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Fünftes Kapitel.


Nur langsam spricht die Zung' die neue Sprache,
Sie steigt und sinkt, der Rede ungewohnt.
Tief sey der Worte Sinn und vielbedeutend,
Sie haften an der schweren Zunge kaum,
Wie einst an Davids Leib der Harnisch Saul's,
Belastend nur, doch ihm zur Schutzwehr nicht.

J. B.

Während Markham Everard seinen Weg zum Jagdschlosse in einem jener langen Gänge fortsetzte, die bald so schmal waren, daß die verschlungenen Zweige eine dunkle Nacht über dem Haupte verbreiteten, dann breiter, so daß der Mond überall durchschimmerte, und dann offne Plätze oder Wiesen bildeten, über welche der Mond schweigend sein Silberlicht ergoß, hätten die verschiedenen Wirkungen des erquicklichen Lichts auf den Eichen, deren dunkles Laub, knotige Zweige und gewaltige Stämme es mehr oder minder vergoldete, die Aufmerksamkeit eines Malers oder Dichters wohl auf sich ziehen können.

Wenn aber Everard an etwas anders dachte, als an die schmerzliche Scene, in der er eben seine Rolle gespielt, und deren Resultat Zerstörung seiner Hoffnungen zu seyn schien, so war es die auf seinem nächtlichen Wege zu beobachtende Wachsamkeit. Die Zeiten waren gefährlich und unruhig, die Straßen voll abgedankter Soldaten, besonders königlicher, die ihre politischen Meinungen zu einem Vorwand machten, um das Land als Nachzügler oder Räuber zu beunruhigen. Auch Wilddiebe, die immer verzweifelte Wagehälse sind, hatten seit Kurzem die Woodstocker Jagdgehege unsicher gemacht. Kurz die Gefahren des Orts und der Zeit waren so, daß Markham Everard seine geladenen Pistolen im Gürtel trug, und den bloßen Degen unter den Arm nahm, damit er auf jede Gefahr vorbereitet seyn möchte, die ihm in den Weg käme.

Er hörte die Abendglocke in der Kirche zu Woodstock, als er eben über eine der vorhin beschriebenen Wiesen ging, und eben verklangen die letzten Töne, als er jenseits derselben einen beschatteten dämmrigen Pfad betrat. Hier hörte er Jemanden pfeifen, und da der Ton immer deutlicher wurde, mußte der Pfeifende nothwendig näher kommen. Dies konnte schwerlich ein Freund seyn; denn die Parthei, zu der er gehörte, verwarf im allgemeinen alle Musik, das Psalmensingen ausgenommen. »Ist einer fröhlich, so singe er Psalme,« dies war ein Text, den es ihnen beliebte, so buchstäblich als manche andere auszulegen. Dieses Pfeifen wurde jedoch zu lange fortgesetzt, um ein Signal für nächtliche Landstreicher seyn zu können, und dabei zu leicht und fröhlich, als daß es von Seiten des Reisenden die Absicht andeuten konnte, sich zu verbergen. Auch wurde gleich darauf aus dem Pfeifen ein Gesang, und folgende Stanze wurde zu einer lustigen Melodie getrillert, mit welcher alte Cavaliere die Nachteule zu wecken pflegten:

He, für Cavaliere! ho, für Cavaliere!

Betet fein für Cavaliere!

Schlagt nur zu – schlagt nur zu!

Auf den alten Beelzebub –

Oliver wird's heiß für Furcht.

»Ist mirs doch, als müßte ich diese Stimme kennen,« sagte Everard, und setzte das Pistol wieder in Ruh, das er schon aus dem Gürtel gezogen hatte, behielt es aber in der Hand. Nun kam ein zweites Fragment:

Haut sie – schlagt sie –
All' in Stücken reißet sie.

»Heda!« rief Markham, »wer da? und für wen?«

»Für Kirche und König,« antwortete eine Stimme, setzte aber sogleich hinzu: »Nein, verdammt! – gegen Kirche und König, meine ich, und für die Leute, die jetzt das Regiment führen – ich hab' vergessen, wer sie sind.«

»Roger Wildrake, vermuthlich?« sagte Everard.

»Derselbe – Edelmann aus Squattlesea-mere, in der feuchten Grafschaft Lincoln.«

»Wildrake!« sagte Markham – »Wildrabe solltest Du heißen. Hast Du einmal wieder Deine Kehle gehörig angefeuchtet, und brauchst sie nun, um Melodien zu krächzen, die sich für unsre Zeiten sauber schicken.«

»Ei! die Melodie ist wohl hübsch, Mark! nur ein Bischen aus der Mode – schade genug.«

»Was konnte ich anders erwarten,« sagte Everard, »als auf einen schwärmenden, betrunkenen Edelmann zu stoßen, so verzweifelt und gefährlich, wie die Nacht und der Sekt sie zu machen pflegen? Wie, wenn ich nun Deine Melodie mit einer Kugel in die Gurgel belohnt hätte?«

»Je nun, da hätte ein Pfeifer seinen Lohn bekommen – weiter wär es auch nichts,« sagte Wildrake. – »Aber wie kommst Du jetzt hieher? Ich wollte Dich eben in der Hütte aufsuchen.«

»Ich habe sie verlassen müssen – die Ursache will ich Dir ein andermal sagen« erwiederte Markham.

