihrer Bereitwilligkeit, der Gefahr entgegen zu treten, verehrter Herr, aber ich möchte gern wissen, von welcher Art diese war, und woher sie zu besorgen stand.«

»Kam es mir zu, eine solche Frage zu thun?« sagte der Geistliche triumphirend. »Darf ein braver Soldat seine Feinde zählen, oder fragen, woher sie kommen? – Nein, Herr, ich stand da mit brennender Lunte, die Kugel im Munde, die Muskete auf der Schulter, um so vielen Teufeln zu begegnen, als die Hölle nur senden könnte, wären sie auch zahllos wie die Mücken im Sonnenstrahl, und kämen von allen Punkten des Compasses her. Die Papisten sprechen von der Versuchung des heiligen Antonius. – Ha! mögen sie doch alle die Myriaden verdoppeln, welche das Gehirn eines verrückten niederländischen Malers ersann, und es wird sich doch ein armer presbyterianischer Geistlicher finden – für einen wenigstens will ich stehen – der nicht in seiner eigenen Kraft, sondern in der seines Herrn und Meisters, dem Angriff auf solche Weise begegnen wird, daß, weit entfernt gegen ihn zurückzukehren, wie sie es Tag täglich und jede Nacht gegen jenen armen Hund thaten, sie auf einmal und mit Gewalt bis an die äußersten Gränzen Assyriens vertriebe seyn werden.«

»Ich muß Sie dennoch ersuchen,« erwiederte der Oberst, »mir zu sagen, ob Sie etwas sahen, woran Sie Ihre fromme Gelehrsamkeit üben konnten?«

»Sahen?« antwortete der Geistliche, »nein, wahrlich, ich sah nichts, auch suchte ich gar nicht darnach. Diebe greifen keine wohlbewaffneten Reisenden an, auch kommen die Teufel oder bösen Geister nicht gegen einen, der das Wort der Wahrheit in derselben Sprache im Busen trägt, in der es zuerst ausgesprochen wurde. Nein, Herr, sie vermeiden einen Geistlichen, der die heilige Schrift in der Ursprache versteht, gleich wie eine Krähe sich fern von einer Flinte halten soll, die mit Schrot geladen ist.«

Um Zeit zu dem Gespräch zu gewinnen, war die Gesellschaft wieder ein wenig zurückgegangen, und da der Oberst gewahr wurde, daß es vermuthlich zu keinem befriedigenden Aufschluß über die wahre Veranlassung des nächtlichen Lärmens kommen würde, wandte er um, mit der Bemerkung, es sey nun Zeit, sich in das Jagdschloß zu begeben, und ging mit seinen drei Gefährten darauf zu.

Unterdeß war es dunkel geworden, und die Thürme von Woodstock erhoben sich hoch über die umschattende Hülle, welche der Wald und das alte ehrwürdige Gebäude verbreitete. Aus einem der höchsten Thürme, die man noch gegen den lichten blauen Himmel erkennen konnte, schimmerte etwas her, das einem Lichte innerhalb des Gebäudes gleich sah. Der Bürgermeister stand still, hielt schnell den Geistlichen und dann den Obersten Everard zurück, und rief hastig mit zitterndem gedämpften Tone: »Sehen Sie jenes Licht?«

»Ja wohl, sehe ich es,« sagte der Oberst Everard. »Und was ist's nun weiter? – Ein Licht in einem Dachstübchen wird doch in einem alten Gebäude, wie Woodstock, nicht eben etwas Wundersames seyn.«

»Aber doch wohl ein Licht aus Rosamundens Thurm?« fragte der Bürgermeister.

»Ja, das ist wahr,« sagte der Oberst, ein wenig überrascht, als er nach sorgfältiger Prüfung sich überzeugt hatte, daß des würdigen Bürgermeisters Vermuthung gegründet sey. »Das ist allerdings Rosamundens Thurm, und da die Zugbrücke, auf der man hineingelangte, schon seit Jahrhunderten zerstört ist, so ist es allerdings schwer zu erklären, durch welchen Zufall eine Lampe an einem so unzugänglichen Orte brennen kann.«

