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Siebentes Kapitel.


Endlich entschlossen, seinen Brief ohne Verzug an den General abzuschicken, nahte sich Oberst Everard der Thür des Zimmers, in welchem, nach dem Schnarchen in demselben zu urtheilen, der eingeschlossene Wildrake, in Folge des Rausches sowohl, als der Müdigkeit, eines tiefen Schlummers genoß. Als er den Schlüssel umdrehte, machte das ein wenig verrostete Schloß ein solches Geräusch, daß des Schläfers Aufmerksamkeit dadurch rege ward, obwohl er nicht ganz erwachte. Als Everard an sein Bett trat, hörte er ihn murmeln: »Ist es schon Morgen, Kerkermeister? – Was, Du Hund! hättest Du nur einen Funken menschliches Gefühl, so würdest Du Deine schlechte Nachricht mit einem Becher Sekt versüßen – das Hängen ist eine traurige Sache, Ihr Herren – und die Trauer ist trocken.«

»Auf, Wildrake – auf, Du Unglück weissagender Träumer,« sagte sein Freund, ihn beim Kragen schüttelnd.

»Weg mit der Hand,« antwortete der Schläfer – »ich kann schon ohne Hülfe die Leiter hinauf, denke ich.« Nun richtete er sich im Bette in die Höhe, schlug die Augen auf, starrte umher, und rief: »Was Henker! Mark, bist Du es nur? Dachte ich doch, es wäre Alles aus mit mir – Fesseln wurden mir von den Beinen abgenommen – ein Strick um die Kehle gebunden – von den Händen fielen die Ketten ab – ein hänfnes Halsband wurde mir umgethan – Alles war bereit zu einem Tanz in freier Luft, ohne Fußboden.«

»Hör nur einmal auf mit Deinen Narrheiten, Wildrake; wahrlich der Teufel des Trunks, dem Du Dich, wie ich glaube, verkauft hast« –

»Für ein Orhoft Sekt,« unterbrach Wildrake, »der Handel wurde in einem Keller der Weinschenke geschlossen.«

»Ich muß so toll wie Du seyn, daß ich Dir etwas anvertrauen will,« sagte Markham; »ich glaube kaum, daß Du schon wieder bei Sinnen bist.«

»Was sollte mir denn fehlen?« sagte Wildrake – »ich werde doch nicht im Schlafe getrunken haben! Ich träumte ja blos, ich tränke mit dem alten Oliver von seinem selbstgebrauten Halbbier – sieh nur nicht gleich so mürrisch aus – ich bin derselbe Roger Wildrake, der ich immer war, so wild wie ein Entrich, aber so treu, wie ein Kampfhahn. Ich bin ja Dein Stubenbursch – an Dich gebunden durch Freundschaftsdienste – devinctus beneficio – da hast Du's auf lateinisch, und wo ist etwas, das Du mir aufträgst, was ich nicht ausführen wollte oder dürfte, und wär es auch, dem Teufel mit meinem Degen die Zähne auszustoßen, wenn er eben Rundköpfe zum Frühstück verzehrt hat?«

»Du wirst mich noch rasend machen,« sagte Everard. – »Wenn ich eben im Begriff bin, Dir das anzuvertrauen, was mir das Theuerste auf Erden ist, so ist Dein Benehmen und Deine Sprache die eines Tollhäuslers. Gestern Abend schrieb ich es Deiner Trunkenheit zu, aber wer kann diese Verrücktheit am frühen Morgen ertragen? – Dies gefährdet Deine und meine Sicherheit, Wildrake – es ist nicht freundschaftlich – ich könnte wohl sagen undankbar.«

»Sage das nicht, mein Freund,« erwiederte der Cavalier mit einigem Anschein von Gefühl, »und beurtheile mich nicht mit einer Strenge, die auf solche Leute, wie ich, nicht anwendbar ist. Wir, die wir unser Alles in diesen traurigen Händeln verloren haben, die wir genöthigt sind, uns kümmerlich, nicht von Tag zu Tag, sondern nur von einer Mahlzeit zur andern hinzubringen – wir, deren einziger Versteckwinkel der Kerker ist, die wir keine Aussicht zur endlichen Ruhe haben, als den Galgen – was kannst Du anders von uns erwarten, als daß wir ein solches Loos mit leichtem Herzen tragen, da ein schweres darunter brechen müßte?«

Dies wurde in einem Tone des Gefühls gesagt, das in Everards Busen nachklang. Er ergriff seines Freundes Hand, und drückte sie herzlich.