»Was! war der alte waidmännische Ritter eigensinnig oder Chloe unfreundlich?«

»Scherze nicht, Wildrake – es ist aus mit mir,« sagte Everard.

»Den Teufel auch,« rief Wildrake, »und das nimmst Du so ruhig hin! – Sapperment! laß uns miteinander hingehen – ich will Deine Sache führen – ich weiß schon, wie ein alter Ritter und ein hübsches Mädchen zu kitzeln sind. – Laß Du mich nur machen, so stelle ich Dich armen winselnden Schelm wieder als rectus in curia auf. – Hol mich der Henker, Sir Heinrich Lee, will ich sagen, Ihr Neffe ist ein Stück von einem Puritaner – das läßt sich nicht abstreiten – aber ein Edelmann, und ein hübscher Kerl ist er doch bei alledem, das behaupte ich. – Fräulein! will ich sagen, Sie werden vielleicht denken, Ihr Vetter sieht in dem kahlen Filzhute und dem verwünschten braunen Mantel, dem Halstuche, das wie eine Windel aussieht, und den weiten Stiefeln, in deren jedem ein ganzes Kalbfell steckt, wie ein Psalm singender Leineweber aus – aber lassen Sie ihn nur einmal einen Biberhut mit einem Federbusche, wie sichs für seinen Stand schickt, auf dem einen Ohre tragen, geben Sie ihm eine gute Toledoklinge an die Seite, mit einem gestickten Degengurt und einem eingelegten Griff, statt der ganzen Tonne Eisen, die er da an dem Griffe seines schwarzen Haudegens hat, legen Sie ihm ein Paar witzige Worte in den Mund – und, Kreuz Donnerwetter! Fräulein, sage ich« –

»Ich bitte Dich, hör auf mit diesem Unsinn, Wildrake,« sagte Everard, »und sage mir, ob Du nüchtern genug bist, um ein Paar verständige Worte anzuhören?«

»Pah! ich habe nur ein Paar Flaschen mit jenen puritanischen, rundköpfigen Soldaten in der Stadt ausgestochen. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn ich nicht für den besten in der ganzen Gesellschaft galt. Ich kniff die Nase ein, und verdrehte die Augen, wenn ich meinen Becher aufhob – pfui! der Wein sogar schmeckte nach Heuchelei. Ich glaube, der Schurke von Corporal witterte endlich etwas – die gemeinen Soldaten aber, da sey Du nur unbekümmert, die verlangten gar, ich sollte noch über eine Flasche den Segen sprechen.«

»Gerade darüber wollte ich mit Dir sprechen, Wildrake« sagte Markham – »Du hältst mich doch für Deinen Freund?«

»Für so treu, als Stahl – wir waren Genossen in der Schule und in Lincoln's-Inn – Nisus und Euryalus, Theseus und Pirithous, Orest und Pylades, und um dem Ganzen einen puritanischen Anstrich zu geben, David und Jonathan, Alles in einem Athem. Nicht einmal Politik, der Keil, der sonst Familien und Freundschaften spaltet, wie das Eisen die Eiche, ist im Stande gewesen, uns auseinander zu sprengen.«

»Wohl wahr,« antwortete Markham, »und als Du dem König nach Nottingham folgtest, und ich unter Essex Dienste. nahm, schwuren wir beim Scheiden, daß, auf welche Seite auch immer der Sieg sich neigen möge, derjenige unter uns, der dazu gehörte, den minder glücklichen Gefährten beschützen solle.«

»Ganz recht, Freund! ganz recht! Und hast Du mich nicht demgemäß beschützt? Hast Du mich nicht vom Galgen gerettet? Verdanke ich Dir nicht das Brod, das ich esse?«

»Ich habe nur gethan, was Du, mein lieber Wildrake, unter andern Umständen gewiß auch für mich gethan hättest. Aber wie gesagt, eben darüber wollte ich mit Dir sprechen. Warum machst Du mir die Sorge, Dich zu beschützen, schwerer, als sie ohne das schon auf jeden Fall ist? Warum mengst Du Dich in die Gesellschaft von Soldaten oder solcher Leute, wo Du darauf rechnen kannst, warm zu werden und Dich zu verrathen? Warum gehst Du hier herum und schreist Reiterlieder aus, wie ein betrunkener Nachzügler aus Prinz Ruprechts Schaar, oder einer von Wilmots windbeuteliger Leibwache?«

»Weil ich zu meiner Zeit beides gewesen seyn kann, soviel Du weißt,« erwiederte Wildrake. »Aber potz Fischchen, muß ich Dich denn immer erinnern, daß unsre Verpflichtung des gegenseitigen Schutzes, unser Schutz– und Trutz-Bündniß, wie ich es nennen könnte, ohne Rücksicht auf politische oder religiöse Meinung des Beschützten statt finden sollte, so wie auch ohne die geringste Verbindlichkeit von Seiten desselben, sich den Meinungen seines Freundes zu fügen?«