»Das Licht hat kein irdischer Stoff entzündet,« sagte der Bürgermeister, »da brennt weder Fischthran noch Baumöl, weder Bienenwachs noch Schöpsentalg. Ich habe mit diesen Dingen gehandelt, Oberst, ehe ich mein jetziges Fach ergriff, und ich kann Ihnen versichern, ich weiß jede Art von Licht genau zu unterscheiden, und das in einer größern Entfernung, als dieser Thurm da ist. – Das ist Ihnen keine irdische Flamme – sehen Sie nicht so etwas blaues und röthliches an den Rändern? – Das zeigt nur allzugut, woher es kommt. – Oberst, meiner Meinung nach thäten wir besser, in die Stadt zurück zu gehen, um dort unser Abendbrod zu essen, und für heute Nacht den Teufel und die Rothröcke ihre Sache allein miteinander ausmachen zu lassen. Wenn wir dann morgen früh zurückkommen, so können wir immer noch unsern Streit mit denen haben, die das Feld behaupten.«

»Das mögen Sie halten, wie es Ihnen beliebt, Herr Bürgermeister,« sagte Everard, »aber meine Pflicht erheischt, daß ich noch heut Abend mit den Commissarien spreche.«

»Und die meine gebietet mir, den bösen Feind ins Auge zu fassen, wenn er es wagt, sich mir zu zeigen. Ich wundere mich gar nicht, daß er sich, da er weiß, wer sich nahet, in die Veste der innersten und letzten Schutzwehr dieses alten, von Geistern besuchten Hauses, flüchtet. Er ist leckerhaft, dafür stehe ich Ihnen, und muß sich da aufhalten, wo es noch einen Nachschmack von Ueppigkeit und Mord rings um die Mauern seines Zimmers giebt. In jenem Thurme sündigte Rosamunde, und in jenem Thurme büßte sie; und dort sitzt sie nun, oder vielmehr der böse Feind in ihrer Gestalt, wie ich glaubwürdige Männer in Woodstock habe sagen hören. – Ich begleite Sie, guter Oberst – der Herr Bürgermeister mag es halten wie er will. Der Starke sitzt fest in seinem Wohnhause, aber siehe, es kommt ein Anderer, der stärker ist, über ihn.«

»Was mich betrifft,« sagte der Bürgermeister, »der ich ein eben so ungelehrter als unkriegerischer Mann bin, ich mag mich weder mit den Mächten der Erde, noch mit dem Obersten unter den Mächten in der Luft einlassen, sondern gehe zurück nach Woodstock. – Höre Du, Freund,« indem er Wildraken auf die Schulter klopfte, »ich gebe Dir einen Schilling Trinkgeld, und noch einen zum Essen obendrein, wenn Du mit mir gehst.«

»Daß Dich alle Hagel, Herr Bürgermeister,« sagte Wildrake, den die Vertraulichkeit desselben weder schmeichelte, noch seine Freigebigkeit bestach – »wer Teufel hat denn Sie und mich zu Dutzbrüdern gemacht? Und dann, meinen Sie, ich soll mit so einem Strohkopf nach Woodstock zurückgehen, wenn ich bei einer vernünftigen Einrichtung hoffen darf, die schöne Rosamunde zu Gesicht zu bekommen, um zu sehen, ob sie wirklich eine so auserwählte unvergleichliche Schönheit war, wie die Vers- und Balladenmacher der Welt erzählen.«

»Sprecht nicht so leichtfertig und muthwillig,« sagte der Geistliche; »wir sollen dem Teufel widerstehen, auf daß er von uns fliehe, und nicht mit ihm tändeln oder in seinen Rath eingehen, oder mit der Waare seines Marktes voll Eitelkeit Verkehr treiben.«

»Beachte wohl, was der brave Mann sagt, Wildrake,« sagte der Oberst, »und nimm Dich ein andermal in Acht, daß Dein Witz nicht mit der Klugheit davon laufe.«

»Ich bin dem ehrwürdigen Herrn sehr für seinen Rath verbunden,« sagte Wildrake, dessen Zunge es schwer war, sich im Zaum zu halten, wie sehr auch seine Sicherheit dies wünschenswerth machte. »Aber mein Sir, er mag im Kampfe mit dem Teufel so erfahren seyn, als er will, so hat er doch nimmermehr einen so schwarzen gesehen, als der, mit dem ich vor – noch nicht hundert Jahren einen Strauß hatte.«