»Wenn ich hart gegen Dich schien, Wildrake, so war es wirklich mehr um Dein selbstwillen, als meinetwegen. Ich weiß, Du hast bei Deinem Leichtsinn so feste Grundsätze der Ehre, und so tiefes Gefühl, als nur je ein menschliches Herz. Aber Du bist gedankenlos – Du bist unbesonnen – und ich betheure Dir, verriethst Du Dich in der Sache, die ich Dir anvertraue, so würden die schlimmen Folgen für mich selbst mich nicht mehr betrüben, als der Gedanke, Dich in solche Gefahr gebracht zu haben.«

»Ei! wenn Du es in dem Tone nimmst, Mark!« sagte der Cavalier, indem er sich bemühte, zu lachen, offenbar um den Hang zu etwas ganz anderm zu verbergen, »so wirst Du Kinder aus uns Beiden machen – Kinder und Säuglinge, bei diesem Degenknopf – komm, traue mir, ich kann schon vorsichtig seyn, wenn die Noth es erfordert – kein Mensch sah mich jemals trinken, wo Wachsamkeit nöthig war – und ich will auch nicht ein einziges armseliges Nösel Wein zu mir nehmen, bis ich Dir diese Sache besorgt habe. Nun gut, ich bin Dein Secretär – Schreiber – hätt ichs doch bald vergessen – und trage Deine Depeschen zu Cromwell, wobei ich mich sehr in Acht nehme, nicht um mein Bischen Unterthanstreue geprellt zu werden; auch soll dies hier, wobei er mit dem Finger auf das Paket zeigte, den getreusten Händen übergeben werden, an die es unterthänigst gerichtet ist – mein Seel, Mark, wenn Du es lieber noch einmal bedächtest – Du wirst doch wahrlich nicht so weit gehen, mit diesem blutgierigen Rebellen gemeinschaftliche Sache zu machen? – Befiehl mir ihm meinen Dolch drei Zoll tief in den Leib zu stoßen, das will ich viel lieber thun, als ihm hier Deinen Brief übergeben.«

»So!« erwiederte Everard, »das ist gegen unser Vertrag, Willst Du mir helfen, gut; wo nicht, so laß mich nicht Zeit verlieren, mit Dir zu streiten, da mir jeder Augenblick ein Jahrhundert dünkt, bis der Brief in des Generals Händen ist. Es ist der einzige mir noch übrig gelassene Weg, einigen Schutz und einen Zufluchtsort für meinen Oheim und seine Tochter zu erhalten.«

»Wenn das der Fall ist,« sagte der Cavalier, »so soll es am Sporren nicht fehlen. Mein Klepper dort in der Stadt wird in einem Nu zum Ritte bereit seyn, und Du kannst darauf rechnen, daß ich beim alten Oliver bin – bei Deinem General, wollte ich sagen – in so kurzer Zeit, als nur ein Reiter den Weg von Woodstock nach Windsor zurücklegen kann, wo ich doch vermuthlich jetzt Deinen Freund, da als Besitzer finden werde, wo er todt geschlagen hat.«

»Still, nicht ein Wort davon. Seit wir uns gestern Abend trennten, hab ich Dir einen Weg gebahnt, der sich besser für Dich passen wird, als den Anstand in der Sprache und dem äußeren Wesen anzunehmen, von dem Du so wenig hast. Ich habe den General benachrichtigt, daß Du durch schlechtes Beispiel und schlechte Erziehung« –

»Was gerade das Gegentheil bedeutet, hoff' ich,« sagte Wildrake; »denn ich bin doch gewiß aus eben so guter Familie und eben so gut erzogen, als nur irgend ein junger Mensch in Leicestershire wünschen mag.«

»Ich bitte Dich, sey still – Du hast, sag ich, durch schlechtes Beispiel verleitet, Dich eine Zeitlang zu den Uebelgesinnten gehalten, und Dich unter die Parthei des vorigen Königs gemischt. Da Du aber sahest, welche Dinge die Nation durch den General verrichtete, ist Dir sein Beruf klar geworden, ein großes Werkzeug zur Beruhigung dieser zerrütteten Reiche zu werden. Bei dieser Nachricht von Dir wird er nicht allein über Dein excentrisches Wesen hinwegsehen, wenn es wider Deinen Willen hervorbrechen sollte, sondern es wird Dich ihm auch empfehlen, als einen, der seiner Person besonders zugethan ist.«

»Ohne Zweifel,« sagte Wildrake, »wie jeder Fischer die Forellen am liebsten hat, die er selbst geködert.«