»Ganz recht,« sagte Everard, »nur mit dem höchst nothwendigen Vorbehalt, daß der Beschützte sich äußerlich so in die Zeiten schicken müßte, daß sein Freund ihm leichter und sicherer nützen kann. Nun bricht es aber bei Dir beständig los, und Du gefährdest dadurch Deine eigene Sicherheit und meinen Einfluß.«

»Ich sage Dir, Mark, und wollte es auch Deinem Namensvetter, dem Apostel sagen, daß Du mir hart zusetzest. Du hast Mäßigkeit und Heuchelei vom Kinderrocke an, bis zum Genfer Wamms – von der Wiege bis heut zu Tage geübt, und es ist Dir zur zweiten Natur geworden, und nun wunderst Du Dich, wenn ein ungeschliffner, plappernder, ehrlicher Kerl, der sein ganzes Leben gewohnt war, die Wahrheit zu sagen, besonders wenn er sie auf dem Boden einer Flasche fand, kein so ausgemachter Duckmäuser ist, wie Du selbst. Poß Wetter, wir sind ja einander nicht gleich – eben so gut könnte ein abgerichteter Taucher, weil er ohne Beschwerde seinen Athem zehn Minuten an sich halten kann, einem armen Teufel Vorwürfe machen, der nach zwanzig Sekunden schon platzen will – und bei dem Allen, wenn man bedenkt, daß die Verkappung mir so neu ist, scheint mir's doch, ich benehme mich ziemlich gut darin – versuch es nur!«

»Sind mehr Nachrichten von der Schlacht bei Worcester eingelaufen?« fragte Everard in einem ernsten Tone, der seinem Gefährten Schweigen gebot, worauf dieser antwortete:

»Es steht schlimmer – hol mich der Teufel! hundertmal schlimmer, als es vorher hieß – es ist Alles vorbei. Oliver muß sich dem Teufel verschrieben haben; aber sein Contract wird doch endlich einmal ablaufen – das ist jetzt noch unser einziger Trost.«

»Was? würdest Du so dem ersten Rothrock antworten, der diese Frage an Dich thäte?« sagte Everard, »da würdest Du wohl bald im nächsten Wachthause ein Unterkommen finden.«

»Ei behüte,« antwortete Wildrake, »ich dachte, Du fragtest in eigner Person – dann würde es heißen: eine große Gnade – eine nicht genug zu erhebende Gnade – eine Gnade über alle Maßen – eine außerordentliche Vergünstigung – ein sichtbares Zeichen vom Himmel – die Uebelgesinnten sind zerstreut von Dan bis nach Barseba – geschlagen, ganz und gar zerschmettert bis zum Niedergang der Sonne!«

»Hörtest Du etwas von des Obersten Thornhaugh's Verwundung?«

»Er ist todt,« antwortete Wildrake, »das ist wenigstens ein Trost – der rundköpfige Bube – halt! da hab ich mich versprochen – der sanfte gottselige Jüngling wollte ich sagen.«

»Und hörtest Du etwas von dem jungen Manne, dem König von Schottland, wie sie ihn nennen?« fuhr Everard fort.

»Nichts, als daß er wie ein Rebhuhn auf dem Gebirge gehetzt wird. Gott erhalte ihn, und mache seine Feinde zu Schanden! – Sapperment, Mark Everard, ich kann die Possen nicht länger treiben. Erinnerst Du Dich noch bei unsern Spielen in Lincolns-Inn – doch Du mischtest Dich nicht viel darunter, glaube ich – da pflegt ich immer so gut zu spielen, als irgend einer von ihnen, wenn es zur Aufführung kam; bei den Proben aber konnten sie mich nie dahin bringen, es ordentlich zu machen. So geht mirs auch noch heute. Ich höre Deine Stimme, und antworte darauf, wie mir es eben zu Muthe ist, aber in Gesellschaft Deiner näselnden Freunde hast Du gesehen, daß ich meine Rolle so ziemlich spielte.«

»So ziemlich freilich nur,« erwiederte Everard, »indeß wird auch nichts weiter von Dir verlangt, als still und bescheiden zu seyn. Sprich nur wenig, und laß, wenn Du kannst, das gewaltige Fluchen und die stolzirenden Blicke seyn – auch Deinen Hut mußt Du gerade setzen.«

»Ja, das ist eben das Schlimme bei der Sache! Sonst rühmte man immer an mir die lustige Art, wie ich meinen Hut trüge. – Es ist doch hart, wenn die Verdienste eines Menschen seine Feinde werden.«

»Du mußt nicht vergessen, daß Du mein Schreiber bist.«

»Secretär,« antwortete Wildrake, »laß mich Secretär seyn, wenn Du mich lieb hast.«

»Schreiber, und nichts weiter – bloßer Schreiber, und vergiß nicht, höflich und gehorsam zu seyn,« erwiederte Everard.