»Wie, Freund,« sagte der Geistliche, der Alles wörtlich verstand, sobald von Erscheinungen die Rede war, »seyd Ihr so kürzlich erst vom Satan heimgesucht worden? Wenn das ist, so wundre ich mich um so mehr, wie Ihr es wagen dürft, seinen Namen so oft und so leichtfertiger Weise zu erwähnen, als es in Eurem gewöhnlichen Gespräche geschieht; aber wann und wo saht Ihr den Bösen?«

Everard legte sich schnell darein, damit nicht sein unbesonnener Diener durch eine noch stärkere Anspielung auf Cromwell aus bloßem Muthwillen seine Zusammenkunft mit dem General verriethe. »Der junge Mann spricht im Wahnsinn,« sagte er, »von einem Traume, den er die vorige Nacht hatte, als wir zusammen in Vietor Lee's Zimmer schliefen, das zu der Wohnung des Forstaufsehers im Jagdschlosse gehört.«

»Ich danke Dir, daß Du mir aus der Klemme hilfst,« flüsterte Wildrake Everarden ins Ohr, während dieser umsonst bemüht war, ihn abzuwehren – »einem Schwärmer fehlt es doch nie an einer Lüge.«

»Auch Sie sprechen etwas zu leichtfertig von diesen Dingen, wenn wir erwägen, was für ein Werk wir vorhaben, würdiger Oberst,« sagte der presbyterianische Geistliche. »Glaube mir, der junge Mann, Dein Diener, hat in jenem Zimmer wohl eher Erscheinungen gesehen, als blos müßige Träume geträumt; denn ich habe immer gehört, daß nach Rosamundens Thurm, in welchem, wie ich vorhin sagte, sie Kurzweil trieb, und dann von der Königin Eleonore vergiftet wurde, kein Zimmer im Jagdschlosse zu Woodstock mehr von bösen Geistern heimgesucht seyn soll, als Victor Lee's Zimmer. Ich bitte Euch, junger Mann, erzählt mir diesen Euern Traum und Eure Erscheinung.«

»Von Herzen gern, Herr,« sagte Wildrake – dann sich zu seinem Patron wendend, der sich schon wieder dazwischen legen wollte, fuhr er fort: »St, Herr! Sie haben eine ganze Stunde lang das Wort geführt, warum soll ich nicht auch einmal einen Vortrag halten? Bei dieser Dunkelheit, wenn Sie mich noch länger am Sprechen hindern, so werde ich ein Prediger der Independenten, und trete, Ihnen zum Trotz, als Vertheidiger des freien Privaturtheils auf – und nun, mein verehrter Herr, ich träumte von einer fleischlichen Belustigung, die man eine Stierhetze nennt, und da war mir's, als kämen verwegene Hunde so lustig, wie ich sie nur je beim Stiergefechte zu Tutbury sah, und mir war es auch, als hört ich einen sagen, der Teufel wäre gekommen, um das Stiergefecht mit anzusehen. Nun gut, ich dachte also mein Sir, ich könnte auch seine höllische Majestät in Augenschein nehmen. So sah ich denn hin, und es stand ein Fleischer in einem schmierigen wollenen Anzuge da, den Stahl an der Seite, aber das war der Teufel nicht, und dann war noch ein betrunkener Cavalier da, mit einem Munde voll Flüche und einem ganz leeren Magen, und einer sehr zerlumpten goldgestickten Weste, und einem ganz abgetragenen Hute mit einem Endchen Feder darauf, und das war der Teufel auch nicht. Und dort stand ein Müller, dessen Hände ganz mit Mehl bestaubt waren, wovon er auch jedes Stäubchen gestohlen hatte; und auf der andern Seite stand ein Weinschenke mit einer grünen Schürze voller Weinflecken, wovon jeder Tropfen verfälscht war. Aber der alte Herr, nach dem ich mich umsahe, war unter diesen Werkmeistern der Gottlosigkeit nicht zu finden. Endlich, Herr, sahe ich einen Mann mit abgestutztem Haar, ein Paar länglichen, vorragenden Ohren, einer Binde, so breit, wie ein Geiferlätzchen unter dem Kinne, einem braunen Rocke mit einem Genfer Mantel darüber, und da hatte ich den alten Schalk auf einmal in seiner eigenthümlichen Gestalt.«