»Er wird Dich wahrscheinlich mit Briefen zu mir zurückschicken,« sagte der Oberst, »die mich in Stand setzen, dem Verfahren dieser Commissarien Einhalt zu thun, und dem alten armen Heinrich Lee gestatten, sein Leben unter den Eichen zu beschließen, auf die er so gern hinblickt. Darum hab ich ihn gebeten, und ich denke, meines Vaters Freundschaft und die meine können wohl, ohne Gefahr dabei zu zerreißen, eine solche Ausdehnung erwarten, besonders da die Sachen so stehen, wie es gegenwärtig der Fall ist – Du hast mich doch verstanden?«

»O ja,« sagte der Cavalier, »Ausdehnung erwarten! – wollt ich doch lieber ein Seil ausdehnen, als Umgang mit dem alten königsmordenden Räuber pflegen. Doch, ich habe gesagt, ich wollte mich von Dir leiten lassen, Markham, und hol mich der Henker, wenn ichs nicht thue!«

»Sey also vorsichtig,« sagte Everard, »merke wohl auf das, was er thut und sagt – besonders auf das, was er thut; denn Oliver ist einer von denen, die man besser an ihren Handlungen, als an ihren Worten erkennt – doch halt – ich wollte drauf wetten, Du warst eben im Begriff, fortzugehen, ohne einen Heller Geld in der Tasche.«

»Das ist nur zu wahr, Mark,« sagte Wildrake, »der letzte Rosenobel schmolz gestern Abend unter jenen lumpigten Kriegsknechten von Eurer Parthei dahin,«

»Nun wohl, Roger,« erwiederte der Oberst, »dem ist leicht abzuhelfen.« Hierbei drückte er dem Freunde seine Börse in die Hand. »Aber bist Du nicht ein unbesonnener, hirnverbrannter Mensch, so fort zu gehen, wie Du doch eben wolltest, ohne das geringste als Zehrpfennig mitzunehmen – was hättest Du denn anfangen wollen?«

»Meiner Treu, daran habe ich nicht gedacht – vermuthlich hätt ich dem ersten engbrüstigen Städter oder fetten Viehmäster, der mir auf der Haide begegnet wäre, halt zurufen müssen – in diesen schlimmen Zeiten bleibt manchem guten Kerl nichts anders übrig.«

»Schon gut,« sagte Everard, »sey nur vorsichtig – gieb Dich, nicht mit Deinen lockeren Bekannten ab – halt Deine Zunge im Zaum – besonders hüte Dich vor dem Weinkruge; denn wenn Du nur nüchtern bleibst, so ist wenig oder gar keine Gefahr zu besorgen – sprich nicht zu viel, und unterlaß das Fluchen und Prahlen.«

»Kurz, ich soll mich in so ein Kerlchen verwandeln, wie Du bist, Mark – nun gut, was die Außenseite betrifft, so denk ich, da kann ich schon eben so gut als Du einen Hope-on-high Bomby Eine puritanische Rolle in einem Stücke von Beaumont und Fletcher. Anmerk. d. Uebers. spielen, Ach! Das waren lustige Tage, als Mills den Bomby im Schauspielhause zur Fortuna gab, ehe ich noch meinen Tressenmantel und den Edelstein im Ohre verloren hatte, und Du noch nicht die Runzel auf der Stirn und den puritanischen Knebelbart bekommen hattest.«

»Es ging damit, wie mit den meisten Freuden dieser Welt, Wildrake,« erwiederte Everard, »sie schmeckten süß, waren aber schwer zu verdauen – aber mach nur, daß Du fort kommst, und wenn Du mir meine Antwort bringst, so findest Du mich entweder hier, oder im St. Georgs-Gasthofe im Städtchen. – Glück auf den Weg – sey nur vorsichtig in Deinem Benehmen!«

Der Oberst blieb in tiefem Nachsinnen zurück. – »Ich werde mich doch nicht zu tief mit dem General, eingelassen haben,« sagte er. »Ein Bruch zwischen ihm und dem Parlament scheint unvermeidlich, und würde England in den Bürgerkrieg zurückstürzen, dessen Alle überdrüßig sind. Mein Bote wird ihm vielleicht nicht anstehen – doch das fürchte ich nicht sehr. Er weiß ja, daß ich einen wählen muß, auf den ich mich verlassen kann, und ist genug mit Menschen umgegangen, um zu wissen, daß es unter allen Ständen und Partheien welche giebt, die zwei Gesichter unter eine Kappe verstecken können.«


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