»Dann müssen Sie mir Ihre Befehle auch nicht mit so viel prunkender Ueberlegenheit ertheilen, Herr Markham Everard. Bedenken Sie, daß ich um drei Jahre älter bin. Ich will verdammt seyn, wenn ich mich darein zu schicken weiß.«

»Kann es wohl einen tolleren Queerkopf geben? Um meinetwillen, wenn Du es um Dein selbstwillen nicht thun willst, zwinge Deine grillenhafte Thorheit, auf Vernunft zu hören. Bedenke, daß ich mich Deinetwegen mancher Gefahr und Beschämung ausgesetzt habe.«

»Ja, Du bist ein braver, guter Kerl, Mark!« erwiederte der Cavalier, »und Dir zu Liebe will ich auch Vieles thun. – Du mußt Dich aber räuspern, und hm! rufen, wenn Du merkst, daß es bei mir losbricht – und nun sage mir, wohin gehen wir jetzt?«

»In das Jagdschloß zu Woodstock, um nach meines Onkels Eigenthum zu sehen,« antwortete Markham Everard, »die Soldaten sollen es in Besitz genommen haben – wie kann das aber seyn, wenn Du sie in Woodstock beim Trunke fandest?«

»Es war eine Art von Commissär oder Beamter, oder sonst so ein Schurke hinunter ins Jagdschloß gegangen,« erwiederte Wildrake, »er ist mir auch zu Gesicht gekommen.«

»In der That?« erwiederte Everard.

»Ja wahrlich, um in Eurer eigenen Sprache zu reden. Wie ich so vor einer halben Stunde durch den Park ging, um Dich aufzusuchen, sah ich ein Licht in dem Jagdschlosse – tritt hieher, da kannst Du es selbst sehen.«

»In der nordwestlichen Ecke, das ist aus einem Fenster in Victor Lee's Zimmer.«

»Gut,« erwiederte Wildrake, »ich habe lange zu den Lundsforder Burschen gehört, und bin das Patrouilliren gewohnt – straf mich Gott, sag' ich, ein Licht kann ich nicht hinter mir lassen, ohne zu wissen, was es zu bedeuten hat. Noch dazu, Mark, hattest Du mir so viel von Deiner hübschen Base vorgesagt, daß ich dachte, ich könnte mir sie wohl einmal ein Bischen ansehen, wenn es ginge.«

»Unbesonnener, nicht zu bessernder Mensch – welchen Gefahren setzest Du Dich und Deine Freunde muthwilligerweise aus! – Aber fahre nur fort!«

»Bei dem schönen Mondschein, ich glaube Du bist eifersüchtig, Mark Everard!« erwiederte sein lustiger Begleiter, »das brauchst Du aber nicht; denn in jedem Falle war ich, der ich die Dame sehen wollte, durch die Ehre gegen die Reize Deiner Chloe gestählt – mich aber konnte die Dame nicht sehen, und also keine Vergleichungen zu Deinem Nachtheile anstellen, wie Du weißt – und endlich kam es so, daß keins von uns das andere sah.«

»Das weiß ich sehr wohl. Fräulein Alexia verließ das Jagdschloß lange vor Sonnenuntergang, und kam nicht wieder hin. Was sahest Du denn aber, und wozu diese Vorrede?«

»Je nun, viel eben nicht,« erwiederte Wildrake, »ich kletterte nur auf eine Art von Strebepfeiler (denn klettern kann ich, jeder in einer Dachtraufe miauenden Katze zum Trotz), hielt mich da an den Ranken fest, die umher wuchsen, und gewann so einen Platz, wo ich gerade in das Zimmer, von dem Du jetzt sprichst, hineinsehen konnte.«

»Und was sahest Du da?« fragte noch einmal Everard.

»Nun, viel eben nicht, wie ich schon zuvor sagte,« erwiederte der Cavalier; »denn etwas Neues ist es in diesen Zeiten nicht, gemeine Kerle in königlichen oder adeligen Zimmern schmausen zu sehen. Ich sah zwei nichtsnutzige Buben beschäftigt, ein gewaltiges Glas Brandwein zu leeren, und eine ungeheure Wildpretspastete zu verzehren, die sie zu ihrer Bequemlichkeit auf das Nähtischchen einer Dame gestellt hatten – der Eine versuchte ein Stückchen auf einer Laute.«

»Die ruchlosen Buben!« rief Everard, »es war Alexias Laute.«

»Wohlgesprochen, Kamerad – es freut mich, daß Dein Phlegma doch aufzuregen ist. Diese Dinge von der Laute und dem Tische brachte ich nur mit vor, um zu sehen, ob es möglich sey, einen Funken menschliches Feuer aus Dir hervorzulocken, da Du so ganz mit Heiligkeit übergossen bist.«

»Was waren es aber für Menschen?« fragte der junge Everard.