»O pfui! pfui!« sagte Oberst Everard, »sich so gegen einen alten Mann und einen Geistlichen zu benehmen!«

»Ei, laß ihn doch fortfahren,« sagte der Geistliche, mit vollkommnem Gleichmuthe. »Wenn Dein Freund oder Secretär scherzt, so müßte ich ja weniger Geduld haben als sich für meinen Stand schickt, wenn ich nicht einen unnützen Spaß ertragen, und dem, der ihn macht, verzeihen könnte. Hat aber andererseits der böse Feind sich dem jungen Manne wirklich in einer solchen Gestalt gezeigt, wie er sie eben beschrieb, warum sollten wir uns wundern, daß der, der sogar die Gestalt eines Engels des Lichts annehmen kann, auch im Stande ist, die eines gebrechlichen und sündigen Sterblichen anzunehmen, dessen geistlicher Beruf und Stand ihn freilich vermögen sollte, sein Leben zu einem Muster für Andere zu machen, dessen Betragen aber demungeachtet (so groß ist die Unvollkommenheit unserer Natur ohne Gottes Beistand) uns zuweilen wohl eher ein warnendes Bild dessen darstellt, was wir vermeiden sollten,»

»Nun, meiner Seel, ehrlicher Magister – verehrter Herr, wollte ich sagen – ich bitte tausendmal um Verzeihung,« sagte Wildrake, dem der ruhige, geduldige Verweis des Presbyterianers tief zu Herzen ging. Beim heiligen Georg, wenn es mit ruhiger Geduld allein gethan ist, so bist Du völlig geeignet, es mit dem Teufel aufzunehmen, und ich wollte darauf wetten, daß Du ihn besiegen müßtest.«

Wie er eben diese Entschuldigung ausgesprochen hatte, die wenigstens nicht unberufen war, und recht gut aufgenommen zu werden schien, kamen sie dem äußeren Thore des Jagdschlosses so nah, daß sie von der dort stehenden Schildwache mit einem lauten: » Wer da?« angerufen wurden. Oberst Everard erwiederte: » Gut Freund,« worauf die Schildwache abermals » halt!« rief und den Corporal herbeiholte. Der Corporal erschien, und ließ zugleich seine Wache ins Gewehr treten, Oberst Everard nannte seinen Namen und Stand sowohl, als den seiner Gefährten, worauf der Corporal erwiederte: »er zweifle keineswegs, es würde sogleich Befehl gegeben werden, sie einzulassen, doch müsse er erst Herrn Tomkins um Rath fragen, damit er die Meinung der Herrschaften erführe.«

»Wie!« sagte der Oberst, »wollt Ihr, da Ihr wißt, wer ich bin, mich hier außerhalb Eures Postens stehen lassen?«

»Keinesweges, sobald es Ew. Gnaden gefällig ist, einzutreten, und Sie die Verantwortung auf sich nehmen wollen; meine Ordre lautet aber so.«

»Nun denn, so thut Eure Pflicht,« sagte der Oberst; »aber sind denn die Cavaliers in der Nähe, oder was giebt es sonst, daß Ihr so streng Wache haltet?«

Hierauf gab der Corporal keine deutliche Antwort, sondern murmelte etwas zwischen dem Knebelbart über den bösen Feind und den brüllenden Löwen, der herumgehe, um zu sehen, wo er etwas zu verschlingen finde. Gleich darauf erschien Tomkins, hinter ihm her zwei Bedienten, welche Lichter in großen ehernen Leuchtern trugen. Diese gingen vor dem Oberst Everard und seinen Gefährten her, und hielten sich dabei so dicht an einander, wie zwei Hälften einer Apfelsine, und fuhren dabei von Zeit zu Zeit auf und drängten einander, so wie sie durch einige schmalere Gänge kamen, bis man endlich auf einer breiten hölzernen Treppe hinaufstieg, deren Geländer aus schwarzem Eichenholze bestand, und von da in ein großes Zimmer trat, in welchem ein gewaltiges Feuer und etwa 12 sehr große Lichter in Wandleuchtern brannten. Dort saßen die Commissarien, die jetzt die alte Wohnung und königliche Domäne Woodstock in Besitz hatten.


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