»Der Eine, ein mürrischer Langmantel von Schwärmer, mit einem großen niedergekrämpten Hut, wie Ihr Alle. Ich hielt ihn für den Beamten oder Commissär, von dem ich in der Stadt gehört hatte; der Andere war ein kurzer, stämmiger Kerl mit einem Jagdmesser im Gürtel, und einem langen Knittel neben sich – ein Schwarzkopf mit weißen Zähnen und einem lustigen Gesicht – vermuthlich einer der Unterförster oder Bogenträger in diesem Gehege.«

»Das muß Desborough's Liebling gewesen seyn, der getreue Tomkins, und Josselin Joliff, der Förster. Tomkins ist Desborough's rechte Hand – ein Independent, der Ergießungen hat, wie er es nennt. Einige meinen, daß es mit seinen Gaben besser steht, wie mit seinen Sitten, ich habe gehört, daß er die Gelegenheiten nicht selten mißbraucht.«

»Sie benutzten sie eben recht, als ich sie sah,« erwiederte Wildrake, »denn die Flasche dampfte – als auf einmal der Teufel sein Spiel trieb, und ein Stein, der locker geworden war, mir unter dem Fuße wegrollte. Ein täppischer Mensch, wie Du, würde so lange darüber nachgedacht haben, was zu thun sey, daß er nothwendig hätte nachfallen müssen, ehe er nur darüber ins Reine kam; aber ich, Mark, ich sprang Dir, wie ein Eichhörnchen, auf einen mit Epheu umrankten Zweig, und stand fest – beinah wär ich erschossen worden, denn das Geprassel schreckte sie beide auf. Sie sahen durchs Fenster, und wurden mich gewahr. Der fanatische Kerl zog ein Pistol heraus – wie sie denn immer solche Texte neben der kleinen Bibel bereit haben, Du weißt ja – der Förster griff nach seinem Jagdspieß – ich empfing sie Beide mit Brüllen und Grinzen – Du mußt nämlich wissen, ich kann Fratzen schneiden, wie ein Affe – ich lernte es von einem französischen Schauspieler, der die Kinnladen wie ein Nußknacker verdrehen konnte – und so warf ich mich im Grase nieder, und machte mich schnell und leise davon, immer im Schatten der Mauer, so lange es nur gehen wollte, so daß sie mich gewiß für ihren Vetter, den Teufel, hielten, der ungerufen unter ihnen erschienen sey. Sie waren furchtbar erschrocken.«

»Du bist doch entsetzlich unbesonnen, Wildrake,« sagte sein Gefährte, »wir gehen jetzt in das Haus – wenn sie Dich nun wieder erkennen?«

»Je nun, ein Verrath ists doch wohl nicht? Seit Thomas von Coventrys Zeiten ist Niemand dafür in Strafe gefallen, daß er in ein Fenster sah, und wenn er ja die Zeche bezahlen mußte, so war es vermuthlich für eine bessere Bewirthung, als die meine. Aber glaube mir, sie werden mich so wenig wieder erkennen, als einer, der Deinen Freund Oliver blos bei einer Zusammenkunft von Heiligen gesehen hätte, denselben Oliver wieder erkennen würde, wenn er zu Pferde mit feinen Seekrebsen angreift, oder auch, wenn er mit dem gottlosen Dichter Waller Witze reißt, und einer Flasche den Hals bricht.«

»Still! nicht ein Wort von Oliver, wenn Du Dich und mich lieb hast. Mit dem Felsen, an dem man zerschellen kann, ist nicht gut spaßen – aber hier ist das Thor, wir wollen die werthen Herrn in ihrer Unterhaltung unterbrechen.«

Wie er so sprach, ließ er den großen gewichtigen Klöpfel gegen das Thor erklingen.

» Rrrrrr!« – sagte Wildrake, »das ist ein schöner Aufruf für Euch Hahnreis und Rundköpfe,« worauf er den Marsch:

Hahnreis kommt und schanzt, kommt und schanzt;
Rund herum, sasa; zur Fiedel tanzt.

halb trommelte, halb sang.

»Beim Himmel! das ist ja ärger als Tollheiten in den Hundstagen,« sagte Everard, indem er sich verdrießlich zu ihm wandte.

»Ganz und gar nicht. Es ist weiter nichts, als ein kleines Räuspern vor einer langen Rede. Ich will eine ganze Stunde hinter einander ernst seyn, nun ich mir einmal das aus dem Kopfe gebracht habe.«

Wie er so sprach, vernahm man Schritte in der Halle, und das Nebenpförtchen that sich zum Theil auf, wurde aber gegen einen etwaigen Anfall mit einer Kette gesichert. An der Oeffnung erschienen Tomkins und Josselins Gesichter, von der Lampe beleuchtet, die letzterer in der Hand hielt, und Tomkins fragte, was dieser Lärm bedeuten solle.

»Ich verlange augenblicklich eingelassen zu werden,« sagte Everard. »Joliff, Du kennst mich.«

»Ich wohl, Herr!« erwiederte Josselin, »und würde Sie herzlich gern hereinlassen, aber ach! Sie sehen, daß ich die Schlüssel nicht in meiner Verwahrung habe – hier ist der Herr, der jetzt hier befiehlt – Gott stehe mir bei in diesen schlimmen Zeiten!«

»Und wenn der Herr, der, wie ich vermuthe, Herrn Desborough's Diener ist« –

»Sr. Gnaden unwürdiger Secretär, wenns Ihnen beliebt,« antwortete Tomkins, indeß Wildrake Everarden ins Ohr flüsterte: »ich mag nicht länger Secretär seyn, Mark, Du hattest ganz Recht, Schreiber muß doch ein anständigeres Amt seyn.«

»Und wenn Sie Herrn Desborough's Secretär sind,« sagte Everard zum Independenten, »so werden Sie mich und meinen Stand wohl zur Genüge kennen, und nicht anstehen, mich und meinen Begleiter ins Jagdschloß zu lassen, um unser Nachtquartier darin aufzuschlagen.«

»Gewiß nicht! gewiß nicht!« sagte der Independent, »das heißt nämlich, wenn Ew. Gnaden meinen, hier ein besseres Unterkommen zu finden, als im Gasthofe in der Stadt, den die Menschen sehr unpassenderweise St. Georgs Gasthof nennen. Die hiesigen Bequemlichkeiten sind sehr gering – und wir sind hier schon vom Satan heimgesucht worden – obwohl sein feuriges Geschoß nun erloschen ist.«

»Das mag Alles zu seiner Zeit recht gut seyn, Herr Secretär,« sagte Everard, »und Sie werden eine Gelegenheit finden, das anzubringen, wenn Sie das nächstemal wieder in Versuchung gerathen, den Prediger zu spielen. Ich sehe es aber nicht als Entschuldigung dafür an, daß Sie mich hier in dem kalten Herbstwinde draußen stehen lassen; und nehmen Sie mich nicht sogleich gebührend auf, so verklage ich Sie bei Ihrem Herrn, wegen Ihres unverschämten Benehmens.«

Desborough's Secretär wagte es nicht, sich weiter zu widersetzen; denn es war wohlbekannt, daß Desborough selbst seine Bedeutung nur der Verwandtschaft mit Cromwell verdankte, und daß der General, der schon beinah' Oberhaupt von Allem war, sehr günstige Gesinnungen gegen beide Everards, den älteren und jüngeren, hegte. Sie waren freilich Presbyterianer, und er ein Independent, und obwohl sie jene Gefühle strenger Sittlichkeit und größerer Religiosität theilten, wodurch, mit wenigen Ausnahmen, die Parthei des Parlaments sich auszeichnete, so waren doch die Everards nicht so geneigt, dies bis zur höchsten Schwärmerei, wie zu der Zeit manche Andere, zu treiben. Indeß wußte man auch sehr wohl, daß was auch immer Cromwells eigener Glaube seyn mochte, er sich bei der Wahl seiner Lieblinge nicht immer dadurch leiten ließ, sondern auch diejenigen beschützte, die ihm dienen konnten, selbst wenn sie, nach dem damaligen Ausdruck, aus egyptischer Finsterniß herkamen. Der ältere Everard stand in hohem Rufe wegen seines Verstandes und Scharfsinns; da er überdies von einer guten Familie war, und ansehnliches Vermögen besaß, so gab sein Zutritt der Parthei, zu der er sich hielt, ein Ansehen. Ferner war sein Sohn ein glücklicher und ausgezeichneter Krieger gewesen, und hatte sich durch die unter seinen Leuten erhaltene Mannszucht, durch Tapferkeit im Kampfe, und durch Menschlichkeit nach dem Siege ausgezeichnet. Solche Menschen durften nicht vernachlässiget werden, wo so manches sich vereinte, um zu zeigen, daß die Partheien im Staate, denen die Absetzung und der Tod des Königs so glücklich gelungen war, gar bald unter einander über die Theilung der Beute zanken würden, Cromwell buhlte daher gar sehr um die Gunst der beiden Everards, und ihr Einfluß bei ihm galt für so groß, daß der getreue Herr Secretär Tomkins nicht Lust hatte, durch einen Streit mit dem Obersten Everard, um so eine Kleinigkeit, wie ein Nachtquartier, sich Gefahren auszusetzen.

Josselin seinerseits zeigte sich sehr geschäftig; es wurden mehr Lichter herbeigebracht, mehr Holz auf das Feuer geworfen, und die beiden neuangekommnen Fremden in Victor Lee's Zimmer gebracht, wie es nach dem schon beschriebenen Bilde über dem Kamine genannt wurde. Wohl einige Minuten dauerte es, ehe Oberst Everard seine gewöhnliche stoische Haltung wieder gewinnen konnte, so tief fühlte er sich ergriffen, als er in das Zimmer trat, in welchem so viele von den glücklichsten Stunden seines Lebens vergangen waren. Dies war der Schrank, den er mit solchem Entzücken, offen gesehen hatte, wenn Sir Heinrich Lee ihn im Fischen Anweisung ertheilte, und ihm Haken und Angelschnuren zeigte, nebst allen Materialien zur Verfertigung der damals noch wenig bekannten künstlichen Fliege. Dort hing das alte Familien-Gemälde, welches nach einigen wunderlichen, geheimnißvollen Ausdrücken seines Onkels, in Hinsicht auf dasselbe, ihm als Knabe, ja sogar in den ersten Jünglingsjahren ein Gegenstand der Neugierde und Furcht gewesen war. Er erinnerte sich, wie, wenn er allein im Zimmer gelassen wurde, das suchende Auge des alten Kriegers immer auf das seinige gerichtet schien, wohin er sich auch im Zimmer stellen mochte, und wie seine kindische Phantasie über eine Erscheinung, die er sich nicht erklären konnte, in Bestürzung gerieth.

Mit diesen Erinnerungen drängten sich auch tausend andere, werthere und innigere aus der frühern Zeit seiner Liebe zu seiner hübschen Base Alexia ihm auf, wenn er ihr beim Unterrichte half, ihr Wasser für ihre Blumen brachte, oder ihren Gesang begleitete, und er erinnerte sich, daß er einst ihren Vater hatte murmeln hören, indeß er sie mit einem gutmüthigen und sorglosen Lächeln ansahe: »wenn es so kommen sollte – je nun, so könnte es wohl für Beide das Beste seyn,« und die herrlichen Luftschlösser, die er auf diese Worte erbauet hatte. Alle diese Traumbilder waren durch die Kriegstrommete verscheucht worden, welche ihn und Sir Heinrich Lee nach verschiedenen Seiten rief, und die Vorfälle dieses Tages hatten gezeigt, daß Everards Glück als Krieger und Staatsmann ihm jede Aussicht zu ihrer Wiederbelebung völlig zu vernichten schien.

Aus diesem unangenehmen Nachsinnen weckte ihn Josselin, der, des Trinkens vermuthlich schon gewohnt, die nöthigen Einrichtungen schneller und pünktlicher gemacht hatte, als es von einem Manne zu erwarten stand, der seit Sonnen-Untergang bei der Flasche gesessen hat.

Er ersuchte nun den Obersten, ihm seine Befehle zu geben.

»Wünschen Sie etwas zu essen?«

»Nein.«

»Wollen Ew. Gnaden in Sir Heinrich Lee's Bett schlafen, das schon bereit steht?«

»Ja,«

»Fräulein Alexias Bett kann für den Secretär eingerichtet werden.«

»Wenn Dir Deine Ohren lieb sind, nein,« erwiederte Everard.«

»Wo soll denn der ehrsame Herr Secretär einquartiert werden?«

»Im Hundestall, wenn Du sonst willst,« erwiederte der Oberste Everard, »aber, »fügte er hinzu, indem er auf Alexias Schlafgemach zuging, das in dies Wohnzimmer führte, es zuschloß, und den Schlüssel herauszog, »dies Zimmer soll Niemand entweihen.«

»Haben Ew. Gnaden noch etwas für die Nacht zu befehlen?«

»Nichts, als daß Du mir jenen Menschen aus dem Zimmer schaffst – mein Schreiber bleibt bei mir – ich habe noch vieles zu schreiben – doch bleibe, Du gabst heut morgen meinen Brief an Fräulein Alexia?«

»Ja.«

»Erzähle mir, guter Josselin, was sagte sie, als sie ihn bekam?«

»Sie schien sehr besorgt, und ich glaube wirklich, sie weinte ein Bischen – aber sehr bekümmert schien sie wirklich.«

»Und was ließ sie mir sagen?«

»Nichts, erlauben Sie – sie fing an: »Sage meinem Vetter Everard, daß ich dem Vater, meines Onkels gütige Absicht mittheilen will, wenn ich eine schickliche Gelegenheit finden kann – ich fürchte aber sehr« und da drückte sie, so zu sagen, etwas zurück, und sagte: »Ich will meinem Vetter schreiben, und da es spät werden möchte, ehe ich eine Gelegenheit finde, mit meinem Vater zu sprechen, so komm nach der Kirche, um die Antwort zu holen« – so ging ich denn zur Kirche, um die Zeit hinzubringen; aber als ich wieder ins Revier kam, hatte dieser Mann meinen Herrn zur Uebergabe aufgefordert, und ich mußte, wohl oder übel, ihn in Besitz des Jagdschlosses setzen. Gern hätte ich Ew. Gnaden einen Wink davon gegeben, daß der alte Ritter und das Fräulein Sie wahrscheinlich überrumpeln würden, aber das ließ sich nicht thun.«

»Du hast Deine Sache brav gemacht, guter Bursch, und ich will Dirs gedenken – und nun, Ihr Herren,« sagte er, sich den Schreibern oder Secretärs nähernd, die sich unterdeß ruhig zu dem Steinkruge gesetzt, und Bekanntschaft mit einem Glase von dessen Inhalte gemacht hatten – »muß ich Sie erinnern, daß es spät wird.«

»Zum Anstoßen ist aber noch etwas in der Flasche,« entgegnete Wildrake.

Der Oberst von der Parlaments-Parthei räusperte sich, und wenn auch sein Mund nicht die Unbesonnenheit seines Gefährten verfluchte, so mag ich doch das, was in seinem Herzen vorging, nicht verbürgen – »schon gut,« sagte er, als er gewahr wurde, daß Wildrake sein eigenes und Tomkins Glas wieder gefüllt hatte, »trinkt noch das Glas zum Schluß, und dann geht.«

»Wollten Sie nicht gefälligst erst anhören,« sagte Wildrake, »wie dieser redliche Herr heut Abend den Teufel durch jenen Fensterflügel hereinblicken sah, und wie er meint, daß derselbe Ew. Gnaden unterthänigstem Diener und Schreiber sehr ähnlich sieht? Wenn Sie nur das mit anhören, und dann ein einziges Glas von diesem sehr empfehlenswerthen Branntwein dazu trinken wollten.«

»Ich mag nicht trinken,« sagte Oberst Everard in strengem Tone, »und muß Ihnen sagen, daß Sie schon ein Glas zu viel getrunken haben – Herr Tomkins, ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«

»Ein Wort zu seiner Zeit, ehe wir scheiden,« sagte Tomkins, indem er sich hinter die lange mit Leder beschlagene Rücklehne eines Stuhls stellte, und sich dabei räusperte, als wolle er eine Ermahnungsrede halten.

»Entschuldigen Sie,« erwiederte Markham Everard streng. »Sie sind jetzt nicht genug bei sich, um Andacht in Andern zu erwecken.«

»Wehe denen, die das Wort verwerfen!« sagte der Secretär, indem er aus dem Zimmer schritt – das Uebrige verlor sich, indem er die Thür zumachte, oder er hielt es auch, aus Furcht zu beleidigen, zurück.

»Und nun begieb Dich in Dein Bett, Du toller Wildrake, dort steht es,« indem er auf des Ritters Gemach wies.

»Was? das Zimmer der Dame hast Du für Dich aufgehoben? Ich sah, wie Du den Schlüssel in Deine Tasche stecktest.«

»Ich möchte nicht – in jenem Zimmer könnte ich in der That nicht schlafen – ich kann nirgends schlafen – ich will in diesem Lehnsessel wach bleiben, ich habe ja Holz zum Feuer legen lassen – geh nur zu Bett und schlafe Deinen Rausch aus.«

»Rausch! – laß Dich nicht auslachen, Mark – Du bist ein Schwächling, und der Sohn eines Schwächlings, und weißt gar nicht, wie viel ein braver Bursch bei der Flasche vermag.«

»Alle Laster seiner Parthei sind doch in diesem armen Menschen vereint,« sagte der Oberst bei sich selbst, indem er seinen Schützling von der Seite ansah, der mit eben nicht sehr festem Schritt sich in sein Schlafzimmer begab – »er ist leichtsinnig, unmäßig und ausschweifend, und kann ich ihn nicht sicher nach Frankreich hinüberschaffen, so bringt er gewiß noch sich und mich ins Verderben – doch bei dem Allen ist er gutherzig, brav und großmüthig, und würde sich so treu gegen mich erwiesen haben, als er es jetzt von mir erwartet; und worin bestände denn das Verdienst unsrer Treue, wenn wir unser gegebenes Wort, sobald es uns in Schaden bringen kann, nicht halten wollten? Ich will mir jedoch die Freiheit nehmen, mich gegen fernere Unterbrechungen von seiner Seite sicher zu stellen.«

Mit diesen Worten schloß er die Thür des Schlafzimmers, in welches der Cavalier sich begeben hatte, schritt dann gedankenvoll einigemal im Zimmer auf und nieder, setzte sich wieder, und zog ein Paket Briefe heraus – »ich will diese noch einmal durchlesen,« sagte er, »damit, wo möglich, der Gedanke an öffentliche Geschäfte dies scharfe Gefühl des eigenen Kummers überwältige. Gütiger Himmel! wo soll das enden? Wir haben den Frieden unsrer Familien, die wärmsten Wünsche unserer jugendlichen Herzen zum Opfer gebracht, um dem Lande, worin wir geboren worden, sein Recht zu verschaffen, es von Unterdrückung zu befreien; doch scheint es fast, als hätte jeder Schritt zur Freiheit uns nur neuen schrecklichern Gefahren näher gebracht, wie der, der in eine Gebirgsgegend reist, mit jedem Schritte höher in eine gefährlichere Lage geräth.«

Er las lange und aufmerksam mehre langweilige und verworrene Briefe, deren Schreiber ihm den Ruhm Gottes und die Freiheit und Vorrechte Englands als ihren Hauptendzweck darlegten, aber doch bei allen zweideutigen Ausdrücken, die sie gebrauchten, Markham Everards hellsehendes Auge nicht verhindern konnten, wahrzunehmen, daß Eigennutz und ehrgeizige Absichten im Grunde die Haupttriebfedern ihrer Pläne wären.


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